Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 5. Dezember 2011
Vögel,
diese übrig gebliebenen Dinosaurier, das müssen Sie doch zugeben, sind ein fürchterliches Volk.

Früher, in den goldenen Zeiten, kackten zwar Heerscharen von Tauben die Stadt voll, aber immerhin konnte man verhalten hoffnungsvoll in die Zukunft sehen, Erna und Kurt sei Dank, heute sind die goldenen Zeiten der Taubenplage („geflügelte Ratten“ Woody Allen) vorbei. Unwiederbringlich. Kein sanft enervierendes gurr-gurr-gurr unterbricht den sonntäglichen Mittagsschlaf, kein deppertes Flügelschlagen und abkoten über dem eigenen Kopf verleidet einem die Zeitungslektüre und auch die aufgeblasenen Hälse der Columba livia forma domestica, dabei dem weiblichen Tier unermüdlich hinterherjagend, werden wohl bald der Vergangenheit angehören. Ich fürchte, wir werden uns noch alle danach zurücksehnen, denn schon bald taucht eine neue, ernstere, weil nervtötendere Spielart der Belästigung auf gegen die Erna und Kurt nicht auszurichten vermögen:
„Grruuar, grruar“, schnarrt dieses lärmende, aggressive Volks, die Krähen das sich anschickt die Tauben auf der Lästlingsskala (die Latte-Macchiato-Muttis sind in dieser Beziehung natürlich nach wie vor unangefochten an der Spitze aller Widrigkeiten, die dem gemeinen Städter das Leben schwer machen) zu überholen. Sie veranstalten ein Gezeter, wenn ein Regen droht. Irgendwann muss ich eines dieser Mistviecher fragen, warum sie das tun. Beschwören sie ihren Krähengott? Oder ist es wie bei den Italienern, die bei einem Stau frenetisch zu hupen anfangen, weil sie durch die Bank davon überzeugt sind, dass die Autos vor ihnen durch lauten Hupen zuerst opak werden, dann langsam zerbröseln um in einer dritten und letzten Phase gasförmig und anschließend vom Winde verweht werden. So wird es wohl sein. Vielleicht sind die Krähen aber auch wie alle anderen Berliner und nehmen erst mal übel, so ganz grundsätzlich: sich irgendwo hin setzten und übel nehmen.
„Grruuar, grruar“ , grölt dieses Pack, wenn sie ihre Kumpels herbeirufen, um einen Abfallkorb oder liegengebliebenen Pommesreste an einer Imbissbude zu plündern. Zehn Krähen mit Beute machen beschäftigt, sollten Sie besser nicht stören.
Wenn einem Kind das Junkfood aus der Hand fällt, kann man weithin hören, wie die Krähen herbeigerufen werden und wehe das Kind will seine Käsestange, seinen Burger oder seine Wurst wieder haben. Diese Biester hacken nach den Händen oder fliegen Angriffe gegen den Kopf. Noch haben sie Respekt vor einem kräftigen Schuh oder Regenschirm, aber wie lange noch? Irgendwann werden sie lernen, dass man gemeinsam einen Menschen, egal wie groß er ist, genau so leicht vertreiben kann, wie einen Raubvogel, einen Fuchs oder eine Katze.
Die dritte Vogelart, die mir das Leben schwer macht, sind die Mauersegler über meinem Schlafzimmerfenster. Pünktlich jedes Frühjahr rücken sie an, schmeißen den ganzen Dreck vom letzten Jahr aus ihren Nestern auf meinen Balkon um dann den Sommer über jeden Morgen und jeden Abend unter schrillem Gefiepe auf Mückenjagd zu gehen. Können die keine Tauben oder Krähen fressen?
Pünktlich jeden Morgen und jeden Abend stehen meine beiden Mädels an der Balkontüre. So viel Beute, so nah.
„Knack, knack“ , knirscht die eine Katze mit den Zähnen. Der Schwanz zittert vor Aufregung. Da sie an die Vögel nicht heran kann, dreht sie sich zu mir um und maunzt mich an: „Du bist doch die große Katze, bring mir diesen wilden Flieger. Ich will ihm den Kragen durchbeißen. Knack, knack, jetzt, sofort.“
„Klappe Katze“ raune ich dann im Halbschlaf, „lass die blöden Mauersegler tun was immer sie zu tun haben.“
„Mauiah“ ruft dann die andere Katze und springt mit einem Satz auf die Fensterbank, dass die Blumentöpfe wackeln. „Mauiah“ so viel Beute, so nah, so lecker und man kommt nicht dran.


Zum Abschluss: ein kleines Lied über Vögel

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