Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 24. November 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 58
(Reise von den Societäts-Inseln nach den freundschaftlichen Inseln; und Nachricht von unserm Aufenthalt daselbst)
“So harmlos sich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, so blieben sie dennoch von den Unglücksfällen nicht verschont, die bey Entdeckung fremder Länder nun gar zu oft vorfallen. Unsre Waaren hatten für sie gewiß nicht weniger Werth und Reiz als den sie für die TAHITIER hatten; und es war daher kein Wunder, daß sie auch ebenso geneigt waren, als jene, sich daran zu vergreifen. Die Capitains waren am nächstfplgenden Tage nicht lange am Lande gewesen, als ein Insulaner die Gelegenheit wahrnahm eine Jacke aus unserm Boote wegzustehlen. Um seine Beute zu sichern tauchte er gleich unters Wasser und lief, sobald er den Strand erreicht hatte, unter seine Landsleute, da, wo das Gedränge am dicksten war. Gleichwohl ließen sich die Matrosen dadurch nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, geschahen sieben Schüsse nach ihm. Dadurch wurden nun natürlicherweise mehrere, ganz unschuldige Leute verwundet, und bey alle dem war das Volk so gutherzig, daß sie weder Ufer noch Handelsplatz verließen, auch wegen dieses übereilten Betragens nicht das geringste Mißtrauen schöpften; sondern vielmehr sich die Kugeln getrost um die Ohren pfeifen ließen. Wenige Stunden nachher machte ein andrer es am Bord unsers Schiffes eben so; er schlich sich in die Cajüte des Piloten und entwandte daselbst verschiedne mathematische Bücher, einen Degen, ein Lineal und andre Kleinigkeiten, wovon er in seinem Leben keinen Gebrauch machen konnte. Indessen ward die Sache entdeckt, als er eben in einem Canot entwischen wollte. Man schickte ihm daher ein Boot nach, um das gestohlne wieder habhaft zu werden. Sobald er sahe, worauf es angelegt sey, warf er alles über Bord; man ließ also die Sachen durch ein andres Boot auffischen, inmittelst das erste den Dieb zu verfolgen fortfuhr. Um ihn einzuholen, schossen unsre Leute eine Flintenkugel durch das Hintertheil seines Canots, worauf er, nebst verschiednen andern ins Wasser sprang. Demohnerachtet hörte man nicht auf ihm nachzusetzen, doch seine bewunderswürdige Hurtigkeit schützte ihn noch eine ganze Zeit lang; er tauchte zuweilen unter das Boot in welchem unsre Leute waren, und einmal hob er ihnen gar das Steuer-Ruder aus, ohne daß sie ihn erwischen konnten. Endlich ward einer von den Matrosen des Spiels überdrüßig, und warf den Boothaken nach ihm; unglücklicherweise drang das Eisen ihm unter die Rippen in den Leib; es ward dem Matrosen also nicht schwer, den Indianer vollends bis ans Boot heran zu ziehen und ihn an Bord zu heben. Allein er sahe die Zeit ab, sprang ehe man sichs versahe, wieder in die See, und entkam auch, ohnerachtet er viel Blut verloren hatte, glücklich, vermittelst einiger Canots, die zu seiner Rettung vom Lande abgestoßen hatten, und ihn aufnahmen. Es ist gewiß sehr zu verwundern, daß die barbarische Verfolgung und Mißhandlung dieses armen Schelmen, uns weder das Vertrauen noch die Zuneigung der Einwohner raubten!“
(Forster S. 406/7)

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