Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 7. März 2011
Die Stoffwechselstube
„Diese Presse genügt dem nationalen Bedürfnis der „Deutschen in Österreich“, die sich ihrer freilich auch gern an Orten bedienen, wo man einem internationalen Drang Betätigung schafft, an Orten, die man sonst mit einem Fremdwort bezeichnet, für die ich aber den teutonischen Sprachreinigern den Ausdruck „Stoffwechselstube“ zur Verfügung stelle.“
(Karl Kraus, Die Fackel Nr. 147, 21. November 1903, S. 22 f.)
Mit Dank an Gisbert Damaschke

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Freitag, 4. März 2011
Ha!
Erster Platz bei der Suche nach‚ Socken mit Tieren’. Wie nennen das die Werbefritzen? Unique selling point? „I am the greatest!“

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Donnerstag, 3. März 2011
Der Schwan auf der Brücke
Eigentlich habe ich ja immer einen Fotoapparat dabei,nur gestern Abend leider nicht, als es einen Schwan im dicksten Berufsverkehr auf die Warschauer Brücke verschlug. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, seine Frau gegen die aggressiven Nebenbuhler in Gestalt von Autos und Fahrradfahrern zu verteidigen. Immer aufgeregter und aggressiver attackierte er. Eigentlich war er auch sehr erfolgreich, zumindest die Radfahrer konnte er mit seinem Schnabel vertreiben, die Autofahrer machten ihn mit ihrer Huperei hysterisch. Ob die Leute glauben, dass sich ein Schwan durch Hupen in Luft auflöst?
Mit einer jungen Frau habe ich dann eine Zeitlang diskutiert, ob man nicht irgendwo irgendeine Gerätschaft auftreiben könnte, mit der man den Schwan auf die Treppe Richtung Ufer abdrängen könnte. Wenn man einen Besen griffbereit gehabt hätte, hatten wir aber nicht. Wir versuchten ihn dann, begleitet von herumfuchteln und mit den Armen rudern, nieder zu diskutieren. So in der Art: "Keiner will dir deine Frau abspenstig machen, alles im grünen Bereich, du kannst zurück auf die Spree ohne dass dir jemand etwas Übles antun will." Hat nicht geklappt.
Irgendwann kam dann die Polizei und setzte ihre Schutzschilde, die sie sonst bei Demonstrationen tragen, gegen den Familienverteidiger ein. Mit Erfolg.

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Mittwoch, 2. März 2011
Wundersame Maschinen VIII
Der Bremer Salutierautomat begrüßte jeden Besucher des Gildenhauses der Bremer Kaufmannschaft, der die Treppe zum ersten Stock hinaufstieg, indem er sein Visier öffnete, die rechte Hand zum Gruß reckte um hernach unter Kopfnicken wieder in seine Ausgangstellung zurückzusinken. Der Complimentarius begrüßte die Besucher seit etwa dem 17. Jahrhundert und war über lange Jahrhunderte eine der Bremer Touristenattraktionen. Der Harnisch des salutierenden Ritters soll dem Junker Balthasar von Esens gehört haben, der die Bremer Kaufmannschaft lange Zeit mit seinen Überfällen schädigte und nach Niederlage und Tod seinen Harnisch als Trophäe der siegreichen Kaufleute abgeben musste. So sah alle Welt, wie die Bremer mit Strauchdieben umzugehen pflegen.

der Complimentarius


Heute steht er unsalutierend im Focke-Museum.

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Dienstag, 1. März 2011
Wie ist doch die Zeitung interessant
Wie ist doch die Zeitung interessant
für unser liebes Vaterland!
Was haben wir heute nicht alles vernommen!
Die Fürstin ist gestern niedergekommen,
und morgen wird der Herzog kommen,
Hier ist der König heimgekommen,
dort ist der Kaiser durchgekommen,
bald werden sie alle zusammenkommen -
Wie interessant ! wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!

Wie ist die Zeitung doch interessant
für unser liebes Vaterland!
Was ist uns nicht alles berichtet worden!
Ein Portepeefähnrich ist Leutnant geworden,
ein Oberhofprediger erhielt einen Orden,
die Lakaien erhielten silberne Borden,
die höchsten Herrschaften gehen nach Norden,
und zeitig ist es Frühling geworden -
Wie interessant ! wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!

(Hoffmann von Fallersleben 28. Mai.1841)

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Montag, 28. Februar 2011
Naslöcher XI
„Ich wurde kleiner und kleiner. Erst wie eine mittelgroße Kartoffel, dann wie eine Schweizerpille, dann wie ein Stecknadelkopf, dann noch kleiner und immer noch kleiner, bis es nicht mehr ging. Ich war zum Punkt geworden. Im selben Moment erfaßte mich"s wie das geräuschvolle Sausen des Windes. Ich wurde hinausgewirbelt. Als ich mich umdrehte, sah ich in meine eigenen Naslöcher.“
(Wilhelm Busch)
Naslochträume.

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Freitag, 25. Februar 2011
Fundstücke 04. bis. 08. KW 2011
Hintergründe und Sichtweisen:
  • Noam Chomsky: Unterstellte Zustimmung - Überlegungen zur Theorie und Praxis der Demokratie
  • Der Historiker Stephan Malinowski im Gespräch über die Feudalisierung des Bürgertums, die Krise des deutschen Adels und die Geburt des Führerkults aus dem Geist des Wilhelminismus via metalust
  • Der Wertbegriff bei Karl Marx
  • Michael Tobias Koltan: Die Konzeption der Geschichte in der „Deutschen Ideologie“ von Karl Marx und Friedrich Engels
  • Über den Fortschrittsbegriff der Sozialdemokraten
  • Das Ende der Aufklärung? Safranski gegen Greffrath


  • kluges und interessantes:
  • Dirk Schäfer über Edward L. Bernays, den Vater der Propaganda.
    via exportabel
  • Wenn “antiwestlich”, dann “totalitär” – wenn “prowestlich”, dann bloß “autoritär”
  • Wolfram Schütte über den Arbiter elegantiarum Karl Theodor zu Guttenberg
  • Die Fortsetzung: »Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.«
  • Hajo Steinert: Wie sich ein Verteidigungsminister verteidigt


  • Rober Misik über den Kommunsimus der Gesine Lötsch
  • Und eine Art Entgegnung von Frau Lötsch


  • Arabische Volksbewegungen & europäische »Volksdemokratien«. Von WOLFRAM SCHÜTTE
  • Filmregisseur Veiel über seinen Berlinale-Beitrag "Wer wenn nicht wir"


  • Neue Wörter:
  • Projektorauge


  • amüsantes:
  • Der traurigste Bär der Welt via Astrid Paprotta
  • Magali Heißler hat einen wunderschönen Verriss über Cora Stephan geschrieben


  • Sonstiges:
  • Falco - no time for Revolution
  • Der Witz der Vorstädte
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    Donnerstag, 24. Februar 2011
    Wundersame Maschinen VII
    Athanasius Kircher (1602–1680) war einer der letzten Universalgelehrten Europas, Kepler nannte ihn Doctor Centum Artium, den Doktor der hundert Wissenschaften.
    Er erfand eine Komponiermaschine, baute einen sprechenden Kopf und singende Vögel, eine Windharfe und versuchte sich am Perpetuum Mobile (Das kriegen sie ja alle nicht hin, diese Ingenieure. Elende Stümper!).
    Seine magnetische Uhr galt zwar als secrete de la nature, nur bedurfte das Wunder einer von einer Sonnenblume angetriebenen Uhr, die auch nachts die Zeit anzeigen konnte, umfangreicher Vorbereitungen so dass sich bei den Zuschauern nicht ganz das Gefühl des verblüfften Schauers einstellen wollte.



    Im Collegio Romano, dem Hauptquartier der Societas Jesu, ist ihm eine Ausstellung gewidmet.

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    Mittwoch, 23. Februar 2011
    Verstörend

    "1945-1998" by Isao Hashimoto (Japan, © 2003)

    via revierflaneur

    leider ist über den Künstler, Isao Hashimoto, im WWW wenig bis nicht zu finden. Weiß jemand mehr?

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    Dienstag, 22. Februar 2011
    Von Höckschen auf Stöckschen
    Eichendorff zum Gedenken
    Manchmal schießen mir Formulierungen durch den Kopf und dann grüble ich: von wem stammt das noch mal und wie war eigentlich der Zusammenhang?
    Nun ist es so, dass nicht jeder Schriftsteller die gleichen rudimentären Spuren in meinem Gedächtnis hinterlässt. Es ist eher selten.
    Viel häufiger erinnere ich mich relativ genau, von wem ein Satz, ein Ausdruck oder eine Schilderung stammt und meist kann ich auch noch an den Titel des Textes ungefähr erinnern.
    Eine andere Gruppe von Texten rauscht, ohne dass eine Erinnerung daran zurückbleibt, an mir vorbei. So ergeht es mir mit den gelben Heftchen von SuKultur, die es auf Berliner S-Bahnhöfen aus dem Automaten gibt. Die Idee, Lesestoff neben Süßigkeiten und Energydrinks für einen Euro zum Herauslassen anzubieten, finde ich ganz zauberhaft, zumal es mir gelegentlich passiert, dass ich nichts zum Lesen für die Fahrt dabei habe und sich auch kein Ausgleich durch zu belauschende Gespräche ergibt. (Überhaupt: Wenn ich nichts zu lesen habe ist es in der Bahn immer langweilig, wenn ich hingegen von einem Buch gefesselt bin, spricht um mich der nackte Wahnsinn.) Okay, wo waren wir? Richtig: Manche Texte rauschen vorbei.
    Die dritte und seltenste Gruppe sind Autoren, die ich eher so mittel finde, die aber hier und da ein oder einige Stücke oder Stückchen hinterlassen haben, die mir gefallen. Meist sind mir nur noch einzelne Sätze oder Satzfetzen im Gedächtnis, zu allem Übel häufig auch noch über die Jahre verändert. Das Gedächtnis ist ein seltsames Ding.

    Zu dieser Gruppe gehört der Freiherr Joseph von Eichendorff.
    Denkt man an Eichendorff, fällt einem ja sofort „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt der in die Wurstfabrik, ...“ ein (Haben eigentlich alle Schüler die gleichen Verballhornungen gemacht?). Na egal.

    Vor einiger Zeit nun schoss mir „Lug und Trug ist aller Männer Treu“ durch den Kopf, eine Sentenz, die man ja durchaus in einer Debatte über Männer und Frauen, die Liebe und das Leben, einstreuen kann, ohne des Chauvinismus verdächtigt zu werden und ohne gleich fürchterlich dem zustimmen zu müssen, was einem da als Erkenntnis zugemutet wird.
    Eichendorff dachte ich sogleich, das stammt von Eichendorff. Der hat doch so Zeug geschrieben, wohlklingend und für alle Zeiten und viele Gelegenheiten passend, vor allem, wenn man sich nicht auf eine Diskussion einlassen will. Eichendorff, klar, aber wo und in welchem Zusammenhang?
    Also flugs eine Suchmaschine angeworfen, denn händisch in der Bibliothek zu wühlen ...
    Hm, nicht wirklich befriedigend. Doch nicht Eichendorff? Hm, aber es wurde ja auch sonst nix gefunden. Also anders. Okay, dass es eine Blume namens Männertreu gibt, nun ja, nun ja. Und dass man dann bei, etwas weiter unten müssen Sie gucken, bei Hans Talhoffer landet ist nicht uninteressant, schließlich macht einen die Berufsbezeichnung Lohnkämpfer doch neugierig (Warum lese ich ein ums andere Mal ‚Feuchthandschriften’ statt ‚Fechthandschriften’?). In seinem Kampfbuch heißt es:
    „Junger Mann, nun lerne Gott zu lieben und die Frauen zu ehren. Sprich gut von den Frauen und sei tapfer, wie ein Mann es sein soll, und hüte dich vor Lug und Trug. Trachte nach Redlichkeit und befleißige dich in der Ritterschaft. Mit Freuden sollst du üben: Steinwerfen und Stangen drücken, Tanzen und Springen, Fechten und Ringen, Lanzenstechen und Turnierkampf, und dazu schönen Frauen zu hofieren. Sei aufgelegt zu Lust und Scherz: Fechten verlangt Herz.“
    Dass man die Frauen ehren und sich vor Lug und Trug hüten soll ist ja völlig richtig, nur mit meiner Sentenz „Lug und Trug ist aller Männer Treu“ hat das nicht zu tun. Also weiter. Am Besten direkt bei Eichendorff und die Suchbegriffe weiter öffnen:
    Nix, also auf anderem Wege.

    Hach, die Kunst der Hochstapelei ist etwas Wunderbares. Der Hochstapler lässt die Grenzen zwischen den Individuen verschwinden und darüber sollte man auch mal etwas schreiben. Dabei fällt mir ein: Es gibt doch diese afrikanische Geschichte von dem Mann, der sich neben seinem Esel zum Schlafen nieder legt und in der Nacht kommt jemand vorbei, der ihm die Decke wegnimmt, seinen Lendenschurz anlegt, den er zum Schlafen abgelegt hatte und sich dann neben den Esel legt. Am Morgen steht der Mann auf, sieht den Fremden mit seinem Lendenschurz auf seiner Decke neben seinem Esel liegen und ruft: „Wehe, dieser dort trägt meinen Lendenschurz und liegt auf meiner Decke neben meinem Esel. Das ist also Soundso (der Name ist mir entfallen). Wer bin dann aber ich?“
    Nach dieser afrikanischen Geschichte muss ich auch mal suchen und einen Blogeintrag über Identität schreiben. Sie wäre ein schöner Anlass.

    Aber zurück zu Eichendorff und zu Lug und Trug. Tja, wo könnte man denn noch suchen? Immer wenn man das Internet mal braucht, dann funktioniert es nicht. Also doch zu Fuß suchen!

    Im Taugenichts wird die Stelle wohl nicht zu finden sein, schließlich geht es darin eher um das Gegenteil, nämlich dass der treue Taugenichts von der schönsten aller Frauen zumindest zunächst ignoriert wird.

    Schuhmann hat doch eine Reihe von Liedern Eichendorffs vertont, vielleicht findet sich da etwas?
    „I. In der Fremde

    Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
    da kommen die Wolken her,
    aber Vater und Mutter sind lange tot,
    es kennt mich dort keiner mehr.

    Wie bald, ach wie bald kommt die stille Zeit,
    da ruhe ich auch, und über mir
    rauschet die schöne Waldeinsamkeit.
    und keiner kennt mich mehr hier. „
    Waldeinsamkeit, das war doch Tieck? Ja:
    "Waldeinsamkeit,
    die mich erfreut,
    So morgen wie heut
    In ewger Zeit,
    O wie mich freut
    Waldeinsamkeit"
    (Ludwig Tieck: Der blonde Eckbert)
    Wenn man diese Zeilen liest, hat man unwillkürlich das Gefühl, dass Ludwig Tieck das ironisch meint: „O wie mich freut Waldeinsamkeit". Bei Gelegenheit muss ich mal den Eckbert lesen. Bei Eichendorff scheint die Waldeinsamkeit völlig ungebrochen. Nun ja, wie dem auch sei, zum Problem des ‚Lug und Trug‘ trägt das nun nicht so sehr viel bei, also weiter suchen.

    Ha, aber hier:
    III. Waldesgespräch

    Es ist schon spät, es ist schon kalt,
    was reit'st du einsam durch den Wald?
    der Wald ist lang, du bist allein,
    du schöne Braut! Ich führ' dich heim!

    „Gross ist der Männer Trug und List,
    vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
    wohl irrt das Waldhorn her und hin,
    o flieh'! du weisst nicht, wer ich bin.“

    So reich geschmückt ist Ross und Weib,
    so wunderschön der junge Leib,
    jetzt kenn' ich dich, Gott steh mir bei!
    Du bist die Hexe Loreley!

    „Du kennst mich wohl, vom hohen Stein
    schaut still mein Schloss tief in den Rhein.
    es ist schon spät, es ist schon kalt,
    kommst nimmermehr aus diesem Wald!“
    War es das?
    „Gross ist der Männer Trug und List,
    vor Schmerz mein Herz gebrochen ist, …“
    Vielleicht, aber sehen zunächst wir weiter, ob nicht noch etwas passenderes zu finden ist.

    Das folgende Gedicht von Eichendorff hat natürlich überhaupt nichts mit Lug und Trug zu tun, ich bin nur beim Stöbern zufällig darauf gestoßen:
    „Schläft ein Lied in allen Dingen,
    Die da träumen fort und fort,
    Und die Welt hebt an zu singen,
    Triffst du nur das Zauberwort.“
    Na ja, vielleicht, doch, nur eben nichts mit der Treue der Männer.

    „Lug und Trug“: mal nachdenken. Lug und Trug hat ja mit dem Leben und so zu tun, vielleicht hat Eichendorff ein Memento Mori geschrieben?

    Hat er:
    „Memento mori
    Schnapp Austern, Dukaten,
    Mußt dennoch sterben!
    Dann tafeln die Maden
    Und lachen die Erben.“
    Gar nicht übel, nur leider nichts zum Thema. Die Richtung könnte aber stimmen, eine Klage über die Welt, die von Lug und Trug regiert wird.

    Da gab es doch, wie ging das noch mal, „üb’ immer Treu und Redlichkeit“, aber das war nicht von Eichendorff, oder?
    Ludwig Heinrich Christoph Hölty
    Der alte Landmann

    Üb' immer Treu und Redlichkeit
    Bis an dein kühles Grab,
    Und weiche keinen Finge breit
    Von Gottes Wegen ab!

    Dann wirst du wie auf grünen Au'n
    Durch's Pilgerleben gehn,
    Dann kannst du ohne Furcht und Grau'n
    Dem Tod in's Antlitz sehn.

    Dann wird die Sichel und der Pflug
    In deiner Hand so leicht;
    Dann singest du bei'm Wasserkrug,
    Als wär' dir Wein gereicht.

    Dem Bösewicht wird alles schwer,
    Er tue, was er tu';
    Das Laster treibt ihn hin und her
    Und lässt ihm keine Ruh',

    Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
    Ihm lacht kein Ehrenfeld;
    Er ist auf Lug und Trug erpicht
    Und wünscht sich nichts als Geld.

    Der Wind im Hain, das Laub im Baum
    Saust ihm Entsetzen zu;
    Er findet nach des Lebens Raum
    Im Grabe keine Ruh'. -

    Sohn, übe Treu' und Redlichkeit
    Bis an dein kühles Grab,
    Und weiche keinen Finger breit
    Von Gottes Wegen ab!

    Dann suchen Enkel deine Gruft
    Und weinen Tränen drauf,
    Und Sonnenblumen, voll von Duft,
    Blühn aus den Tränen auf.
    „Au'n“ und „Grau'n“. So etwas hätte Eichendorff dann doch nicht geschrieben.
    Man stößt auf Allerlei, wenn man Gedichtsammlungen nach dem Leben, der Liebe usw. durchstöbert:
    Novalis
    Was passt, das muss sich ründen

    Was passt, das muss sich ründen,
    Was sich versteht, sich finden,
    Was gut ist, sich verbinden,
    Was liebt, zusammen sein.
    Was hindert, muss entweichen,
    Was krumm ist, muss sich gleichen,
    Was fern ist, sich erreichen,
    Was keimt, das muss gedeihn.

    Gib treulich mir die Hände,
    Sei Bruder mir und wende
    Den Blick vor deinem Ende
    Nicht wieder weg von mir.
    Ein Tempel, wo wir knieen,
    Ein Ort, wohin wir ziehen,
    Ein Glück, für das wir glühen,
    Ein Himmel mir und dir!
    Oder vielleicht ganz allgemein nach Männer und Frauen schauen?
    „Der verliebte Reisende

    1

    Da fahr ich still im Wagen,
    Du bist so weit von mir,
    Wohin er mich mag tragen,
    Ich bleibe doch bei dir.

    Da fliegen Wälder, Klüfte
    Und schöne Täler tief,
    Und Lerchen hoch in Lüften,
    Als ob dein' Stimme rief.

    Die Sonne lustig scheinet
    Weit über das Revier,
    Ich bin so froh verweinet
    Und singe still in mir.

    Vom Berge geht's hinunter,
    Das Posthorn schallt im Grund,
    Mein' Seel wird mir so munter,
    Grüß dich aus Herzensgrund.

    2

    Ich geh durch die dunklen Gassen
    Und wandre von Haus zu Haus,
    Ich kann mich noch immer nicht fassen,
    Sieht alles so trübe aus.

    Da gehen viel Männer und Frauen,
    Die alle so lustig sehn,
    Die fahren und lachen und bauen,
    Daß mir die Sinne vergehn.

    Oft wenn ich bläuliche Streifen
    Seh über die Dächer fliehn,
    Sonnenschein draußen schweifen,
    Wolken am Himmel ziehn:

    Da treten mitten im Scherze
    Die Tränen ins Auge mir,
    Denn die mich lieben von Herzen
    Sind alle so weit von hier.

    3

    Lied, mit Tränen halb geschrieben,
    Dorthin über Berg und Kluft,
    Wo die Liebste mein geblieben,
    Schwing dich durch die blaue Luft!

    Ist sie rot und lustig, sage:
    Ich sei krank von Herzensgrund;
    Weint sie nachts, sinnt still bei Tage,
    Ja, dann sag: ich sei gesund!

    Ist vorbei ihr treues Lieben,
    Nun, so end auch Lust und Not,
    Und zu allen, die mich lieben,
    Flieg und sage: ich sei tot!

    4

    Ach Liebchen, dich ließ ich zurücke,
    Mein liebes, herziges Kind,
    Da lauern viel Menschen voll Tücke,
    Die sind dir so feindlich gesinnt.

    Die möchten so gerne zerstören
    Auf Erden das schone Fest
    Ach, könnte das Lieben aufhören,
    So mögen sie nehmen den Rest.

    Und alle die grünen Orte,
    Wo wir gegangen im Wald,
    Die sind nun wohl anders geworden,
    Da ist's nun so still und kalt.

    Da sind nun am kalten Himmel
    Viel tausend Sterne gestellt,
    Es scheint ihr goldnes Gewimmel
    Weit übers beschneite Feld.

    Mein' Seele ist so beklommen,
    Die Gassen sind leer und tot,
    Da hab ich die Laute genommen
    Und singe in meiner Not.

    Ach, wär ich im stillen Hafen!
    Kalte Winde am Fenster gehn,
    Schlaf ruhig, mein Liebchen, schlafe,
    Treu' Liebe wird ewig bestehn!

    5

    Grün war die Weide,
    Der Himmel blau,
    Wir saßen beide
    Auf glänzender Au.

    Sind's Nachtigallen
    Wieder, was ruft,
    Lerchen, die schallen
    Aus warmer Luft?

    Ich hör die Lieder,
    Fern, ohne dich,
    Lenz ist's wohl wieder,
    Doch nicht für mich.

    6

    Wolken, wälderwärts gegangen,
    Wolken, fliegend übers Haus,
    Könnt ich an euch fest mich hangen,
    Mit euch fliegen weit hinaus!

    Tag'lang durch die Wälder schweif ich,
    Voll Gedanken sitz ich still,
    In die Saiten flüchtig greif ich,
    Wieder dann auf einmal still.

    Schöne, rührende Geschichten
    Fallen ein mir, wo ich steh,
    Lustig muß ich schreiben, dichten,
    Ist mir selber gleich so weh.

    Manches Lied, das ich geschrieben
    Wohl vor manchem langen Jahr,
    Da die Welt vom treuen Lieben
    Schön mir überglänzet war;

    Find ich's wieder jetzt voll Bangen:
    Werd ich wunderbar gerührt,
    Denn so lang ist das vergangen,
    Was mich zu dem Lied verführt.

    Diese Wolken ziehen weiter,
    Alle Vögel sind erweckt,
    Und die Gegend glänzet heiter,
    Weit und fröhlich aufgedeckt.

    Regen flüchtig abwärts gehen,
    Scheint die Sonne zwischendrein,
    Und dein Haus, dein Garten stehen
    Überm Wald im stillen Schein.

    Doch du harrst nicht mehr mit Schmerzen,
    Wo so lang dein Liebster sei -
    Und mich tötet noch im Herzen
    Dieser Schmerzen Zauberei.“
    (Eichendorff)
    Der hat schon Sachen gemacht, der Eichendorff, immer anders und immer wieder gleich. Mit „Lug und Trug ist aller Männer treu“ bin ich leider kein Stück weitere gekommen. Kann mir jemand helfen?

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    Montag, 21. Februar 2011
    Vielleicht
    wird der Baron KT zu G ja noch berühmter als Herostratos.
    Er ist auf gutem Wege.

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    Freitag, 18. Februar 2011
    „Vieles, was ausgesprochen wird, trifft nicht zu."
    Wer würde diesem berühmten Seufzer des weltbekannten Psychologen Ernst August Dölle widersprechen wollen oder können?

    Aber lassen wir Ernst August Dölle zunächst im Dunkel der Geschichte und wenden wir uns Friedrich Gottlob Nagelmann zu, geboren zu Insterburg, Ostpreußen, Sohn des Forstrates Wenzel Wilhelm Nagelmann und seiner Gattin Sophie Charlotte, geb. Kleinschmidt. Sein weiterer Lebensweg ist eher unerfreulich und Ausdruck chauvinistischer Geschichtsklitterung.

    Für Edmund Friedemann Dräcker , Ministerialrat im Außenministerium von 1910 bis zu seiner Pensionierung 1953, spricht lediglich seine Geburt als Flucht vor ausufernden Sitzungen. Seine Biografie, insbesondere das Hissen der bundesdeutschen Flagge auf einer Eisscholle in der Antarktis 1982, verrät mehr über die Denkweise im Auswärtigen Amt, als es den Erfindern lieb sein kann.

    Charmanter stellt sich dagegen das Wirken des Regisseurs Alan Smithee dar.

    Gegen Jakob Maria Mierscheid, Abgeordneter des Deutschen Bundestages seit 1979, lässt sich nichts sagen. Insbesondere seine Theorie (Mierscheid-Gesetz) über den Zusammenhang von Wahlergebnissen der SPD und der Rohstahlproduktion in der Bundesrepublik wurde Grundlage fast sämtlicher liberaler Wirtschaftstheorien und dient in Grundlagenkursen zur Statistik nach wie vor als Anschauungsmaterial zur statistischen Korrelation.

    Ernst August Dölle war leider kein vergleichbarer Ruhm beschieden, trotz seiner bahnbrechenden Erkenntnisse und Ausführungen zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen der Psychologie, denn, getreu seinem Lebensmotto "plausibel im Inhalt und dunkel in der Aussageweise":
    Psychologie
    "ist (zweifellos einf. g.) methodal die reflexive Intentionalität der Seele in ihrem lauschend-vernehmenden Modus und materialiter das Insgesamt der Noemata der reflexiven Intentionalität als lauschend Vernommenes."
    Nur der hartgesottenste Ketzer könnte da widersprechen, aber lassen wir zum Abschluss noch einmal Professor Dölle selbst zu Wort kommen:
    "Vieles, was man sagen könnte. wird nicht ausgesprochen."

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    Donnerstag, 17. Februar 2011
    Naslöcher X
    „hysterische Damen, in ihren Naslöchern schlummert das Grauen“
    (Kurt Tucholsky: Die Weltbühne, 21. Juli 1925, Nr. 29, S. 97.)

    Ich hatte eine Tante, deren Naslöcher mich, als ich ein Kind war, ob ihrer schieren Größe etwas ängstigten, das Grauen schlummerte allerdings nicht in ihnen. Sie, also die Tante, war sehr nett und keineswegs hysterisch. Sie hat mich mit pasta asciutta bekannt gemacht, solche Tanten sind zweifelsohne liebenswert

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    Mittwoch, 16. Februar 2011
    Wundersame Maschinen VI
    Im Salzburger Land hat sich der Fürsterzbischof Markus Sittikus von Hohenems 1613 im Garten seines Schlosses Hellbrunn eine Gartenanlage bauen lassen, die zum skurrilsten gehört, was die Renaissance hervorgebracht hat. Die Anlage wurde von Santino Solari, statuarius idem et architectus, erbaut.

    Ein vielfältiges „Teatro delle acque“ nach italienischem Vorbild, Markus Sittikus galt als Halbitaliener, das „Germaul“, eine aus Kupfer getriebene Figur mit riesigen Ohren, die die Augen verdreht und die Zunge heraus streckt, Griechische Götter, Hirschmenschen und Forstteufel und ein weitläufiger Schlosspark sind zu bestaunen.
    Am Fürstentisch nahmen die Besucher des Markus Sittikus Platz und wurden sogleich mit Wasser bespritzt.

    Im Schloss selbst, befindet sich die Vogelsanggrotte, in der Vogelstimmen über hydraulische Künste erzeugt werden. Schade ist, dass der Drache, der einst die Grotte beherrschte nicht mehr zu sehen ist.

    Einhundert Jahre später wurde der Anlage noch das mechanische Theater hinzugefügt. Auf einer halbrunden Bühne wird das Leben in einer Kleinstadt dargestellt. Vor den Häusern wird musiziert, Schausteller tanzen mit Bären, über 100 Figuren hämmern und sägen und auch ein Trupp Soldaten marschiert durch die Stadt. Untermalt wird die Szenerie durch eine wasserbetriebene Orgel.

    Das mechanische Theater
    (Wikipedia)

    Einen Eindruck der Hellbrunner Wasserspiele und des mechanischen Theaters vermittelt ein etwas dämliches Touristenfilmchen.

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