Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 25. Juni 2013
Kant und so
„Einige Merkwürdigkeiten von der schwarzen Farbe der Menschen.
1. Die Neger werden weiß gebohren, außer ihren Zeugungsgliedern und einem Ringe um den Nabel, die schwarz sind. Von diesen Theilen aus ziehet sich die Schwärze im ersten Monate über den ganzen Körper. -
2. Wenn ein Neger sich verbrennt, so wird die Stelle weiß. Auch lange anhaltende Krankheiten machen die Neger ziemlich weiß; aber ein solcher, durch Krankheit weißgewordener Körper, wird nach dem Tode noch viel schwärzer, als er es ehedeß war. -
3. Die Europäer, die in dem heißen Erdgürtel wohnen, werden nach vielen Generationen nicht Neger, sondern behalten ihre europäische Gestalt und Farbe. Die Portugiesen am Capo Verde, die in 200 Jahren in Neger verwandelt seyn sollen, sind Mulatten. -
4. Die Neger, wenn sie sich nur nicht mit weißfarbigen Menschen vermischen, bleiben selbst in Virginien durch viele Generationen Neger ... -
8. Die Mohren, ingleichen alle Einwohner der heißen Zone, haben eine dicke Haut, wie man sie denn auch nicht mit Ruthen, sondern gespaltenen Rohren peitschet, wenn man sie züchtiget, damit das Blut einen Ausgang finde, und nicht unter der dicken Haut eitere.“
( Immanuel Kant: Physische Geographie)
Ob Kant von Wilhelm Anton Amo gehört hatte? Wahrscheinlich. Beirrt hat es ihn augenscheinlich nicht.

Da fällt einem doch sofort Anthony Baffoe ein, der mal zu einem Schiedsrichter sagte: "Wir Schwarzen müssen doch zusammenhalten"

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Montag, 24. Juni 2013
Wilhelm Anton Amo,
geboren 1703 in Nkubeam, Ghana, von 1736–38 Privatdozent in Halle und Wittenberg.
„Hieselbst hat sich ein in Diensten Sr. Hochfürstl. Durchl. des regierenden Hertzogs von Wolfenbüttel stehender getaufter Mohr Namens Herr Antonius Wilhelmus Amo, einige Jahre Studirens halber aufgehalten. Und nachdem er vorhero die Lateinische Sprache zum Grund geleget hat er hier die collegis iuris priuati und publici mit solchem Fleiß und succeß getrieben, daß er in solchem studio ziemlich geübet. Solchem nach er sich mit Vorbewußt seiner gnädigsten Herrschaft welche ihn bisher allhier unterhalten bey dem Herrn Cantzler von Ludewig angegeben unter deßen praesidio sich mit einer disputation öffentlich hören zu lassen. Damit nun das argument der disputation seinem Stande gemäß seyn möchte; so ist das thema de iure mavrorum in Europa oder vom Mohrenrecht beliebet worden. Darinnen daß nicht allein ex LL und der Historie gezeuget; daß der Mohren ihr König bey dem Römischen Kayser ehedem zu Lehen gegangen und jeder von denselben ein Königs-Patent welches auch Justinianus augetheilet hohlen müssen; sondern auch vornehmlich dieses untersuchet wie weit den von Christen erkaufften Mohren in Europa ihre Freyheit oder Dienstbarkeit denen üblichen Rechten nach sich erstrecke.“
( Johann Peter von Ludewig: Wöchentlichen Hallischen Frage- und Anzeigungs-Nachrichten, 28 November, 1729 via The Amo Project )
Ein Lebenslauf von Wilhelm Anton Amo

Zwei Filmemacher haben das Grab von Amo in Ghana besucht:



Es gibt auch einen Roman über Amo, allerdings …
Johannes Glötzner: Der Mohr
Leben, Lieben und Lehren des ersten afrikanischen Doctors der Weltweisheit Anton Wilhelm Amo.

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Freitag, 21. Juni 2013
Boston, Massachusetts
Von meinem Reverend hatte ich ja letztens erzählt, heute soll es nun um den Abend des gleichen Tages gehen (wenn ich mich recht erinnere).

Wir hatten an diesem Tage keine große Strecke zurücklegen können und waren am späten Abend an einem Rastplatz mit Diner. Als wir schon in die Büsche linsten, um Terrain und mögliche Pissecken zu sondieren, nahm uns ein junges Paar mit. Sie würden aber nur bis Boston fahren. Kein Problem, ein Stück in die richtige Richtung. Nach den üblichen Eingangsfragen, wer wir seien und aus welchem Land wir kämen, kamen wir ganz nett ins Plaudern über die unterschiedlichen Systeme der Bildung, Gymnasium vs. High School sozusagen. Das Paar schien an einer High School zu arbeiten, sie kannten sich auf jeden Fall im amerikanischen Bildungssystem besser aus als wir im deutschen. Je nun, wir näherten uns Boston, Massachusetts, und sie fragten uns, ob wir bei ihnen zu Abend essen wollten. Ein Gästezimmer hätten sie auch und am nächsten Morgen würden sie uns wieder an den Highway fahren. Ein Gästezimmer eröffnete die Aussicht auf eine Dusche, was will man mehr.

Gesagt, getan. Nach einer weiteren Stunde saßen wir geduscht am Abendbrottisch, ihre Kinder und die Großeltern und einige Freunde und Nachbarn kamen kurz vorbei, um ihre Neugier zu befriedigen und einen kurzen Plausch mit den Germans zu halten. Das Essen war warm, kam zwar aus Tüte & Büchse, schmeckte aber sehr gut.
Aus irgendwelchen Gründen kamen wir auch auf das Thema Rassismus zu sprechen und ich erzählte von meiner Begegnung mit dem Reverend.
Tja und das inspirierte unsere Gastgeberin und sie erzählte uns, dass vor einigen Wochen ein übler Rassist aus den Südstaaten bei ihnen zu Besuch gewesen sei. An diesem Abend sei auch ein schwarzer Kollege von ihr da gewesen. Bei seinem Anblick habe der Südstaatler vor sich hin gemurmelt, was denn der Nigger hier wolle. Man stelle sich nur vor, sagte unsere Gastgeberin, in seinem Beisein, so dass er es hören konnte und überhaupt so etwas über ihren Kollegen zu sagen, der doch ‚such a sweet person‘ sei.
Nun, ich war damals jung und hatte wenig Lebenserfahrung, aber bei dieser Erzählung fiel mir doch fast das Essen aus dem Mund.

Seit dieser Zeit denke ich darüber nach, wer – wenn diese Szene bei mir zu Hause stattgefunden hätte – als erstes rausgeflogen wäre: Die charmant-liberale Dame oder der Südstaatler.

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Donnerstag, 20. Juni 2013
Mark Twain: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten II
Huck Finns berühmter innerer Monolog ist eines der eindrücklichsten Plädoyers gegen Sklaverei:

„Jetzt ging mir ein Licht auf. Der König hatte Jim für vierzig Dollar verschachert, während er allein in der Stadt war, und als der Herzog und ich den König am Nachmittag aufsuchten, wurde Jim unterdessen weggeführt.

Mir stand das Herz fast still. Dieser verräterische Schurkenstreich setzte der Handlungsweise der Majestät vollends die Krone auf. Ich dachte einen Augenblick daran, umzukehren und dem Schurken die Meinung zu sagen. Doch er und der Herzog hätten nur neue Schurkereien gegen mich ausgebrütet, und Jim wäre dadurch nicht geholfen gewesen. Armer, alter Jim, wie mochte ihm zumute sein! Nein, ich wollte die Kerle gar nicht wiedersehen, da brauchte ich der Vorsehung nicht ins Handwerk zu pfuschen, diese Kerle würde ihr Schicksal ohne mich ereilen, früher oder später, das wußte ich gewiß. Und darin hab' ich recht gehabt, das will ich nur gleich jetzt erzählen, damit ich gar nicht noch einmal an die Lumpenbrut zu denken brauche. Ein paar Tage später, als ich mit Tom ... Ja so, da verplappre ich mich, das gehört ja hier noch gar nicht hin! – Also, kurz und gut: Ein paar Tage später brachten Schiffsleute aus einem weiter stromab gelegenen Städtchen die Nachricht, es seien dort ein paar Gauner geteert, gefedert und von einer großen Volksmenge begleitet durch die Straßen gehetzt worden. Die Beschreibung, die man von ihnen machte, paßte genau auf meine hohen Herrschaften von früher. Sie hatten das Nonplusultra einmal zuviel aufgeführt. Dieser Lohn war gerecht. Warum hatten sie den armen Jim verraten, der ihnen nie was zuleide getan? Später hab' ich nichts mehr von ihnen gehört und gesehen und hoffe sehr, daß es auch nie mehr der Fall sein wird!

Jim, mein alter Jim war also richtig fort, schmachvoll verkauft und verschachert. Der Junge, der mir die Auskunft gegeben hatte, war längst weitergegangen, und ich stand immer noch da, ganz niedergeschlagen, und konnte keinen rechten Gedanken fassen, so laß ich mich denn unter einen Baum zu Boden fallen und sinn' und sinn' und denk' und denk' und kann doch nichts zusammendenken, als daß mein Jim fort ist und ich nun wirklich ganz allein bin. Mir kamen die Tränen, so einsam und verlassen fühlte ich mich. War ja all mein Lebtag auf mich selbst angewiesen gewesen, es hatte ja nie jemand nach mir gefragt, außer mein Alter, wenn er Geld brauchte, aber Jim – der hatte mich liebgehabt, wirklich liebgehabt, dem war ich auch was wert: Meinen Jim mußte ich wiederhaben! Darüber kam ich nicht hinaus!

Ungefähr eine Stunde von hier soll Silas Phelps wohnen, so hatte der Junge gesagt. Ich besinn' mich nicht lange und lauf tapfer zu. Auf einmal aber schießt es mir durch den Kopf: Was willst du denn eigentlich tun, wenn du dort bist, wo sie Jim hingebracht haben? Das machte mich stutzig; darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, und so schlich ich mich wieder in den Wald, setzte mich unter einen Baum und überlegte.

Was wollte ich eigentlich? Ja, da lag's! Ihm jetzt noch einmal zur Flucht verhelfen? Das erste Mal war er von selbst durchgebrannt, und ich hatte ihn unterwegs getroffen. Jetzt aber müßte ich alles auf mein Gewissen nehmen, und die ganze Schuld würde allein auf mich fallen. Ich wäre vor Scham unter den Boden gesunken, wenn ich Tom Sawyer oder einen der andern gesehen hätte. Ach, es waren doch schöne Zeiten dort im alten lieben Nest! Selbst bei der Witwe ließ sich's ertragen, und Miss Watson meinte es doch auch nur gut. Und ich? Zum Dank dafür wollte ich ihrem Jim zur Flucht verhelfen! So konnte nur ein ganz räudiges, verlorenes Schaf, wie ich, denken. Wie? – Wenn ich mich nun hinsetzte und schriebe einen Brief: »Liebe Miss Watson, Ihr Nigger Jim ist hier in...«, ja so, den Namen wußte ich ja noch nicht, der ließ sich aber leicht ermitteln. Also: »Jim ist hier bei Mr. Phelps, und gegen die versprochene Belohnung können Sie ihn wiederhaben – Huck Finn!«

Wenn ich so schriebe, dann wäre alles gut, mein Gewissen rein, und Jim, ja Jim, der arme Kerl, der müßte eben dafür büßen. Der arme Jim! Ach, er war so gut und so freundlich mit mir gewesen und hatte mich immer so liebgehabt. Schon dort bei der Witwe und nun gar erst auf unserm lieben Floß. Wie oft hatte er für mich gewacht und mich schlafen lassen! Wie hatte er für mich gesorgt! Er war stolz darauf, daß ich bei ihm war und mit ihm lebte, und wie dankbar war er für alles! Und ich sollte ihn verlassen? Sollte ich es ruhig mit ansehen, wie sie ihn wieder zurückschleppten und Miss Watson ihn aus lauter Wut weit weg von Weib und Kindern verkaufte? Ich meinte Jims kummervolles Gesicht zu sehen! Nein, ich konnte nicht so treulos sein. Und wenn es Todsünde wäre und ich geradewegs zur Hölle müßte. Na, dort würde auch eher Platz für Huck Finn, den Schmierfink, sein, als da oben in den glänzenden Himmelshallen bei den sauberen Engelein! Ich konnte doch nichts Besseres verlangen – so ein armer, elender Teufel, wie ich einer bin. Es war ja schrecklich, einem Nigger durchzuhelfen, das wußte ich; es war schlimmer als lügen und stehlen und rauben und morden; aber einerlei, ich konnte doch Jim nicht im Stich lassen! Als ich soweit mit mir im klaren war, sprang ich auf, wanderte rüstig vorwärts und dachte, alles übrige, wie und auf welche Weise ich dem armen Jim helfen könnte, werde sich schon finden, wenn ich erst einmal an Ort und Stelle wäre.“
( Mark Twain: Huckleberry Finn )
Mark Twain Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten ist 1884 erschienen, Harriett Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte, 1852, also in etwa zur gleichen Zeit. Der Unterschied in Erzählhaltung und Intention ist, denke ich, augenfällig.

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Mittwoch, 19. Juni 2013
Eine völlig andere Gewichtsklasse ist Mark Twain.
Hier eine Stelle aus Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten

Nachdem Huckleberry Finn Jim, dem entflohenen Sklaven Jim Versprochen hat ihn nicht zu verraten, ziehen sie gemeinsam weiter. Jim will in einen der freien Staaten und Huck flieht vor seinem Vater, ihm ist es egal wohin. Huck Finn erzählt:
„Als es anfing, dunkel zu werden, streckten wir unsre Köpfe vorsichtig aus dem Weidengestrüpp und sahen uns um. Vorn, hinten, hüben, drüben – alles sauber, nichts zu sehen! Jim nahm nun ein paar von den obersten Planken des Floßes und stellte eine Art Hütte her, um uns und unsre Habseligkeiten gegen das Wetter zu schützen; die Hütte erhielt einen Bretterboden, ungefähr einen Fuß höher als die Oberfläche des Floßes, so daß unsere Decken und andere Sachen aus dem Bereich der Wellen der Dampfboote waren. Gerade in der Mitte der Hütte machten wir dann von Lehm eine Art Herd, worauf wir unser Feuer anzünden konnten, ohne daß es von außen viel gesehen werden würde. Dann verfertigten wir noch ein zweites Steuerruder, um nicht in Not zu geraten, im Fall das eine zerbrochen würde. Ein gabeliger Baumast diente uns als Laternenpfosten, denn es war nötig, Licht zu haben, um nicht von irgendeinem Dampfboot in den Grund gebohrt zu werden.
In der zweiten Nacht ließen wir uns ungefähr sieben bis acht Stunden von einer ziemlich reißenden Strömung dahintragen. Wir fingen Fische und plauderten, schwammen auch mal neben her, um den Schlaf fernzuhalten. Es war uns ordentlich feierlich zumute, so auf dem großen, stillen Strom hinzugleiten in der lautlosen Nacht. Wir legten uns dann auf den Rücken und schauten nach den Sternen, und es kam uns gar nicht in den Sinn, laut zu sprechen, oder gar zu lachen, höchstens hie und da mal ganz leise. Wir hatten fabelhaft gutes Wetter, und nichts passierte uns, weder in dieser Nacht noch in der nächsten und übernächsten.“

„Jeden Abend begab ich mich nun ans Ufer in irgendein kleines Dorf, meist so gegen zehn Uhr, und kaufte ein, was wir gerade brauchten, Speck oder Mehl oder Tabak, wie's kam. Manchmal verhalf ich auch einem Huhn, das nicht recht ruhen wollte, zu einer bequemeren Lage in meinen Armen. Mein Alter sagte immer: Wenn du irgendwo ein Huhn kriegen kannst, nimm's mit, unter allen Umständen. Brauchst du's nicht, braucht's ein anderer, und eine gute Tat lohnt sich jedesmal. Der Alte zwar brauchte das Huhn immer selbst, allein das änderte nichts an seinem Wahlspruch.“
( Aus: Mark Twain: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten Kap. 13)

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Dienstag, 18. Juni 2013
Mit Ottmar Hörl
könnte man sich im Unschuldszimmer mit der Unschuldsseife waschen, dann wär alles gut.

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Montag, 17. Juni 2013
Ein Abend in Onkel Toms Hütte
„Onkel Toms Hütte war ein kleines Blockhaus, dicht neben dem »Hause«, wie der Neger die Herrenwohnung par excellence nennt. Davor war ein hübscher Gartenfleck, wo jeden Sommer Erdbeeren, Himbeeren und viele andere Früchte und Gemüse unter sorgfältiger Pflege gediehen. Die ganze Vorderseite war von einer großen roten Begonie und einer einheimischen Multiflorarose bedeckt, die sich ineinander verschlangen und kaum ein Fleckchen der rohen Balken erblicken ließen. Hier fanden auch im Sommer verschiedene lebhaft gefärbte Blumen wie Ringelblumen, Petunien und andere eine Stelle, wo sie ihren Glanz zeigen konnten, und waren die Freude und der Stolz von Tante Chloes Herzen.“



Auf einer Bretterbank in der Ecke waren ein paar Knaben mit Wollköpfen und funkelnden schwarzen Augen beschäftigt, die ersten Gehübungen eines kleinen Kindes zu beaufsichtigen, die, wie es gewöhnlich der Fall ist, darin bestanden, daß es auf die Füße zu stehen kam, einen Augenblick das Gleichgewicht suchte und dann wieder niederfiel. Natürlich wurde jeder fehlgeschlagene Versuch mit lebhaftem Beifall begrüßt, als wäre er ganz entschieden gelungen.
Ein in seinen Beinen etwas gichtischer Tisch war vor das Fenster gerückt und mit einem Tischtuch bedeckt; verschiedenes Geschirr von sehr lebhaftem Muster stand darauf wie Anzeichen einer bevorstehenden Mahlzeit. An diesem Tisch saß Onkel Tom, Mr. Shelbys bester Mann.
Er war ein großer, breitschultriger, kräftig gebauter Mann von tiefem glänzendem Schwarz und einem Gesicht, dessen echt afrikanische Züge ein Ausdruck von ernster und tüchtiger Verständigkeit, mit Freundlichkeit und Wohlwollen verbunden, auszeichnete. In seiner ganzen Physiognomie lag etwas von Selbstachtung und Würde, die jedoch mit einer vertrauenden und bescheidenen Einfachheit verbunden waren.
Er hatte gerade sehr viel mit einer vor ihm liegenden Schiefertafel zu tun, auf welcher er vorsichtig und langsam bemüht war, einige Buchstaben nachzumalen, wobei ihn der junge Master George, ein lebhafter, hübscher Knabe von 13 Jahren, beaufsichtigte, der die Würde seiner Stellung als Lehrer ganz zu fühlen schien.
»Nicht auf die Seite, Onkel Tom – nicht auf die Seite«, sagte er munter, als Onkel Tom mit großer Mühe den Schwanz eines g auf der falschen Seite in die Höhe zog. »Das wird ein q, sieh her.«
»So, so, wirklich«, sagte Onkel Tom und sah mit einem ehrerbietigen, bewundernden Gesicht zu, während sein junger Lehrer zu seiner Erbauung unzählbare q und g auf die Tafel machte; darauf nahm er den Schieferstift zwischen seine groben schweren Finger und fing geduldig von vorn an.
»Wie leicht den weißen Leuten alles wird!« sagte Tante Chloe, indem sie einen Augenblick von der Kuchenform aufsah, die sie mit einem auf die Gabel aufgespießten Stück Speck bestrich, und den jungen Master George stolz anblickte. »Wie er jetzt schreiben kann! Und lesen! Und abends hierher zu kommen und seine Lektionen uns vorzulesen – das ist gewaltig interessant!«
(Harriett Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte, 1852 erschienen)
Ist ihnen schlecht?

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Donnerstag, 13. Juni 2013
Schnipsel
Manchmal lese ich irgendwo etwas und was mir dazu einfällt, schreibe ich dann in der Hoffnung auf, es nicht mehr zu vergessen (und kommentieren will man ja auch nicht überall … eigentlich fast nirgendwo):

  1. »Neue Angebote für junge Publikumsgruppen erfolgreich eingefordert« wattnssatz
  2. "Die Fälle von Gewalt und Mord an Frauen werden bei uns immer mehr. Dem Innenministerium zufolge nimmt die Gesamtzahl an Morden in Italien ab, aber die Zahl der Morde an Frauen nimmt zu". Ob das in D. auch der Fall ist?
  3. Ein Lob: „Er mühte sich redlich“
  4. "Und bitte nicht drauf hören was ich geredet habe!" (Kristina Schröder)
  5. „Doch jetzt gibt es erstmal gegrillte Eidechse.“ (nicht Kristina Schröder) schmeckt übrigens gar nicht schlecht
  6. „Wir befriedigen all Ihre Grillfantasien“ ein Satz den man sich in seiner Schönheit mehrmals vorlesen sollte. Möglicherweise ist aber auch der Vorschlag, sich aus einem Rettich die Traumfrau zu schnitzen, noch irrer.
  7. Das Abendland versinkt nicht im Meer, wenn in der Grundordnung der Uni Leipzig Professoren mitgemeint werden.
  8. „Als Teenager feierte sie Partys auf Ibiza unter Anwesenheit von Bob Marley und der Sängerin Nico, kurz bevor diese starb. Lewitscharoff ist noch ein Teenager, als sie Kommunistin wird und dann Feministin. Sie war es so lange, bis sie Alice Schwarzer live reden hörte.“ Wenn ich solche Details aus der Biographie höre, habe ich schon keine Lust mehr weiter zu lesen. Die Anzeige unmittelbar darunter über ‚perfekte Nägel designen‘ passt dann auch noch sehr schön dazu.
  9. Ausdrucksfähigkeit: bei null oder knapp darüber
  10. „Benutzt mal alle schön den Cis_Begriff weil der Bio-Begriff ist doof“
  11. "Eine gerechte Sprache ist so sinnvoll wie eine gerechte Brechstange." Da ist was dran.
  12. "Beim Golf darf man die anderen Spieler nicht mit dem Schläger hauen." Warum eigentlich? Das Spiel könnte an ‚drive‘ gewinnen, wenn man diese Regel abschaffen würde.
  13. „Denn welcher Richter würde es nicht als Notwehr betrachten, wenn man mit Brotmessern bewaffneten Minderjährige, die vor sich hinjaulen wie kastrierte Buckelwale, einen Einlauf verpassen würde?“ Wie wahr, wie wahr.
  14. ich höre statt ‚ein Bett im Kornfeld‘ immer: ‚ein Bett im Cornflake‘. Na, wird schon irgendetwas zu bedeuten haben
  15. Ach es ist fast ein so großes Elend wie der Umstand, dass in den Gazetten zum Tode von Franca Rame nicht viel mehr stand als dass sie die Frau von Dario Fo war. (Von Blogs ganz zu schweigen)
  16. „Die Doppelform ist eigentlich nur ein Entgegenkommen gegenüber den Männern, weil sie dadurch nicht so in ihrer Identität verletzt werden wie Frauen durch das generische Maskulinum, das wir schon seit Jahrtausenden haben.“ (Luise Pusch, Linguistin) Vor den 70er Jahren hatten wir kein generisches Maskulinum, sondern eine chaotisch-widersprüchliche Mischung von sexus und genus.
  17. „Es gab noch nie einen Kanzlerkandidaten, der erkennbar so wenig Kanzler werden wollte wie Steinbrück.“ Das ist zwar richtig, aber unglaublich. "SPD-Inkontinenzteam"
  18. „Wenn die Weiber schon studieren dürfen, will er nicht auch noch seine Sprache ändern.“ Schreibt keine Linguistin, ich weiß aber nicht, ob sie deswegen recht hat.
  19. Die Partei »Die Partei« erwägt eine Fraktionsgemeinschaft mit der Partei »Die Linke« im Lübecker Rathaus einzugehen. Möglicherweise wird die Partei »Die Partei« aber auch eine Ein-Mann-Minderheitenregierung bilden.

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Mittwoch, 12. Juni 2013
Zur Pataphysik des Geschlechtlichen IV
Nicht zehn oder zwölf Geschlechter, aber immerhin:
„Die menschliche Natur war ja einst ganz anders. Ursprünglich gab es drei Geschlechter, drei und nicht wie heute zwei: neben dem männlichen und weiblichen lebte ein drittes Geschlecht, welches an den beiden ersten gleichen Teil hatte; sein Name ist uns geblieben, das Geschlecht selbst ist ausgestorben. Ich sage, dieses mann-weibliche Geschlecht hatte einst die Gestalt und den Namen des männlichen und weiblichen Geschlechtes zu einem einzigen vereinigt, und heute ist uns von ihm nur der Name erhalten, und der Name ist ein Schimpfwort. Weiter, die ganze Gestalt jedes Menschen war damals rund, und der Rücken und die Seiten bildeten eine Kugel. Der Mensch hatte also vier Hände und vier Füße, zwei Gesichter drehten sich am Halse, und zwischen beiden Gesichtern stak ein Kopf, aber der Kopf hatte vier Ohren. Der Mensch besaß die Schamteile doppelt, und denkt den Vergleich für euch selbst aus: auch alles andere war demgemäß doppelt! Der Mensch ging zwar aufrecht wie heute, aber nach vorwärts und nach rückwärts, ganz wie es ihm gefiel. Und wenn er [29] laufen wollte, dann machte er’s wie die Gaukler, die kopfüber Räder schlagen: er lief dann mit allen acht Gliedern, und so im Rade auf Händen und Füßen kam er allerdings schneller vorwärts als wir heute. Noch einmal, es gab einst drei Geschlechter, und das männliche hatte seinen Ursprung in der Sonne, das weibliche in der Erde, das dritte, welches den beiden ersten gemeinsam ist, hatte ihn im Mond, denn auch der Mond teilt sich zwischen Sonne und Erde. Und gleich den Gestirnen, denen sie eingeboren sind, waren sie rund, und auch ihre Bahn, wenn ihr wollt, lief im Kreise. Groß und übermenschlich war ihre Stärke, ihr Sinnen war verwegen, ja sie versuchten sich sogar an den Göttern. Was Homer von Ephialtos und Otos erzählt, sagt man auch von diesen Menschen: sie wagten den Weg zum Himmel hinauf und wollten sich an den Göttern vergreifen.
Und Zeus und alle Götter erwogen, was sie dagegen tun sollten, und waren recht in Verlegenheit, denn sie konnten weder alle Menschen töten und wie einst die Giganten mit dem Blitze das ganze Geschlecht niederschlagen – da wäre es auch mit allem Götterdienst und allen Altären vorbei – noch deren Übermut hingehen lassen. Da fiel es aber Zeus ein, und er rief: Ich habe das Mittel! Ich habe das Mittel gefunden, die Menschen leben zu lassen und doch ihrem Übermut für immer ein Ende zu machen: ich werde jeden Menschen in zwei Teile schneiden. Sie werden uns dadurch nicht nur zahmer, sondern auch von größerem Nutzen sein, denn ihre Zahl wird gerade [30] noch einmal so groß. Die Menschen werden von nun an auf zwei Beinen und nur aufrecht gehen. Sollte ihnen aber noch Übermut übrig geblieben sein, und sollten sie noch immer keine Ruhe geben, so schneide ich jeden noch einmal entzwei: sie mögen dann auf einem Beine gehen und hüpfen. Und wie Zeus sprach, so handelte er auch: er nahm die Menschen her und schnitt jeden in zwei Teile, wie man Birnen, um sie einzukochen, entzwei schneidet. Und so oft er einen entzwei hatte, ließ er ihm durch Apollon das Gesicht und den halben Hals nach der Schnittfläche zu umdrehen, damit der Mensch von nun an, indem sein Blick auf sie gerichtet ist, züchtiger sei. Auch alles andere, was durch den Schnitt wund ward, ließ Zeus durch Apollon heilen. Apollon zog also die Haut nach dem sogenannten Magen hin zusammen und band sie in der Mitte des Magens wie einen Schnürbeutel ab und ließ eine öffnung, und diese öffnung ist unser Nabel. Apollon glättete dann die vielen Falten, die dadurch entstanden waren, und bildete die Brust, indem er sich dazu eines Werkzeuges bediente, wie es die Schuster heute beim Glätten des Leders haben. Nur um den Nabel und über dem Magen ließ er einige Falten übrig; auch darüber sollte der Mensch seines alten Leidens nicht vergessen. Als nun auf diese Weise die ganze Natur entzwei war, kam in jeden Menschen die große Sehnsucht nach seiner eigenen anderen Hälfte, und die beiden Hälften schlugen die Arme umeinander und verflochten ihre Leiber und wollten wieder zusammenwachsen und starben vor Hunger [31] und wild und wirr, denn keine wollte ohne die andere etwas tun. Wenn aber nur eine Hälfte starb und die andere am Leben blieb, da suchte diese nach der toten und umarmte den Leichnam, ob sie nun auf die Hälfte eines ganzen Weibes – ich meine, was wir heute Weib nennen – oder auf die Hälfte eines ganzen Mannes stieß. Und so ging alles zugrunde. Doch da hatte Zeus Erbarmen mit dem Menschengeschlechte und schuf ein neues Mittel: Er setzte die Schamteile nach auswärts. Bisher hatten die Menschen sie rückwärts besessen und wie die Cikaden in die Erde gezeugt und aus der Erde geboren. Und indem Zeus die Schamteile also versetzte, ließ er die Menschen ineinander zeugen und aus sich selbst gebären, damit von jetzt an, wenn der Mann dem Weibe beischläft, das Geschlecht sich fortpflanze, und wenn der Mann den Mann umarmt, ihre Begierde gestillt werde und ihr Sinnen sich beruhige und sie an die Arbeit gehen und so auch für das Allgemeine sorgen. Von dieser Zeit her, Freunde, ist Eros den Menschen eingeboren und da, damit er die Menschen zu ihrer alten Natur zurückbringe und aus zwei Wesen eines bilde und so die verletzte Natur wieder heile. Wenn der Gastfreund von uns scheidet, so teilen wir mit ihm einen Würfel, und jeder behält die Hälfte, und später erkennen wir uns an den Hälften. Und jeder Mensch, möchte ich sagen, ist ein also geteilter Würfel und sucht im Leben die andere Hälfte des Würfels. Wie die Butten sind wir entzwei geschnitten, aus einer Butte sind zwei geworden. Alle Männer zunächst, [32] welche aus jenem Ganzen geschnitten sind, das früher das Mannweib hieß, lieben heute das Weib – die Ehebrecher also sind aus diesem Geschlechte, damit ihr es wißt – und aus demselben Ganzen sind natürlich auch die Weiber geschnitten, die da den Mann lieben und ihrerseits die Ehe brechen. Die Weiber dann, die aus dem alten Geschlechte des ganzen Weibes geschnitten sind, haben wenig Sinn für den Mann und fühlen sich mehr zum eigenen Geschlechte hingezogen: die lesbischen Frauen stammen aus diesem Geschlecht. Und endlich die Männer, die aus dem alten männlichen Geschlechte geschnitten sind, gehen dem Manne nach. Schon als Knaben lieben sie die Männer und sind froh, wenn sie Männer umarmen und mit Männern liegen. Gerade die mutigsten finden wir unter ihnen, da sie ja doch schon von Natur aus sozusagen die männlichsten sind. Wer sie schamlos nennt, der lügt. Denn nicht aus Schamlosigkeit handeln sie so; nein, ihr Mut, ihre Mannhaftigkeit, ihre Männlichkeit liebt eben ihresgleichen. Und das beweist es: nur sie dienen, reif und zu Männern geworden, dem Staate. Als Männer lieben sie wieder Knaben und Jünglinge und kümmern sich wenig darum, ein Weib zu nehmen und Kinder mit ihm zu zeugen; es genügt ihnen durchaus, unverheiratet nur miteinander zu leben.

So also sind die Freunde und Geliebten entstanden, auch sie lieben eben nur ihr eigenes altes Geschlecht. Wenn nun einer von diesen oder jenen anderen seiner eigenen Hälfte zum erstenmal begegnet, da werden er und der andere wundersam von Freundschaft, Heimlichkeit und Liebe bewegt, und beide wollen nicht mehr voneinander lassen. Aber sie, die von nun an ihr ganzes Leben beieinander weilen, sie wissen dennoch niemals und niemand zu sagen, was sie wollten, daß mit ihnen geschähe. Die sinnliche Begierde könnte doch kaum den einen an den andern mit so großer Leidenschaft binden. Ihre Seele will doch wohl etwas anderes: sie kann es nicht sagen und ahnt es nur und stammelt. Und wenn zu zweien, die beieinander liegen, Hephaistos träte mit seinen Werkzeugen und sie fragte: Was wollt ihr, Menschen, was soll aus euch hier werden? Sie würden nur verlegen und keine Antwort haben, und wenn der Gott fortführe: Wollt ihr ein Wesen sein und Tag und Nacht voneinander nicht lassen können? Wenn das euer Wunsch ist, so will ich euch zusammenschweißen, und ihr werdet ineinanderwachsen, aus zwei Dingen eines werden und euer ganzes Leben als ein einziges Wesen leben und nach dem Tode in den Hades treten wie zwei, die zusammen gestorben sind? Sagt, ob das eure Sehnsucht ist und dieses Glück sie stillt? O, niemand möchte da widersprechen und etwas anderes wollen; gleich Kindern würden alle zu hören glauben, was seit je ihr Sehnen war: mit dem Geliebten verwachsen und ein Wesen mit ihm bilden. Denn so war einst unsere alte Natur: wir waren einst ganz, und jene Begierde nach dem Ganzen ist Eros. Wir waren einst ein Wesen, und weil wir gefrevelt haben, sind wir vom Gotte gespalten worden, wie die Arkadier heute von den [34] Lakedaimoniern. Und die Gefahr besteht fort, daß wir noch einmal gespalten werden, wenn wir nicht fromm gegen die Götter sind, und daß wir dann herumgehen wie die Reliefs auf den Grabsteinen mit zersägten Nasen. Damit wir nun diesem Schicksal entgehen und jenes andere Ziel erreichen, muß jeder Mensch den anderen heißen, die Götter ehren, und Eros ist uns zu jenem Ziele Führer. Ihm soll niemand zuwiderhandeln, und wer der Götter spottet, der handelt ihm zuwider. Nur als des Gottes Freunde und ihm versöhnt, werden wir, was heute nur wenigen gelingt, unsere echten Geliebten finden. Eryximachos soll sich hier über mich nicht lustig machen und meinen, ich denke jetzt an Pausanias und Agathon. Ja, vielleicht stammen diese beiden wirklich aus dem alten männlichen Geschlecht. Ich meine aber alle Männer und Weiber und behaupte, das Menschengeschlecht könne nur heil sein, wenn wir uns in der Liebe vollenden und jeder seinen eingeborenen Geliebten findet und so zur alten Natur zurückkehrt. Und wenn das unser Ziel ist, so muß, wie wir nun einmal sind, gut sein, was diesem zunächst kommt: unter allen den Geliebten finden, der uns versteht. Und wenn wir den Gott, dem wir das verdanken, preisen sollen, so müssen wir Eros preisen, denn wie kein anderer hilft er uns hier zu uns selbst und gibt uns die sicherste Hoffnung, wenn wir den Göttern unseren frommen Sinn bewahren, uns zu unser alten Natur zurückzubringen und uns heil und selig zu machen.“
(Platon „Gastmahl“ (29-34)

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Dienstag, 11. Juni 2013
Auf dem Pennsylvania Turnpike
Es ist nun schon ein paar Tage her (wer es genau wissen will: 12560) als ich in den USA war. Ich hatte damals wenig Geld und bewegte mich per Autostop im Lande. Die ältere Generation fand das damals sehr gefährlich, heute finden das alle gefährlich oder doch schrecklich, schließlich trifft man andauern auf Leute, die man nicht kennt.

Nun, wir standen also an einer Auffahrt zum Pennsylvania Turnpike. Ein Mittelklassewagen hielt, der Fahrer lud uns ein bis Philadelphia mit zu fahren. Gesagt getan. Nach den üblichen Fragen „Where you from?“ „Germany?“ usw. kamen wir ins Plaudern.

Er sei Reverend (was uns nicht überraschte, schließlich konnte man sein Beffchen auch unter seinem Pullover deutlich sehen) in einer kleinen Gemeinde bei Habichvergessen. Er wollte wissen, wie es denn in Deutschland mit Rassismus (der Reverend war schwarz) aussehe.

Nun, erzählte ich, Rassismus im engeren Sinne gäbe es nur selten (von Brown Babies wusste ich damals nichts), weil es nur wenige Colored People gäbe, eigentlich nur G.I.‘s. Es gäbe aber sehr massiv etwas ganz Ähnliches, nämlich Ausländerfeindlichkeit. In Deutschland würden viele Arbeiter aus anderen Ländern, vor allem Italiener, Portugiesen, Spanier, Türken usw. leben, die sehr massiv unter Vorurteilen zu leiden hätten. Ich erzählte ihm dann von den ‚Itakern‘, die ‚uns‘ die Frauen weg nehmen würden, faul und unordentlich seien. Er hörte aufmerksam zu.

Ob das etwas mit der NS-Zeit zu habe, wollte er wissen. Ja, sagte ich und erzählte ihm von ‚Fremdarbeitern‘ und der Rassenlehre der Nazis. Er nickte. Damit hätte er sich auch schon beschäftigt. Wir unterhielten uns dann noch einige Zeit über die verschiedenen Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und dann erklärte er mir beiläufig, dass sie hier in den USA nicht mehr von Colored People reden würden, weil die Bezeichnung auf die Hautfarbe rekurieren würde, hier würde man lieber von Afro-Americans reden, weil damit nur auf die Abstammung Bezug genommen würde. Das wäre dann so wie bei den Native Americans. Das fand ich einleuchtend.

Whoopi Goldberg hält das übrigens für Unfug:
„Most of all, I dislike this idea nowadays that if you're a black person in America, then you must be called African-American. Listen, I've visited Africa, and I've got news for everyone: I'm not an African. The Africans know I'm not an African. I'm an American. This is my country. My people helped to build it and we've been here for centuries. Just call me black, if you want to call me anything.”

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Montag, 10. Juni 2013
Die Beschwörung
Der junge Franziskaner sitzt
Einsam in der Klosterzelle,
Er liest im alten Zauberbuch,
Genannt der Zwang der Hölle.

Und als die Mitternachtstunde schlug,
Da konnt er nicht länger sich halten,
Mit bleichen Lippen ruft er an
Die Unterweltsgewalten.

»Ihr Geister! holt mir aus dem Grab
Die Leiche der schönsten Frauen,
Belebt sie mir für diese Nacht,
Ich will mich dran erbauen.«

Er spricht das grause Beschwörungswort,
Da wird sein Wunsch erfüllet,
Die arme verstorbene Schönheit kommt,
In weißen Laken gehüllet.

Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust
Die schmerzlichen Seufzer steigen.
Die Tote setzt sich zu dem Mönch,
Sie schauen sich an und schweigen.
(Heinrich Heine)

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Freitag, 7. Juni 2013
Zur Pataphysik des Geschlechtlichen III
Kleine Jungs machen ja allerlei Spiele, die den Mädels nicht verständlich zu machen sind. Mein Rodelfreund Otto zum Beispiel. Otto kam aus der Siedlung auf dem gegenüberliegende Hang unseres Seitentals eines Neckarzuflusses auf unsere Seite des Baches nur im Winter, weil wir gleich zwei supertolle Rodelbahnen hatten. Die eine Bahn, auch Todesbahn unter uns Sechsjährigen genannt, war ein ziemlich steiler, gewundener Waldweg mit alten Gemarkungssteinen, die unter dem Schnee verborgen, einen mal recht flott gegen einen Baum drücken konnten. (Hach: ‚eins‘ als unpersönliches Pronomen, da kann eins schon mal ins in die Kindheit zurückträumen geraten. Überhaupt, der Dialekt und die Kindheit und die Hoch- bzw. Schriftsprache wäre auch mal ein Thema) Die Eltern versuchten uns Kleinen die Strecke immer zu verbieten. Viel zu gefährlich, sei es. Das stimmte zwar, aber in dem Alter lässt man sich nur etwas verbieten, wenn die Eltern gerade anwesend sind. Ich habe mal im Steinbruch … Aber lassen wir das, das gehört genau so wenig hierher wie die Todesbahn oder die Waldkobolde unserer Gegend.

Kehren wir zu Otto und der anderen Rodelbahn zurück. Die andere Rodelbahn führte nicht sehr steil durch ein großes Flurstück der Gemeinde, das mit Apfel- und Kirchbäumen besetzt war. Mitten durch war eine breite Schneise. Hier verlief die Trinkwasserleitung vom Bodensee. Für den Fall, dass das Rohr bricht und aufgegraben werden muss, waren in dieser Schneise keine Bäume gepflanzt worden. Wie gesagt: schnurgerade und sanft abfallend. Eine ideale Rodelbahn für kleine Jungs.
Aber eben auch langweilig. Nach dem fünften Mal, hatten wir alle keine Lust mehr. Mein Freund Otto meinte dann: „Wir könnten doch unsere Namen in den Schnee pinkeln?“ (Übersetzung von mir, g.)
Gesagt getan. Nach einer halben Stunde war der Sieger gekürt, auf den Hosen eine Sauerei hinterlassen (schließlich war es kalt und wir sehr klein und dick angezogen) und wir fingen an über Kälte und Schwanzlängen zu philosophieren. Die Mädels – sofern ihnen das Rodeln nicht von den Müttern verboten worden war – standen daneben und wunderten sich, was die Jungs wieder so treiben.

Als ich dann fast zwanzig Jahre später einer Freundin im Studentencafé „Rosa Winkel“ (Heteros waren willkommen und sie hatten die besten Brötchen an der Uni) die Geschichte von Otto und der Namenspinklerei erzählte, fand sie, dass Otto bei dem Wettbewerb aufgrund seines Namens doch einen ziemlichen Vorteil gehabt hätte, im Vergleich etwa zu Jungs mit dem Namen Reginald oder auch Jürgen. Da ist natürlich etwas dran.
Eine zufällig neben uns sitzende Bewegungslesbe flippte fast aus und teufelte in unsere Plauderei hinein. Von wegen, so einen Scheiß und auf so etwas kommen nur Männer und so. Bevor nun die Freundin, deren anschwellende Zornesadern man deutlich sehen konnte, etwas von Sechsjährigen und na und? sagen konnte, rutschte mir der Satz: „Es beweist aber die natürliche Überlegenheit des Mannes über die Frau,“ heraus. Während die Freundin vor sich hin gluckerte und ich mich fragte, welcher Teufel mich gerade geritten hatte, bekamen ich eine Tirade an den Kopf geknallt.

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Donnerstag, 6. Juni 2013
Sprechaktereien
Einer der berühmtesten deklaratorischer Sprechakte war: „Hiermit erkläre ich die Olympischen Spiele von 1936 als eröffnet.“
Die Folge war, dass die Spiele tatsächlich eröffnet waren und die Wettkämpfe beginnen konnten. (und auch noch so einiges andere, aber darum soll es hier nicht gehen) Ein gleichartiger Sprechakt, der aufgrund mangelnder Voraussetzungen ins Leere läuft, ist: „I declare this bazar open!“ von Habichvergessen in Diner for one.
Das Aufsagen eines Satzes führt also zu einem Ereignis, dass von diesem einen Satz abhängig ist. Kein abhängiges Ereignis, kein Sprechakt.

Etwas völlig anderes ist der folgenden Sprechakt: Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Ob man nun glaubt, dass dieser Sprechakt so stattgefunden hat oder nicht, sei dahin gestellt, die Folge dieses Befehls an die Wirklichkeit war eine Veränderung der Wirklichkeit. (Das die Wirklichkeit unseren Befehlen nicht so einfach gehorcht ist betrüblich und kommt auch in dem uralten Witz zum Ausdruck: „Und Osram sprach es werde Licht – doch die Birne brannte nicht.“)

Wie ist das nun, wenn man durch Reden ein Ideengebäude, eine Vorstellungswelt durch ein anderes, eine andere ersetzen will? Ist es sinnvoll hier von einem Sprechakt zu reden? Oder doch besser von Agitation und Propaganda? Von Aufklärung und Debatte?
Diese Begriffe hätten den Vorteil, dass nicht das Missverständnis auftauchen könnte, dass man durch vieles Reden und noch mehr Reden – egal ob einem zugehört wird oder nicht, egal ob man jemand überzeugen kann oder nicht - irgendwann mal schon zum gewünschten Ergebnis kommen werde. Bei einem deklaratorischen Sprechakt hängt es ja auch nicht davon ab, dass die Anwesenden zustimmen, noch nicht einmal davon, dass sie anwesend sind.
Diskurse, um mal den Boden noch etwas weiter zu spannen, sind ja nicht nur sprachliche Äußerungen und definitiv keine Sprechakte, sondern die Gesamtheit usw. Ist es statthaft, wenn man Diskurse oder gesellschaftliche Verhältnisse verändern will, in diesem Zusammenhang von Sprechakten zu reden? Oder steht man da bewusst oder unbewusst auf dem Boden der Religion: Die Welt so zu erschaffen wie sie einem gefällt, indem man sie entsprechend zusammenredet.

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Mittwoch, 5. Juni 2013
Alberne Tierarten I


Knopf auf'n Kopf

Zugleich eine Anmerkung zu Foucaults Die Ordnung der Dinge

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