Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 30. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 86
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
„Indem wir über die Landspitze weg und längs dem jenseitigen Ufer fortgehen wollten, stellten sich mit einmal funfzehen bis zwanzig Indianer in den Weg und baten uns, sehr ernstlich, umzukehren. Als sie sahen, daß wir nicht die geringste Lust dazu bezeigten, so wiederholten sie ihre Bitte, und gaben endlich durch allerhand Gebehrden zu verstehen, daß ihre Landsleute uns ohnfehlbar todtschlagen und fressen würden, wenn wir noch weiter vordringen wollten. Es befremdete uns, daß diese Insulaner, die wir nimmermehr für Menschenfresser gehalten hätten, sich auf solche Art selbst dafür ausgaben. Zwar hatten sie sich schon bey andern Gelegenheiten etwas ähnliches merken lassen; da es aber lieblos gewesen wäre sie auf eine bloße Vermuthung einer solchen Barbarey zu beschuldigen, so stellten wir uns, als hätten wir ihre Zeichen dahin verstanden, daß sie uns etwas zu essen anböten, giengen also immer weiter fort und winkten ihnen zu, daß wir’s uns recht gut würden schmecken lassen. Nun gaben sie sich alle Mühe uns aus dem Irrthum zu reißen, und deuteten uns durch Zeichen sehr verständlich an, daß sie einen Menschen zuerst todtschlügen, hierauf die Glieder einzeln ablösten, und dann das Fleisch von den Knochen schabten. Endlich setzten sie die Zähne an den Arm, damit uns gar kein Zweifel übrig bleiben sollte, daß sie würklich Menschenfleisch äßen. Auf diese Warnung kehrten wir von der Landspitze zurück, und giengen nach einer Wohnhütte hin, die, ohngefähr funfzig Schritt davon, auf einer Anhöhe lag. Sobald uns die Bewohner derselben herauf kommen sahen, liefen sie hinein und holten sich Waffen heraus, vermuthlich um uns zurück zu treiben, weil sie glauben mochten, daß wir, als Feinde, ihnen das ihrige rauben wollten. Zu Steuerung dieses Argwohns, mußten wir einer Wißbegierde Schranken setzen, die uns sonst gewiß nachtheilig geworden seyn würde. Gleichwohl lief sie keineswegs auf eine Kleinigkeit heraus: Es pflegten nehmlich die Indianer auf dieser Landspitze an jedem Morgen, bey Tages Anbruch, einen langsamen feyerlichen Gesang anzustimmen, der gemeiniglich über eine Viertelstunde dauerte, und wie ein Todtenlied klang. Dies dünkte uns eine religiöse Ceremonie zu seyn, und ließ vermuthen, daß dort irgendwo ein geheiligter Ort verborgen seyn müsse, zumahl da die Einwohner uns auch immer so geflissentlich von dieser Gegend abzuleiten suchten.“
(Forster S. 759/60)
Vermeintliche oder tatsächliche Menschfresserei

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Montag, 29. März 2010
Rauf, runter, rauf, Rucksack drauf!
Das erste Jahr der Grundschule verbrachte ich in der Schule für Knaben im Stadtzentrum. Mit dem Roller (Ich hatte den tollsten Roller der Klasse, mit richtigen Speichenrädern und Schlauchreifen anstatt der damals üblichen Holzräder mit Stahlreifen. Ha!) die Straße runter, dreimal abbiegen, durch den Friedhof und die mittelalterlichen Gassen und schon stand man auf dem Schulhof.

Im zweiten Jahr wurde unsere Klasse samt Lehrer in eine neu gebaute Grundschule am Stadtrand verlegt. Im Gegensatz zur Knabenschule, einem riesigen Kasten aus dem 19. Jahrhundert, bestand die neue Schule aus futuristischen Pavillons. Der Schulweg verkürzte sich für mich auf die Hälfte, allerdings konnte man nicht mehr mit dem Roller anreisen.

Ich musste vielmehr mit meinem Ranzen zuerst einen Hügel mit Streuobstwiesen, die der Stadt gehörten und deren Obst man zum abernten kaufen konnte, (Kirschen! Zwetschgen! Mirabellen! Äpfel!) hinauf, dann durch einen Hohlweg im Wald (Haselnüsse! Walnüsse! Bucheckern!) eine kleines Stück wieder hinunter und dann über einen Berg mit der schönsten Unternehmervilla, die ich je gesehen habe, hinunter durch die Kleingärten (Johannisbeeren!) und zu einem Neubaugebiet, in dem auch die Schule lag.

Im dritten Schuljahr bekamen wir ein zusätzliches Fach. Der Lehrer dieses Faches war ein betagter Schulmeister mit weißem, langen Kittel, der uns die Sütterlinsche Kurrentschrift lehrte (Ob es sinnvoll ist, Drittklässler, die gerade mal mit dem lateinischen Schreiben und Lesen so eben sattelfest sind, mit der Kurrentschrift zu quälen, sei mal dahingestellt).
Begründet wurde dies mit dem Argument, dann könnten wir auch die Briefe der Oma lesen. Nun ja, meine Oma schrieb ihre Briefe in Kurrentschrift, allerdings habe ich von ihr nie einen Brief erhalten.
Da er ein Schulmeister von altem Schrot und Korn war, begleitete er seinen Unterricht stets mit allerlei pädagogischen Sinnsprüchen, die ich alle vergessen habe.
Nur einer seiner Lehrsprüche ist mir seltsamerweise im Gedächtnis geblieben:

Rauf, runter, rauf, Rucksack drauf!
Also / , dann \ und wieder / und völlig klar: 3.
Ergibt was?
Das K in Kurrentschrift k_suetterlin. Eigentlich ganz einfach:

K_gross_suetterlinu_suetterlins_suetterlins_suetterlinw_suetterlini_suetterlinn_suetterlink_suetterline_suetterlinl_suetterlin

Wenn Sie sich einen Zeichensatz herunterladen oder das kleine Übersetzungsprogramm auf der oben angegebenen Seite benutzen, sieht es natürlich sehr viel eleganter aus.
Wenn wir nicht Kurrentschrift übten, wurde mit Hilfe der Briefe von Jürnjakob Swehn Fraktur lesen geübt. Auch wenn das damals eine Quälerei war, heute bin ich dankbar, dass ich es kann.

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Freitag, 26. März 2010
vom Zauber des seitlich dran vorbeigehens ...
Ostern

Der Titel ist natürlich von Max Goldt.

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Donnerstag, 25. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 85
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Den National-Character der Mallicolleser muß man mit Rücksicht auf den Grad ihrer Cultur beurtheilen. Sie wohnen, in viele kleine Stämme und einzelne Familien getheilt, zerstreuet auf der Insel umher, und mögen daher wohl oft Streit mit einander haben; es ist also kein Wunder, wenn sie bey allen Gelegenheiten vorsichtig, ja selbst mißtrauisch zu Werke giengen. Doch sind sie darum keineswegs zu Zank und losen Händeln aufgelegt, sondern bewiesen vielmehr durch ihr Betragen gegen uns, daß sie gerne allen Streit vermeiden wollten; thaten auch sehr ungehalten, wenn einer oder der andere von ihren Landsleuten etwas vornahm, wodurch das gegenseitige gute Vernehmen allenfalls gestört werden konnte. Oft reichten sie uns grüne Zweige zu, die überall für Freundschafts-Zeichen angesehen werden. Die Ceremonie, Wasser auf den Kopf zu gießen, hat allem Ansehn nach eine ähnliche Bedeutung; zugleich bestätigt sie unsre Vermuthung, daß diese Nation mit der auf NEU-GUINEA wohnenden Ähnlichkeit haben müsse. (…) Im Umgang zeigten sie viel Gelehrigkeit. Sie sind scharfsinnig, und haben sowohl Neigung als Fähigkeit ihren Verstand auszubilden. Sie scheinen große Liebhaber vom Tanz, mithin lustigen und aufgeräumten Temperaments zu seyn. Es würde nicht schwer halten, sie ungleich civilisirter zu machen; ein ehrgeiziger Mann aus ihrer eigenen Mitte, könnte es, meines Erachtens, bald dahin bringen.“
(Forster S. 706)
(zu Zank und losen Händeln aufgelegt, sie haben sowohl Neigung als Fähigkeit ihren Verstand auszubilden, lustiges und aufgeräumtes Temperament)

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Mittwoch, 24. März 2010
Sprachspiele 15

krawehl, krawehl!
taubtrueber gint am musenhain
truebtauber hain am musenginst
krawehl, krawehl!
(loriot)

Ein Großteil der Einträge zu den Sprachspielen basiert auf

Franz Fühmann
Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel
Ein Sprachspielbuch

Hinstorff Verlag Rostock 2005

Es ist als Kinderbuch konzipiert, wenn sie also auf der Suche nach einem Geschenk für Töchter, Söhne, Enkel, ... sind?

An dieser Stelle möchte ich ihnen auch noch

Das Wasserzeichen der Poesie
oder
Die Kunst und das Vergnügen, Gedichte zu lesen.
In hundertvierundsechzig Spielarten
vorgestellt von Andreas Thalmayr


ans Herz legen. Es ist eines der Bücher, die mir außerordentliches Vergnügen bereitet haben, erschienen bei Greno, Die andere Bibliothek, Nördlingen 1985, und dem ich die Idee entnommen habe.

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Dienstag, 23. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 84
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Die Geschlechtstheile sind das einzige, was sie bedecken, und zwar meines Erachtens blos aus Vorsorge, um diese empfindlichen Theile des Körpers, in ihren Wäldern voll Dornen und Gesträuch, vor Verletzung sicher zu stellen. Daß dies die vornehmste Absicht jener Hülle sey, läßt sich schon aus ihrer aufwärts gekehrten Form errathen. Schamhaftigkeit scheint wenigstens nicht Antheil daran zu haben, denn diese sowohl als die Keuschheit, sind bloße Folgen unserer Erziehung, nicht aber angebohrne Begriffe, wofür wir sie mit eben so wenig Recht zu halten pflegen als wir manches andre moralische Gefühl für natürliche Instincte auslegen. Bey allen rohen ungebildeten Völkern findet man augenscheinliche Beweise, daß Schaam und Keuschheit, im Stande der Natur, ganz unbekannte Tugenden sind. Daher kommt es auch, daß sie, als bloße Conventionens-Tugenden, nach Maasgabe des Unterschiedes in der Sittenverfeinerung, überall verschiedentlich modificirt sind. Nach UNSERN Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit können die Männer zu MALLICOLLO bey Erfindung der angeführten Tracht und Hülle ohnmöglich die Absicht gehabt haben, unzüchtigen Gedanken vorzubeugen; indem sie durch die Form jener Bekleidung mehr befördert als verhindert werden. Eben also käme es auch bey den Weibern noch auf die Frage ab, ob sie den elenden Strohwisch, der ihnen statt Schürze dient, nicht vielmehr aus Begierde zu gefallen, als aus Gefühl von Schaamhaftigkeit tragen?“
(Forster S. 701/2)

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Montag, 22. März 2010
Über die Naschsucht
Berlin war einmal eine der ersten Adressen für feine Schokolade und Confiseriewaren. Das ist leider lange her und so ist es inzwischen schwer, die Zuckerbäcker und Chocolatiers zu finden, die man zur Befriedigung der Naschsucht benötigt. Verstehen sie mich recht, es geht nicht darum, ihnen den Genuss preiswerterer Süßigkeiten madig zu machen, aber die Naschsucht stellt sich nun einmal erst bei den feinsten Schokoladen und Torten ein. Und manchmal, da werden sie mir sicher zustimmen, muss es einfach etwas Feines sein.

Erich Hamann wurde am 6. Januar 1880 in Memel/Ostpreußen geboren. Er lernte das Konditorhandwerk und machte sich 1912 in Berlin selbstständig. Sein erstes Geschäft lag in der Kurfürstenstraße, die damals eine gute Adresse war. Heute tummeln sich da eher die Bordsteinschwalben, aber in den 20er Jahren lagen eine ganze Reihe Schulen für die höheren Stände in der Nähe. Weitere Geschäfte in der Leipziger Straße und Unter den Linden folgten. 1928 wurde das heutige Stammhaus in der Brandenburgischen Straße (U-Konstanzer Straße) fertig gestellt. Der Bau und die Einrichtung des Verkaufsraumes wurden von Johannes Itten gestaltet.

Wenn man den Laden betritt, verlässt man die Welt der aufdringlichen Werbung, der billigen Schokoriegel und Süßigkeitenautomaten. Schlichte Regale und eine dunkle Holztäfelung im Bauhausstil bestimmen den Raum. Auf dem Verkaufstresen sind nur wenige Produkte aufgebaut: ein Korb mit schokoladenüberzogenen Walnüssen, einige Tafeln Edelbitter oder eine Schachtel mit verschiedenen Pralinen. Wenn einer der Chocolatiers durch die Tür tritt, um Nachschub zu bringen, kann man Conchiermaschinen sehen, die die Grundbestandteile guter Schokolade, Kakao, Zucker und Kakaobutter, Stunde um Stunde walzen.



Hatte ich schon erwähnt, dass man der Dame seines Herzens eine große Freude machen kann, wenn sie, sagen wir mal nach den Mühen des Tages, genervt und erschöpft nach Hause kommt und auf ihrem Platz liegt eine Schachtel der feinsten Schokoladentäfelchen, die bei der geringsten Berührung von Gaumen und Zunge dahin schmelzen?

Das Publikum ist gemischt, Wilmersdorfer Witwen, die ihre Einkaufstaschen mit Bergen von Pralinen füllen. Auch wenn es den Eindruck erweckt, es handelt sich keineswegs um den Jahresvorrat, der von den Damen aus dem Laden geschleppt wird. Senatsbedienstete, die ohne Leckereien ihre Senatoren nicht ertragen können, türkische Geschäftsleute, die wohl weniger ihre Integrationswilligkeit demonstrieren, als ihren Töchtern oder ihrer Frau eine Freude bereiten wollen und soignierte italienische Herren, die von mir dorthin verwiesen wurden.

Wenn man Glück hat, kommt die Seniorchefin dazu und unterstützt das Personal im Verkauf. Niemand bindet so liebevoll die obligatorische blaue Schleife um die Borkenschokolade.
Der Familienbetrieb stellt seine Produkte nach wie vor nach den Rezepturen von Erich Hamann her.
Die Berliner Abendschau sendete vor einigen Jahren einen schönen Bericht über die Erich Hamann KG.

Manche behaupten, dass Hamann die beste Schokolade in Berlin produziert.

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Freitag, 19. März 2010
Na Lilly,


interessierst du dich auch für Wieland?

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Donnerstag, 18. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 83
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Wir waren in voller Unterredung, und die guten Leute dem Ansehen nach äußerst vergnügt, als der erste Lieutenant in die Cajütte trat und dem Capitain berichtete, daß einer von den Indianern verlangt habe, ins Schiff gelassen zu werden; daß es ihm aber verweigert worden, weil es schon gedrängt voll gewesen. Der Indianer habe darauf seinen Pfeil gegen den Matrosen gerichtet, der, vom Boote aus, das Canot zurückgestoßen. Ob die anwesenden Insulaner aus des Lieutenants und aus unsern Mienen den Inhalt seines Anbringens errathen, oder, ob sie durch ein einzelnes Wort ihrer Kameraden außerhalb dem Schiff, gewarnt werden mochten? Will ich nicht entscheiden; Genug, der Lieutenant hatte noch nicht ausgeredet, als einer von den Indianern schon aus dem offenstehenden Cajütten-Fenster hinaussprang, und nach seinem aufgebrachten Landsmann hinschwamm, um ihn zu besänftigen. Der Capitain gieng unterdessen mit einer geladenen Flinte aufs Verdeck und schlug auf den Indianer an, der wider Willen seiner Landsleute immer noch fortfuhr nach dem Matrosen zu zielen. So bald der Kerl bemerkte, daß der Capitain ihm eines Beybringen wollte, richtete er seinen Pfeil auf diesen. Nun riefen die Indianer, die sich um das Schiff her befanden, denen in der Cajütte zu, und da diese von der Widersetzlichkeit ihres Landsmannes die schlimmsten Folgen besorgen mogten, so stürzten sie sich, einer nach dem andern, zum Cajüttenfenster hinaus, ohnerachtet wir alles anwandten, ihre Besorgnisse zu stillen. Mittlerweile hörten wir einen Flintenschuß losgehen und eilten deshalb aufs Verdeck. Der Capitain hatte auf den Kerl eine Ladung Hagel abgefeuert, und ihn mit etlichen Körnern getroffen. Dieser ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern legte seinen Pfeil, der nur eine hölzerne Spitze hatte, ganz bedächtlich auf die Seite, und suchte dagegen einen andern hervor, der vergiftet zu seyn schien. So bald er mit diesem von neuem zielen anfieng, schoß ihm der dritte Lieutenant das Gesicht voll Hagel, worauf er mit einmal alle Lust verlohr, weiter zu fechten, und hurtig ans Land zurück ruderte. An seiner statt schoß ein andrer Indianer, von jener Seite des Schiffes, einen Pfeil aufs Verdeck, der im Tauwerk des mittelsten Mastes stecken blieb. Auf diesen feuerte man eine Kugel ab, die jedoch zum Glück nicht traf. Nunmehro ruderten alle Canots nach und nach ans Land, und die Indianer die noch an Bord waren, stürzten sich in die See, um in der Flucht ihr Heil zu suchen. Einer besonders, der sich eben auf dem Mastkorb befand, und gewiß nichts weniger als einen solchen Lerm besorgte, kam beym Abfeuern der beyden Schüsse höchst erschrocken und mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit vom Mast herunter. Um ihr Schrecken zu vergrößern und von unserer Gewalt eine Probe zu geben, war eine Canonenkugel über sie weg und zwischen die Bäume nach dem Lande hin, gefeuert, welches ihre Flucht vollends beschleunigte. Die uns am nächsten waren, sprangen vor Angst aus den Canots in die See, und alle retteten sich in der größten Verwirrung nach dem Ufer. Kaum hatten sie dasselbe erreicht, so hörte man in unterschiednen Gegenden Lerm trommeln, und sahe die armen Schelme theils hin und her laufen, theils unter dem Buschwerk truppweise beysammen hucken, ohne Zweifel um Rath zu halten, was bey so critischen Zeitläuften zu thun sey? Wir unsers Theils setzten uns indessen gaz ruhig zum Frühstück nieder.“
(Forster S. 685/6)
(ganz bedächtlich, den Schrecken zu vergrößern und von der Gewalt eine Probe geben)

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Mittwoch, 17. März 2010
Sprachspiele 14
Als Gott einmal in Singen schlief, schuf er den Christoph Schlingensief.
(unbekannt)
es ist natürlich ein Schüttelreim.

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Dienstag, 16. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 82
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Die Sprache dieses Volkes war von allen uns bekannten Süd-See-Dialecten dermaaßen unterschieden, daß wir auch nicht ein einziges Wort davon verstehen konnten. Sie lautete ungleich härter, indem das R. S. Ch. und andere Consonanten sehr häufig darinn vorkamen. Auch der körperlichen Bildung nach, fanden wir diese Leute ganz eigenthümlich ausgezeichnet. Sie waren von außerordentlich schlankem Wuchs, nicht leicht über 5 Fuß 4 Zoll groß, und den Gliedmaaßen fehlte es an Ebenmaaß. Ärme und Beine waren gemeiniglich lang und sehr dünn, die Farbe der Haut schwarzbraun und die Haare ebenfalls schwarz und wollartig gekräuselt. Das allersonderbarste lag in der Gesichtsbildung. Sie hatten, gleich den Negers, flache, breite Nasen und hervorstehende Backenknochen; dabey eine kurze Stirn, die zuweilen seltsam gestaltet war und platter als bey andern wohlgebildeten Menschen zu seyn schien. Hiezu kam noch, daß sich manche das Gesicht und die Brust schwarz gefärbt hatten, welches sie denn um ein gutes Theil häßlicher machte. Einige wenige trugen kleine, aus Matten verfertigte Mützen auf dem Kopf; sonst aber giengen sie insgesammt gänzlich nackend. Ein Strick war das einzige, was sie um den Unterleib gebunden hatten, und zwar so fest, daß er einen tiefen Einschnitt machte. Fast alle andre Völker haben aus einem Gefühl von Schaamhaftigkeit, zur Bedeckung des Körpers, Kleidungen erfunden; hier aber waren die Geschlechtstheile der Männer blos mit Zeug umwickelt, und so, in ihrer natürlichen Form, aufwärts an den Strick oder Gürtel festgebunden, mithin nicht sowohl verhüllt, als vielmehr sichtbar gemacht, und zwar, nach unsern Begriffen, in einer höchst unanständigen Lage sichtbar gemacht.
Seit unserer Ankunft im Haven, hatten die Indianer das Schiff von allen Seiten umringt, und schwatzten so lebhaft und aufgeräumt untereinander, daß es eine Freude war. Kaum sahen wir einem ins Gesicht, so plauderte er uns ohne Ende und Aufhören etwas vor, fletschte auch wohl, aus Freundlichkeit, obgleich nicht viel besser als MILTONS Tod, die Zähne dazu. Dieser Umstand, nebst ihrer schlanken Gestalt, Häßlichkeit und schwarzen Farben, machte, daß sie uns beynahe als ein Affen-Geschlecht vorkamen. Doch sollte es mir herzlich leid thun, Herrn ROUSSEAU und den seichten Köpfen die ihm nachbeten, durch diesen Gedanken auch nur einen Schattengrund für sein Orang-Outang-System angegeben zu haben; ich halte vielmehr den Mann für beklagenswerth, der sich und seine Verstandes-Kräfte so sehr vergessen und sich selbst bis zu den Pavianen herabsetzen konnte.“
(Forster S. 681/2)
Forster ist kein Freund von Rousseau.

(ein Arm, zwei Ärme, jemandem etwas vorplaudern)

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Montag, 15. März 2010
Die Amöbenkompetenz der Berliner Polizei
Berlin ist gewässerreich, neben den fließenden Gewässern Spree und Havel und noch einigen weiteren, liegen auf dem Berliner Stadtgebiet auch stehende Gewässer in einer überreichen Anzahl, Größe und Beschaffenheit, als da sind: Der Dianasee im Grunewald, der Fennsee in Wilmersdorf, der Flughafensee in Tegel, die Glienicker Lake in Wannsee, der Griebnitzsee in Wannsee, der Grimnitzsee in Wilhelmstadt, der Groß Glienicker See in Kladow, der Grunewaldsee im Grunewald, der Halensee ebenfalls im Grunewald, der Heiligensee in Heiligensee (Kennen Sie ein Mädchen in Heiligensee?), der Herthasee schon wieder im Grunewald (es gibt viele Seen im Grunewald), der Hermsdorfer See in Tegel, der Hubertussee in Frohnau und einen zweiten Hubertussee, diesmal im Grunewald, der Hundekehlesee schon wieder im Grunewald, der Jungfernsee in Wannsee (die Jungfernheide hingegen ist am anderen Ende der Stadt), der Karpfenteich in Lichterfelde, der Königssee natürlich im Grunewald, die Krumme Lanke in Zehlendorf (früher auch Crammlankie genannt), der Laßzinssee in Hakenfelde, der Lietzensee in Charlottenburg (in der Nähe habe ich mal gewohnt), der Löwensee in Wannsee und der Neue See im Tiergarten, der Nikolassee in (Überraschung!) Nikolassee, der Nieder Neuendorfer See, der nicht nur in Nieder Neuendorf, sondern auch in Heiligensee liegt, der Parschenkessel in Wannsee und der Pichelsee in Wilhelmstadt, der Plötzensee im Wedding, der Pohlesee wiederum in Wannsee, der Schäfersee in Reinickendorf, die Scharfe Lanke in Wilhelmstadt (es existieren viele, nicht nur scharfe und krumme Lanken), der Schlachtensee in Zehlendorf, die Spektelake und der Große Spektesee in Spandau, der Stölpchensee im Ortsteil Wannsee, der Stößensee in Wilhelmstadt, der Tegeler See mit Großem Malchsee in Tegel (schon wieder: Überraschung!), der Teufelssee im Grunewald, der Waldsee in Hermsdorf (Halten Sie durch, wir sind schon beim ‚W’), der Große und der Kleine Wannsee in Wannsee und zu guter Letzt der Ziegeleisee in Lübars.

Da unsere Geschichte in der besonderen politischen Einheit Berlin Klammer West, wie es bei den Grenztruppen der DDR hieß, spielt, könne wir auf die Aufzählung der Seen und Tümpel in der Hauptstadt der DDR verzichten.

Bruno aus Reinickendorf war Zoologe, untersetzt, mit dem in dieser Stadt gängigen straßenköterblonden Haar geschmückt und ein freundlich-humorvoller Mensch. Er hatte eine prachtvoll kolorierte Freundin, die ein klein wenig zu laut und zu hell lachte, sich aber nichts desto trotz klug und einfühlsam unterhalten konnte.

Bruno nun kam mit seinem Professor überein, dass es interessant sein könnte mal zu untersuchen, wie und unter welchen Umständen bestimmte Einzeller, der Namen ich vergessen habe, miteinander paaren. Nun ist es so, dass Einzeller kein Geschlecht haben. Allerdings kann diese spezielle Sorte sich nicht nur teilen, sondern auch ihre DNS mit anderen ihrer Art austauschen und neu kombinieren. Dabei stülpt der eine Zeller einen Körperteil in den anderen hinein. Zumindest so ungefähr begibt sich diese „Paarung“. Der Stülper fungiert also als ‚Männchen’. Herauszufinden galt es nun, welche Umstände (Wassertemperatur, Tageszeit, Jahreszeit, Zusammensetzung des Wassers, etc.) den einen zum ‚Männchen’, den anderen zum ‚Weibchen’ machen. Biologen interessiert das.

Bruno sammelte also über ein Jahr, mit Marmeladengläsern wohl versorgt, viermal am Tag in verschiedenen Fliesen, Seen und Tümpeln Einzeller ein, maß die Wassertemperatur und noch so einiges andere und verschraubte und beschriftete die Gläser mit Datum, Uhrzeit, Sammelstelle, usw..

Da einige Uferabschnitte der Berliner Seen geschützt sind, darf nicht jedermann mit einer Anglerhose einfach das Röhricht zertrampeln. Wenn man im Uferschlick herumkrauchen will, benötigt man eine Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde, die bei wissenschaftlichen Untersuchungen vorher den Rat der oberen Naturschutzbehörde einholen muss. Die untere Naturschutzbehörde war bei den damals zwölf Bezirken angesiedelt und die obere Naturschutzbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der Professor schrieb also einen langen Brief, die obere Naturschutzbehörde fertigte eine Expertise und die zwölf unteren Naturschutzbehörden genehmigten je einmal. Bruno führte also jeden Tag einen kleinen Aktenordner mit dem ganzen Schriftwechsel, der sich um die Aktion rankte, mit.

Wenn Bruno nun, sagen wir im Sommer gegen 4:30 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang in Lübars im Uferschlamm werkelte, weckte der Anblick das Interesse einer auf der nahegelegen Straße vorbeifahrenden Polizeistreife. ‚Was macht der Kerl in Anglerhosen ohne Angel da im See?’ werden sie sich gefragt haben. Sie fahren zurück, stellen die Wanne ab, setzen amtsgewichtig die Mütze mit dem Berliner Bären aufs Haupt und treten ans Ufer. Bruno erzählte daraufhin die Geschichte mit den kopulierenden Einzellern und legte seinen Ordner mit Genehmigungen vor. Die Polizisten nicken, freuen sich, dass die Jugend nicht nur aus Westdeutschland nach Berlin kommt und Häuser besetzt, sondern auch fleißig früh morgens Marmeladengläser füllt.

Es gibt viele Seen und viele Polizeistreifen aus unterschiedlichen Polizeidirektionen.
Nach einem Jahr und viermal täglichem Einzellereinsatz und durchschnittlich zweimal täglicher Kontrolle und sich anschließender Erläuterung, hatte Bruno das Gefühl, er hätte die komplette Berliner Polizei in Sachen Einzeller auf den aktuellen Forschungsstand gebracht.
Bruno erzählte gerne von seinen Unterhaltungen.
„Weißt du, G., ich bin sicher, unter allen Polizeien aller Großstädten der Welt, weiß die Berliner Polizei zweifellos das Meiste über das Paarungsverhalten von Einzellern!“

Wenn Sie also mal nach Berlin kommen, fragen sie doch bei Gelegenheit einen Polizisten über 50 nach den Feinheiten des Geschlechtslebens der Einzeller.

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Freitag, 12. März 2010
Beim Marokkaner in der Gibsstraße
Eine arabisch(?) aussehende Gruppe von Männern kommt herein. Alle tragen einen Sticker vom Dermatologenkongress auf der Brust. Sie unterhalten sich.

Was heißt eigentlich "eitrige Nagelbettenzündung" auf Arabisch?

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Donnerstag, 11. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 81
(Zweeter Aufenthalt auf den Societäts-Inseln)
„Nachdem wir solchergestalt zween Jahre damit zugebracht hatten, lauter schon entdeckte Inseln aufzusuchen, die mancherley Fehler unsrer Vorgänger zu berichtigen und alte Irrthümer zu wiederlegen; so fiengen wir nun das dritte, mit Untersuchung eines Archipelagus von Inseln an, welche der französische Seefahrer, wegen unzulänglicher Ausrüstung seiner Schiffe und bey gänzlichem Mangel an Proviant, kaum flüchtig hatte ansehen können. Diesem letzten Jahr unsrer Reise war das Glück vorbehalten, an neuen Entdeckungen besonders fruchtbar zu seyn, und uns für die beyden ersteren Jahre zu entschädigen. Zwar durften wir uns, auch in Absicht dieser, nicht beschweren, denn bey den mehresten Ländern, die wir bisher besucht, hatten unsere Vorgänger uns noch allerhand neues zu sagen übrig gelassen, und an Menschen und Sitten, als worauf der vornehmste Endzweck eines jeden philosophischen Reisenden vorzüglich gerichtet seyn soll, noch immer manches übersehen. Da aber das Neue gemeiniglich am mehresten geschätzt zu werden pflegt; so dürfte denn auch die folgende Geschichte von dem letzteren Theil unsrer Reise, in diesem Betracht, die angenehmste und untherhaltendste für den Leser seyn.“
(Forster S. 674/5)

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