Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 3. November 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 52
(Nachricht von unserem Aufenthalt auf den Socitäts-Inseln)
“Viele unsrer Leute empfanden nunmehro schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauenspersonen in MATAVAI-BAY, doch hatten alle dergleichen Patienten die Krankheit nur in einem sehr gelinden und gutartigen Grade. Man hat darüber gestritten, ob dies Übel durch französische oder durch englische Seefahrer nach TAHITI gebracht worden sey? ohne daran zu denken, daß zum Vortheil beyder streitenden Partheyen noch ein dritter Fall möglich sey. Warum sollte man nicht annehmen dürfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe noch irgendein Europäer dahin kam? Der Umstand, daß keiner von des Capitain WALLIS Leuten hier angesteckt worden, ist dieser Hypothese wenigstens nicht entgegen, denn er beweiset nur so viel, daß gerade DIE Frauensleute rein gewesen sind mit denen jene zu thun gehabt. Es kann ja leicht seyn, daß die Einwohner alle mit dieser Seuche behaftete Weibspersonen damals ausdrücklich von den Europäern zurückgehalten haben, weil sie den Zorn der mächtigen Fremdlinge auf sich zu laden fürchteten, wenn sie denselben ein so häßliches Übel zubrächten. Wir hörten zwar von einer andern Krankheit, welche sie O-PÄH-NO-PEPPE (das Geschwür von Peppe) nannten, und vorgaben, daß ihnen solche von dem eben so genannten Schiffe zugeführet worden sey, welches zwey wie andere wollten, drey, ja gar fünf Monathe vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beschreibung der Symptomen zu urtheilen, war diese Krankheit wohl nichts anders als eine Art von Aussatz; und an der Ausbreitung derselben, können die Spanier oder die Fremden in diesem Schiffe, noch überdies ganz unschuldig seyn. Die Krankheit brauchte nur auszubrechen, als das Schiff ankam, und zwischen den Kranken und der Equipage desselben einige, selbst entfernte Verbindung statt gefunden haben, so war das zu Veranlassung jenes Irrthums schon genug. Dies ist um so wahrscheinlicher, da die Einwohner ohnedem mit verschiednen Arten von Aussatz behaftet sind.“
(Forster S. 333/4)
Ein bemerkenswerter argumentativer Aufwand, um das Einschleppen einer Krankheit nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.

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