Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Herabwürdigungen für jede Gelegenheit,
heute: Der Schuirabrutzler

Schuirabrutzler, der von Schuira (pl. für Scheune) und brutzeln (braten, grillen) ist im Süddeutschen ein windiger Geschäftsmann, einer der auf Kosten anderer seinen Vorteil sucht und dabei wenig Rücksicht auf Sitte oder Recht nimmt.



Reich sind sie geworden, die Bäuerlein, in den 50er und 60er Jahren durch das Abfackeln ihrer Scheunen und dem anschließenden Einkassieren der Entschädigungen. Man erzählt sich, dass die Bauern chronisch erkältet waren in dieser Zeit, weil sie bei jedem Sturm draußen waren, um beim ersten Blitzschlag in interessanter Nähe mit dem Feuerzeug das Stroh in Brand zu setzen. So etwas setzt der Gesundheit zu, keine Frage. Dann kam der Bauboom und man konnte die Äckerlein als Bauland teuer verkaufen. Versicherungsbetrug kam aus der Mode. Das Wort ist geblieben.

In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es einen örtlichen Baulöwen, wie in jeder kleineren oder größeren Stadt, und der war im Gemeinderat, wie in jeder größeren oder kleineren Stadt, und der wollte Bürgermeister werden, weil als Gemeinderat kam es doch vor, dass ihm ein öffentlicher Auftrag flöten ging.
Das Blöde war nur, dass der Bürgermeister direkt gewählt wurde und dass in einer Kleinstadt jeder jeden kennt und in den 70er Jahren ein hohes Interesse an Kommunalpolitik (und Politik überhaupt) bestand. Und so musste er einen großen Wahlkampf führen und viel Geld in zukünftige Aufträge investieren. Die Stadt wurde umfassend plakatiert, Diskussionen veranstaltet, wie das damals Mode war, und auf jeder Veranstaltung wurde er gefragt, warum er denn Bürgermeister werden wolle und er hub an zu rhabarbern und immer war jemand da, der leise, aber vernehmlich „Schuirabrutzler“ tuschelte. Und so wurde es eine Fehlinvestition.

Heute wird das Gleiche in großem Maßstab betrieben. Es gibt sogar einige größere und kleinere Parteien, nicht nur auf kommunaler Ebene, denen man nachsagt, dass das Spitzenpersonal nur Politik betreibt, um sich und ihren Kumpels (Pierre Bourdieu nannte das ‚kulturelles Kapital‘) einen millionen- oder milliardenschweren Vorteil zu verschaffen. Manchen ist das klar und egal und manche haben sich eine wohlklingende Fertigung zu Recht gelegt. Ich nenne sie nach wie vor Schuirabrutzler.

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jean stubenzweig, Freitag, 21. August 2009, 08:34
«Versicherungbetrug
kam aus der Mode.» Was macht Sie da so sicher? Vielleicht leben Sie schon zu lange fern dem Ländlichen. Seit ich einbäckig in der nordnordöstlichen Idylle sitze, flammt es in dieser Art immer wieder mal auf. Schuira (deutsch: Schüüns oder Schüürs) sind's eher seltener, denn die sind schon seit längerem von der EU abgefackelt (und ausbezahlt) worden. Aber selbst in der Stadt kennt man doch den Begriff der eiskalten Versicherung (oder so ähnlich, genau weiß ich's gerade nicht). Besonders hervorgetan hat sich dabei nach meinem Wissen die Gastronomie. Verständlich, denn da geht's bekanntlich besonders heiß her. Nicht nur im Sommer.

g., Freitag, 21. August 2009, 08:47
Ja,
anscheinend bin ich zu lange weg. Es war mir nicht bewußt, dass derlei Gewohnheiten noch im Schwange sind. Es ist tröstlich, dass ehrwürdige Traditionen fernab der Vereinsmeierei in Volkstanzgruppen noch gepflegt werden. In der Gastronomie sagen sie? Lichterloh brennende Imbissbuden und Sternerestaurants, denen es ja ökonomisch auch nicht so gut gehen soll, brennende Ausflugslokale, die über die Heide leuchten, explodierende Fahrgastschiffe, Kabinenbrände bei Butterfahrten. Schön, dass nicht nur in Griechenland, Spanien und Italien spontan ausbrechende, sommerliche Waldbrände die Neubebauung bzw. Rekultivierung ermöglichen.

vert, Freitag, 21. August 2009, 09:41
"warm saniert"
so sagt man hier und deshalb erstrahlt hier auf dem land einiges in klinker, was eigentlich mal fachwerk war. einige schuirabrutzler waren sogar so schlau, das anwesen zu verkaufen und die versicherungssumme einzustreichen. was natürlich nicht funktionierte, den käufern allerdings einen nagelneuen hof bescherte, wenn auch nicht ganz das vormals gekaufte modell...

ein eigener ausdruck dafür ist mir nicht bekannt.

g., Samstag, 22. August 2009, 07:33
Und weil es meinen Gedanken so gut illustriert, habe ich oben einen Link eingefügt. (via nightline) Greedy bastards.

jean stubenzweig, Samstag, 22. August 2009, 09:53
Link wo? Was?
Auch in nightline werde ich nicht fündig.

Vert: Ja, das meinte ich. Das Gedächtnis war wohl heißgelaufen.

g., Samstag, 22. August 2009, 09:58
da: (Pierre Bourdieu nannte das ‚kulturelles Kapital‘)

g., Samstag, 22. August 2009, 10:15
Ich hatte es falsch in Erinnerung: der Begriff ist symbolisches Kapital, ‚kulturelles Kapital‘ ist etwas anderes.

jean stubenzweig, Samstag, 22. August 2009, 10:57
Na ja,
unsereins könnte ja auch mal das Hirn einschalten ...

Weshalb liest man solche Informationen wie die aus der Zeit nicht auch anderswo? Sicher, öffentlich-rechtlich geschieht das durchaus. Aber immer erst, wenn das Volk den Tatort verlassen und sich zu Bett begeben hat.

jean stubenzweig, Samstag, 22. August 2009, 17:49
Außer Thema
Können Sie mir dabei behilflich sein: Ein Hotel dieses Namens?

Sie können die Antwort ja bei mir drüben deponieren.