Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Freitag, 28. November 2008
Früher Abend, Kneipe
Am Nebentisch zwei Herren, Anfang 40, in blauer Arbeitskleidung.

„Drei mal war ich da: Error 33. Scheiß Ding. Die Heizung hat da irgendwo einen Fühler. Wenn die Abgaswerte zu hoch sind, schaltet er ab. Nach zwei Minuten geht die Terme wieder automatisch an, drei Mal, dann schaltet er alles ab. Wie ein Bekloppter, ich dort hin. Drei mal, in einer Woche. Aber dann: ich in die Nachbarwohnung. Dieser Asi macht Feuer in der Küche aufn Fliesen, kein Wunder, dass die Abgaswerte zu hoch sind!“
„Und?“
„Ich hab ihm gesagt: Wenn de nochmals Feuer in de Küche machst, stopp ich dir einen Error 33 in Hals. Dann war Ruhe. Jetzt läuft die Heizung einwandfrei.“

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Donnerstag, 27. November 2008
Herabwürdigungen für jede Gelegenheit
Furzbeutel, der

geschlechtsneutral. Ein Mensch, der seit langer Zeit seine unsinnigen Gedanken sammelt und sich daraus ein aberwitziges Weltbild gezimmert hat.


Der Furzbeutel ist eine zu Unrecht in öffentlichen Debatten in Vergessenheit geratene Herabwürdigung. Wäre es nicht höchst erfrischend, in einer Kommentarschlacht ein Statement wie:
„Wer in einem Meinungskrieg ohne Argumente Partei ergreift läuft Gefahr, als Furzbeutel wahrgenommen zu werden.“

zu lesen?
Darüber hinaus ist der Nonnenfurz bezeugt: ursprünglich ein leise entweichender Darmwind, wird er heute meist im übertragenen Sinne als ein verschämt geäußerter, abwegiger Gedanke, verwandt. Etwas völlig anderes hingegen ist das Nonnenfürzle.
Gebräuchlicher noch ist das Querfurzen , im Sinne von: sich sinnlos einmischen oder absichtsvoll Verwirrung stiften.
Das Anpupsen hingegen ist der Diminutiv von anfurzen, anmachen, einem Blöd kommen. Ergänzend sei noch der plombierter Arsch, der ja das Entweichen der Darmwinde nachhaltig beeinflusst und diese über die Zunge leitet, genannt und etwa wenn es einem Dummkopf die Sprache verschlägt, zu gebrauchen wäre.
Johann Christoph Adelung verfasste über die Grundbedeutung einen kundigen Artikel dazu:
„Der Furz, des -es, plur. die Fürze, Diminut. das Fürzchen, Oberd. Fürzlein, in den niedrigen Sprecharten, eine Benennung der Blähungen in dem Eingeweide, so fern sie mit einem gewissen Geräusche in das Freye gehen. Daher furzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, dergleichen Blähungen gehen lassen.
Anm. Im gemeinen Leben auch Farz und farzen, im Nieders. Furt, Purt und furten, purten, im Angels. Feort, im Engl. Fart, im Dän. Fiärt, im Schwed. Fjärt, im Isländ. Freta, im Albanischen Pord, im Wallachischen Pjerd, im Griech. πορθƞ, und περθειν, Franz. Bourdon und bourder, Böhm. prdeti. Es ist eine Nachahmung des Lautes solcher Winde, daher man sich über die Übereinstimmung so vieler Sprachen nicht verwundern darf.“

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Mittwoch, 26. November 2008
Liebe ist irgendwie anders
„Also, Schnee Ende November: ich bin dagegen!“
„Aha, und was soll ich dazu sagen?“
„Du könntest mir beipflichten.“
„Okay.“
„Na, etwas enthusiastischer könnte es schon sein.“
„Okay.“

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Dienstag, 25. November 2008
Jean Paul Seebuch
Siebente Fahrt ,
worin sich unser braver Luftschiffer als Liebesbote versucht.
„Ich senkte mich zu den lauten festschwebenden Lerchen hernieder und endlich zu den Nachtigallen in Zweigen und berührte einen unbekannten Boden zwischen schlafenden Blumenbeeten – mit Felsen unter Efeu – und Orangenblüten weiß, die der Morgenwind statt der Früchte abschüttelte – mit Rasensitzen, in elysäische Felder hinausgerichtet – und ringendes Morgenrot und Mondlicht durchschnitten einander und vergossen wunderliches Licht auf der Zauberstätte – In der Ferne liefen Pappelreihen vor Lusthäusern vorbei, an runden, heitern, mit Wein übersponnenen Bergen flogen Segel hin, und überall zeigte ein durchsichtiger Kastanienwald eine freudige Welt.“

( Jean Paul Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. letzte Fahrt)

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Montag, 24. November 2008
1918/2
Leipzig 24.11.1918
„Mittags an unserem Tisch biedere Handwerksmeister u. ein Eisenbahnbeamter. Sie schimpften unterdrückt aber sehr energisch auf das unmögliche chaotische Treiben der Soldatenräte. Ich habe nach allem was ich sehe u. höre die Meinung, daß ganz Deutschland zum Teufel geht, wenn dieser Soldaten- und Arbeiter-Unrat, diese Dictatur der Sinnlosigkeit u. Ignoranz, nicht bald herausgefegt wird. Ich hoffe auf irgend einen General des rückkehrenden Feldheeres. In der Aufforderung, es würdig zu empfangen, steckt übrigens offenbar viel Angst. Ob diese Truppen sich Entwaffnung u. Ablegung der Abzeichen alle werden bieten lassen?“

(Victor Klemperer Tagebücher)

Noch ganz der Bildungsbürger, erschreckt und in seinen nationalistischen, konservativen Vorstellungen befangen. Träume von Herstellung der ‚Ordnung’ durch das Militär. Im Laufe der Jahre, insbesondere durch das Anwachsen oder das für ihn deutlicher Sichtbarwerden des Antisemitismus, durch die Ausgrenzung, ändert sich seine Haltung und seine Wahrnehmung.

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Freitag, 21. November 2008
Deutschland 1918/1
Leipzig 22.11.1918
„Die Spartakusgruppe (1,2) tagte gestern in einem ziemlich jämmerlichen Lokal am Brühl, im Hinterhaus (Coburger Hallen). Ein langes verräuchertes Zimmer, nach den Bildern zu schließen (unter denen Wilhelm II nicht fehlte) Verbandszimmer einer Lokomotivführer-Vereinigung. An zwei langen Tischen u. sonst an die Wand gepfropft, ruhig beim Bier 200 – 250 Menschen, meist jung, aber weder gemein noch radaulustig aussehend, einige Frauen, mancherlei Soldaten darunter. Solange wir da waren, sprachen ein stockender, aber bedächtig wägender Vorsitzender, ein referierender Pole oder polnischer Jude mit kaltschnäuzig frecher Geschwindigkeit, ein kragenloser grauhaariger Arbeiter, fließend, ruhig, intelligent, wie ein guter Dozent, ein Unteroffizier von etwa 30 Jahren mit hartem ostpreußischem Accent in leidenschaftlichstem, fanatischstem, überzeugtestem, langsam wuchtendem Kreuzpredigerton. Alle sagten sie, jeder auf seine Art, genau das Gleiche, im Grunde mit einer kindlich naiven Schamlosigkeit: Gegen Nationalversammlung u. gegen Preßfreiheit. Wir sind in der Minorität, die Nationalversammlung würde uns besiegen, die Presse bekämpft uns. Ergo Verhinderung der Nationalversammlung, gewaltsame Beschlagnahmung der Presse für unsere extreme Richtung! Es kommt ihnen eben gar nicht auf allgemeine Freiheit an, sondern auf ihre Befreiung, vielmehr ihre Herrschaft.“

(Victor Klemperer Tagebücher)
Während er den Arbeiter durchaus wohlwollend zeichnet, ist er von dem Unteroffizier offensichtlich angewidert. In der Schlussfolgerung ebnet er dann die Widersprüche wieder ein. Schade.
Schade ist auch, dass Klemperer nicht weiter auf die ‚allgemeine’ Freiheit, in seiner Sichtweise, vor dem Hintergrund etwa des preußischen Klassenwahlrechtes, eingeht; zumindest die Legitimität eines allgemeinen Wahlrechtes (woran man in diesem Zusammenhang mindestens denken muss) dürfte ihm eingeleuchtet haben?
Seine Sichtweise wirkt durchaus ‚modern‘, in einer ähnlichen Wahrnehmung könnte man auch eine Veranstaltung versprengter K-Grüppler kennzeichnen (ohne den Vorsitzenden und den Arbeiter); ‚modern‘ in dem Sinne, dass er von einem antisozialistischen Impuls geprägt ist, der auch noch heute die (partei-) politischen Debatten prägt.
Eine interessierte Auseinandersetzung scheint es auch damals nicht gegeben zu haben.
Ich hoffte in den Briefen von Rosa Luxemburg eine andere persönliche Sichtweise zu finden: leider Fehlanzeige. Sie stürzte sich nach der Entlassung aus dem Gefängnis sofort in die Arbeit an der Roten Fahne und verfasste anscheinend nur kurze Notizen.

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Donnerstag, 20. November 2008
Herabwürdigungen für jede Gelegenheit
Spacko, der

auch: Spacken (pl.), Vollspacken (komp.) abwertende Bezeichnung für einen in der Regel männlichen Mitbürger, dessen Geisteskräfte im Rahmen der aktuellen Debatte unzureichend sind oder (häufiger) dessen kulturelle Prägung eine adäquate Beteiligung am Gespräch nicht zulässt. Es hat ungefähr den Bedeutungsumfang des mittlerweile ungebräuchlichen ‚Spasti‘. Die weibliche Form ‚Spacka‘ ist nicht dokumentiert. s.a. Pfosten, Vollpfosten, Crétin (19. Jh.). Bedeutungsidentisch mit dem inzwischen veralteten Ausdruck: ‚irgendwie nicht gut‘.


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Mittwoch, 19. November 2008
Ballade des jungen unbegabten Dichters,
der sich unsterblich verliebte und vor dem Haus der Angebeteten so lange ausharrte bis er schwer erkrankte, ohne dass das Objekt seiner Begierde jemals von seiner Existenz erfahren hatte und der sich kurz vor seinem Tode entschloss, die Welt mit nur einem Reim zu quälen.


Wochenlang die Zeit vertan.
Wochenlang.

Wochenlang mit Weib vertan.
Wochenlang.

Wochenlang im Regen – bang!
Wochenlang.

Wochenlang die Nase rann.
Wochenlang.

Irgendwann die Lieb‘ verrann.
Irgendwann.

Minutenlang ich dies Gedicht ersann.
Minutenlang.


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Dienstag, 18. November 2008
Jean Paul Seebuch
Sechste Fahrt ,
auf der erneut das Welttheater bestaunt und am Brocken eine Teufelsrede gehalten wird.
„Auf der Fläche, die auf allen Seiten ins Unendliche hinausfloß, spielten alle verschiednen Theater des Lebens mit aufgezogenen Vorhängen zugleich – einer wird hier unter mir Landes verwiesen – drüben desertiert einer, und Glocken läuten herauf zum fürstlichen Empfang desselben – hier in den brennend-farbigen Wiesen wird gemähet – dort werden die Feuersprützen probiert – englische Reuter ziehen mit goldnen Fahnen und Schabaracken aus – Gräber in neun Dorfschaften werden gehauen – Weiber knien an Wegen vor Kapellen – ein Wagen mit weimarischen Komödianten kommt – viele Kammerwagen von Bräuten mit besoffnen Brautführern – Paradeplätzen mit Parolen und Musiken – hinter dem Gebüsche ersäuft sich einer in einem tiefen Perlenbach, nach dem dabei zusehenden Kniegalgen zu urteilen – lange Fähren mit vielen Wagen ziehen unten über breite Ströme und ich oben gleichfalls, aber ohne Fährgeld – ein Schieferdecker besteigt den Stadtturm, und ein sentimentalischer Pfarrsohn guckt aus dem Schallloch, und beide können (das kann ich viertehalbtausend Fuß hoch observieren, weil die dünne Luft alles näher heranhebt) sich nicht genug über das hundert Fuß tiefe Volk unter sich verwundern und erheben – Gartendiebinnen mit Brustavisen stehen in Prangern wie Heilige in Kapellen sehr umrungen - einer auf Knien und hinter der Binde muss drei Kugeln seiner dreifarbigen Kokarde wegen in den Pelz auffangen – ein für die Kirmes angeputztes Dorf samt vielen nötigen Verkäufern und Käufern dazu – katholische Wallfahrten, von schlechtem Gesang begleitet – ein lachender, trabender Wahnsinniger muss eingefangen werden – fünf Mädchen ringen entsetzlich die Hände, ich weiß nicht warum – über hundert Windmühlen heben im Sturm die Arme auf – die blühende Erde glänzt, die Sonne brennt aus den Strömen zurück, die muntern Schmetterlinge unten sind nicht zu sehen und die hohen Lerchen nur dünn zu hören, oder ich täusche mich sehr – das Leben hier schweigt und ist groß und droht fast – Gott weiß, welcher gewaltige böse oder gute Geist hier in dieser stillen Höhe dem Treiben grimmig-grinsend oder weinend-lächelnd zusieht und die Tatzen ausstreckt oder die Arme, und ich frage eben nichts nach ihm ...“


( Jean Paul Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. letzte Fahrt)

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Montag, 17. November 2008
Wo ist die Blechschere, Meister?
"Meister?"
"Ja?"
"Wo is'n die Blechschere?"
"Herrgott, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst vor der Abfahrt von der Werkstatt die Werkzeugkiste überprüfen!"

Oberschoeneweide Kindertagesstaette in der  Griechische Allee

"Und was machen wir jetzt?"
"Dann müssen wir halt das Blech, wie es vom Hänger kommt, verarbeiten!"
"Okay, Meister."
"Ich red' dann mit den Maurern und du fängst schon mal an."
"Okay, Meister."

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Freitag, 14. November 2008
sekkieren
Meine Mutter verwendete das Verb häufig:
„Ihr sollt den Kleinen nicht immer sekkieren!“

‚Ihr’ waren meine älteren Brüder und der Kleine war ich. Wie und warum das vom italienischen »seckare = belästigen, beschwerlich fallen« abstammende Wort Eingang ins Schwäbische gefunden hat?

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Donnerstag, 13. November 2008
Ausgang der U 2, Potsdamer Platz
Ein ungeschlachter Kerl, der ein Abonnement für eine Berliner Tageszeitung an den Mann bringen wollte.
Man hat sich so daran gewöhnt:
“Hätten sie Interesse an einer kostenlosen Zeitung?” oder so weiter.
Kein Mensch hört zu. Warum auch. Das Tier überraschte mich. Statt des übliche Werbespruches höre ich: “Bla bla, blah bla bla bla!” Interessant. Ob er damit Erfolg hat?

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Mittwoch, 12. November 2008
Fernseh
Wenn man die Augen schließt und nicht sieht, ob jemand einen Norwegerpulli oder einen Konfirmandenanzug trägt, kann man dann noch unterscheiden ob ein Mitglied der Grünen oder der FDP spricht?

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Dienstag, 11. November 2008
Jean Paul Seebuch
Fünfte Fahrt,
die nach Mülanz und zum Plan einer Jubelrede auf den städtischen Galgen führt.
„Der Dreizack macht, dass die Bankeruttierer-Firma – ob sie gleich die Reichsgesetze sonst unter die Diebe rubrizieren – nicht wie diese auf Chausseen mit Pistolen und auf Leitern an Fenstern stehen muss (was doch immer so äußerst misslich für Ehre und Leben ist), sondern zu Hause bleiben und auf die anständigste und die sicherste Weise im Schlafrock und Komtoir die Seelenkraft, welche die Philosophie das Begehrungsvermögen nennt, völlig entwickeln kann, indem sie durch eine dem Papier-Adel ähnliche Papier-Kaperei ein Handelsfreund von jedem wird; Freund sagen sie mit den Griechen des Wohlklangs wegen statt Dieb. Nach einiger Zeit lässet der fallite Handelsfreund, anstatt in Häuser einzubrechen, sie bloß fallen, und anstatt viele fremde Kaufläden aufzusprengen, schließet er bloß seinen eigenen zu. ...
Er wartet noch eine kurze Zeit, bis der Gerichtshof ihm die bulla compositionitis, gleichsam den Retour-Kaperbrief, ausgefertigt, und dann zieht er sich, - er müsste denn noch einmal in die See als Algerier stechen – mit dem besten Vermögenszustande und allgemein geehrt samt seiner Familie zurück und verzehrt wie ein Krokodil den Raub auf dem Lande. Welchem Fallierer unter uns ist daher nicht der Galgen venerabel.“


( Jean Paul Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch
1. 2. 3. 4. 5. 6.7. 8. 9. 10. 11. 12.13. letzte Fahrt)

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