Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 14. Juli 2010
Unschlecht
Wenn Sie Vergnügen an komischer Literatur haben, möchte ich Ihnen den ‚Unschlecht’ von Gerold Späth nicht vorenthalten. Er handelt vom Leben und von den anderen Widrigkeiten des Johann Ferdinand Unschlecht, Alleinerbe, aus der schönen Stadt Rapperswil am Zürichsee:
“Nicht ich, Zünd übertreibt, wenn er schreibt, die Stadt habe insgesamt zwanzigtausend Einwohner, und die Hälfte, zehntausend, befände sich im Städtischen Irrenhaus. Er macht gern eingängige Sprüche, kommt sich gern schlau vor, mein Freund Zünd.
Dreifach übertreibt er:
Erstens ist unsere Stadt keine richtige Stadt, nur eine kleine Stadt, ein übriggebliebenes Habsburger Städtlein. Alte Urkunden prahlen zwar von einer ‚Festen Freien Stadt’, aber schon früher ist viel geschriftet worden, und diese alten Urkunden sind meist voll Fliegendreck.
Zweitens übertreibt er die Einwohnerzahl. Wie viele es ohne die Fremden und andern Wandervögel sind, steht vielleicht an einem weit hergeholten Stichtag, sonst aber nie genau fest. In unserer Gegend wird unplanmäßig gestorben und geboren, der See bringt Unruhe in die Statistik: da ersäuft der eine im Sommer sang- und klanglos, möchte zwar schreien, strengt sich an, will Laut geben, kann aber nicht, japst nur, schluckt, verliert dabei sich und seine galoppierenden Sinne. Säuft ab, das ist eine Art Tradition: einer mehr geht unter die Fische, derweil ein anderer sich und seine Strandbadnixe im Schatten unterm Gebüsch zehn Schritt vom Ufer beglückt.
Mein Freund hat dreimal übertrieben, denn drittens hat unser Städtlein kein Städtisches Irrenhaus, nichts dergleichen. Braucht es nicht. Haben wir nicht nötig.“
( Gerold Späth: Unschlecht S. 9)

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Dienstag, 13. Juli 2010
Mehr Kryptik wagen!

Apopudobalia samt Fähneriche jetze wieder vorbei.

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Montag, 12. Juli 2010
Herabwürdigungen für jede Gelegenheit,
heute: der Nichtraucher!

Nichtraucher, der im Gegensatz zu Leuten, die aus unterschiedlichen Gründen einfach nicht rauchen, ist der Nichtraucher damit keineswegs zufrieden. Er ist auch nicht damit zufrieden zu stellen, dass in seiner Gegenwart kein Tabak geraucht wird. Was er selber nicht will oder darf, soll auch kein anderer tun dürfen oder wollen. Überall, zu jeder Zeit.




Der Nichtraucher beschwert sich daher auf das Entschiedenste, wenn jemand am anderen Ende des Telefons seine Pfeife schmöckt oder mehrere hundert Kilometer entfernt, ein ehemaliger Bundeskanzler zur Zigarette greift.

Der Nichtraucher ist auch empört, wenn an Orten, die er nie aufsuchen würde, geraucht wird.

Es geht nämlich ums Prinzip. Und überhaupt macht das einen schlechten Einfluss auf die Kinder, deshalb muss man auch, wenn man bei Rot mit seinem kleinen Kind über die Fußgängerampel geht, ein auf der anderen Straßenseite wartender Raucher unbedingt solange verärgert, kopfschüttelnd und aggressiv Pöbeleien in seinem Kopf wälzend, angestarrt werden, bis man am Ende über den Bordstein stolpert und auf die Fresse fällt.
Gnihihi!

Die Zukunft aber gehört den Eiferern.

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Donnerstag, 8. Juli 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 108
(Lauf von der Ascensions-Insel, bey der Insel Fernando da Noronha vorüber, nach den Azorischen Inseln – Aufenthalt zu Fayal – Rückkehr nach England)
„So vollendeten wir, nachdem wir unzählige Gefahren und Mühseligkeiten überstanden, eine Reise, die drey Jahre und achtzehn Tage gedauert hatte. Wir hatten in diesem Zeitpunkt eine größere Anzahl Meilen zurückgelegt, als je ein andres Schiff vor uns gethan; indem alle unsre Curs-Linien zusammen gerechnet, mehr als dreymal den Umkreis der Erdkugel ausmachen. Auch waren wir ebenfalls glücklich genug gewesen, nicht mehr als vier Mann zu verlieren, davon drey zufälliger Weise ums Leben gekommen, und der vierte an einer Krankheit gestorben war, die ihn vermuthlich, wäre er in England geblieben, weit eher ins Grab gebracht hätte.
Der Hauptzweck unsrer Reise war erfüllt; wir hatten nemlich entschieden, daß kein vestes Land in der südlichen Halbkugel, innerhalb des gemäßigten Erdgürtels liege. Wir hatten sogar das Eis-Meer jenseits des Antarctischen Zirkels durchsucht, ohne so beträchtliche Länder anzutreffen, als man daselbst vermuthet hatte. Zu gleicher Zeit hatten wir die für die Wissenschaft wichtige Entdeckung gemacht, daß die Natur mitten im großen Welt-Meere, Eisschollen bildet, die keine Salztheilchen enthalten, sondern alle Eigenschaften des reinen und gesunden Wassers haben. In anderen Jahreszeiten hatten wir das Stille-Meer innerhalb der Wende-Zirkel befahren; und daselbst den Erdbeschreibern neue Inseln, den Naturkundigern neue Pflanzen und Vögel, und den Menschenfreunden insbesondere, verschiedene noch unbekannte Abänderungen der menschlichen Natur aufgesucht. In einem Winkel der Erde hatten wir, nicht ohne Mitleid, die armseligen Wilden von TIERRA DEL FUEGO gesehn; halb verhungert, betäubt und gedankenlos, unfähig sich gegen die Rauhigkeit der Witterung zu schützen, und zu niedrigsten Stufe der menschlichen Natur bis an die Gränzen der unvernünftigen Thiere herabgewürdigt.“
(Forster S. 997/8)


Finis!


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Mittwoch, 7. Juli 2010
Der Grenzverletzer
Als Berlin noch geteilt war und die Frauen schön (die hässlichen haben Svende Merian gelesen), bin ich gelegentlich nach Ostberlin gefahren. Man fuhr mit der U-Bahn unter der DDR hindurch bis zur Friedrichstraße und hatte schon ein gewisses Unsicherheitsgefühl. Tote Bahnhöfe mit grimme guckenden Angehörigen der Grenztruppen vor zugemauerten Bahnhofszugängen. Im Bahnhof Friedrichstraße wurde man dann über schwer durchschaubare Wege in die Grenzübergangsstelle der DDR geführt. Bekannte von mir, die Freunde oder Verwandte in Ostberlin hatten, behaupteten, dass man nach dem zwanzigsten Besuch das Gefühl der Desorientierung in dieser Halle verlieren würde. Mir gelang das nie. Danach ging es in einen Hohlweg, einen mit einem seltsamen Kunststoff eingekleideten Tunnel zur Einreiseschleuse. Damals wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es sich schlicht um Resopal handelt. Dieser Tunnel war eng, sehr eng und verstärkte noch das Gefühl einer unbestimmbaren Gefahr. Die Farbe des Kunststoffes war grün-gelb-braun, er war an vielen Stellen abgeplatzt und durch die Massen an Besuchern und Touristen in einem Ausmaß schmuddelig, dass man meinte in einer Bedürfnisanstalt zu sein. Es stank widerwärtig nach Putzmittel, vergammelndem Holz und dem Schweiß von Millionen.

In der Einreiseschleuse versuchte man als erfahrener Reisender die Zahl der Sterne auf den Schulterklappen zu erkennen. Ein Stern auf der Schulter einer Frau war furchtbar, ein älterer Mann mit drei Sternen versprach einen zügigen Durchgang.
Dieses Glück hatte ich am Bahnhof Friedrichstraße nie.

Einer vor, die anderen nachrücken. Warten. Einer vor, nachrücken und warten. In die Kabine linsen: eine einsternige Frau! Einer vor, nachrücken und warten. Einer vor, nachrücken und warten.

Im Geiste ging man die Fragen durch, die einem bald gestellt würden: „Waffen, Funkgeräte, Sprengstoff?“ Ernst und wenn es möglich war, etwas devot „Nein!“ antworten. „Presseerzeugnisse?“ Hab’ ich zuhause alle meine Taschen kontrolliert? Flugblätter diverser Gruppierungen, die zum Anzünden des Kachelofens widerspruchlos angenommen und in die Taschen gestopft wurden, aus Mantel, Jacke und Hose herausgenommen? Einer vor, nachrücken und warten. „Besuchen Sie Bekannte in der Hauptstadt der DDR?“ Einer vor, nachrücken und warten.

Ich habe immer den gleichen Fehler gemacht und mich immer gefragt, ob ich blöde oder unrettbar renitent bin.

Man durfte nämlich nicht einfach, wenn der Vorgänger durch war, an den Guckkasten treten und seinen Ausweis und das Visum vorzeigen. Etwa drei Meter vor dem Schalter war ein dicker Strich auf dem Boden. Vor diesem Strich musste man warten, bis der Kontrolleur einen von Kopf bis Fuß gemustert hatte und das Zeichen zum Herantreten gab. Dazu war ich einfach nicht in der Lage. Kaum war mein Vorgänger einen Schritt weitergegangen, bin ich nach Vorne und wollte es hinter mich bringen.

Aus dem Lautsprecher schepperte eine Stimme: „Sofort hinter den Strich zurücktreten!“
Die anwesenden Soldaten fassten ihre Knarren etwas fester und fixierten mich. Zurück hinter den Strich, ein neutrales Gesicht machen und sich examinieren lassen. Das Handzeichen, vortreten. Sollte ich mich entschuldigen? Ach leckt mich doch.
Weitere prüfende Blicke, der Fragenkatalog wird abgearbeitet. Ich antworte, einigermaßen neutral, devot krieg ich nicht hin.
„Ist es in der BeErrDee nicht bekannt, dass man sich an die Grenzregularien anderer Staaten zu halten hat?“
„Doch, doch, aber ich habe halt nicht daran gedacht.“
„Sollten Sie nochmals in die Hauptstadt der DDR einreisen wollen, halten Sie sich gefälligst daran. Sie haben sich einer Grenzverletzung schuldig gemacht. Seien Sie froh: Dieses Mal werden wir noch keine Maßnahmen ergreifen.“
„Äh ja, okay!“
Ich habe immer den gleichen Fehler gemacht, die Reaktionen waren immer gleich in dieser speziellen Mischung aus Einfordern von Unterwerfung und anschließendem pädagogischem Traktat. Ach leckt mich doch.

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Dienstag, 6. Juli 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 107
(Zweeter Aufenthalt am Vorgebürge der guten Hoffnung – Lauf von da nach St. Helena und Ascensions-Eiland)
„Unterwegs fragten wir jeden Sklaven, der uns vorkam, wie er von seinem Herrn gehalten würde; weil wir auszumachen wünschten, ob den gedruckten Nachrichten von der Grausamkeit der hiesigen Einwohner zu trauen wäre. Im Ganzen genommen, waren die Antworten der Sklaven für ihre Herren günstig genug, und völlig hinreichend, die hiesigen Europäer von dem Vorwurfe der Grausamkeit loszusprechen.“
(Forster S. 968)

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Montag, 5. Juli 2010
Demagogie
„Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein [politisches] Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt.“
(Martin Morlock)

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Freitag, 2. Juli 2010
Der Möglichkeitsroman
Andreas Okopenko veröffentlichte 1970 einen Lexikonroman:
„Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen in Druden“
Gebrauchsanweisungen sind für Romane gewöhnlich unüblich und eigentlich auch für solche sinnlos, da die Handlung Schritt für Schritt hübsch nacheinander ausgeführt wird. Andreas Okopenkos Roman hingegen ist ein Möglichkeitsroman, d.h. wie in einem Lexikon oder auch im Internet können Sie einem Verweis folgen oder eben auch nicht. Ganz wie es ihnen beliebt. Sie kommen dann von A nach B oder nach F, gegebenenfalls über S., Je nach dem, welchen Wegen sie folgen wollen.

Der Roman ist alphabetisch von „Aberdeen“ bis „Zukunft des Rotgebrauchs“ geordnet, die meisten Leser fangen mit dem Eintrag „Anfang der Reise“ an:
“Hochfrühling-Morgen, 6.30. Sich mit der →Straßenbahn fast verirrt haben.
(Die Leute verstanden diese Fertigkeit an ihm doch nie. Ich Kann viele Beispiele aus meiner Jugend anführen:


(Raum für einschlägige Erinnerungen des Lesers.)



)
J geriet in den Strudel des Straßen-Schlussstückes mit den NICHTS ALS Wirtshäusern und Autobushaltestellen nahe der

noch näher

und jetzt war sie schon da die

Brücke.
Man? Er? Ich? – Zur Identifikation des Helden suchen Sie, bitte die →Taufstelle auf. Wen die tiefen Gründe für den Erzählerwechsel nicht interessieren, der folge mir gleich zur → Brücke.“
Sie sehen, es werden ihnen drei Möglichkeiten angeboten weiter zu lesen, abzuschweifen.

Man kann den Roman mehrfach anders lesen, sich auf anderen Wegen im Buch bewegen. Man kann natürlich auch einen völlig anderen Einstieg wählen, sagen wir beim W und dort, sagen wir, mit dem Eintrag „Weg zur Schiffstation“, den Anfang des Eintrages überlesen wir und landen unmittelbar beim zentriert gesetzten:
“Ein Schiff wird kommen

fühlte er

und zwar geschwommen.
(Käm es geflattert,
wär ich verdattert.)
von diesem Reim aus kann man sich dann natürlich zu Melina →Mercouri begeben, wenn man möchte.

Vor einigen Tagen, am 27. Juni 2010, ist er gestorben.

zum weiterlesen in den unendlichen Weiten des Internets:
Im Gegensatz zur wohl eher überkandidelten elektronischen Umsetzung ist die Radioadaption des Lexikonromans sehr schön (zumindest fantasiere ich mir das so aus).

Die böse Sonne D3 von Andreas Okopenko.
Gesammelte Aufsätze und andere Meinungsausbrüche aus fünf Jahrzehnten.
Ein Interviewmit Andreas Okopenko.
Friederike Mayröcker über Andreas Okopenko

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Donnerstag, 1. Juli 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 106
(Zweeter Aufenthalt am Vorgebürge der guten Hoffnung – Lauf von da nach St. Helena und Ascensions-Eiland)
„Die großen, merkwürdigen Begebenheiten, die sich während unserer Abwesenheit in Europa zugetragen, waren uns ganz unerwartet und neu. Ein Junger Held hatte mit Gustav Wasas Geiste, Schweden vom Joch der Aristocratischen Tyranney befreyt! Die finstre Barbarey, die sich im Osten von Europa und Asien, selbst gegen Peters Herkulische Kräfte zu erhalten gewußt, war entflohn vor einer Fürstin, deren Gegenwart, so wie das Wunder am Nordischen Himmel, mit Lichtstrahlen die Nacht in Tag verwandelt! Endlich , nach den Greueln des bürgerlichen Krieges, und der Anarchie, hatten die größten Mächte sich in Europa vereinigt, den langerwünschten Frieden in Polen wieder herzustellen; und FRIEDRICH DER GROßE ruhte von seinen Siegen, und opferte den Musen, im Schatten seiner Lorbeeren, selbst von seinen ehemaligen Feinden bewundert und geliebt! Dies waren große, unerwartete Aussichten, die uns auf einmal eröffnet wurden, die das Glück der Menschheit versprachen, und einen Zeitpunkt zu verkündigen schienen, wo das menschliche Geschlecht in erhabnerem Licht als je zuvor erscheinen wird!“
(Forster S. 958/9)

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Mittwoch, 30. Juni 2010
Wo die schönen Trompeten blasen
Achim von Arnim und Clemens Brentano haben zwei Volkslieder in ihrer Sammlung des Knaben Wunderhorn veröffentlicht:
Bildchen

Auf dieser Welt hab ich keine Freud,
Ich hab einen Schatz und der ist weit,
Er ist so weit, er ist nicht hier,
Ach wenn ich bei mein Schätzgen wär!

Ich kann nicht sitzen und kann nicht stehn,
Ich muß zu meinem Schätzgen gehn;
Zu meinem Schatz, da muß ich gehn,
Und sollt ich vor dem Fenster stehn.

Wer ist denn draussen, wer klopfet an?
Der mich so leis aufwecken kann;
Es ist der Herzallerliebster dein,
Steh auf, steh auf und laß mich rein!

Ich steh nicht auf, laß dich nicht rein,
Bis meine Eltern zu Bette seyn;
Wenn meine Eltern zu Bette seyn,
So steh ich auf und laß dich rein.

Was soll ich hier nun länger stehn,
Ich seh die Morgenröth aufgehn;
Die Morgenröth, zwey helle Stern,
Bey meinem Schatz, da wär ich gern.

Da stand sie auf und ließ ihn ein,
Sie heißt ihn auch willkommen seyn;
Sie reicht ihm die schneeweiße Hand,
Da fängt sie auch zu weinen an.

Wein nicht, wein nicht mein Engelein!
Aufs Jahr sollst du mein eigen seyn;
Mein eigen sollst du werden gewiß,
Sonst keine es auf Erden ist.

Ich zieh in Krieg auf grüne Haid,
Grüne Haid die liegt von hier so weit,
Allwo die schönen Trompeten blasen;
Da ist mein Haus von grünem Rasen.

Ein Bildchen laß ich mahlen mir,
Auf meinem Herzen trag ichs hier;
Darauf sollst du gemahlet seyn,
Daß ich niemal vergesse dein.
(Des Knaben Wunderhorn)
Unbeschreibliche Freude

Wer ist denn draussen und klopfet an?
Der mich so leise wecken kann?
Das ist der Herzallerliebste dein,
Steh auf und laß mich zu dir ein.

Das Mädchen stand auf, und ließ ihn ein,
Mit seinem schneeweissen Hemdelein;
Mit seinen schneeweissen Beinen,
Das Mädchen fing an zu weinen.

Ach weine nicht, du Liebste mein,
Aufs Jahr sollt du mein eigen seyn;
Mein eigen sollt du werden,
O Liebe auf grüner Erden.

Ich wollt daß alle Felder wären Papier,
Und alle Studenten schrieben hier;
Sie schrieben ja hier die liebe lange Nacht,
Sie schrieben uns beiden die Liebe doch nicht ab.
(Des Knaben Wunderhorn)
Gustav Mahler hat die beiden Lieder kompiliert, einen Titel hinzugefügt und eine wunderschöne Musik dazu geschrieben:

"Wo die Schönen Trompeten Blasen"

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Dienstag, 29. Juni 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 105
(Zweeter Aufenthalt am Vorgebürge der guten Hoffnung – Lauf von da nach St. Helena und Ascensions-Eiland)
„Wir fanden viele Schiffe in der Tafel-Bay, darunter auch ein Englisches India-Schiff, die Ceres, Capt. NEWT, befindlich war. Sobald wir die Einfahrt der Bay erreichten, und an unserm gebleichten Tauwerk, und veralterten Anblick erkannt wurden, schickte Cap. NEWT einen seiner Steuermänner, mit einer Ladung von frischen Lebensmitteln, und dem Anerbieten seiner Dienste, falls unsre Mannschaft krank wäre. Da wir so lange zur See gewesen, rührte uns dies edle Betragen, und wir fühlten mit dem größten Vergnügen, daß wir wieder mit Menschen zu thun hätten. 1

1 “Man würde sehr unrecht thun, wenn man den Herren Schiffs-Capitains der ostinidischen Compagnie, den Charakter andrer Seefahrer beylegen wollte. Ihr Freygebigkeit und Menschenliebe unterscheiden sie mehrentheils von den sogenannten See-Ungeheuern.”
(Forster S. 957)
(veraltert)

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Montag, 28. Juni 2010
Fünfzehn Halbe, aber die Frisur sitzt
Am Freitag sah ich zwei Starktrinker mit schwarzrotgoldenen Basecaps mit je zwei dazu passenden Winkelementen in den Händen nebst Plastiktüten mit den notwendigen Getränken. Eine Wohnung und einen Fernseher hatten sie offensichtlich nicht. Sie flanierten vor dem Bahnhof und waren im Deutschlandfieber, trunken von Bier und Nationalismus.

Das ist wohl einer der Erklärungen: Wer nix is’ (es zumindest so empfindet) und nichts hat, der ist immer noch Deutscher.

Und dann gibt es noch die Leute, die auf dem Nationalstolz ihr Süppchen kochen, aber das ist eine andere Geschichte.

Welchen Grund könnte es geben, auf seine Staatsangehörigkeit stolz zu sein? Stolz ist man ja üblicherweise, weil man etwas besonders gut kann, aber Stolz auf Leistungen, die Leute, die man nicht kennt und mit denen man nicht einmal verwandt ist, vor langer Zeit erbracht haben? (Mal ganz davon abgesehen, dass es in der Geschichte so das eine oder andere Vorkommnis gab, das wenig Anlass zu Stolz geben kann)

Darauf einen...

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Freitag, 25. Juni 2010
Das Deutschlandkondom


Man könnte die Dinger auch ganz leicht abstreifen, aber so etwas tut man nicht, nein, nein:
Is’ er hier, is’ er weg?

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Donnerstag, 24. Juni 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 104
(Aufenthalt an den Neujahrs-Eilanden – Entdeckung neuer Länder gen Süden – Rückkehr nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung)
„In NEU-GEORGIEN hingegen fehlt es durchaus an Holz, ja an irgend einer anderen brennbaren Materie, und daher ist es meines Erachtens unmöglich, daß Menschen, und zwar nicht etwa dumme, erstarrte PESSERÄHS, sondern selbst die erfahrensten und mit allen Hülfsmitteln bekannten Europäer, dort würden ausdauern können. Schon der Sommer ist in dieser neuen Insel so entsetzlich kalt, daß das Thermometer während unserer Anwesenheit nicht zehn Grade über den Gefrierpunct stieg; und ob wir gleich mit Recht vermuthen können, daß im Winter die Kälte nicht in eben dem Verhältniß zunimmt, als in unsrer Halbkugel, so muß doch wenigstens ein Unterschied von 20 bis 30 Graden statt finden. Höchstens würde es also ein Mensch den Sommer über allhier ausstehen können, die Winterkälte hingegen würde ihn ohnfehlbar tödten, dafern er nemlich keine andre Mittel hätte, sich ihrer zu erwehren, als die das Land hervorbringt. Außerdem, daß SÜD-GEORGIEN auf solche Art für Menschen unbewohnbar ist, so hat es allem Anschein nach, auch nicht das geringste Product, um deswillen europäische Schiffe nur zuweilen dorthin gehen sollten.“
(Forster S. 945)
Die Bewohner der Tierra del Fuego haben wohl in keiner Hinsicht seinen Vorstellungen entsprochen.
(dafern, allhier)

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