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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (18)
g. | Mittwoch, 15. August 2012, 06:42 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Dienstag 12 Juni 2. Teil
Zunächst geht es mit der Seilbahn einige hundert Meter nach oben
Auf einer kleinen Hochebene muss man umsteigen in allradbetriebene Kleinbusse (das Raupenfahrzeug im Hintergrund gehört der Polizei und dient – so vermute ich – weniger der Verbrecherjagd oder dem Verfolgen von Verkehrssündern, sondern ist wohl für Rettungseinsätze angeschafft worden.)
Die Busse werden bis auf den letzten Platz vollgepfropft. Trotzdem gibt es ein erstaunliches Ausmaß an Gegenverkehr.
Gelegentlich kommt für einen kurzen Moment die Sonne zwischen den beiden Gipfeln des Ätna (3400 und 3200 Meter hoch) durch.
Weiter geht es mit einem Führer durch die Kälte. Der Wind blies uns fast vom Gipfel. Kein wirklich gemütlicher Ort.
Zumal ein Ausbruch des Vulkans kurz bevor stehen könnte. Man hört ja immer wieder so einiges.
Der aufsteigende Rauch ist zwar nur Wasserdampf, aber fürchten kann man sich ja auch vorsorglich.
Nun, irgendwann waren wir durchgefroren, der Bus stand zur Abfahrt bereit und einige unserer Mitreisenden wollten noch Souvenirs besorgen.
Dazu bietet sich an der Talstation der Seilbahn reichlich Gelegenheit.
So ziemlich alle griechisch-römischen Götter stehen zur Auswahl, aus Gips, Kunststoff, und verzehrfertig aus Schokolade oder Zuckerguss.
Mit einem kleinen Kunststoffätna in einer Halbkugel, inklusive Schneeflocken, die nach kurzem Umdrehen auf den Ätna niederrieseln habe ich ja kurz geliebäugelt. 7,95 € fand ich dann aber doch zu üppig. Schließlich wirft man solche Teile nach einigen Wochen in den Müll.
Kurzes Abzählen ( „Wär is sebiigmän?“ ) und einige Weisheiten, Bekenntnisse und Anekdoten, um die Wartezeit zu überbrücken: „Ai laaf pasta wiff tomeitosooß.“ Und dann noch eine Stunde weiter nach Taormina, das mehr Eisdielen und Klamottengeschäfte pro Quadratmeter beherbergt als jede andere italienische Kleinstadt und dann wieder zurück.
Abends Pizza und Fußball.
Was verbleibt an Erkenntnis von diesem Tag?
Mit drei Zentimeter langen Fingernägeln kann man sich, zwar unter Schwierigkeiten, aber doch ernähren, ein belegtes Brötchen ist verzehrbar. (Übrigens gar nicht so einfach zu beobachten, wenn man nicht aufdringlich oder seltsam wirken möchte.)
Empedokles soll sich ja in den Ätna gestürzt haben, weil die Zeit ein Opfer verlangt habe.
Zunächst geht es mit der Seilbahn einige hundert Meter nach oben

Auf einer kleinen Hochebene muss man umsteigen in allradbetriebene Kleinbusse (das Raupenfahrzeug im Hintergrund gehört der Polizei und dient – so vermute ich – weniger der Verbrecherjagd oder dem Verfolgen von Verkehrssündern, sondern ist wohl für Rettungseinsätze angeschafft worden.)

Die Busse werden bis auf den letzten Platz vollgepfropft. Trotzdem gibt es ein erstaunliches Ausmaß an Gegenverkehr.

Gelegentlich kommt für einen kurzen Moment die Sonne zwischen den beiden Gipfeln des Ätna (3400 und 3200 Meter hoch) durch.

Weiter geht es mit einem Führer durch die Kälte. Der Wind blies uns fast vom Gipfel. Kein wirklich gemütlicher Ort.

Zumal ein Ausbruch des Vulkans kurz bevor stehen könnte. Man hört ja immer wieder so einiges.

Der aufsteigende Rauch ist zwar nur Wasserdampf, aber fürchten kann man sich ja auch vorsorglich.

Nun, irgendwann waren wir durchgefroren, der Bus stand zur Abfahrt bereit und einige unserer Mitreisenden wollten noch Souvenirs besorgen.
Dazu bietet sich an der Talstation der Seilbahn reichlich Gelegenheit.

So ziemlich alle griechisch-römischen Götter stehen zur Auswahl, aus Gips, Kunststoff, und verzehrfertig aus Schokolade oder Zuckerguss.
Mit einem kleinen Kunststoffätna in einer Halbkugel, inklusive Schneeflocken, die nach kurzem Umdrehen auf den Ätna niederrieseln habe ich ja kurz geliebäugelt. 7,95 € fand ich dann aber doch zu üppig. Schließlich wirft man solche Teile nach einigen Wochen in den Müll.
Kurzes Abzählen ( „Wär is sebiigmän?“ ) und einige Weisheiten, Bekenntnisse und Anekdoten, um die Wartezeit zu überbrücken: „Ai laaf pasta wiff tomeitosooß.“ Und dann noch eine Stunde weiter nach Taormina, das mehr Eisdielen und Klamottengeschäfte pro Quadratmeter beherbergt als jede andere italienische Kleinstadt und dann wieder zurück.
Abends Pizza und Fußball.
Was verbleibt an Erkenntnis von diesem Tag?
Mit drei Zentimeter langen Fingernägeln kann man sich, zwar unter Schwierigkeiten, aber doch ernähren, ein belegtes Brötchen ist verzehrbar. (Übrigens gar nicht so einfach zu beobachten, wenn man nicht aufdringlich oder seltsam wirken möchte.)
Empedokles soll sich ja in den Ätna gestürzt haben, weil die Zeit ein Opfer verlangt habe.
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Seume am Ätna
g. | Dienstag, 14. August 2012, 06:28 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
Meine Mahlzeit, Freund, war ganz vom Ätna, bis auf die Fische, welche aus der See an seinem Fuße waren. Die Orangen, der Wein, die Kastanien, die Feigen und die Feigenschnepfen*, alles ist vom Fuße und von der Seite des Berges. Ich bin willens, ihn auf alle Weise zu genießen, deswegen bin ich hergekommen; ...*Feigenschnepfen, auch Grassmücken oder Wacholderdrossel genannt, waren in der Küche zu Seumes Zeiten beliebt.
( Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802.)
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (17)
g. | Montag, 13. August 2012, 07:39 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Dienstag 12 Juni 1. Teil
Auf Sizilien Urlaub machen und den Ätna nicht sehen? Geht natürlich nicht. Da der Ätna nicht so einfach zu erreichen ist, beschließen wir mit einer organisierten Tour uns den Berg anzusehen. Leider gibt es den Ausflug nur in Kombination mit der Besichtigung von Taormina.
Und leider gibt es den Ausflug nur in Kombination mit einer Reiseführerin, in unserem Falle eine Schweizerin, die mit einem Sizilianer verheiratet in Palermo lebt und ein Englisch spricht, das einem die Schuhe auszieht.
Sie gab den im Kleinbus anwesenden Touristinnen und Touristen eine Reihe nützlichster Tipps zum Italienaufenthalt. „Wenn yo gou tuh a Bar, först gou to se Käschier änd bai a Ticket for wot you wont. If yo wont a Kap off Koffie, täll se Kaschier: un espresso, senn gou wiss se Ticket tuh se Kaunter änd tell se Män ät se Bar, sätt you wont ei cafè lungo. Cafè lungo is a big Koffie änd not sou strong as normälly änd it is tschieper wenn yo bai a Koffie änd leiter tell sät yo want a Cafè lungo. If yu ask for ei Cafè lungo ät se Kaschier, it will kost you dabbel se Prais.“
Ja, stimmt. Kann man machen, ob es sich bei einem Durchschnittspreis von 2 € oder 2,50 € für einen Espresso lohnt, währe die eine Frage und ob man einen verdünnten Kaffee möchte, die andere.
Die dritte Frage wäre dann, warum mir im Bus immer wieder FBI Special Agent Fox William Mulder einfällt.
Na egal. Von den geschätzten Mitreisenden sind mir zwei in Erinnerung: der nette rumänische Riese bzw. sebiigmän wie unsere Reiseleiterin ihn in ihrem schönsten schwynglish nannte (schwynglish ist von sänglish wie es in den Durchsagen der Deutschen Bahn gepflegt wird und von schwänglish wie es der für Energie zuständige EU-Kommissar aufs Schönste zelebriert, zu unterscheiden. Anthony Waiwelday und Mischèl Schackson hatten wir ja bereits.) und die Tochter des Portugiesischen Ehepaars mit wild-bunt bemalten Fingernägeln. Die Nägel waren ca. 3 cm lang und zwangen die junge Frau ihre Hände leicht verkrampft auf ihrem Schoß zu drapieren. Natürliche Bewegungen kann man mit solchen Schaufeln nicht machen. Dann brechen die Dinger ab oder man verletzt sich oder andere. Edward mit den Scherenhänden schoss mir in den Kopf.
Treffpunkt war die Tankstelle in der Ortsmitte und natürlich kam der Kleinbus etwas zu spät. Kein Problem, nur nicht unruhig werden.
Zunächst düsen wir aber auf der Autobahn einmal quer durch die Insel bis in die Vororte von Catania. Pastafelder
und Orangenbäume
säumen die Straße. Wir machen einen Zwischenstopp in der Nähe von Enna.
Unsere schwynglish redende Begleiterin führte uns auf eine Autobahnraststätte, die so war wie die anderen Autobahnraststätten an europäischen Autobahnen: schlechtes Essen, lauwarme Getränke, die eigentlich heiß oder kalt sein sollten, ein unangenehmes Gedränge, genervte und gestresste Reisende und alles zu völlig überhöhten Preisen. Zuerst dachte ich: was soll der Scheiß? Man hätte genau so gut an einer der Abfahrten kurz von der Autobahn runter und in einer Bar im nächsten Ort etwas trinken und essen können. Mit unseren 10 Leuten im Bus wäre das kein Problem gewesen. Als ich dann sah, dass sie ihre Getränke in der Raststätte kostenlos erhielt, waren mir die Beweggründe für den Stopp in der Raststätte klar.
Ganz in der Nähe soll es einen Ort geben, in dem der Dolce von Dolce und Gabbana geboren ist. (Ob der Dolce als Kind wechen seinem Namen gehänselt wurde?) Je nun, nun ja.
Edwarda mit den Scherenhänden interessierte sich sehr für diese Information. Sie trug aber auch eine Guccisonnenbrille bzw. Guckisonnebrille wie meine Mutter die Brille genannt hätte, die auf den Bügeln (wahrscheinlich wurden die Brillenbügel aus diesem Grund so massiv gestaltet) in großen Lettern GUCCI zu stehen hatte. Solche Guccibrillen werden wahrscheinlich von Leuten gekauft, die nur Brillen kaufen auf denen für alle sichtbar ganz groß Gucci draufsteht, das sind dann Guccidraufstehsehtherichkannmirdasleistenbrillenkäufer und –käuferinnen. Je nun, nun ja.
Und da isser nu der Ätna in der Ferne zu sehen,
der Sitz von Hephaistos, dem kleinen, hässlichen, schreienden Sohn von Hera. Die ruhmreichsten Hinkefüße kriegen ja immer die schärfsten Weiber ab. Das ist aber ein anderes Thema.

(Quelle)
Auf Sizilien Urlaub machen und den Ätna nicht sehen? Geht natürlich nicht. Da der Ätna nicht so einfach zu erreichen ist, beschließen wir mit einer organisierten Tour uns den Berg anzusehen. Leider gibt es den Ausflug nur in Kombination mit der Besichtigung von Taormina.
Und leider gibt es den Ausflug nur in Kombination mit einer Reiseführerin, in unserem Falle eine Schweizerin, die mit einem Sizilianer verheiratet in Palermo lebt und ein Englisch spricht, das einem die Schuhe auszieht.
Sie gab den im Kleinbus anwesenden Touristinnen und Touristen eine Reihe nützlichster Tipps zum Italienaufenthalt. „Wenn yo gou tuh a Bar, först gou to se Käschier änd bai a Ticket for wot you wont. If yo wont a Kap off Koffie, täll se Kaschier: un espresso, senn gou wiss se Ticket tuh se Kaunter änd tell se Män ät se Bar, sätt you wont ei cafè lungo. Cafè lungo is a big Koffie änd not sou strong as normälly änd it is tschieper wenn yo bai a Koffie änd leiter tell sät yo want a Cafè lungo. If yu ask for ei Cafè lungo ät se Kaschier, it will kost you dabbel se Prais.“
Ja, stimmt. Kann man machen, ob es sich bei einem Durchschnittspreis von 2 € oder 2,50 € für einen Espresso lohnt, währe die eine Frage und ob man einen verdünnten Kaffee möchte, die andere.
Die dritte Frage wäre dann, warum mir im Bus immer wieder FBI Special Agent Fox William Mulder einfällt.
Na egal. Von den geschätzten Mitreisenden sind mir zwei in Erinnerung: der nette rumänische Riese bzw. sebiigmän wie unsere Reiseleiterin ihn in ihrem schönsten schwynglish nannte (schwynglish ist von sänglish wie es in den Durchsagen der Deutschen Bahn gepflegt wird und von schwänglish wie es der für Energie zuständige EU-Kommissar aufs Schönste zelebriert, zu unterscheiden. Anthony Waiwelday und Mischèl Schackson hatten wir ja bereits.) und die Tochter des Portugiesischen Ehepaars mit wild-bunt bemalten Fingernägeln. Die Nägel waren ca. 3 cm lang und zwangen die junge Frau ihre Hände leicht verkrampft auf ihrem Schoß zu drapieren. Natürliche Bewegungen kann man mit solchen Schaufeln nicht machen. Dann brechen die Dinger ab oder man verletzt sich oder andere. Edward mit den Scherenhänden schoss mir in den Kopf.
Treffpunkt war die Tankstelle in der Ortsmitte und natürlich kam der Kleinbus etwas zu spät. Kein Problem, nur nicht unruhig werden.
Zunächst düsen wir aber auf der Autobahn einmal quer durch die Insel bis in die Vororte von Catania. Pastafelder

und Orangenbäume

säumen die Straße. Wir machen einen Zwischenstopp in der Nähe von Enna.

Unsere schwynglish redende Begleiterin führte uns auf eine Autobahnraststätte, die so war wie die anderen Autobahnraststätten an europäischen Autobahnen: schlechtes Essen, lauwarme Getränke, die eigentlich heiß oder kalt sein sollten, ein unangenehmes Gedränge, genervte und gestresste Reisende und alles zu völlig überhöhten Preisen. Zuerst dachte ich: was soll der Scheiß? Man hätte genau so gut an einer der Abfahrten kurz von der Autobahn runter und in einer Bar im nächsten Ort etwas trinken und essen können. Mit unseren 10 Leuten im Bus wäre das kein Problem gewesen. Als ich dann sah, dass sie ihre Getränke in der Raststätte kostenlos erhielt, waren mir die Beweggründe für den Stopp in der Raststätte klar.
Ganz in der Nähe soll es einen Ort geben, in dem der Dolce von Dolce und Gabbana geboren ist. (Ob der Dolce als Kind wechen seinem Namen gehänselt wurde?) Je nun, nun ja.
Edwarda mit den Scherenhänden interessierte sich sehr für diese Information. Sie trug aber auch eine Guccisonnenbrille bzw. Guckisonnebrille wie meine Mutter die Brille genannt hätte, die auf den Bügeln (wahrscheinlich wurden die Brillenbügel aus diesem Grund so massiv gestaltet) in großen Lettern GUCCI zu stehen hatte. Solche Guccibrillen werden wahrscheinlich von Leuten gekauft, die nur Brillen kaufen auf denen für alle sichtbar ganz groß Gucci draufsteht, das sind dann Guccidraufstehsehtherichkannmirdasleistenbrillenkäufer und –käuferinnen. Je nun, nun ja.
Und da isser nu der Ätna in der Ferne zu sehen,

der Sitz von Hephaistos, dem kleinen, hässlichen, schreienden Sohn von Hera. Die ruhmreichsten Hinkefüße kriegen ja immer die schärfsten Weiber ab. Das ist aber ein anderes Thema.

(Quelle)
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Fundstücke 29. – 32. KW
g. | Freitag, 10. August 2012, 07:32 | Themenbereich: 'Fundstuecke'
Hintergründe und Sichtweisen:
Der deutsch-amerikanische Rassismus des Thilo Sarrazin
RAUL ZELIK Die Krise der Repräsentation, aus linksradikaler Perspektive betrachtet: Liquid Democracy könnte das Rätemodell von morgen sein (ohne die Reflexion von volonté general und volonté de tous geht’s aber nicht, sach ich mal.) via adresscomptoir
Vor 150 Jahren wurde der "Hobrecht-Plan" zur Bebauung der Umgebung Berlins veröffentlicht
Politik und Religion im liberalen Rechtsstaat
Religion versus Selbstbestimmung: Zur Debatte um die männliche Beschneidung (Die Debatte in den Kommentaren ist ungewöhnlich sachbezogen)
Der Blick der Psychotherapeuten auf die Beschneidungsdebatte
Albrecht Müller: Sozialstaat ist mehr als Sozialtransfer
Ingrid Müller-Münch: "Die geprügelte Generation - Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen"
Kipping und Schlömer suchen vergeblich nach Gemeinsamkeiten
Wolfgang Wippermann über das KPD-Verbot 1956
Kulturhistoriker über Klischees und Defizite der deutschen Esskultur
kluges und interessantes:
Die Türen der Wahrnehmung: Warum Amerikaner beinahe alles glauben (das wird bei den Deutschen nicht anders sein)
Heiko Werning über Human-Animals Studies, dem akademische Arm des Veganismus
AYING: Tradition und Toleranz (oder: Das gute Leben)
Der Blickwechsel der Kulturen
Schluss mit dem Bankenretten!
Interview mit Noam Chomsky
Über Kathrin Fischer: "Generation Laminat. Mit uns beginnt der Abstieg"
KUNST/ZEIT/SCHRIFT NR. 4/12
Zu Literatur und Sprache
Deutsche Untergrundliteratur zwischen DA & JETZT …
Literaturmagazin (hatten wir das schon einmal?)
Wolfram Schütte über William Faulkner: Als ich im Sterben lag
Eine virtuelle Bibliothek (fragen Sie mich nicht was das soll)
31 Fragen an die geneigte Leserin/den geneigten Leser
Geschichten von Liebe und Tod, von Gelehrsamkeit, freier Liebe und Perversion, von Autostoppern, vom Lehrer Gregor, der jede Schülerin Bärbel und jeden Schüler Moritz nennt, von abnormalen Goldhamstern, von mysteriös wandernden Geschirrspülmitteln und Tätern mit fehlendem Gedächtnis. Über Jens Dittmar: Als wär’s ein Stück Papier
Pieke Biermann über: Günther Anders: Die molussische Katakombe und über Günther Anders: Die Kirschenschlacht - Dialoge mit Hannah Arendt
Heiko Arntz (Hrsg.): Der komische Kanon. Deutschsprachige Erzähler 1499 - 1999
Werkstattporträt 1: Woran die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff gerade arbeitet
Neue Wörter und Wendungen:
„wehrlosen Kindern die Köpfe zu tätscheln“ (Gsella)
Elternschaftswahn (Parentesismus)
Über Dörrleichen, Meuchelpuffer und Jungfernzwinger
„Fürzefänger“ (Werfel über Kraus)
katagrapho, gr. ich schreibe herab
der Mehrparteiendemokrat Schily
„Party-Pooper des Jahrtausends“
Die Verbesserung von Welt, Gesundheit oder Laune
amüsantes:
Books on Demand
Sie kennen ja sicher die Theorie von Ursache und Wirkung und sowieso hängt alles mit allem zusammen.
More Hezarfen
Die Kopfschüttlerin war so freundlich mir ein Kleinod zu schenken, ein treffliches Beispiel politischer Korrektheit (Ich denke bei manchen Leuten sofort an den bedreadlockten Momo aus der Lindenstraße)
Lesen im Bett
Franz Dobler erzählt einen Witz
Bier-Bikes gibt es schon lange
Fahrradtypen im Modetest
so dies und das:
Beschneidung als Mittel gegen Onanie
»Generäle essen gerne Erdbeereis und trinken ab und zu mal ein Bier«
Could be worse
Eine Liebesgeschichte
GLASNOST
Marx-Engels-Gesamtausgabe
Entwicklung des Hochfrequenzhandels an den Börsen. Eine anschauliche Grafik für die Notwendigkeit der Transaktionssteuer via fefe
kluges und interessantes:
Zu Literatur und Sprache
Neue Wörter und Wendungen:
amüsantes:
so dies und das:
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (16)
g. | Donnerstag, 9. August 2012, 07:17 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Montag 11. Juni 2. Teil
Ausflug nach Monreale, ein Bergstädtchen, acht Kilometer von Palermo entfernt, das durch die Stadtbusse erreichbar ist. Nur Franzosen und Deutsche fahren mit dem Stadtbus, Amerikaner usw. bevorzugen anscheinend das organisierte Reisen. Na ja, vielleicht auch nicht. Das Örtchen selber – recht hübsch am Hang des Monte Caputo über der Conca d’Oro gelegen, der goldenen Muschel, wie die Bucht von Palermo von manchen genannt wird.
Bei klarem Wetter wäre die Sicht überwältigend.
Beherrscht wird der Ort durch den größten und prächtigsten Dom Siziliens.

Der Dom wurde ab 1174 vom Normannenkönig Wilhelm II erbaut. Die Normannen waren vom Papst gerufen worden, um die Araber zu vertreiben. Das hatten sie gemacht, sich aber in der Folge nicht daran hindern lassen arabische Baumeister für ihre Zwecke einzuspannen. Das merkt man dem Dom an.

Das angrenzende Benediktinerkloster ist ebenfalls im arabisch-byzantinischen Stil gebaut.
Die Kapitelle der Säulen sind mit vielerlei Darstellungen verziert.
Hier wird die Kirche vom normannischen Erbauer an die Kirche übergeben.
Am frühen Nachmittag sind wir wieder im Quartier. Mittagsschlaf und dann der obligatorische Rundgang durch den Ort mit anschließendem Sundowner auf der Piazza.
Ausflug nach Monreale, ein Bergstädtchen, acht Kilometer von Palermo entfernt, das durch die Stadtbusse erreichbar ist. Nur Franzosen und Deutsche fahren mit dem Stadtbus, Amerikaner usw. bevorzugen anscheinend das organisierte Reisen. Na ja, vielleicht auch nicht. Das Örtchen selber – recht hübsch am Hang des Monte Caputo über der Conca d’Oro gelegen, der goldenen Muschel, wie die Bucht von Palermo von manchen genannt wird.

Bei klarem Wetter wäre die Sicht überwältigend.
Beherrscht wird der Ort durch den größten und prächtigsten Dom Siziliens.


Der Dom wurde ab 1174 vom Normannenkönig Wilhelm II erbaut. Die Normannen waren vom Papst gerufen worden, um die Araber zu vertreiben. Das hatten sie gemacht, sich aber in der Folge nicht daran hindern lassen arabische Baumeister für ihre Zwecke einzuspannen. Das merkt man dem Dom an.

Das angrenzende Benediktinerkloster ist ebenfalls im arabisch-byzantinischen Stil gebaut.


Die Kapitelle der Säulen sind mit vielerlei Darstellungen verziert.

Hier wird die Kirche vom normannischen Erbauer an die Kirche übergeben.
Am frühen Nachmittag sind wir wieder im Quartier. Mittagsschlaf und dann der obligatorische Rundgang durch den Ort mit anschließendem Sundowner auf der Piazza.
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (Zwischenstück)
g. | Mittwoch, 8. August 2012, 06:33 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Wohin des Wegs, meine Damen?

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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (15)
g. | Dienstag, 7. August 2012, 06:43 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Montag 11. Juni 1. Teil
Der Höllenlärm um halb sieben liegt nicht an der Müllladerin, die heute Dienst hat. Heute werden Flaschen abgefahren.
Morgendliche Lesestunde: Victor Klemperer ist Aufseher des sächsischen Bildungsministerium über die Abiturprüfungen einiger Schulen:
Der Höllenlärm um halb sieben liegt nicht an der Müllladerin, die heute Dienst hat. Heute werden Flaschen abgefahren.
Morgendliche Lesestunde: Victor Klemperer ist Aufseher des sächsischen Bildungsministerium über die Abiturprüfungen einiger Schulen:
„In ZSCHOPAU: der entsetzliche Kasernengeruch des alten Lehrerseminars nach Essen, Dumpfigkeit etc., der Speisesaal mit seinen rohen Tischen u. dem Fraß darauf, die Schlafsäle Bett bei Bett – weiß überzogen, das ist der ganze Unterschied einstiger Kaserne gegenüber. – Der kriechende lavierende Leiter, Oberstudiendirector Singer, hilflos. Das Mittagsbrod in seiner Familie, Frau, Tochter, Lehrerin, Sohn stud neophil, Tochter Schülerin. Tischgebet. Mein brutales Auftreten gegen die Lehrer, sie ungeheure Verkommenheit u. Schaumschlägerei des Lehrbetriebs. – [...] Der biedere Fabrikdirector im Zuge, der mir nachgereist war, der mir die im Hôtel liegen gebliebene Rasierseife überreichte – mit der Bitte, seine in der »Dreistufigen« zurückgewiesene Tochter doch noch zum mündlichen Examen zuzulassen. Ich überzeugte ihn davon, daß es besser sei, das Mädel vom Studium fernzuhalten. Eine wahre Lustspielscene. Unglück über Unglück: der Procurist habe 62000 M. unterschlagen u. nun falle die Tochter durchs Examen! Dies ging ihm ständig durcheinander. Und dann die Frauen! Müssen die Mode des Abiturs mitmachen, bloß weil es Mode sei, bloß weil die Mutter ehrgeizig sei! Er selber habe immer gesagt: heiraten oder in kaufmännische Stellung! Es war sehr komisch, von Zschopau bis Dresden, drei Stunden lang. Und wie der Mann mich ausbaldowert hatte. – In Zschopau das entsetzlichste KleinSTbürgertum, in der Fletscher-Schule die qualvolle Rohheit des Proletariats – in der Dreistufigen endlich Menschen mit Kinderstube u. kultureller Erbmasse.“
(Victor Klemperer: Tagebücher S. 169/170 10. März 1930 )
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Que sera
g. | Montag, 6. August 2012, 06:45 | Themenbereich: 'so dies und das'
Die Kopfschüttlerin hatte mich vor ein paar Tagen über das Flugwesen zu Manfred Krug geführt:
„Que sera “
Das kenn ich doch, aus uralten Zeiten, dachte ich und dann fiel es mir wieder ein. Na klar, es ist Jose Feliciano:
Die Adaption von Manne Krug ist okay, die von Erkan Aki nich so (für meinen Geschmack).
Manche Sachen von Jose Feliciano sind auch heute noch gut hörbar.
Wobei man (ich zumindest) den Titel „Que sera“ kaum lesen kann ohne an Doris Day zu denken. „Que sera, sera“ ist aber ein völlig anderes Lied.
„Que sera “
Das kenn ich doch, aus uralten Zeiten, dachte ich und dann fiel es mir wieder ein. Na klar, es ist Jose Feliciano:
Die Adaption von Manne Krug ist okay, die von Erkan Aki nich so (für meinen Geschmack).
Manche Sachen von Jose Feliciano sind auch heute noch gut hörbar.
Wobei man (ich zumindest) den Titel „Que sera“ kaum lesen kann ohne an Doris Day zu denken. „Que sera, sera“ ist aber ein völlig anderes Lied.
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Schnipsel
g. | Freitag, 3. August 2012, 07:20 | Themenbereich: 'so dies und das'
Manchmal lese ich irgendwo etwas und es fällt mir dazu etwas mehr oder weniger Komisches oder Kluges ein, das schreibe ich dann auf:
- „In einer gerechten Welt gäbe es kein Wetter.“ Stimmt. Also, denke ich auch, manchmal.
- „Sie hat einen Riss im Lätzchen.“ Der Satz lässt sich problemlos auch auf die andere Hälfte der Menschheit umschreiben.
- Wenn Sie meinen das meinen zu müssen, will ich zu ihrem Meinen auch nicht gegenmeinen.
- Deutsch lernende Kanadier finden das Wort 'Fleischwolf' toll. Ich finde das Wort 'Fleischwolf' auch toll.
- „Die Piraten … sind … nicht mehr als eine chaotisierte Form der FDP.“ (Campino) Da ist was dran.
- „Würd ich mich tausendmal lieber von Steve McQueen überfahren lassen.“ Aus der Reihe: Sätze für die Ewigkeit.
- „Das sieht so modern aus, als ob man sich die frische Luft aus dem Internet runterladen müsste.“ Von Hier und das ist auch schön: „Das Haus ist wie eine überfahrene Kröte.“
- Ich glaube, ich muss mal über die ganzen Arschkrampen, die ich in meinem Leben getroffen habe eine zusammenfassende Würdigung schreiben. So ne bunte Mischung.
- Was, Frau Radisch, ist bitteschön eine "weibliche Poetenperspektive"? Tja? Tja!
- „mittendrin hockte dieser verfluchte Mahatma Gandhi im Schneidersitz und hörte jedes Mal auf zu essen, wenn ihm irgendetwas missfiel.“ Lässt Jonas Jonasson seinen Churchill sagen. Also so ein bisschen irgendwie bin ich da ja auf Churchills Seite.
- „Die Hölle ist jener Ort, dessen wir uns nicht versichern wollen. Wir weisen ihn mit einer ausholenden Geste von uns, als wäre er nicht Teil der Welt, als wäre er zumindest nicht jenes Teiles angehörig, auf den wir Anspruch erheben. Eine unserer liebsten Thesen auf unserem Absicherungskurs ist die Motivation des Anderen, der immer der Ferne ist. Nicht wir foltern, sondern der andere foltert, weil er böse ist, weil ihn seine Mutter geschlagen hat, weil ihn sein Vater vergewaltigt hat.
Rasch haben wir uns mit einer These aus dem Staub gemacht, allzumal mit einer These, die uns außer Acht lässt. Wir kommen darin nicht vor. Wie sollten wir auch. Wir sind weder Opfer noch Täter, sind die stillen Beobachter, die sich in die Daunenkissen der vermeintlichen Gewissheit kuscheln.“ Von hier.
Da ist was dran; da ist mehr dran als an Adornos Satz vom richtigen Leben, das es ihm falschen nicht gäbe. Wobei gegen die Thesenbildung nur dann etwas einzuwenden ist, wenn sie nur ohne uns auskommt. Und weiter:
„In »Reflexionen über Henker und Opfer« schreibt Bataille: »Es gibt in einer bestehenden Form moralischer Verurteilung eine kaum greifbare Form der Leugnung. Man sagt letztlich: Zu dieser Gemeinheit wäre es nicht gekommen, wenn es nicht Ungeheuer von Menschen gegeben hätte. Bei diesem Gewalturteil macht man einen Schnitt zwischen den Ungeheuern und dem Möglichen. Man klagt sie implizit an, die Grenze des Möglichen zu überschreiten, statt zu sehen, dass gerade ihre Überschreitung diese Grenze bestimmt.«
„Wir tragen alle Möglichkeiten in uns, sind Henker und Opfer zugleich. Da sollte man nicht zu rasch vorüber eilen…“
„Gutmenschen sind vielleicht die unehrlichsten Teufel unter allen höllischen Plagegeistern, also jene, die sich stets heraus nehmen, sich somit aller Menschlichkeit berauben.“ Das könnte man auch mal jemandem, der es verdient, unter die Nase reiben. Zum Nachdenken anregen würde es aber wohl nicht.
„Die Möglichkeiten von Lebensläufen vereiteln schlicht den einen oder anderen Gang. Der eine endet am Kreuz, der andere schlägt die Nägel.“ - Gutmenschen als unheimliche Emergenz des Systems (welches System weiß ich gerade nicht: Internet, Kapitalismus, Moderne, Protestantismus oder was weiß ich.)
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (Zwischenstück)
g. | Donnerstag, 2. August 2012, 07:00 | Themenbereich: 'auf Reisen'

Dieses rätselhafte Gebäude steht am Ortsrand von Santo Stefano di Canestra. Vor dem Gebäude führt der Fußweg zu Bahnhof und Hafen, hinter dem Gebäude ist die Ortzufahrt. Vier Stockwerke und eine Außentreppe, aber kein Raum, der irgendeine Funktion erfüllt. Die obersten zwei Stockwerke haben einen Sichtschutz aus Beton mit einem schmalen Durchlass. Dahinter könnte man sich umkleiden oder ein Urinal verstecken. Das unterste Stockwerk ist ein einfacher Raum mit vier Wänden und einer Tür nach außen, mit Sperrmüll zur Hälfte gefüllt. Das zweite Stockwerk ist ebenfalls mit einer Art Tür versehen, sogar Fenster wurden eingebaut. Zuerst dachte ich, vielleicht sollte das mal so eine Art Maisonettewohnung werden, aber wenn man in einen andren Raum möchte, müsste man über die Außentreppe gehen. Was könnte das nur für ein Gebäude sein?

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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (14)
g. | Mittwoch, 1. August 2012, 06:40 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Sonntag 10. Juni 2. Teil
Zwischen Castel di Tusa und Santo Stefano liegt das Fiumara d’Arte, das Tal der Kunstwerke. Wir haben dann doch darauf verzichtet, uns einen Leihwagen zu nehmen und die ganzen Kunstwerke abzufahren.
Der Tag war heiß, aber nicht drückend. Leichter Wind von See her. Nach dem Mittagsschlaf habe ich das Jahr 1929 in den Tagebüchern fertig gelesen. Seltsam: kein einziger Satz zur Weltwirtschaftskrise.
Wir schlendern am Abend noch eine Runde durch den Ort und gehen dann zu unserem üblichen Sundowner auf die Piazza del Duomo. Viel Auftrieb am Sonntagabend, mehr als doppelt so viel Leute wie an anderen Tagen. Wir setzen uns und bestellen, wie üblich. Viele Ältere, viele Frauen. Eine Dame, einige Tische neben uns, regt sich über die Kleidung der jüngeren Frauen auf und sieht missbilligend auf ein Paar das sich küsst. Unruhe vor dem Dom. Nacheinander kommen Abordnungen der verschiedenen Kirchengemeinden der Stadt auf den Platz. An der Spitze jeweils ein kräftiger Mann mit Standarte, danach fünf bis zehn Männer mit unterschiedlich gefärbten Schärpen: die Roten, die Gelben, die Violetten, usw. Auf den Standarten sind die Wappen (sagt man bei Kirchengemeinden so?) und Bezeichnungen der Gemeinden aufgestickt. Die Violetten haben eine Blaskapelle von ca. 30 Personen. Einer der Tubabläser, ein Bär, unrasiert, trägt eine Sonnenbrille und sieht sehr verwegen aus.
„Das ist sicher der Knochenbrecher der örtlichen Mafia.“
„Ach was, das ist ein ganz lieber Bär, der arbeitet unter der Woche in einem Eisenwarengeschäft.“
Der erste Trommler schlägt mechanisch den Rhythmus und lässt seine Blicke schweifen, der zweite Trommler ist erst sieben oder acht Jahre alt und erledigt das Trommeln hoch konzentriert. Die beiden Paukisten quatschen die ganze Zeit miteinander und flirten mit den Damen am Wegesrand.
Die Gruppen verschwinden nach und nach im Dom. Nach etwa einer halben Stunde kommen sie wieder hervor und bauen sich geordnet auf dem Platz auf. Am Anfang, in der Mitte und am Ende des Zuges werden nunmehr Lautsprecher, die über Funk miteinander verbunden sind, an hohen Stangen mitgeführt. Am Schluss marschieren bzw. wanken die Gelben, die unter einem Baldachin irgendeine Reliquie irgendeines örtlichen Heiligen mit sich führen. Der Bischof erzählt über die Lautsprecher irgendetwas Christliches („Misericordia“ usw.), die Musik setzt ein, der Zug singt ein Lied. Die Dame neben uns stimmt in das Lied ein und folgt dem Zug.
Wenn ich den Fotoapparat heute nicht in der Wohnung gelassen hätte ...
Wir bezahlen unsere Rechnung und gehen zum Abendessen: Involtini di pesce spada, sehr lecker.
Zwischen Castel di Tusa und Santo Stefano liegt das Fiumara d’Arte, das Tal der Kunstwerke. Wir haben dann doch darauf verzichtet, uns einen Leihwagen zu nehmen und die ganzen Kunstwerke abzufahren.


Der Tag war heiß, aber nicht drückend. Leichter Wind von See her. Nach dem Mittagsschlaf habe ich das Jahr 1929 in den Tagebüchern fertig gelesen. Seltsam: kein einziger Satz zur Weltwirtschaftskrise.
Wir schlendern am Abend noch eine Runde durch den Ort und gehen dann zu unserem üblichen Sundowner auf die Piazza del Duomo. Viel Auftrieb am Sonntagabend, mehr als doppelt so viel Leute wie an anderen Tagen. Wir setzen uns und bestellen, wie üblich. Viele Ältere, viele Frauen. Eine Dame, einige Tische neben uns, regt sich über die Kleidung der jüngeren Frauen auf und sieht missbilligend auf ein Paar das sich küsst. Unruhe vor dem Dom. Nacheinander kommen Abordnungen der verschiedenen Kirchengemeinden der Stadt auf den Platz. An der Spitze jeweils ein kräftiger Mann mit Standarte, danach fünf bis zehn Männer mit unterschiedlich gefärbten Schärpen: die Roten, die Gelben, die Violetten, usw. Auf den Standarten sind die Wappen (sagt man bei Kirchengemeinden so?) und Bezeichnungen der Gemeinden aufgestickt. Die Violetten haben eine Blaskapelle von ca. 30 Personen. Einer der Tubabläser, ein Bär, unrasiert, trägt eine Sonnenbrille und sieht sehr verwegen aus.
„Das ist sicher der Knochenbrecher der örtlichen Mafia.“
„Ach was, das ist ein ganz lieber Bär, der arbeitet unter der Woche in einem Eisenwarengeschäft.“
Der erste Trommler schlägt mechanisch den Rhythmus und lässt seine Blicke schweifen, der zweite Trommler ist erst sieben oder acht Jahre alt und erledigt das Trommeln hoch konzentriert. Die beiden Paukisten quatschen die ganze Zeit miteinander und flirten mit den Damen am Wegesrand.
Die Gruppen verschwinden nach und nach im Dom. Nach etwa einer halben Stunde kommen sie wieder hervor und bauen sich geordnet auf dem Platz auf. Am Anfang, in der Mitte und am Ende des Zuges werden nunmehr Lautsprecher, die über Funk miteinander verbunden sind, an hohen Stangen mitgeführt. Am Schluss marschieren bzw. wanken die Gelben, die unter einem Baldachin irgendeine Reliquie irgendeines örtlichen Heiligen mit sich führen. Der Bischof erzählt über die Lautsprecher irgendetwas Christliches („Misericordia“ usw.), die Musik setzt ein, der Zug singt ein Lied. Die Dame neben uns stimmt in das Lied ein und folgt dem Zug.
Wenn ich den Fotoapparat heute nicht in der Wohnung gelassen hätte ...
Wir bezahlen unsere Rechnung und gehen zum Abendessen: Involtini di pesce spada, sehr lecker.
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (Zwischenstück)
g. | Dienstag, 31. Juli 2012, 07:23 | Themenbereich: 'auf Reisen'

Der Gestaltungswille schlägt unbarmherzig auch bei Ferienwohnungen zu.
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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (13)
g. | Montag, 30. Juli 2012, 06:29 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Sonntag 10. Juni 1. Teil
6:30 Uhr Morgenkaffee auf dem Balkon.
Ein schwarzer Kater streift am noch menschenleeren Strand und an der Uferpromenade umher. Er kontrolliert sein Revier. Na? Alle Mädels noch da? Kein Eindringling?
Ein Mann, Mitte 50, grau meliertes, blondes Haar, kommt mit einer großen Plastiktüte an den Strand, blickt sich um und kontrolliert sorgfältig ob die Tüte ein Loch hat. Dann entkleidet er sich. Schuhe, Hose und Hemd werden sehr sorgfältig in der Tüte verstaut und diese dann zugeknotet. Er prüft nochmals ob die Tüte ein Loch hat und ob genügend Luft in ihr ist. Dann schwimmt er zu der Segeljacht in etwa 50 Meter Entfernung, die Tüte immer vor sich her schiebend.
Zurück zu Klemperer.
Auf dem Bahnhof ist es uns nun schon mehrfach passiert, dass der Schaltermensch uns in sein Büro gewunken hat, um uns in fließendem Englisch die Fahrkarten zu verkaufen und uns darauf hinzuweisen, dass die Fahrkarten noch gestempelt werden müssen. Außerdem schrieb er uns unaufgefordert die Abfahrtszeiten von Santo Stefano für den Rückweg auf einen Zettel. Diese und einige weitere Erfahrungen, etwa mit Polizia Local und Carabinieri, verstärken den Eindruck, dass auf Sizilien große Anstrengungen gemacht werden, öffentliche Angelegenheiten bürgerfreundlich zu gestalten. Wenn ich an Neapel, Salerno, ... zurückdenke, scheint das ein Unterschied zu Kalabrien zu sein, wo solche Erlebnisse von Hilfsbreitschaft und Zuvorkommen nur auf dem Land alltäglich-selbstverständlich waren. Fragt sich, ob der Eindruck nur zufällig ist und ob er zutreffend und mit den Bemühungen, die Mafia bedeutungslos zu machen, zusammenhängt?
Okay, ich spekuliere.
Die kurze Fahrt nach Santo Stefano führt uns wieder einmal vor Augen, dass die Familie Pronto eine weitverzweigte Verwandtschaft in Italien hat und anscheinend ein bestimmtes Klingelzeichen auf dem telefonino bevorzugt.
Santo Stefano liegt auf einer Anhöhe etwa hundert Meter über dem Meer. Es ist Sonntagmorgen, die Leute sind noch etwas müde, sitzen in den Bars oder besuchen den Gottesdienst.
Wer für einen Espresso keine Kohle hat, steht auf dem Platz unter den Bäumen und quatscht eine Runde.
Die alten Strategen sitzen in der societá operaia und machen sich einen schönen Tag.
Vom Belvedere hat man einen schönen Blick auf die Autobahn.
Aber eigentlich ist die Via del Palme sehr schön, nur eben menschenleer.
Santo Stefano ist ja die Città delle Ceramiche und so verkaufen vier von fünf Keramikläden auf der Hauptstraße Touristenmüll, der vermutlich in China gefertigt wurde. Richtig liebevoll ist hingegen das Heimatmuseum der Stadt eingerichtet. Traditionelle Keramik wie diese Bodenfliesen
oder dieses Bild

werden neben modernen Formen
ausgestellt. Da kann einem schon einiges gefallen.
Natürlich nicht alles.
Das Herz der Angebeteten aufschließen und den Schlüssel für immer verlieren, ist zweifellos eine erfolgreiche Strategie.
6:30 Uhr Morgenkaffee auf dem Balkon.
Ein schwarzer Kater streift am noch menschenleeren Strand und an der Uferpromenade umher. Er kontrolliert sein Revier. Na? Alle Mädels noch da? Kein Eindringling?
Ein Mann, Mitte 50, grau meliertes, blondes Haar, kommt mit einer großen Plastiktüte an den Strand, blickt sich um und kontrolliert sorgfältig ob die Tüte ein Loch hat. Dann entkleidet er sich. Schuhe, Hose und Hemd werden sehr sorgfältig in der Tüte verstaut und diese dann zugeknotet. Er prüft nochmals ob die Tüte ein Loch hat und ob genügend Luft in ihr ist. Dann schwimmt er zu der Segeljacht in etwa 50 Meter Entfernung, die Tüte immer vor sich her schiebend.

Zurück zu Klemperer.
„Und ich sehe, zum erstenmal sehe ich wirklich, das spanische, französische, italienische Nordafrika in seiner Lage, ich sehe Aegypten u. das heilige Land, wie sie im Raum liegen, ich sehe Griechenland, Macedonien u. Kleinasien, und so vieles was mir nur Literatur, Märchen, Phantom war, wird mir jetzt körperhaft klar u. reale Gegebenheit. Weil ich nun eben die Karte ERLEBE. – Ich sage mir: das KLEINE Hellas, das KLEINE Italien. Die Schiffsschraube am Fahrzeug Europa. Das KLEINE Europa. Immer sind es kleine Völker, kleine Länder, kleine Gruppen gewesen, die geführt haben, u. innerhalb der kleinen Gruppen EINZELNE. Wie ist es möglich, materialistische, collektivistische Lehren aus der Geschichte zu ziehen?“Heute steht Santo Stefano di Canestra, Città delle Ceramiche, auf dem Programm.
(Victor Klemperer: Tagebücher S. 85 12. August 1929, auf einem Frachter im Golf von Oran.)
Auf dem Bahnhof ist es uns nun schon mehrfach passiert, dass der Schaltermensch uns in sein Büro gewunken hat, um uns in fließendem Englisch die Fahrkarten zu verkaufen und uns darauf hinzuweisen, dass die Fahrkarten noch gestempelt werden müssen. Außerdem schrieb er uns unaufgefordert die Abfahrtszeiten von Santo Stefano für den Rückweg auf einen Zettel. Diese und einige weitere Erfahrungen, etwa mit Polizia Local und Carabinieri, verstärken den Eindruck, dass auf Sizilien große Anstrengungen gemacht werden, öffentliche Angelegenheiten bürgerfreundlich zu gestalten. Wenn ich an Neapel, Salerno, ... zurückdenke, scheint das ein Unterschied zu Kalabrien zu sein, wo solche Erlebnisse von Hilfsbreitschaft und Zuvorkommen nur auf dem Land alltäglich-selbstverständlich waren. Fragt sich, ob der Eindruck nur zufällig ist und ob er zutreffend und mit den Bemühungen, die Mafia bedeutungslos zu machen, zusammenhängt?
Okay, ich spekuliere.
Die kurze Fahrt nach Santo Stefano führt uns wieder einmal vor Augen, dass die Familie Pronto eine weitverzweigte Verwandtschaft in Italien hat und anscheinend ein bestimmtes Klingelzeichen auf dem telefonino bevorzugt.
Santo Stefano liegt auf einer Anhöhe etwa hundert Meter über dem Meer. Es ist Sonntagmorgen, die Leute sind noch etwas müde, sitzen in den Bars oder besuchen den Gottesdienst.

Wer für einen Espresso keine Kohle hat, steht auf dem Platz unter den Bäumen und quatscht eine Runde.
Die alten Strategen sitzen in der societá operaia und machen sich einen schönen Tag.
Vom Belvedere hat man einen schönen Blick auf die Autobahn.

Aber eigentlich ist die Via del Palme sehr schön, nur eben menschenleer.

Santo Stefano ist ja die Città delle Ceramiche und so verkaufen vier von fünf Keramikläden auf der Hauptstraße Touristenmüll, der vermutlich in China gefertigt wurde. Richtig liebevoll ist hingegen das Heimatmuseum der Stadt eingerichtet. Traditionelle Keramik wie diese Bodenfliesen

oder dieses Bild

werden neben modernen Formen

ausgestellt. Da kann einem schon einiges gefallen.


Natürlich nicht alles.
Das Herz der Angebeteten aufschließen und den Schlüssel für immer verlieren, ist zweifellos eine erfolgreiche Strategie.

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Reisejournal Sizilien Frühjahr 2012 (12)
g. | Freitag, 27. Juli 2012, 07:09 | Themenbereich: 'auf Reisen'
Samstag 9. Juni
Noch etwas müde von der kurzen Nacht. Meine morgendliche Klemperer-Lektüre beschert mir:
Voßler, bei dem Victor Klemperer studiert hat, ist zu Besuch in Dresden.
Das italienische Ehepaar, das neben uns wohnt, ist immer noch stinksauer über die Ruhestörung der letzten Nacht. Sie teufeln herum und durch die geöffnete Balkontüre schwappt der eine oder andere Satz zu uns herüber. Über das Spanische kann ich einen Teil davon verstehen. (Übrigens: es scheinen sehr nette Leute zu sein. Wenn man nur ausreichend Italienisch könnte.)
Rundgang durch den Ort, Frühstück. So nach und nach versammelt sich Stadt und Umland am Strand.

Eine Kugel Eis im Brötchen, wie es viele Einheimische als Zwischenmahlzeit bevorzugen? Ach nein, besser nicht. Man muss nicht alles ausprobieren.
Die Klemperers machen Urlaub im Tessin.
Noch etwas müde von der kurzen Nacht. Meine morgendliche Klemperer-Lektüre beschert mir:
Voßler, bei dem Victor Klemperer studiert hat, ist zu Besuch in Dresden.
„Am Sonntag Abend erzählte er viel (u. haßerfüllt) von MUSSOLINI, den er für einen Mörder u. skrupellosesten Egoisten hält, ohne tiefere Geistigkeit u. ohne die Macht, Gutes u. Bleibendes zu schaffen. Ichto (?) porco sifilitico habe ihn De Lollis immer genannt. Während der Matteotti-Affäre habe M. sich verloren gegeben u. sich krank zu Bett gelegt. Der Witwe M.’s, die ihn um Hilfe u. Gerechtigkeit anflehte, habe er gesagt, SIE sei jetzt mächtiger als er. Erst als sich niemand gegen ihn erhob, habe er die schleifenden Zügel wieder in die Hand genommen. Er sei ohne persönlichen Mut. (Wirklich?) Er sei ohnmächtig geworden bei einem Attentat, wo die Kugel bloß seine Nase streifte. Als man die Leiche Matteottis suchte u. Muss. machtlos war, erschien im Asino ein Bild. Muss. und ein Negerhäuptling aus den Colonieen. Der Häuptling vertraulich: Eccellenza, MIR können Sie’s doch sagen. Nicht war ihr habt ihn gefressen?! ... Als M. seinen Frieden mit der Kirche machte, sollte auch seine Civilehe kirchlich gesegnet werden. Muss. wollte daraus ein Staatsfest machen. Der Erzbischof von Mailand (?) lehnte das ab: Man könne dem Volk doch nicht zeigen, daß sein Gebieter so lange NEL CONCUBINATO gelebt habe. Der Erzbischof forderte auch Beichte. Muss. war damit einverstanden, er habe einen Priester irgendwo in den Abruzzen zum Freunde. Der Erzbisch. zu einem Freunde: Wieviele Tage hintereinander müsse dieser Mensch beichten! Er könne sich freilich auch in drei Worte fassen: Ho fatto tutto! – V. erzählte auch, wie eine Bande in der Nacht in Croces Palazzo eindrang u. die Fensterscheiben zerbrach. Frau Croce trat den Leuten entgegen u. beschimpfte sie heftig als ehrlos. Worauf sie gedeppt abzogen.“Eine aberwitzige Wahrnehmung des italienischen Faschismus, selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die Erzählung von 1928 ist und der Nationalsozialismus erst in den Anfängen sichtbar wird. Wahrscheinlich ist das aber die Wahrnehmung des ‚liberalen’ Bildungsbürgertums dieser Zeit, von demokratischem Bewusstsein keine Spur. Das gilt es im Hinterkopf zu haben, wenn mal wieder von Kommunisten und Nazis, die die Weimarer Republik zerstört hätten, die Rede ist.
(Victor Klemperer: Tagebücher 15. Juni 1928, S. 274)
Das italienische Ehepaar, das neben uns wohnt, ist immer noch stinksauer über die Ruhestörung der letzten Nacht. Sie teufeln herum und durch die geöffnete Balkontüre schwappt der eine oder andere Satz zu uns herüber. Über das Spanische kann ich einen Teil davon verstehen. (Übrigens: es scheinen sehr nette Leute zu sein. Wenn man nur ausreichend Italienisch könnte.)
Rundgang durch den Ort, Frühstück. So nach und nach versammelt sich Stadt und Umland am Strand.

Eine Kugel Eis im Brötchen, wie es viele Einheimische als Zwischenmahlzeit bevorzugen? Ach nein, besser nicht. Man muss nicht alles ausprobieren.
Die Klemperers machen Urlaub im Tessin.
„Ganz italienisch ist die Bevölkerung hier. Wieso eigentlich gehören sie nicht zu Italien? Die Schweiz schlägt einem alle Theorieen vom Wesen einer Nation zuschanden. Aber sie ist Ausnahme.“Oder aber die Theorie, das Nationen ein ‚Wesen’ haben ist Unfug. Damit wäre Klemperers zentrales Paradigma der Literaturbetrachtung allerdings obsolet.
(Victor Klemperer: Tagebücher 5. März 1929, S. 17)
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