Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 2. November 2009
Der letzte Demokrat
Ausstellung zum Grundgesetzjubiläum 2009 auf dem Alexanderplatz
Zur Wahl im September war er nicht mehr da, der Jopi. Vielleicht habe ich ihn auch nur nicht mehr getroffen.
Vor vier Jahren stand er Tag für Tag vor dem Ausgang der U 2 am Alexanderplatz, dürr war er, er hätte mal was essen sollen und sich häufiger rasieren. Er trug ein mit einem dicken Filzstift beschriftetes Schild aus Wellpappe vor der Brust:
„Wählt Jopi in den Bundestag.
Ich bin eine ehrliche Haut und verspreche, dass ich mich für alle einsetzen werde.“

Das Schild war nicht groß genug, um sein ganzes Anliegen mit dem dicken Stift auf die Pappe zu bringen und so hat er mit einem Kugelschreiber in kleiner, krakeliger Schrift alles weitere, was ihm am Herzen lag, auf die verbliebenen 10 Zentimeter geschrieben: das, was ihn bewegt und das, was zu ändern wäre in der Republik.
Ich bin einige Male stehen geblieben und habe auch das Kleingeschriebene sorgfältig gelesen. Wenn es jemand dreckig geht und Jopi ging es dreckig, sollte man seinem berechtigten Anliegen Respekt zollen. Ich kann ihm keinen Job und keine Wohnung verschaffen und Geld wollte er nicht annehmen. Aus Stolz, vermute ich.
Jopi stand über zwei Wochen immer am gleichen Ausgang. Ein großer Redner war er wohl nicht. Wenn man bei einzelnen Punkten nachfragte, konnte er nur wenig dazu erläutern. Alles was er wusste und zu sagen hatte, stand auf dem Schild.
Wie es ihm wohl geht, dem Jopi?

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