Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Schnipsel
  1. Bevor mich die Kontinentaldrift erwischt, lasse ich mich lieber vom Auto überfahren.
  2. Unter Auslegware muss man nicht nur den Müll verstehen, den es im Baumarkt gibt. Auslegware wird auch von Sozialwissenschaftlern (inkl. Geisteswissenschaftlern) hergestellt.
  3. BKM. Braucht Kein Mensch. BID. Brauch Ich Doch. WJEJ. Wie Jetzt? Echt Jetzt? NNN. Ne Ne Ne.
  4. Das Buch ist arm an Personal und nicht zu lang,
  5. Das Buch ist gebunden und die Schrift sehr gut lesbar.
  6. Der Held des Romans ist den Weibchen nicht gewachsen.
  7. Woher kommt eigentlich das rasante Bedürfnis Erfahrungen stante pede zurichten zu wollen und wenn das nicht geht, unvermittelt abzuwehren? Ich habe beispielsweise einmal versucht, jemand zu erzählen, dass ich einen Offizier in besonderem Einsatz sympathisch fand. Natürlich war der OibE ein Spitzel und Denunziant und hatte den Auftrag zu zersetzen. Ich wollte mich ja auch nur wundern und dahinter kommen, was ihn sympathisch machte, zumal ich einen anderen OibE nur wenige Tage zuvor kennen gelernt hatte, der Beklemmungen bei mir verursachte.

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damals, Donnerstag, 1. Dezember 2011, 11:40
Sie haben innerhalb weniger Tage zwei OibEs kennengelernt, d.h. von ihrer wahren Identität erfahren?! Das ist ja spannend.

g., Freitag, 2. Dezember 2011, 05:59
Es war die Zeit kurz nach der Wiedervereinigung, als aus der Stasi-Unterlagenbehörde Tag für Tag Enthüllungen über Mitarbeiter der Staatssicherheit ans Licht gebracht wurden. Ich kannte viele DDR-Bürger (aus der Bürgerbewegung, aber auch viele unpolitische Menschen) und so kam ich in vielfältigen Kontakt auch mit dieser Seite der DDR. Es war also weit weniger spektakulär als es aus der knappen Bemerkung oben erscheint. Der eine Offizier ging mit seiner Enttarnung ganz offen um, war zumindest damals noch von der Richtigkeit seiner Tätigkeit überzeugt. Wie das heute ist weiß ich nicht. Ich vermute aber, dass bei ihm in der Beurteilung des Schildes und Schwertes der Partei einiges geschehen ist. Den anderen Offizier habe ich vor seiner Enttarnung kennengelernt und ihn eher als Gesellschaftlichen Mitarbeiter Sicherheit eingeschätzt, also als mehr oder weniger offenen Verbindungsoffizier zur Staatssicherheit. Als mir dann von Freunden bedeutet wurde, dass dies nicht der Fall sei, war ich sehr erstaunt. Er war so der Typ selbstverständlicher Bürokrat, wo man ihn hinstellt, da funktioniert er, umfassend anpassungsfähig und umfassend gewissenlos. In seiner Gegenwart hatte ich nach wenigen Sätzen Unterhaltung Atemnot. So etwas habe ich vorher noch nie erlebt.

damals, Montag, 2. Januar 2012, 18:04
Danke für die Erläuterungen, das macht mir die Sache verständlich - ja, es war schon eine wilde Zeit. so rings um die Wiedervereinigung, wie ich von Freunden und Verwandten weiß. Ich bin ganz froh, dass ich selbst schon im Januar 1990 nach Hamburg entfloh, wo nun wahrlich keine Gelegenheit war, enttarnten OibEs zu begegnen ... Könnte es übrigens vielleicht sein, dass das Sympathische des Offiziers im Selbstsbewusstsein einer aufrichtig gelebten Überzeugung lag? (Man kann sich ja heute kaum noch vorstellen, dass viele dieser Leute das offensichtlich Verwerfliche für moralisch richtig hielten - ach, was solls, von diesen Leuten gibt ja heute nicht weniger ...)

g., Mittwoch, 11. Januar 2012, 05:16
Da ist etwas dran. Die ‚Wendehälse’ waren eine sehr unangenehme Spezies. Ich erinnere mich an einen Kerl, der unentwegt das Wort Rechtsstaat im Munde führte, wenn es darum ging, die Verhältnisse neu zu gestalten. Nicht dass ich das ‚Neue’ so schrecklich toll gefunden hätte, aber ein Vertuschen der Vergangenheit und das Durchmogeln der der dafür Verantwortlichen hätte nun eben auch zu nichts Gutem geführt. Der frisch gebackene Superdemokrat wurde dann folgerichtig einige Monate später als IM enttarnt.
Andererseits habe ich den Offizier als klugen und zur Empathie fähigen Menschen wahrgenommen und wenn ich mich nicht sehr getäuscht habe oder getäuscht wurde, was ich nicht glaube und in der Situation auch unwahrscheinlich war, bleibt das Rätsel: Es muss ihm aufgefallen sein, was er tat und welche Konsequenzen das für die Leute, die Objekte der Zersetzung, hatte.
Vielleicht sollte ich mal meine gesammelten Erfahrungen und Erinnerungen aus der Zeit niederschreiben: „Ein Wessi in Feindesland“, ein Roman aus der Zeit als das Wünschen noch geholfen hat oder so ähnlich.

damals, Donnerstag, 12. Januar 2012, 23:22
Ja, bitte!

g., Freitag, 13. Januar 2012, 05:22
Ich habe ja schon längere Zeit Lust darüber zu schreiben. Es ist nur nicht so leicht. Ton und Haltung müssen stimmen, der Außenblick muss reflektiert und die eigenen Wahrnehmungsdefizite zumindest angedeutet werden. Was einem, auch im Rückblick nicht so recht klar geworden ist, muss zumindest als Frage vorkommen. Und dann gibt es noch das Problem, wie das alles anonymisiert geschrieben werden kann. Da geistert noch viel Bedenkens- und Berücksichtigungswertes in meinem Kopf herum. Mal sehen. Und dann ist da noch das Problem knapper Zeit. Ich schaffe es ja nicht einmal die Blogartikel in der näheren Umgebung zu lesen, geschweige denn etwas einigermaßen Sinnvolles in einem Kommentar beizusteuern.