Georg Forster: Reise um die Welt 55
(Nachricht von unserem Aufenthalt auf den Socitäts-Inseln)
(Nachricht von unserem Aufenthalt auf den Socitäts-Inseln)
g. | Donnerstag, 12. November 2009, 06:09 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
“Bald nachher kam unser Boot von der ADVENTURE zurück und brachte uns den O-MAI an Bord, welches der einzige Indianer war der sich hier eingeschifft hatte, um mit nach England zu gehen. Capitain COOK behielt ihn auf unserm Schiffe bis wir RAIETEA erreichten, wohin unser Lauf gerichtet war; sobald wir aber dort anlangten, ward er wieder auf die ADVENTURE gebracht, in welcher er auch nach England gekommen, und daselbst eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugierde gewesen ist. Während seiner Anwesenheit bey uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hatte auch damals nicht Ehrgeiz genug, mit dem Capitain umzugehen, sondern hielt sich zu dem Büchsenschmidt und andern gemeinen See-Leuten: Als er aber ans Vorgebirge der guten Hoffnung kam, wo ihn der Capitain FOURNEAUX in seiner eigenthümlichen Tracht auftreten lies, und in die besten Gesellschaften brachte, gab er vor, er sei kein TAUTAU, oder gemeiner Mensch, sondern ein HOA, d.i. ein königlicher Cammerherr oder Begleiter des Königs. Man hat das Publicum verschiedentlich mit allerhand fabelhaften Nachrichten von diesem Indianer unterhalten, dahin gehört unter andern das lächerliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sey, dergleichen es doch in seinem Vaterlande nirgends giebt. Er war von Statur, aber sehr schlank, und hatte besonders feine und zierlich gebildete Hände. Aus seinen Gesichtszügen hingegen konnte man sich im geringsten keinen richtigen Begriff von der Schönheit machen, die den Einwohnern auf TAHITI eigenthümlich ist; wir thun ihm im Gegentheil kein Unrecht, wenn wir behaupten, daß uns auf TAHITI und allen SOCIETÄTS-Inseln nur wenig so mittelmäßige Gesichter vorgekommen sind, als das seinige. Dabey war er von so schwarzer Farbe als wir sie kaum unter dem gemeinsten Volk angetroffen hatten, und am allerwenigsten stimmte solche mit dem Range überein, den er hernachmals annahm. Es war würklich unglücklich, daß man gerade diesen Menschen zur Probe eines Volks auswählte, welches alle Seefahrer als schön von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten. Sein Herz und Verstand waren so wie beydes unter seinen Landsleuten gewöhnlich zu seyn pflegt. Er war kein außerordentliches Genie als TUPAIA; aber er hatte ein gefühlvolles Herz, und einen offnen Kopf, der bald etwas begriff, daneben war er dankbar, mitleidig und lebhaft, aber auch flüchtig.“Faszinierende Mischung aus Standesdünkel, Rassismus und aufgeklärtem Weltbürger.
(Forster S. 347/8)