Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 7. Dezember 2011
Internetgewese
Ich hab mal ein bisschen bei den Internetenthusiasten herum gelesen:
  1. Sollte man von „digitaler Vernetzung“ sprechen, wenn Menschen miteinander reden oder sich schreiben? Das Internet tut ja nix, es ist das Medium, in dem Menschen das tun. Sollte man dabei von „Sphäre“ reden? Wenn auf einem Marktplatz Wurst und Gemüse und billige Klamotten verkauft werden, Kunden und Händler ihre Gespräche führen, Passanten sich über andere Passanten lustig machen, Herr A. Herrn B. etwas über die Erlebnisse der letzten Woche erzählt, sich zwei Leute beschimpfen und ein Dritter versucht mäßigend einzuwirken, sollte man das dann eine „Sphäre“ nennen oder ist das nur metaphysisches Geschwätz?
  2. „Das Internet ist Geburtsort und Lebensraum der Kommunikationsgesellschaft und somit Chiffre für einen Epochenwandel“ Schon wenn ich mir den Geburtsort einer Gesellschaft vorstellen soll, wird’s mir so … da mag ich dann den Lebensraum dieser Gesellschaft schon nicht mehr nachphantasieren. War da noch was? Ach ja die „Chiffre“ (von arabisch sifr „leer, Null“) und der Epochenwandel. Welche Epoche wandelt sich denn da?
  3. „Die Hierarchie zwischen Sender und Empfängern ist im Netz bekanntlich aufgehoben“ las ich kürzlich und dachte spontan: ist das denn so? Warum gehen dann so viele Leute zu SPON ( „Unser täglich SPON gib uns heute“ ) oder Telepolis? Wer eine Vorgabe macht bestimmt in gewissem Umfang den Tenor, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer schreibt sendet und wer liest empfängt.
  4. Und weiter „Jede Meinung verhilft sich zu ihrem Recht, öffentlich oder halböffentlich geäußert zu werden.“ Öffentlichkeit ist der Gegenbegriff zum Privaten (eigentlich umgekehrt, aber das ist andere Debatte) und setzt eine breitere Wahrnehmung, einen Focus auf etwas voraus. Gespräche am Stammtisch wurden in der guten alten Zeit nicht zur Öffentlichkeit gezählt. Am Stammtisch wurden die Absprachen getroffen, die dann später auf der öffentlichen Gemeinderatssitzung nicht mehr diskutiert wurden. Gegenöffentlichkeit war der Versuch dem etwas entgegen zu setzen. Das hat nie wirklich gut funktioniert. „Das Gegen- braucht heute kein Mensch mehr.“ Und zwar weil angeblich jeder ins Internet hineinschreiben kann. Ich weiß ja nicht, ich weiß ja nicht, im Netz konstituiert sich doch keine Öffentlichkeit, zumindest nicht in dem Verständnis wie ich es oben angedeutet habe. Wenn viele reden und alle von etwas anderem und sich keiner wirklich für die Überlegungen der anderen interessiert, ist doch keine Öffentlichkeit hergestellt, sondern bestenfalls eine Stimmung ablesbar. Die Öffentlichkeit 2.0 ist keine. Sie müsste erst hergestellt werden.
  5. Und ob es zu wenig Meinungen in und ausserhalb des Netzes gibt und gab, wäre dann auch noch mal so eine Frage.
  6. dass Technologien per se einen emanzipativen Impetus hätten wäre mir auch neu.
  7. Über das Automatengewese hatten wir uns ja schon in diesem Blog unterhalten.

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Dienstag, 6. Dezember 2011
Naslöcher XIII
Kuippana, des Waldes König,
Du, des Waldes froher Graubart,
Halt' beisammen deine Hunde,
Zähme deine jungen Kläffer!
Steck' ein Schwämmchen in ein Nasloch,
Eine Eichel in das andre,
Daß sie nicht die Pferde wittern,
Den Geruch des Viehs nicht spüren!
Bind die Augen du mit Seide,
Schließ die Ohren du mit Binden,
Daß sie nicht die Wandrer hören,
Nicht die Schreitenden erblicken!
(Kalewala)

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Montag, 5. Dezember 2011
Vögel,
diese übrig gebliebenen Dinosaurier, das müssen Sie doch zugeben, sind ein fürchterliches Volk.

Früher, in den goldenen Zeiten, kackten zwar Heerscharen von Tauben die Stadt voll, aber immerhin konnte man verhalten hoffnungsvoll in die Zukunft sehen, Erna und Kurt sei Dank, heute sind die goldenen Zeiten der Taubenplage („geflügelte Ratten“ Woody Allen) vorbei. Unwiederbringlich. Kein sanft enervierendes gurr-gurr-gurr unterbricht den sonntäglichen Mittagsschlaf, kein deppertes Flügelschlagen und abkoten über dem eigenen Kopf verleidet einem die Zeitungslektüre und auch die aufgeblasenen Hälse der Columba livia forma domestica, dabei dem weiblichen Tier unermüdlich hinterherjagend, werden wohl bald der Vergangenheit angehören. Ich fürchte, wir werden uns noch alle danach zurücksehnen, denn schon bald taucht eine neue, ernstere, weil nervtötendere Spielart der Belästigung auf gegen die Erna und Kurt nicht auszurichten vermögen:
„Grruuar, grruar“, schnarrt dieses lärmende, aggressive Volks, die Krähen das sich anschickt die Tauben auf der Lästlingsskala (die Latte-Macchiato-Muttis sind in dieser Beziehung natürlich nach wie vor unangefochten an der Spitze aller Widrigkeiten, die dem gemeinen Städter das Leben schwer machen) zu überholen. Sie veranstalten ein Gezeter, wenn ein Regen droht. Irgendwann muss ich eines dieser Mistviecher fragen, warum sie das tun. Beschwören sie ihren Krähengott? Oder ist es wie bei den Italienern, die bei einem Stau frenetisch zu hupen anfangen, weil sie durch die Bank davon überzeugt sind, dass die Autos vor ihnen durch lauten Hupen zuerst opak werden, dann langsam zerbröseln um in einer dritten und letzten Phase gasförmig und anschließend vom Winde verweht werden. So wird es wohl sein. Vielleicht sind die Krähen aber auch wie alle anderen Berliner und nehmen erst mal übel, so ganz grundsätzlich: sich irgendwo hin setzten und übel nehmen.
„Grruuar, grruar“ , grölt dieses Pack, wenn sie ihre Kumpels herbeirufen, um einen Abfallkorb oder liegengebliebenen Pommesreste an einer Imbissbude zu plündern. Zehn Krähen mit Beute machen beschäftigt, sollten Sie besser nicht stören.
Wenn einem Kind das Junkfood aus der Hand fällt, kann man weithin hören, wie die Krähen herbeigerufen werden und wehe das Kind will seine Käsestange, seinen Burger oder seine Wurst wieder haben. Diese Biester hacken nach den Händen oder fliegen Angriffe gegen den Kopf. Noch haben sie Respekt vor einem kräftigen Schuh oder Regenschirm, aber wie lange noch? Irgendwann werden sie lernen, dass man gemeinsam einen Menschen, egal wie groß er ist, genau so leicht vertreiben kann, wie einen Raubvogel, einen Fuchs oder eine Katze.
Die dritte Vogelart, die mir das Leben schwer macht, sind die Mauersegler über meinem Schlafzimmerfenster. Pünktlich jedes Frühjahr rücken sie an, schmeißen den ganzen Dreck vom letzten Jahr aus ihren Nestern auf meinen Balkon um dann den Sommer über jeden Morgen und jeden Abend unter schrillem Gefiepe auf Mückenjagd zu gehen. Können die keine Tauben oder Krähen fressen?
Pünktlich jeden Morgen und jeden Abend stehen meine beiden Mädels an der Balkontüre. So viel Beute, so nah.
„Knack, knack“ , knirscht die eine Katze mit den Zähnen. Der Schwanz zittert vor Aufregung. Da sie an die Vögel nicht heran kann, dreht sie sich zu mir um und maunzt mich an: „Du bist doch die große Katze, bring mir diesen wilden Flieger. Ich will ihm den Kragen durchbeißen. Knack, knack, jetzt, sofort.“
„Klappe Katze“ raune ich dann im Halbschlaf, „lass die blöden Mauersegler tun was immer sie zu tun haben.“
„Mauiah“ ruft dann die andere Katze und springt mit einem Satz auf die Fensterbank, dass die Blumentöpfe wackeln. „Mauiah“ so viel Beute, so nah, so lecker und man kommt nicht dran.


Zum Abschluss: ein kleines Lied über Vögel

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Freitag, 2. Dezember 2011
Schlechte Morde 6: Amischnepfe
schon wieder ein Kurzroman
Also, schwierig wegen Antiamerikanismus oder so. Also wenn Schnepfe mit Serviette und fünf Striche und Balken obendrüber. Also so: Speak english? Where monument? Hä? Nix Reiseführer? Japaner immer mit Reiseführer und sogar Stadtplan, Ami nicht. Blöde Schnepfe. Ach! Brandenburger Tor? Dann: Bahn soundso, Bus und dann monument. Aber eigentlich: Winter, Spree kalt, Schnepfe reinwerfen. Brrr. Mit Klamotten: sofort erfrieren, Untergang, weiße Flotte drüber, gutes Drama, Einheimische glücklich. Zack! Also wo Problem? Na: andere Touristen sehen, schreien, Menschenauflauf, Kripo, Botschafter, Regiermeister, Abendschau. Au Weia! Zehn Jahre, dann Resozialisierung, aber alter Mann, keine Weiber, kein Alkohol und Schnepfe längst aus Krankenhaus, verheiratet, sexuell aktiv oder Praktikantin oder so. Schlecht. Geht nicht. Schlechter Plan, Zack!

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Donnerstag, 1. Dezember 2011
Schnipsel
  1. Bevor mich die Kontinentaldrift erwischt, lasse ich mich lieber vom Auto überfahren.
  2. Unter Auslegware muss man nicht nur den Müll verstehen, den es im Baumarkt gibt. Auslegware wird auch von Sozialwissenschaftlern (inkl. Geisteswissenschaftlern) hergestellt.
  3. BKM. Braucht Kein Mensch. BID. Brauch Ich Doch. WJEJ. Wie Jetzt? Echt Jetzt? NNN. Ne Ne Ne.
  4. Das Buch ist arm an Personal und nicht zu lang,
  5. Das Buch ist gebunden und die Schrift sehr gut lesbar.
  6. Der Held des Romans ist den Weibchen nicht gewachsen.
  7. Woher kommt eigentlich das rasante Bedürfnis Erfahrungen stante pede zurichten zu wollen und wenn das nicht geht, unvermittelt abzuwehren? Ich habe beispielsweise einmal versucht, jemand zu erzählen, dass ich einen Offizier in besonderem Einsatz sympathisch fand. Natürlich war der OibE ein Spitzel und Denunziant und hatte den Auftrag zu zersetzen. Ich wollte mich ja auch nur wundern und dahinter kommen, was ihn sympathisch machte, zumal ich einen anderen OibE nur wenige Tage zuvor kennen gelernt hatte, der Beklemmungen bei mir verursachte.

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Mittwoch, 30. November 2011
Eheglück oder so
In der Bahn setzt sich ein älteres Ehepaar neben mich, der Mann sitzt direkt neben mir. Schon beim Einsteigen hörte ich, wie die Frau ihrem Mann etwas erzählt. Nachdem sie sich gesetzt hatten, ging es um eine Nachbarin, die zu einer anderen Nachbarin etwas gesagt hatte, worauf diese … usw. usf. Ein stetig dahin rieselnder Redefluss. Die Stimme kaum moduliert, aber mit lautem, schrillen Diskant. Die Erzählung wurde nicht direkt geschrien, lag aber dennoch etwas über dem erträglichen Maß, die Klangfärbung schepperte nicht direkt, hatte aber einen leichten ‚Überschlag‘, so wie ihn Pubertierende gelegentlich hören lassen. Kurz: so weit an der Schmerzgrenze, dass das Lesen und sei es nur ein Artikel von der letzten Seite (Vermischtes, Weltspiegel, oder wie eine Freundin von mir diese Rubrik nennt: Frauen, Pferde und Rentner), nicht möglich ist. Immer wird die Aufmerksamkeit gerade so weit angezogen, dass man eineinhalb Sätze zuhört, um dann gelangweilt wieder zu seiner Zeitung zurückzukehren. Der Mann neben mir schwieg beharrlich.

Das ging so zwei oder drei Stationen, dann fällt mir auf, dass sich ganz leise, undeutlich, im Hintergrund ein weiteres Geräusch dazu gesellt hatte. Neugierig hörte ich genauer hin: ein gleichmäßiges Atmen hatte sich unter die scheppernde Rede gelegt. Der Mann war eingeschlafen.

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Dienstag, 29. November 2011
Hannoveraner sind ja auch Menschen

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Montag, 28. November 2011
Versuch die Fährnisse beim Pinkeln genauer zu fassen
Versuch über den Versuch lautete vor vielen Jahre mal der Titel eines Aufsatzes, ich glaube im Kursbuch, an den ich mich nur in Bruchstücken erinnere. Damals wurde viel versucht. (Nein, nein, nein, über die Versuchung und die Versuchungen, da sei der H. vor, werde ich mich jetzt nicht äußern.)

Ich will mich heute nur den Widrigkeiten, Gefahren und Ungezogenheiten, denen man beim Pinkeln ausgesetzt ist, widmen.

Zunächst jedoch müssen wir den Gegenstand noch etwas eingrenzen.

Unberücksichtigt bleiben soll beispielsweise das wilde Pinkeln in der Natur. Wir werden uns also nicht ins Freie begeben und es werden auch keine Reflexionen über die natürliche Überlegenheit des Mannes über die Frau in diesem Zusammenhang erörtert. Ferner soll es nicht über das Sitzpinkeln bei Freunden oder im häuslichen Bereich gehen. Auch hier ließen sich Erfahrungen und Widersprüche bezüglich Männer und Frauen einflechten. Dies wird nicht geschehen. Auch werden keine Betrachtungen über denkbare oder tatsächliche physiologische Probleme und deren Behandlung, wie man vielleicht denken mag, die zudem keineswegs in Zusammenhang mit den verschiedenen Geschlechtern gebracht werden, geschildert. Über all dies wird hier nichts zu lesen sein.

Gegenstand des nachfolgenden Versuchs ist ausschließlich das halböffentliche Pinkeln am Urinal, wobei Bauweise, Funktion und Geschichte des Urinals als bekannt vorausgesetzt werden.

Der Versuch gliedert sich in drei Teile und betrifft ausschließlich den männlichen Teil der Bevölkerung.

1. Das Krawattenproblem
Wie der Eine oder Andere weiß oder vermutet liebe ich Krawatten. Ich habe eine ganze Reihe davon, die Manche schön und Einige auch krass finden. Leider sind die Gelegenheiten eine Krawatte zu tragen in unserer, der Etikette eher fernen Zeit, selten geworden. Auf Beerdigungen gehe ich nur bei begründeten Anlässen und im Theater oder in der Oper tragen nur Theater- und Opernhasser einen Binder. So bleiben eigentlich nur Hochzeiten, Konfirmationen, Taufen, die ja nun auch eher selten sind, sowie einige wenige berufliche Anlässe, um sich mal mit einer Krawatte zu schmücken. Schade eigentlich.

Nun trinkt man zu solchen Anlässen, vor allem wenn man nicht selbst vortragen muss und es nach kurzer Zeit rechtschaffen langweilig wird, viel – keinen Alkohol, Gott bewahre bzw. bedauerlicherweise – sondern Wasser, Kräutertee oder Saft, keinesfalls aber Kaffee, denn, jeder erfahrene Herumsitzer weiß das, Kaffee macht einen nach der vierten oder fünften Tasse völlig kirre und verhindert jenes interesselose Wegdämmern, das, jeder erfahrene Weghörer weiß das, so notwendig ist, das man jedem Studenten und jeder Studentin ein Praktikum in dieser Disziplin vor Aufnahme einer Berufstätigkeit verpflichtend vorschreiben sollte. Aber die Jugend hört ja nicht zu und schlägt wohlmeinende oder mahnende Worte in den Wind.

Wiewohl Klagen über die ignorante Jugend zweifellos berechtigt sind und zu allen Zeiten berechtigt waren, müssen wir uns nun der Pause widmen, die auch nach den längsten Meetings, Sitzungen, Beratungen, Tagungen, Schulungen oder Seminaren zwangsläufig eingelegt werden müssen. Irgendwann fordert der Körper sein Recht und die Unruhe im Raum ist nur noch zu dämpfen, wenn man die Teilnehmerinnen und Teilnehmer endlich in die hart erduldete Pinkelpause entlässt. Lassen wir mal das Sonderproblem beiseite, dass die Toilettenausstattung in manchen Betrieben, Einrichtungen oder Bildungsstätten (der Alternativsektor ist in diesem Zusammenhang besonders kritisch hervorzuheben) ungenügend und lange Schlangen unvermeidlich sind und wenden uns sofort dem Kern unsrer Betrachtungen zu: Wir müssen dringend, wir stehen vor dem Becken, wir blicken nach unten und sehen: eine Krawattenspitze, die in einem Winkel von ca. 30º die Sicht auf den Reißverschluss (englisch zipper; auch Zippverschluss oder kurz Zipp genannt) beziehungsweise die Knopfleiste versperrt. Was tun ohne genervt tastend suchend herum zu nesteln? Ganz klar! Mit geübtem Schwung wird die Krawatte über die Schulter geworfen und alles Weitere geht dann wie von selbst. Soweit stellt sich die Angelegenheit noch als weitgehend unproblematisch dar.

Das Problem und nun befinden wir uns im weiten Feld der Ästhetik, wird erst offensichtlich, wenn man sich anschließend zum Waschbecken begibt, um seine Hände zu waschen. Denn nun steht man vor dem Spiegel und erblickt eine reichlich lächerliche Gestalt über die man nur zu gerne Hohn und Spott ausschütten möchte, wenn man es den nicht selbst wäre. Die Spottlust wird bei solchen Gelegenheiten noch weiterhin angeheizt, wenn einer oder zwei Leidensgenossen zugleich ihre Geschäfte getätigt haben und in gleicher Weise mit Krawatte über der Schulter hinter einem stehen und ebenfalls ihre Hände waschen wollen. Drei Herren in sanft entblößter Situation, die sich im gleichen Augenblick im Spiegel sehen. Nichts könnte lächerlicher sein.

2. Das Diskursproblem
Nichts könnte lächerlicher sein, führte ich im ersten Kapitel aus. Weit gefehlt!

Zum näheren Verständnis kehren wir zurück zu der Situation als die Herren mit über den Schultern geklappten Krawatten am Urinal stehen. Noch können sie sich nicht sehen, denn jeder ist darauf konzentriert den völlig identischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, jeder erledigt die anstehende Angelegenheit mit Konzentration und Hingabe. Jeder? Nein, es gibt Zeitgenossen, denen just in diesem eher privaten Moment einfällt, dass sie schon längst und man vergisst ja so viel, aber wo wir doch gerade hier stehen und da fällt mir ein, also es ist ja nicht so wichtig und einen gesonderten Termin wollte ich wegen so einer Kleinigkeit nun auch nicht machen, aaahber, wie ist das noch mal …

Unversehens ist man in einem Fachgespräch. Die Kleinigkeit stellt sich dann als doch etwas größer dar. Mit einem halben Satz oder einem Ja bzw. Nein lässt sie sich nicht beantworten und nach einer präzisen und knappen und doch nur vorläufigen Antwort kommt man überein, das Thema nach der Sitzung bzw. in den nächsten Tagen dann ausführlicher und mit Blick in die dazu benötigten Unterlagen nochmals zu besprechen. Wenn man Glück hat war zu der kurzen Antwort keine übergroße Konzentration notwendig, wenn man Pech hat, pinkelt man so ungeschickt an den Rand, dass einige Tröpfchen auf die Hand oder die Hose spritzen. Das sind dann so die Momente unter denen die Kollegialität leidet und einem so Gedanken kommen. Gedanken, für die sich auch ein Staatsanwalt interessiert, Gedanken, die den Verfassungsschutz oder die Homeland Security hellhörig werden lassen, Gedanken, die sich mit Explosionen, Faustfeuerwaffen oder Brandbeschleunigern befassen, Gedanken, die auch nicht verschwinden wollen, wenn sich der Dritte im Bund in die Diskussion einmischt und noch ein anderes Thema einführt und sowieso die Welt Scheiße findet, insbesondere wie er im Betrieb behandelt wird und was man denn – bitteschön – dagegen zu unternehmen gedenkt, so Gedanken halt. Wenn man dann den Hosenschlitz endlich geschlossen hat und an das Waschbecken tritt, während die Krawatten noch über den Schultern hängen und man die Welt ziemlich ungerecht findet und die beiden Mitstreiter immer noch auf einen einreden, wenn man sich dann im Spiegel sieht, kommt man sich ziemlich lächerlich vor.

3. Das Problem des fernmündlichen Austauschs
Wir sprachen gerade über die Momente im Leben, in denen man sich ziemlich lächerlich vorkommt und längst zu der Auffassung gekommen ist, dass es nun aber auch langsam gut sei. Das muss nicht so sein.

Kehren wir zurück zu der oben und auch noch weiter oben geschilderten Situation: Drei Herren am Urinal mit geschürzten Krawatten, zwei intensiv diskutierend, einer eher verhalten. Die Debatte ist in dem Stadium etwas an Fahrt und Hitze aufzunehmen als das Handy in der Hosentasche klingelt. Je nun, man kann ja berechtigterweise der Auffassung anhängen, dass es Situationen gibt, das sollen sie einen doch einfach am Arsche lecken. Solchen Auffassungen kann man nur schwer widersprechen, Gegenargumente lassen sich nur in sehr überschaubarer Anzahl finden. Ein gutes Gegenargument ist, dass man einen wichtigen Anruf erwartet, den man mit Blick auf die spärlichen Pausen versucht hat so zu arrangieren, dass er passgenau in die erwartete Pinkelpause fällt und dass dieser Anruf aus Übersee kommt, wirklich wichtig ist und von dem Anrufer aufgrund der Zeitverschiebung freundlicherweise während des Abendessens mit seiner geliebten Frau versprochen hat zu tätigen. Je nun, da kann man nicht einfach sagen: rutsch mir den Buckel runter. Ich kann jetzt nicht, macht doch was ihr wollt, mit mir nicht, ist mir doch alles sowas von scheißegal. Kann man nicht. Man kann nur abschütteln, die Hose zumachen, das Telefon zwischen Schulter, Krawatte und Backe einklemmen, zu den Mitdiskutanten sagen: „Ruhe jetzt!“ und das Gespräch annehmen. Es empfiehlt sich ruhig zu bleiben, auch wenn keine Ruhe ist. Wenn man dann beim telefonieren mit übergeworfener Krawatte und eingeklemmten Handy und zwei gestikulierenden Herren im Hintergrund, deren Krawatten ebenfalls über der Schulter liegen, sich die Hände wäscht und dabei zufällig in den Spiegel sieht, dann erst ist der Punkt erreicht, der die Situation aus jeder Realität enthebt. Glauben Sie mir: das sieht lächerlich aus.

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Freitag, 25. November 2011
Fundstücke 46. und 47.KW
Hintergründe und Sichtweisen:
  • Hüseyin Ayvaz: Wie die Sprache der systematischen Ausgrenzung mit Unworten agiert
  • Cigdem Akyol: Alltäglicher Rassismus
  • via anders deutsch
  • Anschläge und Fragen
  • Jana Hensel: Wie die drei Neonazis in den Terror ¬abglitten
  • Veronica Frenzel über Lothar König und die Entwicklung der rechte Szene in Jena
  • Die seltsame Popularität des Nonkonformismus
  • Micha Brumlik über das Essay von Jürgen Habermas "Zur Verfassung Europas“
  • Frauensprachenforschung in der DDR
  • (Interview mit Elisabeth Badinter) Feminismus der interessanteren Art
  • Warum haben die Deutschen Hitlers Befehle bis zuletzt befolgt? Ian Kershaws Studie "Das Ende".
  • Zum Thema Schwarz/Weiß/Rassismus. Wenn ich das richtig sehe ist das wohl State of the Art
  • Die Azubis der Revolution
  • Die Unruhen in den britischen Städten gingen von "antisozialen" Menschen aus
  • via Nachdenkseiten

    kluges und interessantes:
  • „der Bürger als (1) als schwer fassbares Subjekt, (2) als widerspenstiges Kind, das belehrt und über seine eigenen Interessen aufgeklärt werden muss, (3) als Empfänger staatlicher Gaben und Beitragszahler für das Gemeinwohl, (4) als Mensch, der Freiheit fürchtet aber Freiheit braucht.“
  • via nachdenkseiten
  • Wolf Kittler über Heinrich von Kleist als Poeten eines neuen Krieges
  • Neonazi-Gegner im Visier
  • via lawblog
  • Occupy mit Schüttelfrost
  • Der moderne Mann


  • Dazu



    George Carlin

    Neue Wörter:
  • "Diarrhoe corinthica"der Durchfall des Korinthenkackers
  • „Das ‘N’ in ‘RTL’ steht übrigens für Niveau“.
  • "Aafter Wörk Longsch" doch, doch, das kann sich sehen lassen.
  • Schmutzfangmatten liegen vor der Wohnungstüre. Ob man sich darauf noch die Füße abtreten darf?
  • Kutenbrunzer (C. Orff)
  • mein neues Eierfon, wenn ich denn eins hätte, würde ich wohl eher Apfeltasche nennen. (Gab es nicht mal ein Lied, „Hier kommt der Eiermann“ oder so ähnlich von einem dieser singenden Peiniger, die bei Dieter Thomas Heck oder Heinz Schenk auftraten?)
  • personne bordelique heißt der französische Chaot


  • amüsantes:
  • Über das Nacktwanderverbot Ich kannte ja bisher nur das Nacktbackverbot.
  • „wir hier so einen Bumscontainer ("Bümmms-Con-Dehner"), da geht das nur rein und raus, rein und raus, und daneben im Gebüsch doch auch, rein und raus, rein und raus“
  • Sonneborn und die Occupisten;
  • Über den Gestank von gegrillten Ferengidarm
  • Der Tagesspiegel hat was übersehen via fefe
  • Christian Y. Schmidt will von Peking aus den Untergang des Abendlandes langsam erleben
  • Chris Kurbjuhn über Desperadoradln
  • Wiener in Berlin: „Wie sollte ich diese Menschen jemals verstehen, ...“
  • „Happy Toilet, Healthy Life“ Neues über den Welttoilettentag


  • zu guter Letzt
    hätte ich noch den Lebenslauf einer charmanten und klugen Frau anzubieten.

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    Fundstücke Spezial über Baron Karl Theodor usw. zu Guttenberg
    Er gibt ja keine Ruh nicht, der Nachfahre von Raubrittern:
  • Das Guttenberg-Dossier 1
  • Das Guttenberg-Dossier 2
  • Das Geschlecht derer zu Guttenberg
  • Das Vermögen der Guttenbergs
  • Der Freiherr als Staubsaugervertreter (Da fällt mir ein, ich wollte schon seit längerem etwas zu Bonapartismus schreiben)
  • Gutenberg und die Wissenschaft



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    Donnerstag, 24. November 2011
    Schlechte Morde 5: Fahrradfahrer auf dem Trottoir
    auch ein Kurzroman
    Ganz schlecht weil: verboten. Also natürlich auch dass auf Trottoir, aber kümmert keinen. Also z.B. Ich oder irgendjemand, also egal: nach Arbeit, müde, genervt aber hungrig, also zum einholen, schwere Taschen mit Essen und noch ein paar Flaschen wegen Durst, also richtig schwer. Dann Kneipe mit Leuten so am Frühstücken, also am Abend, eng, aber schönes Wetter, also Sonnenschein. Na! Alles klar. Fahrradfahrer Affenzahn und Zack!, mit Gesicht auf quatro stagioni oder Früchtequark. Aber geht nicht, weil riesiger Menschenauflauf und Polizei und Spätfrühstücker: Der da mit Finger: mit Einkaufstasche in Speichen. Und dann: Blödes Gesicht machen! Polizei tief in Augen: Selbstjustiz geht nicht. Strafe, Zack! Punkte in Flensburg oder so. Also ganz schlecht. Oder: wer weiß? Leute Brast, Leute klatschen. Jawohl! Endlich tut mal jemand was. Und halten dicht, wenn Polizei und Krankenwagen wegen blutigem Radfahrer? Man weiß es nicht. So oder so, aber wenn so, dann Strafe und ganz schlecht. Aber könnte klappen? Übrigens, wenn keine Einkaufstasche, geht auch mit Regenschirm, kein Problem. Also eigentlich nicht ganz schlecht. Man weiß es nicht.

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    Mittwoch, 23. November 2011
    Georg Kreisler ist gestern gestorben

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    Schnipsel
    Was einem beim prokrastinieren so durch den Kopf geht:
    1. Da ich ja früher schon das Gefühl hatte, dass Foucault die Historie seiner Theorie als Exemplum beimischt, bin ich auf die Übersetzung und Kommentierung von Benthams »Panoptikum « gespannt.
    2. „Wenn ihr das letzte Eifon gegessen habt werdet ihr erkennen, dass man Bäume nicht kaufen kann.“ Oder war es umgekehrt?
    3. Eine Studierende sagt zu einem Studierenden: „Verpiss Dich, Du Arsch!“ Der Studierende antwortet der Studierenden: „Nu hab Dich nicht so, olle Zicke!“ Alles nicht so einfach.
    4. Lehrkörper und Lernkörper hat Scharm, Absolventen und Abiturienten deuten auf das grundsätzliche Problem mit den Studierenden hin. Verlaufsformen haben ihre Tücken, da werden auch Linguistinnen und Linguisten nichts daran ändern können. Wie sagte doch schon Max Goldt „biertrinkende Studierende“ sind nur schwer vorstellbar.
    5. „was seit Mitte der neunziger Jahre unsere gesellschaftliche Existenz prägt: das Internet.“
      Nein, tut es nicht. Die gesellschaftliche Existenz wird durch einen guten Job oder durch Arbeitslosigkeit, durch Familie, durch Freunde oder Einsamkeit und noch durch tausend andere Sachen ‚geprägt‘. Das Internet prägt noch nicht einmal die Kommunikation. Nachwievor wird außerhalb des Internets mehr kommuniziert als im Netz. Da müsste er nur mal die Wohnung verlassen und in einen Betrieb oder eine Schule gehen. In welcher irren Welt glaubt er denn zu sein?
    6. „wikipediarelevante freie Künstlerin und Kulturschaffende“ las ich jüngst: das war nicht ironisch gemeint.
    7. Im Vergleich zum Calcio Storico in Florenz ist American Football oder Rugby was für Weicheier.
    8. "wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht" ist auch so ein nicht ganz neuer Gedanke, der mir beim Internetgucken, z.B. bei den Occupisten, gelegentlich durch den Kopf schießt.
    9. Kommentar auf Vorrat: „Und wenn Sie jetzt noch so freundlich wären, ihr Gemeine mit 1 Argument, 1 Sachverhalt oder 1 Erfahrung zu unterfüttern, wäre das so richtig supi!“

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    Dienstag, 22. November 2011
    Wie ich einmal den Dintendieter gesucht habe
    Eines Morgens beim Kaffee kochen, noch vor dem ersten Schluck, schoss mir der Dintendieter durch den Kopf. Wer war das noch mal? Links oben, an der zweiten Ganglie (manche sagen auch Ganglion) rechts klebte ein Erinnerungsfetzen. Irgendwas mit Bernd Pfarr? Oder Chlodwig Poth? Oder ein anderer aus der Ecke?
    Dieses Internet, das weiß doch alles, aber da steht nichts drin zu einem Dintendieter, nur zu Dieter Dinte und der ist mir egal.
    Aber diese Suchmaschinen, Sacré bleu, die denken ja mit und machen die Suche nach Dintendieter zu einem Erlebnis (okay, man muss aus all dem Mist, der einem angeboten wird, etwas auswählen, am Besten etwas Amüsantes oder Interessantes, dann ist es fast so, als stöberte man in seinem Bücherschrank) und man stößt so auf dies und das:
    „In der Dinte.

    Heraus aus meinem Dintenfaß,
    Ihr Narren, kommt heraus;
    Setzt nieder euch an’s volle Glas
    Und zum gespickten Schmaus.
    Auf, bringt die Narrheit Schwarz auf Weiß
    Mir lustig auf’s Papier;
    Denn Lustigkeit steht hoch im Preis’,
    Und thut uns Noth allhier.

    Doch Dintengeister sitzen fest
    In ihrer Dinte drin;
    Das bittre schwarze Meer nicht läßt
    Heraus den freien Sinn.
    Sie bleiben ernsthaft trotz des Specks
    Im steifen Längenmaß;
    Und höchstens macht uns noch ein Klecks,
    Der sie verdrießet, Spaß.

    Galläpfellvoll sind sie so gern
    Der Welt ein bittres Gift:
    Es halten sich die Dintenherrn
    Gern für ein hohes Stift,
    Das, wenn es eben will geruhn,
    Man solle sich kastein,
    Und soll einmal sich bene thun,
    Tunkt seine Feder ein.

    Die Welt ist in der Dinte sehr,
    Drum ist sie nicht sehr froh;
    Drückt’ Schwarz auf Weiß sie nicht so schwer,
    Es wäre wohl nicht so.
    Darum bedenkt zur Faschingszeit
    Recht reiflich, was euch frommt;
    Macht nur, daß ihr zur Fröhlichkeit
    Bald aus der Dinte kommt.“
    (Johann Karl Wilhelm Geisheim)
    Je nun, ich würde vielleicht keine historisch-kritische Ausgabe von Geisheim für 942, 80 € kaufen, als Fundstück nebenbei ist es doch aber ganz hübsch?

    Ach ja, wie war das jetzt noch mal mit dem Dintendieter?

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    Montag, 21. November 2011
    Über kalte Hühnerbeine
    Habe ich eigentlich schon mal davon erzählt, dass ich jeden Samstag auf den Boxhagener Markt gehe? Na egal, auf jeden Fall wartete ich wie gewöhnliche an der nordöstlichen Ecke neben dem orangenen Abfalleimer gegenüber von dem Zigarettenladen alldiwo ich damals den Österreicher, der mir einen … aber das wissen sie ja bereits.
    Eigentlich müsste man sowieso noch etwas weiter ausholen:

    Ich liebe ja Huhn in Riesling, das fast so ist wie coq au vin, nur ein bisschen anders und statt Beaujolais (?) nimmt man eben Riesling.
    Genau genommen bereitet man das Rieslinghuhn, wie es im Elsass und im benachbarten Baden-Württemberg gegessen wird, folgendermaßen zu:
    Man braucht zunächst ein Huhn bzw. eigentlich einen Hahn, denn früher wurden die Damen zum Eierlegen benötigt und die Kerle, bis auf einen, kamen in die Bratröhre.

    Die Großmutter meiner Frau pflegte übrigens gelegentlich den jungen Frauen den Merkvers:
    „Mädchen, die rauchen und Hühnchen, die krähen,
    soll man beizeiten die Hälse umdrehen!“
    mißbilligend vorzudeklamieren. Aber das gehört nicht hierher. Dass es sich um einen unreinen Reim handelt soll uns auch nicht weiter interessieren. Dass Hühner ziemlich hysterisch sind und sich leicht aufregen, ist ohne Belang. Wobei … aber das ist eine andere Geschichte.
    In Süddeutschland nennt man die Tiere übrigens Göckeler. Der Göckeler sollte von guter Qualität sein, muss aber nicht unbedingt aus der Bresse kommen, ein ordentliches Ökohuhn tut es auch. Hähnchen aus Massentierhaltung hingegen haben oft einen schmierigen Geschmack. Zumindest bilde ich mir das ein. Nun ja, sie können ein Huhn aus einigermaßen artgerechter Haltung natürlich auch aus anderen Gründen verwenden.

    Die Haut des Huhn wird abgelöst und beiseite gelegt. Das Tier in mundgerechte Stücke zerlegen, Bürzel und üppigere Fettpolster entfernen und in den Suppentopf oder Mülleimer schmeißen.
    Zwei große Zwiebeln in kleine Würfel schneiden.
    Die Hühnerteile salzen und pfeffern und nach und nach in einer Reine mit Butterschmalz anbraten. Die Zwiebeln hinzugeben und glasig dünsten. Eine Flasche Riesling dazu, etwas Zitronenschale darüber reiben und etwa 45 Minuten ohne Deckel schmoren lassen.
    Wenn das Huhn fertig ist und die Zwiebeln, das Hühnerfett und der Riesling eine schöne Soße erzeugt haben, die Haut des Huhn in schmale Streifen schneiden und mit wenig Fett knusprig ausbacken. Wenn sie nicht aufgepasst haben, ist die Hühnerhaut verbrannt und taugt nur noch für den Mülleimer, wenn sie alles richtig gemacht haben: auf etwas Küchenkrepp abtropfen lassen und mit etwas Petersilie über das Huhn streuen. Baguette oder Ciabatta dazu.

    Kann man essen.

    Wo waren wir? Richtig: gegen Hühnerbeine ist grundsätzlich nichts einzuwenden.

    Ich stand also am orangen Mülleimer der Stadtreinigung und rauchte eine Zigarette als sich fünf schwer betrunkenen Briten mit Bierflaschen und kalten Hühnerbeinen in den Händen durch das morgendliche Marktgetümmel drängelten, mal den Einen anpöbelten, mal den Anderen anrempelten und mit Bier bespritzten. Berlin scheint zunehmend interessant für die Trunkenbolde aller Länder zu werden. Be happy, be drunk, be Berlin! Na gut, dachte ich, wenn die jungen Leute zu Hause sich keinen auf die Glocke gießen dürfen? Nur waren die Fünf nicht einfach nur betrunken, sie waren auch nicht einfach sternhagelvoll, nicht knülle oder voll wie eine Haubitze, sie hatten anscheinend eine Druckbetankung an sich durchgeführt.
    Der Erste schlug sich seine Bierflasche gegen die Zähne, weil er offensichtlich nicht mehr wusste, wo sich denn die Körperöffnung zum Trinken so genau befindet, zwei weitere Jungs versuchten mit ihren Hühnerbeinen die gleiche Öffnung zu treffen. Einer der Beiden schmierte sich das Hühnerfett undekorativ auf das Gesicht, rülpste mehrfach hintereinander und fand das sehr spaßig. Richtiggehend überfordert waren aber alle fünf angesichts des orangenen Mülleimers.

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    Freitag, 18. November 2011
    Schlechte Morde 4: Jugend nervt
    der hat viele Kurzromane
    Ganz schlecht, weil verboten, sagt meine Frau. Kaum zu glauben! Also morgens, wenn noch müde. Zwar schon Kaffee, aber müde und bald auf Arbeit. Also nicht wie Leute an Kiosk mit Bier vor Arbeit - muss nicht sein. Also schlecht! Dann ein Haufen Fünfzehnjährige am giggeln und schupsen und so am Hauptschule gehen und ein Lärm! Furchtbar. Also, dann S-Bahn und dann so ein Impuls, also mehr so ein Gedanke oder Anwandlung, weil nervig und noch müde, also nur wenig geistige Kräfte so früh am Morgen, aber verboten, sagt meine Frau. Unbegreiflich. Aber wenn Verbot egal, dann quietschen, Aufsicht aufgeregt, Polizei, Lalülala, riesen Auftrieb und zack! Gefängnis, also sauschlecht, obwohl eigentlich gerecht, weil nervig und laut. Zack!

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