Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 4. Dezember 2008
Zum Geleit:
maledicta - Herabwürdigungen für jede Gelegenheit
In der Sprachwissenschaft gibt es einen wenig beackerten und wenig beachteten Zweig, der sich maledicta nennt und das ‚böse Sprechen‘ zum Gegenstand hat. Hierunter ist sowohl Beleidigen und Beschimpfen, als auch Verwünschen und Verfluchen zu verstehen, allgemein: der Kraftausdruck in all seiner Schönheit, Eleganz und Deftigkeit. Es bestehen Schnittmengen mit der Erotologie, die sich mit dem sexuell-erotischen Wortschatz und der Scatologie oder Koprolalie (von grch. "kopros" = Kot "lalein"=schwätzen) die sich mit (verbalen) Ausscheidungen befasst.
(Das Ganze gibt es auch noch als psychische Störungen. Was man alles kriegen kann: Pygmalionismus zum Beispiel).

Reinhold Aman ist ein herausragender Vertreter dieses Wissenschaftszweiges:
„Durch das Studium von Schimpfen und Fluchen kann man am besten sehen, was das Wertsystem einer Kultur ist -- ob nun im Berner Oberland oder im brasilianischen Dschungel. Man sieht genau, was in dieser Kultur als gut, als nobel, als ideal, als schön, als richtig gilt. Denn jeder, der von der Norm abweicht, wird beschimpft. Beim Fluchen wiederum verletzt man das größte Tabu seiner Kultur.“
Einem Experten mag und kann man auch in der Wertung nicht widersprechen:
„In gotteslästerlichen Flüchen sind die Katholiken, also die Bayern, Italiener, Spanier oder Portugiesen, Spitze. Wenn es um Obszönitäten und Skatologie -- also um Kot und Urin -- geht, dann sind die slawischen Völker wie die Russen, Ukrainer oder Serbokroaten am besten.“

Und wir, nur Mittelmaß? Carl Wilhelm Macke beklagt den Niedergang der Schimpfkultur:
„O, Götz von Berlichingen, erbarme dich unser...“

Allerliebst Mackes Beispiele, z.B. die italienische Variante des im Deutschen gemeingebräuchlichen „Arschloch“:
"Du bist auch nicht mehr wert als der Schaum zwischen den Hinterbacken der Rösser der berühmten Bestattungsfirma Bellomondo, während sie an einem heißen Augusttag nach der achten Beerdigung die steile Straße zum Capodimonte hinaufziehen."
Oder Rabelais:
"Du geiler Lumpenhund, edler Kacker, Bettnässer, Saufnickel, gichtfüßiger, hodenlahmer Sonntagsnarr, ihr verfluchtes Kuttenpack und aufgeblasenen kreischenden Frauenzimmer...dreimal verflucht, ihr gemeinen Wackelärsche".
Und besonders schön Shakespeare:
"Die Scheißerei sollt ihr kriegen, ihr hinterlistigen Sauhunde.“
Ob allerdings seine These von der Fluchverarmung und dem Niedergang der schönen Kunst der Beleidigung stimmt?
Das Bremer Sprachblog schreitet das Feld mit einer "Kleinen Anleitung zum geistreichen Fluchen" ab.

Werden heutzutage eigentlich noch Pasquillen geschrieben?

Damaris Nübling & Marianne Vogel haben dankenswerterweise in ihrer Studie:
Fluchen und Schimpfen kontrastiv
Zur sexuellen, krankheitsbasierten, skatologischen und religiösen Fluch- und Schimpfwortprototypik im Niederländischen, Deutschen und Schwedischen
Pionierarbeit geleistet und ein wenig Licht ins Dunkel der schönen Kunst des Beschimpfens und Beleidigens gebracht.
Es gibt eine Menge unerfreulicher Zeitgenossen, die eines feineren oder gröberen, eines offenen oder verdeckten Dämpfers bedürfen, manchmal ist ein Florett, zu anderer Gelegenheit ein Säbel nötig; im Übrigen: warum sachlich, wenn es auch persönlich geht.
Wohlan, lasst uns Macke widerlegen und Nübling/Vogel ergänzen:
„Sauseckel, versaichter! Dir soll d‘r Blitz die Hoden spalten!“

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