Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 3. Juni 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 98
(Dritter und letzter Aufenthalt zu Königin-Charlotten’s Sund in Neu-Seeland)

„Wir hatten desto mehr Ursach, der Erzählung der Einwohner von KÖNIGIN-CHARLOTTEN-SUND Glauben beyzumessen, weil sie ihre eignen Landsleute, unverhohlen, eines Diebstahls beschuldigten. Allein sie gaben auch deutlich genug zu erkennen, daß die Übereilung der Unsrigen, diesen Diebstahl sogleich durch Musketenfeuer, und vielleicht ohne Unterschied an dem ganzen Haufen, zu ahnden, ihre Mitbrüder aufgebracht, und sie zur Rache angeheizt habe. Wir werden geboren, unsre abgemeßne Zeit auf dem Erdboden zu durchleben; will jemand, vor dem Ablauf dieser Zeit, unserm irdischen Daseyn ein Ziel setzen, so können wir es als ein Vergehen gegen die Gesetze des Schöpfers ansehen. Dieser verlieh uns die Leidenschaften gleichsam zur Schutzwehr und bestimmte den Trieb der Rache, vorzüglich, zu Abwendung aller gewaltsamen Unterdrückung. Der Wilde fühlt dieses und eignet sich selbst das Recht zu, Beleidigungen zu rächen, dahingegen in der bürgerlichen Gesellschaft gewissen einzelnen Personen, ausschließlicherweise, die Macht anvertraut, und zugleich die Pflicht auferlegt ist, alles Unrecht zu rügen. Indessen ist diese Art, das Recht zu handhaben, auch in den gesitteten Ländern Europens, nicht immer, und nicht auf alle Fälle hinreichend. Wenn z.B. dieser Gewährsmann der öffentlichen Ruhe, dieser allgemeine Rächer des Unrechts, seinen eignen Arm gegen die geheiligten Rechte des gemeinen Wesens aufhebt; müssen alsdenn nicht alle bürgerliche Verbindlichkeiten aufhören, muß nicht ein jeder seine eigenen natürlichen Rechte selbst verfechten, und den Leidenschaften, als den ursprünglich angebornen Mitteln zur Selbsterhaltung, wieder freyen Lauf gestatten? Eben so ereignen sich auch im Privatleben Fälle genug, wo das Gefühl der Rache einige Entschludigung für sich zu haben scheint. Giebt es nicht eine Menge von Beeinträchtigungen und Beleidigungen oder Beschimpfungen, wogegen kein Gesetz schützt? Oder wie oft geschiehet es nicht, daß die Großen, Macht und Einfluß genug haben, die Gesetze zu verdrehen, und, zum Nachtheil des unglücklichen, freudlosen Armen, zu vereiteln? Dergleichen Fälle würden nun gewiß noch ungleich häufiger vorkommen und bald in den höchsten Grad der Gewaltthätigkeit übergehen, wenn die Furcht nicht wäre, daß der beleidigte Theil das Recht, sich und sein Eignethum zu schützen, (welches er andern anvertraut hatte) endlich einmal in seine eigenen Hände zurücknehmen möchte, sobald er nemlich sehen muß, daß diejenigen, die hierinn seine Stelle vertreten sollen, ihre Pflicht so schändlich unterlassen? Wenn ein Räuber sich an meinem Eigenthum vergreift, so darf ich nicht erst zum Richter laufen, sondern kann, in vielen Fällen, den Bösewicht gleich auf der Stelle dafür züchtigen; auf solche Art haben Stock und Degen manchen Schurken in Furcht und Schranken gehalten, der dem Gesetz Trotz bieten durfte.“
(Forster S. 892/3)


Über Recht, Gerechtigkeit und Selbstjustiz.

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Mittwoch, 2. Juni 2010
Familiengeschichten IV
In meiner Klasse gab es den Sohn eines Bauunternehmers, der trotz mittelprächtigen Fleißes, umfangreichen Nachhilfestunden und intensiven Gesprächen mit dem Schuldirektor und dem Klassenlehrer nicht so recht mithalten konnte. Es lag nicht am Lotterleben, er war einfach zu doof, was ich mir damals nicht vorstellen konnte und er hasste seinen Vater, die Lehrer und jedermann, der etwas von ihm wollte, abgrundtief. Er hörte, wenn man ihn ließ, den ganzen Tag Musik und wollte Rockmusiker werden. Wir nannten ihn Karlo, wie den Kater in der Mickey Mouse. Er war von etwas kräftiger Statur, unbeherrscht und eigentlich tat er uns allen ein bisschen Leid, obwohl er ein Kotzbrocken vor dem Herrn war.

Da man ja die Kohle hatte und der Sohn studieren sollte, um das Geschäft zu übernehmen, schickten sie ihn kurzerhand nach Salem.
Dort überlebte er ein paar Jahre und machte dann eine Lehre. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er doch noch das Geschäft des Vaters übernommen.

An Karlo muss ich immer denken, wenn die Elitediskussion mal wieder aufflammt.

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Dienstag, 1. Juni 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 97
(Dritter und letzter Aufenthalt zu Königin-Charlotten’s Sund in Neu-Seeland)
„Hoffentlich wird es meinen Lesern nicht zuwider seyn, von diesem traurigen Vorfall etwas bestimmteres zu vernehmen; ich will also das, was ich, bey meiner Rückkunft nach England, von den Leuten der ADVENTURE in Erfahrung gebracht, mit demjenigen, was die NEU-SEELÄNDER davon erzählt haben, verbinden. Nachdem Capitain FOURNEAUX durch Sturm und Nebel von uns getrennt worden, sahe er sich genöthigt am 9ten November 1773, auf der nördlichen Insel von Neu-Seeland, namentlich in der BAY TOLAGA, vor Anker zu gehen. Von hier segelte er am 16ten wiederum ab, und langte am 30sten, einige wenige Tage nach unsrer Abreise, in KÖNIGIN-CHARLOTTEN-SUND an. O MAÏ, (der Indianer aus der Insel RAIETEA, der sich am Bord der ADVENTURE befand), erzählte mir in England, er sey der erste gewesen, der die Innschrift am Baume entdeckt hätte, an dessen Fuß die Flasche mit der Nachricht von unsrer Abreise verscharrt worden war. Er zeigte die Innschrift dem Capitain, der gleich nachgraben ließ, und die Flasche nebts dem darin verschlossenen Briefe fand. Selbigem zufolge machte dieser auch unverzüglich Anstalt die Reise fortzusetzen. Schon war sein Schiff seegelfertig, als er noch ein Boot nach GRAS-COVE abschickte, um eine Ladung Löffelkraut und Sellerie von dort herzuholen. Das Commando dieses kleinen Detachements ward einem gewissen Herrn ROWE anvertraut. Dieser unglückliche junge Mann hatte, bey einer sonst guten Denkungsart, die Vorurtheile der seemännischen Erziehung noch nicht völlig abgelegt. Er sahe z. E. alle Einwohner der Südsee mit einer Art von Verachtung an, und glaubte eben dasselbe Recht über sie zu haben, welches sich, in barbarischen Jahrhunderten, die Spanier über das Leben der amerikanischen Wilden anmaaßten. Seine Leute landeten in GRAS-COVE, und fingen an Kräuter abzuschneiden. Vermuthlich hatten sie, um mehrerer Bequemlichkeit willen, bey dieser Arbeit ihre Röcke ausgezogen; wenigstens erzählten uns die Indianer in KÖNIGIN-CHARLOTTEN-SUND, der Streit sey DAHER entstanden, daß einer von ihren Landsleuten den unsrigen eine Jacke gestohlen hätte. Dieses Diebstahls wegen habe man sogleich Feuer auf sie gegeben, und so lange damit fortgefahren, bis die Matrosen kein Pulver mehr gehabt: Als die Eingebohrnen dies inne geworden, wären sie auf die Europäer zugerannt, und hätten selbige bis auf den letzten Mann erschlagen. Da mir selbst erinnerlich ist, daß Herr ROWE immer zu behaupten pflegte, die NEU-SEELÄNDER würden das Feuer unserer Musketerie nicht aushalten, wenn es einmal zum Schlagen käme; so kann es ganz wohl seyn, daß er bey dieser Gelegenheit einen Versuch dieser Art habe anstellen wollen. Schon in TOLAGA-BAY hatte er große Lust bezeugt, auf die Einwohner zu feuern, weil sie ein klein Brandtewein-Fäßgen entwendet; auf das gutherzige und weisere Zurathen des Lieutenant BURNEY, ließ er sich jedoch damals eines bessern bereden. Als Capitain FOURNEAUX sahe, daß das abgefertigte Bott zween volle Tage ausblieb, schickte er vorgedachten Lieutenant BURNEY in einem anderen wohl bemannten und stark bewafneten Boote ab, um jenes aufzusuchen. Dieser erblickte am Eingang von EAST-BAY ein großes Canot voll Indianer, die aus allen Kräften fort ruderten, so bald sie das Boot der ADVENTURE gewahr wurden. Die Unsrigen ruderten tapfer hinterdrein; allein, aus Besorgniß eingeholt zu werden, sprangen die NEU-SEELÄNDER sämtlich ins Wasser, und schwammen nach dem Ufer zu. Herr BURNEY kam diese ungewöhnliche Furcht der Wilden sehr befremdend vor; doch, als er das ledige Canot erreicht hatte, sahe er leider nur zu deutlich, was vorgefallen war. Er fand nämlich in diesem Fahrzeuge verschiedene zerfezte Gliedmaaßen seiner Schifs-Cameraden, und einige ihrer Kleidungs-Stücke. Nach dieser traurigen Entdeckung ruderten sie noch eine Zeitlang umher, ohne von den Indianern etwas ansichtig zu werden, bis sie um ein Uhr in GRAS-COVE, als dem eigentlichen Landungsort der verunglückten Mannschaft, ankamen. Hier war eine große Anzahl von Indianern versammlet, die sich, wider ihre Gewohnheit, beim Anblick der Europäer sogleich in wehrhafte Verfassung setzten. Der seitwärts gelegene Berg wimmelte von Menschen, und an vielen Orten stieg Rauch auf, der vermuthen ließ, daß das Fleisch der erschlagnen Europäer schon zu einer festlichen Mahlzeit zubereitet werde! Dieser Gedanke erfüllte selbst die hartherzigen Matrosen mit Grausen, und machte ihnen das Blut in allen Adern starren; doch, im nächsten Augenblick entbrannte ihre Rachgier, und die Vernunft mußte unter diesem mächtigen Instinct erliegen. Sie feuerten und tödteten viele von den Wilden, trieben sie auch zuletzt, wiewohl nicht ohne Mühe, vom Strande, und schlugen ihre Canots in Trümmern. Nunmehro, da sie sich sicher dünkten, stiegen sie ans Land, und durchsuchten die Hütten. Sie fanden mehrere Bündel Löffelkraut, welche ihre unglücklichen Cameraden schon zusammengebunden haben mußten, und sahen viele Körbe voll zerstückter und zerstümmelter Glieder, unter welchen sie die Hand des armen ROWE deutlich erkannten. Die Hunde der Neu-Seeländer fraßen indeß am Strande von den herumliegenden Eingeweiden!“
(Forster S. 885-7)

(tapfer hinterdrein, in wehrhafte Verfassung, der seitwärts gelegene Berg, zerstückter, herumliegende Eingeweide)

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Montag, 31. Mai 2010
Familiengeschichten III
Ein Freund von mir, Dispatcher bei der christlichen Seefahrt, verliebte sich einst in ein Mädchen. Als er zu Hause davon erzählte, wiegte sein Großvater sorgenvoll den Kopf.

„Das geht nicht zusammen, Junge!“
„Was meinst du?“
„Freie Bremer Bürger und holländische Bischofsknechte, das passt nicht zusammen!“

Sein Großvater war 2. Deichhauptmann gewesen, der kannte sich aus und insbesondere kannte er die Familie der Angebeteten.

„Und, hat es gehalten?“ habe ich ihn gefragt als er mir eines Abends davon erzählte.
„Nein.“
„Dann hättest du doch gleich auf deinen Großvater hören können.“

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Freitag, 28. Mai 2010
Familiengeschichten II
Ein Freund von mir war mal mit einer Dame liiert, deren Vorfahren immer schön abwechselnd Ärzte oder Pianisten waren.
Sie studierte Klavier an der HdK und eigentlich hatte sie weniger Bedarf an einem Freund als an einem Butler.
Wenn man bei den Beiden zu Besuch war, drehte sich alles um ihre aktuellen Bedürfnisse:

„Rainer, holst du mir bitte dies und das?“
„Ja, einen Augenblick bitte, ich versorge nur noch mal eben die Gäste.“
„Ooch Mönsch, bring mir doch schnell das oder dies?“

Und so ging das den ganzen Abend.
Da war dann die eine oder andere Zigarette und ein oder zwei Gläser Wein zur Stärkung der Lebenssäfte nötig.

Damals durfte man noch in Nichtraucherwohnungen eine paffen. Wenn ich heute am frühen Morgen auf unseren Balkon trete und meinen Nachbarn schräg gegenüber eine Zigarette bei -10°C rauchen sehe, denke ich an diese Zeiten zurück und murmle „armes Hascherl“ vor mich hin. Wenn ich dann allerdings die Mutter seiner Kinder ganz in Rosa gekleidet sehe, dann reduziert sich das Mitgefühl erheblich und ich denke ... Aber lassen wir den Hobbypsychologen heute mal stecken.

Wenn es ihr nicht gut ging, musste sich ihr Freund ausschließlich um sie kümmern.
Dies kam häufig vor.
Sie hatte eine wunderschöne Nase, aber einen etwas problematischen Charakter.
Gegen Ende ihrer Beziehung beschloss sie die Klimperei aufzugeben und doch noch Medizin zu studieren, obwohl sie vorher jahrelang behauptet hatte, dass sie keineswegs und nie und nimmer in stinkenden Bäuchen herumfingern würde. Wenn man sie nach dem Wert oder der Bedeutung von Tradition gefragt hätte, wäre mit Sicherheit eine Aussage wie: „Ich richte mich nicht nach so einem Scheiß!“ zu hören gewesen.

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Donnerstag, 27. Mai 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 96
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
„Ihr Widerwille konnte uns indessen nicht befremden; denn das Schwein ist allerdings nichts weniger, als schön von Gestalt, und Leute, die dergleichen nie gesehen, können wohl natürlicherweise keinen Gefallen daran finden. Der Mensch muß ursprünglich gewiß DURCH NOTH zum Fleischessen gebracht worden seyn; denn, einer Creatur das Leben zu nehmen, ist etwas gewaltsames, und kann nicht anders, als durch eine sehr dringende Ursach in kalte Gewohnheit übergehn. Haben aber die ersten Fleischesser die Wahl gehabt; so werden sie sich an den häßlichen Schweinen gewiß nicht zuerst vergriffen haben; vielmehr wird noch ein höherer Grad von Bedürfniß und Mangel erfordert worden seyn, sie zu überreden, daß, seines widrigen Ansehens ohnerachtet, das Schwein von eben so wohlschmeckendem Fleisch sey, als das Schaaf oder das Kalb. Die armen Bewohner von NEU-CALEDONIA, hatten bisher noch kein anderes, als das Fleisch von Fischen und Vögeln gekostet; ein vierfüßiges Thier mußte ihnen also allerdings etwas fremdes und erstaunendes seyn. – Nachdem wir den Hauptendzweck unsers Besuchs erreicht zu haben glaubten, botanisirten wir zwischen den Morästen und Pflanzungen herum, und kamen an ein einzeln liegendes Haus, das mit einem Stangenzaun umgeben war, und hinterwärts eine Reihe von hölzernen Pfeilern hatte. Jeder Pfeiler hielt ohngefähr einen Fuß ins Gevierte, 9 Fuß in der Höhe, und der Obertheil stellte einen unförmlich ausgeschnitzten Menschenkopf vor. In diesem einsam gelegenen Haus wohnte ein einzelner alter Mann, der uns durch Zeichen zu verstehen gab, diese Pfeiler zeigten seine Grabstelle an! Vielleicht ist in der Geschichte des menschlichen Geschlechts nicht merkwürdiger, als dieses, daß man fast unter allen Völkern die Gewohnheit antrifft, sich bey den Begräbnißstellen zugleich gewisse Denkmale zu errichten! Könnte oder wollte man den ursprünglichen Bewegursachen dieser Sitte, bey so verschiednen Nationen nachspüren und sie gründlich erforschen, (welches in der That eine sehr merkwürdige und wichtige Untersuchung seyn würde) so ließe sich vielleicht eben DARAUS beweisen, daß alle Völker einen allgemeinen Begriff von einem künftigen Zustand gehabt haben!“
(Forster S. 856/7)
Obwohl Forster Rousseaus Naturzustand und seine Vorstellungen von Entwicklung ablehnt, argumentiert er laufend in diese Richtung.

(herum botanisieren, hinterwärts)

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Mittwoch, 26. Mai 2010
Familiengeschichten I
Vor vielen Jahren traf ich Margarethe, eine schöne und kluge und charmante Frau, die nun ja, nun ja, mein Interesse erweckte. Leider war ihr Interesse deutlich schwächer ausgeprägt. Aber darum soll es nicht gehen. Ich scherzte also auf sie ein und so kamen wir ins Plaudern. Wie das eben so ist, man erzählt etwas über seine besten Seiten und wer man ist und in Ermangelung einer eigenen beruflichen Tätigkeit, erzählt man etwas über sein Elternhaus und was Vater und Mutter so beruflich machen, und dass man im übrigen ein richtig toller Kerl ist, abchecken nennt man das wohl.

„Ach, dein Vater ist Tischler? So richtig Tische und Stühle bauen?“ wollte sie wissen und ich bestätigte. Ich hätte sein Gesellenstück, einen Polsterstuhl aus Formholz in meiner Bude stehen, er sei aber leider schon ziemlich durchgesessen und ich sollte ihn mal aufarbeiten (Ha, Sie interessiert sich für Dinge, von denen ich etwas verstehe! Jetzt nicht locker lassen!). Und dann kartoffelte ich noch etwas über wenig Zeit und dass es eigentlich schade sei und eigentlich müsse man ja handwerkliche Leistungen ehren und schließlich hätte er mir den Stuhl für meine Studentenbude überlassen und so weiter.
„Ach ja“, sagte sie wehmütig, „so einen Vater hätte ich ja manchmal auch ganz gern gehabt. Mein Vater ist ja eher so eine Art Lebenskünstler.“
„Wie? Er ist von Beruf Lebenskünstler?“
„Ja“, sagte sie, „so könnte man das ausdrücken. Er hat sein Leben lang nie einen Handschlag getan.“
„Aha, und von was habt ihr gelebt?“
„Oh, meine Mutter ist arbeiten gegangen. Mein Vater hat immer nur von Frauen gelebt.“
„Ein echter Gigolo?“
„Meine Mutter nannte ihn immer ‚Bel Ami‘kicherte sie. „Am Anfang hat sich meine Mutter immer mit ihm gestritten, weil er den ganzen Tag zu Hause war und seine wahnsinnigen Erfindungen verbesserte. Er war nämlich auch Erfinder, musst du wissen. Aber irgendwann hat sie es aufgegeben, aus ihm einen seriösen Schwaben zu machen. Sie hat sich daran gewöhnt, dass er untreu und ein Hallodri war. Eigentlich wurde es zu Hause dann erst richtig schön. Mein Vater hat viel mit uns unternommen, sich um uns gekümmert. Gelebt hat er aber Zeit seines Lebens von Frauen.“
Fasziniert sah ich sie an.
„Er hat von Frauen gelebt?“
„Das glaubst du nicht? Es ist aber wirklich so. Seit er aus seinem Elternhaus wegging, hatte er immer verschiedenen Freundinnen, die ihn ausgehalten haben, während er seinen Träumen, Hobbys und Projekten nachging und dann hat er meine Mutter geheiratet und in letzter Zeit habe ich ihm immer wieder etwas zugesteckt.“

Da konnte ich natürlich nicht mithalten.

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Dienstag, 25. Mai 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 95
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)

„Ein großer Rinderknochen, den unsre Leute zu Ende des Abendessens, aus ihrem mitgebrachten Proviant hervorlangten, um den Rest des daran befindlichen Pökelfleisches abzunagen, unterbrach diese freundschaftliche Unterredung auf einmal. Die Indianer begannen bey Erblickung desselben sehr laut und ernstlich unter einander zu reden, und unsre Leute mit Erstaunen und Merkmalen von Abscheu anzusehen; endlich giengen sie gar weg, und gaben durch Zeichen zu erkennen, daß ihre fremden Gäste ohnfehlbar Menschenfresser seyn müßten. Der Officier suchte diesen häslichen Argwohn von sich und seinen Cameraden abzulehnen; allein, aus Mangel der Sprachfertigkeit wollte es ihm nicht gelingen. Wer weiß auch, ob es überall möglich gewesen wäre, Leuten, die nie ein vierfüßiges Thier mit Augen gesehen hatten, durch bloße Versicherungen ihren Wahn zu benehmen? Am folgenden Morgen machten sich die Matrosen an die Ausbesserung des Boots, und liessen ihre nassen Kleider in der Sonne trocknen. Die Indianer versammleten sich aus allen Gegenden der Insel in solcher Anzahl um sie her, daß Herr PICKERSGILL, zu Sicherung der Kleider, für nöthig fand, Linien in den Sand zu ziehen, die keiner von den Wilden überschreiten sollte. Sie begriffen, was diese Verfügung sagen wollte, und liessen sich solche ohne Widerrede oder Widerspenstigkeit gefallen. Unter dem ganzen Haufen war nur Einer, der über diese Anstalt mehr Verwunderung, als die übrigen, bezeugte, und eben dieser fieng, nach einer Weile, sehr launigt, an, mit einem Stock einen Kreis um sich herzuziehen, und unter allerhand possierlichen Grimassen den Anwesenden zu verstehen zu geben, daß sie auch ihm vom Leibe bleiben sollten. Bey der sonst gewöhnlichen Ernsthaftigkeit der Einwohner, war dieser humoröse Einfall sonderbar und merkwürdig genug!“
(Forster S. 854/5)

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Freitag, 21. Mai 2010
kuttern und pasteurisieren
Wissen Sie, was ein Kutter ist? Der Kutter, nicht zu verwechseln mit dem Fleischwolf, besteht aus sich schnell drehenden Schneidscheiben, die beispielsweise bei der Herstellung von Currywürsten Verwendung finden. (Die besten Currywürste soll es im Prenzlauer Berg geben. Ich kenne mich da nicht so aus. In meiner Kantine wird so alle vier Wochen Currywurst, Hamburger, etc. angeboten. Damit ist mein Bedarf an Schnellgerichten weitgehend gedeckt. Na ja, es gab dann noch den Wurstmann auf dem Boxhagener Markt, aber darüber werde ich bei anderer Gelegenheit berichten.) Mit einem automatischen Schlesinger wird das Brät dann aus der Schüssel geschabt. So jetzt wissen Sie was ein Kutter ist.
Luis Pasteur, aber das werden Sie wissen, war ein französischer Mikrobiologe, der sich sehr für Einzeller interessierte und in diesem Zusammenhang entdeckte, das die allermeisten Keime bei einer Temperatur von 60- 70 °C sterben. Mit dieser Methode kann so allerlei haltbar gemacht werden.

Aber genug der Vorreden. Es wird ihnen sicher nicht entgangen sein, dass ich Hunde nicht besonders liebe. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Ein Freund von mir, wohnt auf dem Land und hat einen prima Wachhund, der sich todesmutig Briefträgern und Wildschweinen entgegenstellt. Ich würde mir nie einen Hund anschaffen. Hunde sind Rudeltiere, die ihrem Leittier folgen. Es wäre mir zu anstrengend den Leitwolf zu spielen und auf Hierarchien achten zu müssen. Und das Gassi gehen ...

In einer Stadt wie Berlin leben eine ungeheure Anzahl von ihnen und – sie ahnen es schon – hinterlassen täglich 20 Tonnen Kot. Bei 365 Tagen im Jahr macht das die stolze Menge von 22 Millionen Tonnen Hundekot, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Gehwegen verteilt werden. Die Berliner Stadtreinigung setzt zur Beseitigung der Hinterlassenschaften das, im Volksmund ‚Striedermobil‘ und offiziell Hundekotsauger MA 48, genannte Gerät ein.
Striedermobil heißt die Wundermaschine, weil sie von einem früheren Verkehrssenator Peter ‚hier bin ich, wo ist die Kamera‘ Strieder zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das Bild mit dem Senator auf Kotsauger fand dann wieder Verwendung als Symbolbild für diverse Skandale und Skandälchen. Jaja, der Peter Strieder hatte schon ein Händchen für allerlei Fettnäpfe und Fonds. Ein Schredder ist zu brutal
Besuchern rate ich grundsätzlich den Blick starr auf den Boden zu richten, als Hans-guck-in-die-Luft kann man hier nicht glücklich werden (Es empfiehlt sich übrigens auch die Sitzbänke in den Bahnen und Bussen genau zu inspizieren, einen angewärmten Kaugummi hat man sich schnell in die Hose einmassiert. Ich weiß wovon ich rede!). Im übrigen bekämpft der Sauger auch nur die Symptome, die Kackratten bleiben unbehelligt. (Schade eigentlich, eine Maschine, die sowohl Kot wie Hund in einem Arbeitsgang ...).
Man könnte natürlich auch sagen: Es wohnen zu wenig Chinesen in Berlin. Man sagt ihnen nach, sie würden Hunde fangen und verzehren. Vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil. Tatsache ist aber, dass sich der Bestand an Kotabsonderern mit dem Umzug der Botschaft keineswegs verringert hat.
Der Berliner nennt übrigens diese Kleinhunde mit Schleife im Haar, die gerne von älteren Damen in die Bahn verschleppt werden, Taschenratten. Auch kleine Hunde können große Haufen hinterlassen, sie tun es aber, meines Wissens, nicht in den Handtaschen der besagten Damen. Es wäre im Übrigen auch keine allgemeine Lösung.

Im Stadtgebiet von Berlin wurde eine ungeheure Anzahl von großen und kleinen Parks angelegt. Einige, wie der Tiergarten, laden zum Flanieren oder Grillen ein, andere dienen eher dazu, seine Kinder spielen zu lassen oder entspannt eine Flasche Bier zu trinken (Seit es das Dosenpfand gibt, ist Dosenbier schwer aus der Mode gekommen.).
Fast alle Parks haben verwunschene Ecken, von allerlei Rankwerk überwuchert, die geradezu dazu einladen, eine Maschine aus verzinktem Stahlblech, etwa so groß wie ein Flaschencontainer, aufzustellen. Wenn sie üppig mit Grün bewachsen ist, stört sie auch keineswegs den Blick. Diese Maschine ist auf einer ihrer Schmalseiten mit einem etwa einen Meter hohen und 40 bis 50 cm breiten Laufgang aus eben diesem verzinkten Stahlblech versehen. Einige Luftschlitze müsste der Gang natürlich haben. Sie sollten aus ästhetischen Gründen aber nicht zu breit sein, um keinen ungehinderten Einblick in die Funktionsweise des Gerätes zu gestatten.
Am Ende des Tunnels ist eine Sprühdüse angebracht, die künstliche Pheromone und Duftstoffe in den Gang absondert. Eine wohldosierte Mischung würde dazu dienen, die treuen Freunde des Menschen an das Ende des Ganges zu locken.

Haben Sie schon einmal beobachtet, wie die Berliner Wasserbetriebe einen verstopften Abwasserkanal reinigen? Faszinierend! Es wird das verstopfte Rohr keineswegs, wie man vermuten könnte, durchgespült. Vielmehr saugen sie am Ende des verstopften Rohrstückes einfach den ganzen Moder an und pumpen ihn dann in einen Tank.

Eine solche Ansaugvorrichtung müsste man am Ende des Tunnels installieren und schlurps! wäre der Hund in der Maschine. Musik ertönt.

So weit, so gut.

An der Längsseite des Gerätes müsste man selbstverständlich ein großes Display oder eine Anzeigetafel mit umklappenden Täfelchen, wie sie in Flughäfen Verwendung finden, anbringen, um Passanten und Hundehalter über den Stand der Dinge informieren.

Vielleicht in rot?

„processing ...“


Parallel ertönt eine tiefe Stimme aus einem Lautsprecher: „Bitte warten, please hold the line!“ Obwohl es eigentlich egal ist, ob jemand die Leine hält oder nicht.

„processing ...“


Im Innern der Maschine verrichtet der Kutter inzwischen seine Aufgabe, der Schlesinger schabt das Hinterbliebene in die Portioniervorrichtung, die vollautomatisch 100 Gramm-Päckchen in Plastikfolien einschweißt und sie zum pasteurisieren weiterleitet. Wenn der Autoklav fertig ist, fallen die Päckchen von einer ebenfalls vollautomatisch arbeitenden Etikettiermaschine, die die Päckchen fortlaufend nummeriert und beschriftet („Päckchen 1 von 157, Hundebrät, pasteurisiert und luftdicht verpackt, Datum und Uhrzeit“) an den Ausgabeschlitz befördert und in einer Klappe unten rechts zur Entnahme bereitstellt.

„processing ...“


Wenn alles fertig ist, ertönt ein Glöckchen: Kling! Und das Gerät ist wieder bereit.

Die Tierfriedhöfe könnten ihre Preise sehr viel besser kalkulieren und auch ein diversifiziertes Leistungsangebot bereit stellen.

Und für den Fall, dass Sie sich fragen, ob es einen Anlass für diese Empörung gibt? Ja, vor ein paar Tagen trat ich aus dem Haus, rutschte auf einer Hinterlassenschaft aus und fiel exactement mit dem Hinterteil auf den Haufen.

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Donnerstag, 20. Mai 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 94
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
„Unter andern trafen wir heute auch einen Mann an, der ganz blonde Haare, eine ausnehmend weiße Haut, und das ganze Angesicht voller Flecken und Blasen hatte. Es ist bekannt, daß man dergleichen einzelne Menschen, die an Farbe der Haut und der Haare vom allgemeinen National-Charakter abweichen, unter den Afrikanischen Negern, unter den Amerikanern, den Bewohnern der Moluckischen- und unter den Indianern der Südsee-Inseln angetroffen hat. Da man nun an dergleichen Leut mehrentheils eine große Schwäche der Leibesbeschaffenheit und vornemlich eine besondere Blödigkeit der Augen bemerkte; so sind mehrere Reisende der Meynung gewesen, daß eine solche auffallende Abweichung in der Farbe der Haut und der Haare erblich seyn, das ist, von einer Krankheit der Eltern herrühren müsse. Allein, bey dem Manne, den wir HIER antrafen, war nicht das geringste Zeichen einer körperlichen Schwäche und eben so wenig etwas mangelhaftes an den Gesichtswerkzeugen zu bemerken. Es müssen also seine Haut und Haare, wohl von einer andern und gelindern Ursach, entfärbt worden seyn. Um der Seltenheit willen schnitten wir, ihm sowohl als einem andern gemeinen Indianer, eine Haarlocke ab, die wir auch beyde mit uns zurückgebracht haben. Sie schienen diese Operation gar nicht gut zu heißen; da wir aber geschwinder dabey zu Werke gegangen, als sie es gewahr werden, geschweige denn verhindern können; so ließen sie sich durch einige Geschenke bald wieder zufrieden stellen. Ihre Unthätigkeit und Gutartigkeit scheint überhaupt, zumahl da, wo es nur Kleinigkeiten betrift, keinen anhaltenden Unwillen zuzulassen.“
(Forster S. 850/1)
Das erinnert mich an eine Gruppe Kenianer, die, wohl 1984 den Spieß einmal umdrehen wollten, und deutschen Touristen an ihrer Kleidung herumnestelten und sie zum Verkauf eines ihrer Kleidungsstücke bewegen wollten. (siehe)


(mangelhafte Gesichtswerkzeuge)

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Mittwoch, 19. Mai 2010
Urlaubsnotizen III: verstreutes
Es stimmt nicht, dass die Italiener den ganzen Tag miteinander quatschen: sie unterhalten sich nur, wenn sie nicht gerade telefonieren.
***
Ein Herr um die 40 in einer pasticceria. Mit der rechten Hand deutet er stumm auf süße Schweinereien: vier davon, von denen fünfe, drei von diesen und noch sechs von den Cremeschnitten.
Mit der linken Hand schiebt er sich ein Teilchen nach dem anderen in den Mund, schmatzt und ist glücklich.
Eine halbe Stunde später, zuhause:
„Paolo, willst du auch etwas Süßes?“
„Aber nein, Rosaria, du weißt doch, ich mache mir nichts aus Süßkram!“
***
Die Italiener stellen sich seit zweieinhalbtausend Jahren ihr Land mit Bauwerken voll.
Kein Wunder, dass die Restaurierung mit der Zeit ins Geld geht.
***
Ich bin ja der Meinung, junge Amerikanerinnen werden irgendwo südlich von Des Moines industriell gefertigt und außerdem reden sie so als würden sie zur gleichen Zeit eine Ratte totbeißen.
Meine Frau meint, dass die Ähnlichkeiten auf den völlig identischen Zahnklammern für Teenager, die anscheinend in den USA überwiegend Verwendung finden, beruhen.
Ich bleibe bei meiner Meinung, zumal sie ja auch diesen schrillen quiekenden Ton nicht erklären kann.
***
Schweizerinnen ab 60 werden nicht mehr ohne Nordic Walking Stöcke aus dem Land gelassen.
***
Im Restaurant (con vista mare)
Ich so: „Die Italiener können auch nicht besser italienisch kochen als wir.“
Sie so: „Schmeckt gut.“ Und „Lass das mal keine Hausfrau von hier hören.“
Etwas später:
Sie so: „Das mit den Bergen und dem Meer kriegen sie gut hin.“
Ich so: „Ja, obwohl man es ihnen bei dem Ministerpräsidenten gar nicht zutraut.“
Sie so: „Nach dem Kaffee müssen wir runter zur Marina und Eis essen?“
Ich so: „Ja!“
Sie so: „Irgendwie ist man hier den ganzen Tag beschäftigt.“
***
Auch französische Stockträger sind gefährlich.
***

Ein Graffito in Riomaggiore: „Sahra, ich liebe dich, aber wo bist du?“
***
Wenn man im Zug nicht gewaltig aufpasst, rammen sie einem, ihre an den Rucksäcken festgeschnallten Stöcke ins Gesicht.
***
Das Satellitenfernsehen der Ferienwohnung bietet, neben ARD und ZDF, noch 14 verschiedene arabische Pornosender, Nachrichten und Werbesendungen auf Rumänisch, Serbisch, Kroatisch, Russisch und noch in einigen anderen Sprachen an.
***
„Seit fünf Minuten haben wir keine ‚prodotti tipici‘-Läden mehr gesehen?“
„Stimmt, hier scheint mehr so Bevölkerung zu leben.“
***
Wenn man entgegenkommenden Wanderern nicht eine große Portion Misstrauen entgegenbringt, läuft man Gefahr, einen Wanderstock in den Fuß gerammt zu bekommen.
***
You are here Massimo, der kleine Gewichtheber mit der Glatze, reinigt den Bahnhof in Sestri Levante. Nach dem Wischen im Männerklo sperrt er das Etablissement mit gekreuzten Wischmobs für eine Stunde und geht mit dem Zugabfertiger einen Kaffe trinken.
Der Bahnhof von Corniglia wird von Monsieur Hulot gesäubert, nur seine Hosen sind etwas zu lang.
***
Von der stazione fs bis zum Ort hoch sind es 382 Stufen. Eine füllige Amerikanerin sagte: „I walk down, but i did’nt climb up.“ Das dreckige Lachen war bezaubernd.
Aber auch hier gilt: Achten Sie auf die Stockträger!
***

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Dienstag, 18. Mai 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 93
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
„In Betracht des Charakters dieser guten Leute, merkten wir bald, daß ihre Güte des Herzens und ihre Friedfertigkeit, zum Theil, mit natürlicher Trägheit verbunden war. Wenn wir spatzieren giengen, so folgten sie uns selten nach; kamen wir vor ihren Hütten vorüber, ohne zuerst zu reden, so ließen auch sie es gut seyn, und schienen sich gar nicht um uns zu kümmern. Nur die Weiber bezeigten etwas mehr Neugierde, und versteckten sich bisweilen ins Gebüsch, um uns von fern her ansichtig zu werden; herankommen durften sie aber nicht anders, als in Gesellschaft der Mannspersonen.“
(Forster S. 835)

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Montag, 17. Mai 2010
Urlaubsnotizen II: der erste Morgen
Das Örtchen schläft, nur eine schwarze Katze streift durch die Gassen. Kaum merklich, das Meer.

Vögel und Frösche lärmen in der Dämmerung.

Ein dreifacher Espresso zum Wachwerden.

Im Bad läuft die Turbine des Windkanals an und das Toilettenpapier ist über dem linken Ohr.

Ein weiterer Dreifacher und eine Zigarette, Zeit zum Lesen und Schreiben und seiner Liebsten schöne Augen zu machen.

Ein Käuzchen schuhut.
„Kisch mit seinem großen Gesicht und seinem dicken Bauch war tot. Kisch, der Zauberkünstler mit Nasenlöchern von unbegreiflichem Fassungsvermögen, in die er Zigaretten und Bleistifte stopfte, Kisch, der Geschichtenerzähler, Kisch mit dem hübschen Gedicht – ‚Come out, my darling, come out, my duck, come into the garden, I’ll give you a flower’, bei dem aus irgendeinem Grunde die Frauen rot wurden und lachten und so taten, als ob sie böse seien. Ich weinte, und du tröstest mich. Du schienst überrascht von meinem Kummer und fragtest mich, warum ich so traurig sei. Meine Antwort rührte dich: ‚Kisch war mein Freund’, und du hast sie nie vergessen.“
( Joel Agee zu Egon Erwin Kisch S. 16)
(Leider ist der Rest des Buches nur für Leute interessant, die sich für feuchte Träume von Heranwachsenden interessieren. Stilistisch ist es immer ein bisschen zu viel des Originellen und häufig auch daneben. Dabei hatte ich mich auf das Buch so gefreut.)

Die fleißigen Bauern gehen um sechs Uhr auf Feld, die Faulen kommen erst um sieben.

Die Signora von nebenan werkelt in ihrem Garten, gießt die Bohnen, zupft welke Blätter ab und sieht ab und zu auf den Dorfplatz. Die Müllabfuhr kommt, es wird hell und einige Männer treffen sich zum palavern auf dem Platz. Der Busfahrer gesellt sich dazu. In einer halben Stunde fährt er zum Bahnhof hinunter, Zeit genug auf einen Schwatz.

Die schwarze Katze schleicht vorbei: die Schwalben sind nicht beeindruckt. Geschäftig, gelassen.

Die ersten Wanderer kommen aus ihren Wohnungen. Der Busfahrer gibt erste Auskünfte zu Preis, Fahrzeit und Abfahrtszeit: „one faifty Euro, dieci minuti, allora, venti minuti“

Die Liebste blockiert das Sofa, so werde ich mit dem Agathon ja nie fertig.

Die Frösche haben mit quaken aufgehört.

‚Il fumo uccide‘ unter dem gallischen Helm.

‚HARIBO, c’est beau la vie, pour les grandes et les petits!‘ Vielleicht sollte die Firma einen anderen Werbetexter für den französischsprachigen Raum suchen. Das Zeug wird in Marseille produziert.

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Freitag, 14. Mai 2010
Urlaubsnotizen I: Stress
Wenn man von Genua mit dem Zug nach La Spezia fährt, tuckert die Bahn durch die Riviera di Levante, kurz vor La Spezia erreicht man dann die fünf Orte der cinque terre: Monterosso al Mare, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore. „Fünf Länder“ heißt die Region, weil die fünf Orte in Tälern der Küste liegen und früher nur auf dem Seewege erreichbar waren.

Wir hatten eine Ferienwohnung in Corniglia, dem kleinsten Ort und nur über eine Stichstraße von San Bernardino aus mit dem Auto erreichbar. Dies hat uns einen großen Anteil der Tagestouristen erspart. (Nicht allerdings die bestöckerten Wanderkavalkaden, die an unserer Wohnung vorbei zogen und halbstündlich fragten: „Oh, sie haben einen Giardino?“ „Ja, er gehört zu unserer Ferienwohnung.“) Der Blick war schön, die Wohnung vielfältig eingerichtet.

Apropos Giardino: Sie können sich gar nicht vorstellen, unter welchen Stress man mit so einem Feriengarten gerät: Garten täglich wässern, bei Bedarf Zitronen und Kräuter ernten, ins Tal sehen, das abendliche Glas Wein trinken und über das Abendessen nachdenken, in den nächsten Ort fahren und ein Huhn kaufen, das Huhn zerteilen, mit Öl und Kräutern einreiben, Zitronen zerteilen und auf das angebratene Huhn legen, Knoblauch, Zwiebeln, Kartoffeln und Gemüse daneben legen, Wein angießen und dann warten, warten und Wein trinken, schließlich ist das Glas Wein im Koch die wichtigste Zutat.

Und das alles neben dem üblichen Urlaubsstress: Aufstehen, Kaffee kochen, aus dem Fenster sehen und Kaffee trinken, lesen und rauchen, dann duschen etc., ins Dorf gehen und in einer Bar ein Cornetto essen, Zeitung lesen oder Maulaffen feilhalten, usw. man kommt zu nix, sag ich ihnen.

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