Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Freitag, 21. August 2009
Herabwürdigungen für jede Gelegenheit,
heute: Der Schuirabrutzler

Schuirabrutzler, der von Schuira (pl. für Scheune) und brutzeln (braten, grillen) ist im Süddeutschen ein windiger Geschäftsmann, einer der auf Kosten anderer seinen Vorteil sucht und dabei wenig Rücksicht auf Sitte oder Recht nimmt.



Reich sind sie geworden, die Bäuerlein, in den 50er und 60er Jahren durch das Abfackeln ihrer Scheunen und dem anschließenden Einkassieren der Entschädigungen. Man erzählt sich, dass die Bauern chronisch erkältet waren in dieser Zeit, weil sie bei jedem Sturm draußen waren, um beim ersten Blitzschlag in interessanter Nähe mit dem Feuerzeug das Stroh in Brand zu setzen. So etwas setzt der Gesundheit zu, keine Frage. Dann kam der Bauboom und man konnte die Äckerlein als Bauland teuer verkaufen. Versicherungsbetrug kam aus der Mode. Das Wort ist geblieben.

In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es einen örtlichen Baulöwen, wie in jeder kleineren oder größeren Stadt, und der war im Gemeinderat, wie in jeder größeren oder kleineren Stadt, und der wollte Bürgermeister werden, weil als Gemeinderat kam es doch vor, dass ihm ein öffentlicher Auftrag flöten ging.
Das Blöde war nur, dass der Bürgermeister direkt gewählt wurde und dass in einer Kleinstadt jeder jeden kennt und in den 70er Jahren ein hohes Interesse an Kommunalpolitik (und Politik überhaupt) bestand. Und so musste er einen großen Wahlkampf führen und viel Geld in zukünftige Aufträge investieren. Die Stadt wurde umfassend plakatiert, Diskussionen veranstaltet, wie das damals Mode war, und auf jeder Veranstaltung wurde er gefragt, warum er denn Bürgermeister werden wolle und er hub an zu rhabarbern und immer war jemand da, der leise, aber vernehmlich „Schuirabrutzler“ tuschelte. Und so wurde es eine Fehlinvestition.

Heute wird das Gleiche in großem Maßstab betrieben. Es gibt sogar einige größere und kleinere Parteien, nicht nur auf kommunaler Ebene, denen man nachsagt, dass das Spitzenpersonal nur Politik betreibt, um sich und ihren Kumpels (Pierre Bourdieu nannte das ‚kulturelles Kapital‘) einen millionen- oder milliardenschweren Vorteil zu verschaffen. Manchen ist das klar und egal und manche haben sich eine wohlklingende Fertigung zu Recht gelegt. Ich nenne sie nach wie vor Schuirabrutzler.

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