Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 12. Dezember 2011
Über Päpste, Fahrradkuriere und gewisse Erscheinungen
In Kreuzberg, da wo es schon friedrichshainig wird, machen sich immer mehr gastronomische Erscheinungen breit, die einen fuchtig machen können.

In eine dieser Erscheinungen war ich eingeladen, freiwillig wäre ich wohl nicht hingegangen.

Als ich fragte, ob sich denn der Name englisch, französisch oder deutsch ausspräche, erntete ich von der Kellnerin einen Blick als hätte ich ihr unter den Rock gegriffen. Nun ja, ich wurde kellnerhöflichst knapp belehrt, die dazu servierte Miene sagte: wie kann man so etwas Blödes fragen?

Nun ja, könnte man natürlich denken, wenn man das Wort in einem englischen oder französischen Wörterbuch nachschlüge, ob man weise und klug oder brav und artig als Name für eine gastronomische Erscheinung wählt oder sogar noch etwas unsägliches aufgetischt bekommt, das ist doch eine Nachfrage wert?

Weise und klug war es jedenfalls nicht ‚Wiener Schnitzel mit lauwarmem Kartoffel-Vogerlsalat‘ auf die Speisekarte zu setzen und Schnitzel und Salat dann in der Mikrowelle so lange zu lassen bis sich der Gast – in diesem Fall ich – an Salat und Schnitzel den Mund verbrennt. Man hätte das Wiener Schnitzel vielleicht nicht original nennen sollen sondern ‚Kalbsschnitzel aus der Mikrowelle- all well done‘ oder so ähnlich. Außerdem will ich für 19 Euro auf einem Wienerschnitzel die klassische Garnitur mit Zitronenscheibe, Sardelle und Kapern.

Nun ja, diese gastronomische Erscheinung liegt in jenem Teil Kreuzbergs, der früher als die Mieten noch billig und die Frauen schön waren, direkt an der Mauer lag und damit so angenehm weit ab vom Schuss, dass sich die Kreuzberger Alternativmafia erst sehr spät dafür interessierte. Auf der Straße spielten die Kinder und die Anwohner waren mehrheitlich aus der Türkei und stellten gerne einen Tisch und mehrere Stühle vor ihre Haustür, um abends mit der Familie noch einen Tee zu trinken und mit den Nachbarn zu plauschen. Heute ist es eine Durchgangsstraße mit Schwerlastverkehr und die Maueridylle ist passé.

Nun ja, was es noch immer gibt, sind Fahrradkuriere, die in einer irren Geschwindigkeit durch die Stadt rasen. Wenn sie auf dem Bürgersteig knapp an einem vorbeidüsen überkommt mich ja immer die unbändige Lust mal einen vom Rad zu treten. Aber das gehört nicht hierher.
Vor einiger Zeit war ich mal wieder in der Gegend, sah mich um, registrierte die Veränderungen und kramte in meinem Gedächtnis. Irgendwo hier hatte ich doch mal eine Kurzzeitbekanntschaft? Oder war es doch weiter östlich in der Eisenbahnstraße?

Nun ja, plötzlich hörte ich hinter mir brüllen:

„… von hinten. Du musst von hinten kommen!“

Der Kurier bretterte an mir vorbei und sein stetes Brüllen:

„… von hinten. Da ist keine Straße. Du musst von hinten kommen!“

verliert sich mit der Entfernung.

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