Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Samstag, 27. Dezember 2008
Nein, meine Herren,
um die Freiheit oder die Bevormundung durch den Staat geht es gerade nicht. Es geht um den Verlust ihrer Privilegien.



Der Senat von Berlin versucht, dem von ihm vermuteten Verfall allgemeiner gesellschaftlicher Werte durch ein Fach ‚Ethik’ Einhalt zu gebieten. Das passt der evangelischen und katholischen Kirche nicht, weil sie zu Recht vermuten, dass Eltern und Schüler in vielen Fällen, sei es dass sie Atheisten, sei es dass sie Religionsunterricht nicht eben in bester Erinnerung haben, einem Wahlfach Religion nicht sehr aufgeschlossen gegenüber stehen.
Vor diesem Hintergrund wirbt nun eine Interessengemeinschaft ‚Pro Reli’, die im Wesentlichen von den beiden großen christlichen Kirchen initiiert und getragen wird, für ein Wahlpflichtfach Religion. Die Schüler und das heißt bei Jüngeren natürlich die Eltern sollen an Stelle des Faches Ethik Religionsunterricht wählen können.

Nun mag man es bezweifeln, dass ein Unterrichtsfach das Verschwinden ethischer Maßstäbe behindern oder gar aufhalten kann, nur ist Religionsunterricht ein legitimer Ersatz? Zielen die beiden ‚Fächer’ überhaupt auf den gleichen Gegenstand? Hat Religion und seine Vermittlung in einem Unterrichtsfach denn im Kern etwas mit gesellschaftlichen Maßstäben, insbesondere solche, die als anerkennenswerte Regeln für eine Gesellschaft dienen können, zu tun?
Religionen sind zuvörderst ein irrationales Welterklärungsmuster, das eben aus diesem Grund bei vielen, inzwischen den meisten Menschen auf Desinteresse, bei denen, die darunter gelitten haben, auf vehemente Ablehnung stoßen. Erst in zweiter Linie, und aus diesem Deutungsmuster abgeleitet, werden Regeln für ein gedeihliches Zusammenleben von Menschen formuliert.
Als eingefleischter Atheist kann ich es gar nicht glauben, mit welcher Unverfrorenheit sich die beiden großen christlichen Kirchen als Sachwalter von Ethik und Moral gebären, ohne die erschreckende Flexibilität ethischer Maßstäbe, die erstaunliche Anpassungsbereitschaft an fast jegliche Herrschaftsform, sei es in der jüngeren, sei es in der ferneren Geschichte, der Kirchen auch nur zu erwähnen. Beide Großkirchen (die kleineren sind organisatorisch gar nicht in der Lage einen Religionsunterricht anzubieten bzw. haben kein Interesse), daran sei kurz erinnert, hatten nicht die geringsten Probleme sich der neoliberalen Propaganda anzupassen und etwa von der Verantwortung für künftige Generationen zu faseln, um so den Rückbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme zu legitimieren.

Es mag ja jeder seine Götter anbeten, Proselytenmacherei mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Staates, der Allgemeinheit, geht zu weit.

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