Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 7. Mai 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 11
(Aufenthalt am Cap – Nachricht von der dortigen Colonie)
„Der merkliche Unterschied zwischen dieser Colonie und der Portugiesischen Insel S. JAGO war uns auffallend und angenehm. Dort hatten wir ein Land gesehen, das zwischen den Wende-Zirkeln, unter dem glücklichsten Himmels-Strich gelegen ist, ein ziemlich gutes Ansehen hat und sehr verbessert werden könnte; aber es war durch seine träge, unterdrückte Bewohner ganz vernachläßigt. Hier im Gegentheil, fanden wir mitten in einer Wüste, die von gebrochnen Maßen schwarzer fürchterlicher Berge umgeben war, eine nette Stadt aufgebaut; mit einem Wort, wir sahen hier überall Fleiß und Arbeitsamkeit von Glück gekrönt. Das äußere Ansehen des Ortes nach der See-Seite ist nicht so mahlerisch als zu FUNCHAL. Die Packhäuser der Compagnie stehen alle nahe am Wasser, die Wohnungen der Privatpersonen aber liegen hinter selbigen an einer sanften Anhöhe. Das Fort, welches die Rhede bestreicht, befindet sich an der Ost-Seite der Stadt, es scheint aber nicht stark zu seyn, doch sind noch außerdem an beyden Seiten einige Batterien angelegt. Die Straßen sind breit und regelmäßig, die vornehmsten derselben mit Eichen bepflanzt, und einige haben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Wässerung derselben, an der erforderlichen Quantität fließenden Wassers fehlt, so können sie, ohngeachtet der vielfältig angebrachten Schleusen, dennoch nicht verhindern, daß nicht einzelne Theile des Canals oft ganz ohne Wasser seyn sollten, die denn eben keinen angenehmen Geruch ausduften. Der holländische National-Character offenbart sich hierin sehr deutlich. Ihre Städte sind durchgehends mit Canälen versehen, obgleich Vernunft und Erfahrung augenscheinlich zeigen, daß die Ausdünstungen derselben den Einwohnern, besonders zu Batavia, höchst nachtheilig werden müssen.“
(Forster S. 85/6)
Seit 1652 entstand hier, im heutigen Südafrika, eine Kolonie aus niederländischen und deutschen Bauern (niederländisch: Buren), zuerst als Versorgungsstation der niederländisch Vereinigten Ostindischen Kompanie, die ursprünglich hier lebenden Khoikhoin (abwertend Hottentotten genannt) wurden in Randgebiete abgedrängt. 1779 begann die Eroberung des Landes der Xhosa (früher Kaffern); die daraus resultierenden »Kaffernkriege« dauerten fast 100 Jahre. 1806 annektierte Großbritannien die niederländische Kapkolonie.

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Mittwoch, 6. Mai 2009
Ziel- und Würdehaber
Michael Staub, der sein Blog bedauerlicherweise nicht mehr weiter führt, schenkte mir dereinst, mit Hilfe von Franz Werfel, das Wort Zielhaber.
Wenn man sich eher selbst der Ziellosigkeit bezichtigt, mag man die Zielhaber nicht sehr schätzen, zumindest aber haben sie etwas.
Ob die Geschichte von der Habet-Probe* („testiculos habet et bene pendentes“) für frisch gewählte Päpste stimmt oder nicht stimmt, ist eigentlich egal. Die Vorstellung einen Würdenträger auf einen Kotstuhl ** („sedia stercoraria“) zu setzen und ihn der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist für einen Spötter wie mich ausreichend erheiternd. Ein Würdehaber wurde, nach heutiger Vorstellung, würdelos in sein Amt eingeführt. Würdehaber und Würdelose, Zielhaber und Ziellose. Der Haber und der Nichthaber.

Welches Ziel hat er denn, der Zielhaber und wo liegt es?
Welches Los hat er gezogen? Eine Niete?
Ziehen Ziellose andere Lose als Zielhaber?
Und wohin kommen denn die Ziellosen? Nirgendwohin?
Die Zielhaber ziehen ein Los, dass sie zu ihrem Ziel führt oder auch nicht.
Den Ziellosen wird ein Los zuteil, das auch irgendwohin führen wird.
Haben und nicht haben, to have and have not: “You know, how to whistle? Just put your lips together and blow!”

Blödsinn sowas!

* sie stimmt nicht
** dies wiederum stimmt, die öffentliche Inauguration der Päpste auf dem antiken Nachtstuhl wurde erst 1503 von Julius II abgeschafft.

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Dienstag, 5. Mai 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 10
(Reise von Madera nach den Inseln des grünen Vorgebürgs und von da nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung)
Kapsturmvogel„Am 29sten früh Morgens entdeckten wir das äußerste Ende von Africa. Es war mit Wolken und Nebel bedeckt, und einige Solandgänse imgleichen kleine Sturmtaucher* (DIVING PETRELS) nebst verschiedenen wilden Enten kamen von da in See. Der zunehmende Nebel entzog uns den Anblick des Landes bald wieder, bis sich endlich um drey Uhr Nachmittags die Luft aushellte und uns die Küste von neuem, zwar nicht ganz wolkenfrey, jedoch ungleich deutlicher als zuvor, sehen ließ. Da der Wind sehr frisch und die Adventure weit zurück war; so durften wir es nicht wagen, noch diese Nacht in die Tafel-Bay einzulaufen. Wir nahmen daher bey einbrechendem Abend die Seegel ein, zumahl das das Wetter sehr finster wurde und harter Regen mit Stoßwinden beständig abwechselten.“
(Forster S. 81)
* Kapsturmvogel

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Montag, 4. Mai 2009
In der Murellenschlucht
Unsere Wanderung beginnt am S-Bahnhof Pichelsberg. Sie verlassen den Bahnhof in nordwestlicher Richtung (Glockenturm/Waldbühne). Auf der Fußgängerbrücke gehen sie nach rechts bis zu einer Tennisanlage, die wir zunächst umrunden müssen.
Sie wundern sich über diesen Unfug? Nun, wahrscheinlich stammt die Genehmigung, den Tennisplatz direkt vor dem Bahnhofsausgang zu bauen noch aus der Zeit als die S-Bahn unter der Regie der Reichsbahn betrieben wurde. Der Senat und die Bezirksämter versuchten damals der S-Bahn das Wasser abzugraben, indem sie einerseits den Fahrgästen der Bahn das Leben schwer machten und gleichzeitig alternative Strecken der U-Bahn bauten. Mit der Übernahme der S-Bahn durch die BVG und später der Wiedervereinigung erbte man dadurch eine Reihe von Problemen.

Berlin-Charlottengurg Naturschutzgebiet MurellenschluchtAlso: um den Tennisplatz herum, am Elsa-Rendschmidt-Weg links bis zur Glockenturmstraße. Ein Blick nach rechts: Am Ende der Strasse sehen wir den Glockenturm des Maifeldes, aber das ist eine andere Geschichte. Auf der anderen Straßenseite ist ein Erdgasspeicher der GASAG. Gehen sie wenige Schritte nach links und biegen in den Fußweg zwischen der Glockenturmbrücke und dem Erdgasspeicher ein.

Der Weg führt uns durch den Wald bis zu einer Weggabelung, links geht’s auf den Murellenberg, rechts in die Murellenschlucht . Murellen sind eine alte Kirschsorte.

Der Murellenberg erhebt sich ca. 60 Meter und ist eine Endmoräne des Berliner Urstromtals. Ob man eine Erhebung von sechzig Metern einen Berg nennen sollte, ist eine Frage, die ein Schweizer anders als ein Berliner, der außer einigen Moränen und Trümmerbergen keine Berge, Hügel, Höhen o.ä. kennt, beantworten wird. Die Murellenschlucht ist bis zu 30 Meter tief und bietet Wildbienen und Schmetterlingen einen Lebensraum, der in einer Großstadt selten ist. Das Gelände ist 28 Hektar groß und seit 1993 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Charlottenburg Blick in die Murellenschlucht


Wir folgen zunächst dem Weg durch das Murellenfließ, tauchen bald wieder in den Wald ein, bis wir die Spiegel und die Treppe auf den Berg erreichen. Einige Spiegel sind mit Texten versehen, die Auskunft über den Erschießungsplatz der Wehrmacht auf dem Murellenberg geben.Denkzeichen am Murellenbegr

Die Treppe hoch.

Die militärischen Anlagen mit Kasernen und Schießständen am Murellenberg existieren seit 1840.
Während des Nationalsozialismus war hier eine Wehrmachtshinrichtungsstätte, der „Erschießungsplatz V der deutschen Wehrmacht Standort Berlin“. Insbesondere gegen Ende des 2. Weltkrieges wurden hier zahlreiche Todesurteile vollstreckt, von August 1944 bis April 1945 wurden 245 Deserteure, Wehrdienst- und Befehlsverweigerer hier standrechtlich erschossen. Standgerichte kannten zu dieser Zeit nur Freispruch oder Todesstrafe, Rechtsmittel gegen ein Urteil gab es nicht. Erst 1998 hob der deutsche Bundestag die Entscheidungen der NS-Terrorjustiz auf, seit 2002 müssen die Opfer bzw. die Angehörigen der Opfer der Militärjustiz auch nicht mehr die entwürdigende Einzelfallprüfung für ihre Rehabilitierung erdulden.
Durch die Militärjustiz wurden ca. 30.000 Todesurteile ausgesprochen und 23.000 davon vollstreckt.

Seit 2002 steht das von Patricia Pisani gestaltete „Denkzeichen“ für die Opfer an der Hinrichtungsstätte.

Nach dem Krieg wurde die Anlage von den Briten, ab 1990 von der Berliner Polizei genutzt.

Wir folgen dem Zaun der Schießanlage abwärts bis wir wieder im Tal sind.

Murellenschlucht


Nach wenigen Minuten erreichen wir den Friedhof Ruhleben und den Hempelsteig, dem wir nach links folgen. Der Hempelsteig wurde nach dem Kommunalpolitiker Carl Hempel (1833 – 1903) benannt, ob er ein Sofa besaß ist nicht bekannt.

Charlottenburg Hempelsteig zum Krematorium Ruhleben Nach etwa 300 Metern erreichen wir den Friedhof und das Krematorium Ruhleben.

Am Friedhofsparkplatz biegen wir nach rechts ab auf die Strasse Am Hain und nehmen am Charlottenburger Damm den Bus 131 bis zum U-Bahnhof Ruhleben oder den M45 bis Zoologischer Garten.

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Donnerstag, 30. April 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 9
(Reise von Madera nach den Inseln des grünen Vorgebürgs und von da nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung)
„Unter andern ward heute auch ein Boot ausgesetzt um die Richtung der Strömung ausfündig zu machen und um die Wärme des See-Wassers in großer Tieffe zu bestimmen. Wir sondirten mit 250 Faden*, fanden aber keinen Grund. Das Thermometer stand in freyer Luft 75½ Grad; gleich unter der Oberfläche des Wassers fiel es auf 74; und in einer Tieffe von 85 Faden war es bis auf 66 gefallen. Wir ließen es 30 Minuten unter Wasser und es wurden zum Wiederheraufziehen 27½ Minute Zeit erfordert. Auf unsrer Fahrt im Boot ereignete sich Gelegenheit eine Art von BLUBBERS oder See-Nesseln zu untersuchen, die LINNÄUS, MEDUSA PELAGICA genannt hat. Auch fingen wir ein anders See-Thier DORIS LÄVIS genannt; und machten getreuere Zeichnung von demselben, als die bisherigen gewesen sind. Mittags hatten wir 0°. 52 Minuten nördlicher Breite.“
(Forster S. 77)
* ein Faden entspricht etwa 1,80 m

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Mittwoch, 29. April 2009
Wesen und Erscheinung II
"Patati, Patata,"
sagte Holly Golightly, die Besitzerin eines namenlosen Katers. Wobei mir aus dem Film der hysterische Japaner mit dem Überbiss stärker in Erinnerung geblieben ist.

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Dienstag, 28. April 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 8
(Reise von Madera nach den Inseln des grünen Vorgebürgs und von da nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung)
„Seit dem wir S. JAGO verlassen, hatten wir oft Regen, vornemlich aber regnete es am 21sten ganz ausserordentlich stark. Der Capitain ließ über das ganze Schiff Zelt-Tücher und Decken ausspannen um das Regenwasser aufzufangen, und wir bekamen auf diese Weise eine solche Menge davon, daß sieben Fässer damit angefüllt werden konnten. Ob wir gleich keinen Mangel an Wasser hatten, so war uns doch dieser frische Vorrath sehr willkommen, weil es den Matrosen nun desto reichlicher gegeben werden konnte. Unser Capitain hatte aus vieljähriger Erfahrung angemerkt, daß auf langen See-Reisen eine reichliche Vertheilung und Genuß von frischen Wasser, zur Erhaltung der Gesundheit ungemein vieles beyträgt. Die Ursach hievon läßt sich auch leicht erklären, denn, wenn es reichlich getrunken und zum Teil auch zum Waschen des Cörpers und des leinenen Zeuges gebraucht wird, so verdünnt es nicht nur das Blut, sondern durch die Reinlichkeit und öftere Veränderung der Wäsche bleiben auch die Schweißlöcher der Haut stets offen, mithin wird die zur Gesundheit nötige, unmerkliche Ausdünstung nicht unterbrochen. Solchergestalt wird der Gefahr fauler Krankheiten auf zwiefache Art vorgebeugt, einmahl weil die Ausdünstungen des Cörpers nicht wieder durch die Haut eingesaugt werden können, und weil andrer Seits die vom beständigen Schwitzen verlohren gegangene Feuchtigkeiten durch häufiges Trinken wieder ersetzt werden, in dessen Ermangelung die verdickten Säfte leicht salzig und caustisch * werden, welches man eigentlich als die Ursachen der Entzündungsfieber anzugeben pflegt.“
(Forster S. 73/74)
* ätzend, scharf

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Montag, 27. April 2009
Neue html-Befehle zur Textformatierung
< grein> Der hat was gegen Tiere Kinder Ossis gesagt< /grein>
< betroffen> Schrecklich, wie manche Leute sind < /nicht mehr betroffen>
< hihi>Ich bins nicht gewesen< /hihi>
< linke Augenbraue hoch>Wie meinen? < /Augenbraue runter>
< jetzt komm ich>Liberalalla, Liberallala, Liberalalalla< /isch habe fertig>
< Au->Oh, ja,ja,ja, da haben sie aber recht!< /weia!>

< Klappe> < /gehalten>

< Ach->Blödsinn sowas!< /tung>

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Freitag, 24. April 2009
Über Wesen und Erscheinung I
Vor langer Zeit in einem anderen Leben habe ich mal für kurze Zeit an einer Universität gearbeitet. Und es begab sich, dass ich in einer Lehrveranstaltung über die Melusine des Thüring von Ringoltingen mitwirkte. Das Volksbuch von der schönen Melusine ist nun ein auch unter feministischem Frageinteresse durchaus interessanter Text, nur hatte es sich eine Gruppe von Studenten etwas leicht gemacht. Anstatt den Text zu lesen, weil ist ja so Mittelalterkram, interessiert doch keine Sau, haben sie kurz nachgedacht und kamen zu dem Schluss: da kommen Frauen vor, Frauen waren im Mittelalter (die Melusine ist zwar schon Neuzeit, aber wer wird denn so pingelig sein) ziemlich schwer unterdrückt, außerdem gab es im Mittelalter doch die Beginen, das waren doch auch Frauen und sicher irgendwie auch unterdrückt, dann referieren wir halt was dadrüber, passt schon und im Übrigen sollte es sowieso immer um Unterdrückung und so gehen. Und so begann die Stunde und die drei jungen Männer, über Form, Farbe, Größe oder Gestalt ihrer Naslöcher ist mir nichts in Erinnerung geblieben, laberten sich durch die Gegend und ich dachte so bei mir: „Ob unsere Chefin der Truppe einen Schein gibt?“
Der Vortragende trug sein Haar eher bunt, an einigen Stellen ausrasiert, wie das damals Mode war und seine Kleidung, ... Ach lassen wir das. Feministen ebend. Das gab es zu der Zeit.
Neben mir höre ich unsere Professorin immer unruhiger werden. Dann beugt sie sich zu mir und flüstert mir in ihrem wunderbaren Wiener Dialekt ins Ohr:
„Sie, sagn’s mal: Is’ es nicht fuachtbar, wenn die Leut so ausschaugn, wies auch sind?“

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Donnerstag, 23. April 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 7
(Reise von Madera nach den Inseln des grünen Vorgebürgs und von da nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung)
Satellitenbild der Kapverdischen Inseln
Kap Verde:
„Einige der niedrigen Hügel waren dürr und unfruchtbar, dergestalt, daß man kaum hie und da etwas grünes daraus erblickte; auf andern hingegen sahen wir noch einige Pflanzen, ob es gleich schon gegen das Ende der trocknen Jahrszeit gieng. In den Thälern ist der Boden fruchtbar genug und besteht aus ausgebrannten, verwitterten Schlacken und ockerfarbner Asche; aber überall ist das Erdreich mit einer Menge von Steinen bedeckt, die verbrannt, und eine Lava-Art zu seyn scheinen; auch die Felsen an der Küste sind von schwarzer Farbe und sehen ebenfalls verbrannt aus. Aus dem allen ist wahrscheinlich, daß diese Insel große Verändrungen von volcanischen Ausbrüchen erlitten hat, und von den übrigen nah gelegnen Inseln läßt sich vielleicht ein gleiches sagen, zumal da eine derselben, nemlich FUOGO, noch bis auf diesen Tag aus einem würklich feuerspeyenden Berge besteht. Die im Innern des Landes gelegnen Berge sind hoch, auch einige derselben, dem Ansehen nach, sehr steil, und mögen wohl ältern Ursprungs seyn als die volcanischen Theile an der Küste, welche allein wir zu untersuchen Gelegenheit hatten.
Am Abend giengen wir an Bord zurück; da aber die Brandung am Ufer jetzt höher war als am Morgen, so mußten wir uns nackend ausziehen, um zu dem Boote zu waden, welches unsre besten Schwimmer unterdessen mit Wasserfässern und solchen Erfrischungen beladen hatten, als am Lande zu bekommen gewesen waren. Dies hatte indessen nicht ohne Furcht und Besorgniß für den Hay-Fischen (SHARKS) geschehen können, deren es in diesem Haven eine große Menge giebt. Die Capitains, Sternseher und Lootsen hatten den Tag mit AUFNEHMUNG EINES PLANS VOM HAVEN zugebracht, und zu dem Ende, auf einer im Haven gelegenen kleinen Insel, die wegen der häufigen Wachteln ILHA DOS CODORNIZES, oder die WACHTEL-INSEL genannt wird, Beobachtungen angestellt. Der Commandant im Fort erzählte uns, daß vor einiger Zeit die Officiers einer französischen Fregatte an eben diesem Orte Beobachtungen angestellt und verschiedne Uhren von neuer Erfindung bey sich gehabt hätten. 1

1 Dies war die Fregatte Isis unter Commando des Herrn FLEURIEU *, an deren Boord sich Herr PINGRÉ** mit verschiednen Längen-Uhren (TIME-KEEPERS) befand. Das Journal von der Reise dieses Schiffs, und die auf demselben angestellten Beobachtungen sind in zween Quartbänd. herausgegeben.“
(Forster S. 70/71)
*Charles Pierre Claret, Comte de Fleurieu (* 2. Juli 1738 in Lyon; † 18. August 1810 in Paris) französischer Entdecker und Politiker.
**Alexandre Guy Pingré (* 4. September 1711 in Paris; † 1. Mai 1796 ebenda) französischer Astronom.

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Mittwoch, 22. April 2009
Ein Häppchen Vigoleis
Letzte Woche entdeckte ich Albert Vigoleis Thelen. Nun liegt "Die Insel des zweiten Gesichts. Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis." neben meinem Lesesessel.
“Prolog
Es hieße diese Aufzeichnungen mit Erdichtetem beginnen, wollte ich mich anheischig machen, nach zwanzig Jahren noch an den Tag zu bringen, wer mich auf der nächtlichen Meerfahrt mit ärgerer Tücke gequält hat: der gemeine Menschenfloh in dem von einem Matrosen entliehenen Schlafsack oder der garstige Traumalp, der mich in die Nicolaas Beets Straat nach Amsterdam entführte, wo sich das Grab über einer jungen Frau geschlossen hatte, deren Todesursache ich, Doppelgänger ihres treulosen Geliebten, geworden war.“


Dazwischen liegen 900 Seiten, die ich noch nicht gelesen habe.

“Seitdem der Mensch aus dem Paradiese hinüber wechseln mußte in das Naturreservat seiner Kultur, wo er sich halten kann, solange er den Instinkt für den Grenzstrich nicht einbüßt, über den hinaus er abgeknallt wird, ist die Geschichte seiner Freiheit eine Geschichte ohne Pointe: man kann sie kaum erzählen, ohne peinliches Befremden auszulösen. Darum hat sich auch hier die Natur ins Spiel gemischt und eine Nebelwand an das Ende der Aufzeichnungen des Vigoleis geschoben statt eines leuchtend erdichteten
finis operis.“

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Dienstag, 21. April 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 6
(Abreise – Fahrt von Plymouth nach Madera – Beschreibung dieser Insel)
Auf Madeira:
„Das gemeine Volk ist schwärzlich von Farbe und wohl gebildet, doch haben sie große Füße, welches vermuthlich von Ersteigung der steilen und steinigten Wege auf den Bergen, herkommen mag. Sie sind von länglicher Gesichtsbildung, haben schwarze Augen und schwarzes Haar, welches von Natur in Locken fällt, bey einigen aber anfängt sich wollartig zu kräuseln, eine Eigenschaft, die man vielleicht ihrer Vermischung mit Negern zuschreiben könnte. Im Ganzen sind sie plump doch nicht widerlich gebildet. Die Frauenspersonen sind häßlich; es fehlt ihnen die blühende Farbe, welche, nebst der gefälligen regelmäßigen Gestalt, dem weiblichen Geschlecht unserer nördlichen Gegenden den Vorzug über alles andre Frauenzimmer giebt. Hier in Madera sind sie klein und stark von Knochen, selbst im Gesicht, besonders aber am Fuswerk. Dabey ist nichts gefälliges in ihrer Art sich zu tragen und in ihrem Anstande; und der Farbe nach gehören sie zu den dunkelsten Brünetten. Allein, die richtigen Verhältnisse ihres Wuchses, die schöne Gestalt ihrer Hände, und ihre großen lebhaften Augen entschädigen sie einigermaßen für jene Mängel. Die Arbeitsleute tragen Sommers leinene Schifferhosen, ein grobes Hembd, einen großen Hut und Stiefeln. Einige hatten ein kurzes Camisol * von Tuch und einen langen Mantel, den sie zuweilen über den Arm schlugen. Die Frauenspersonen tragen Röcke und kurze enge Leibchen, eine Tracht, die zwar sehr einfach ist, aber manche Personen gar nicht übel kleidet. Außerdem tragen sie auch wohl einen kurzen weiten Mantel. Der Kopf aber bleibt völlig unbedeckt, und die Unverheyratheten binden die Haare oben auf dem Wirbel des Haupts zusammen.
Die Leute auf dem Lande sind ausnehmend mäßig, und leben schlecht. Sie nähren sich mehrentheils nur von Brod und Zwiebeln oder anderm Wurzelwerk und etwas Fleisch. So elend sie sich aber auch behelfen müssen, so essen sie doch nicht leicht Eingeweide oder sonst andern Abgang von Fleisch, weil die elendesten Bettler CALDAUNEN-SCHLUCKER bey ihnen genannt werden. Ihr gewöhnlicher Trunk ist Wasser, (oder auch Lauer**) ein dünnes Getränk, welches sie aus Weinträbern und Wasser zubereiten, und solches durch die Gährung etwas scharf und säuerlich werden lassen; es kann aber nicht lange aufbewahrt werden. Der Wein selbst, der diese Insel so berühmt gemacht hat, und der ihrer Hände Arbeit ist, kommt selten vor ihren Mund. Ihre Hauptbeschäftigung ist Weinbau; da solcher aber den größten Theil des Jahrs keiner Wartung bedarf, so können sie sich um so mehr ihrer Neigung zum Müßiggang überlassen, welche in warmen und fruchtbaren Ländern so natürlich ist. Die portugiesische Regierung scheint bis jetzo noch nicht die besten Mittel die besten Mittel dagegen ergriffen zu haben: Zwar ist neuerlich Befehl ergangen, daß Ölbäume angepflanzt werden sollen, wo das Land für den Weinwachs zu trocken und unfruchtbar ist; aber noch ist man nicht bedacht gewesen, den Landmann fürs erste unter die Arme zu greifen, oder Belohnungen zu versprechen, die ihn geneigt zu Neuerungen und willig zur Arbeit machen können.
Die Weinberge werden Pacht-Weise und immer nur auf ein Jahr lang ausgethan. Die Pächter bekommen vier Zehntheile vom Gewächs; vier andre Zehntheile müssen dem Grundherrn, ein Zehntheil an den König und einer an die Geistlichkeit entrichtet werden. Ein so geringer Gewinn und die Aussicht, daß sie bloß für andre arbeiten, muß natürlicherweise Muth und Hofnung niederschlagen. Dennoch sind sie bey aller Unterdrückung lustig und vergnügt, singen bey der Arbeit und versammlen sich des Abends, um nach dem Schall einer einschläfernden Guitarre zu tanzen und zu springen.“
(Forster S. 54-56)
* Kamisol, das; -s, -e [frz. camisole < provenz. camisola = Vkl. von: camisa < ital. camicia < spätlat. camis(i)a = langes Unterhemd]: eng anliegende Jacke [bei Trachten]; Unterjacke; Mieder. (Duden)
** Tresterwein


Solche Wertungen würde ich meinem 23 Jahre alten Sohn nicht durchgehen lassen.

Notiz an mich : bei Gelegenheit Kants Von den verschiedenen Rassen der Menschen’‚ und die Polemik von Forster (Georg Forster ‚Noch etwas über die Menschenraßen’) dazu lesend vergleichen. Zum Hintergrund: Hannah Arendt ‚Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft’ Teil II: Imperialismus.

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Montag, 20. April 2009
Frühlingsspaziergang
Nach dem Winterspaziergang im Naturpark haben wir uns das Gelände des alten Rangierbahnhofs Tempelhof erneut angesehen.
Eintritt bezahlt außer uns immer noch niemand, aber

Tempelhof Naturschutzgebiet Priesterweg: Blick auf den Wasserturm im Frühjahr


die Birken sind inzwischen mit hellen, noch zarten grünen Blättern bedeckt. Blüten sind so früh im Jahr kaum zu sehen, die Trockenrasenflächen noch einheitlich, keine Hummeln, Bienen oder Schmetterlinge bevölkern die Flächen. Nur ein einzelner Kirschbaum blühte.

Naturschutzgebiet Priesterweg: Trockenrasenfläche


Wir sind ja auch erst im April und trotz der Sonne war es kalt und windig. Eine knappe Stunde haben wir uns gegönnt an diesem Sonntagvormittag.

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Freitag, 17. April 2009
Fundstuecke 14. - 16. KW 2009
amüsantes:
  • Abschiedswalzer für Hartmut Mehdorn
  • »Berichte, Sklave!« das las ich zwischen Ihren freundlichen Zeilen, »setze Dich an’s Pult, denn Du bist unser Schreibeigener! «.
  • via notizen

    kluges und interessantes:
  • Mehrfaches Kopfschütteln. Von Alfred Döblin (Berlin)
  • Moshe Zuckermann über Tel Aviv anlässlich des 100. Geburtstags der Stadt


  • Vielversprechend
  • Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts.
  • Dazu: Briefe/Texte von Thelen
    Und: eine liebevoll gestaltete Informationsseite
    Und: ein Portrait des nebenberufliche Erfinders Vigoleis, der einen selbstwogenden Busenhalter konstruiert

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