Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 19. Juli 2010
Von Gurkenhobeln und Zwiebelhackern
Mein Vater hatte eine tiefe, unergründliche Leidenschaft für Marktschreier, Hausierer und geistige Wegelagerer. Er war aber auch ein sehr praktischer und verantwortungsbewusster Mensch oder anders ausgedrückt: seine Bereitschaft etwas Zeit zu opfern war groß, nur zu viel kosten durften seine Eskapaden nicht. Und so füllte sich mein Elternhaus mit Gurkenhobeln und Apfelschälern, die von der ganzen Familie zunächst begutachtet und bewertet wurden, um anschließend im Schrank zu verschwinden. Meine Mutter schnitt und schälte alles mit ihren drei Küchenmessern. Eine elektrische Brotschneidemaschine, ein Eierkocher, ein elektrisches Fleischmesser und – in den 60ern musste das jeder haben – der Zick-Zack-Zylliss, ein Zwiebelhacker mit rotierenden Messern, dem nach gesagt wurde, die Hausfrau vor Tränen zu schützen. Beworben wurde der Zwiebelhacker von Guido dem Fuchs (und nicht Guido die Welle, obwohl es Leute gibt, die behaupten, dass das Elend der Welt im Wesentlichen aus dem Problem bestünde, dass die Menschen nicht an ihrem adäquaten Platz in der Gesellschaft ständen. Wenn also beide Guidos Zwiebelhacker bewürben, sähe es besser aus in diesem schönen Land. Das kann natürlich sein.) aus der berüchtigten Ratesendung ‚Was bin ich?‘

Natürlich landete der Zwiebelhacker genauso in der Schublade wie der andere Kram. In einer anderen Schublade landeten diverse Superkleber, Reinigungspasten und Eckenstreichschwämme. Werkzeuge und Materialien, die er tatsächlich verwenden wollte, wurden im Fachhandel besorgt.

Im Bücherregal wurden mehrbändige Weisheiten des Gurus Swami Durcheinander und allerlei Selbstgedichtetes ortsansässiger Lehrer archiviert.

Im Laufe der Jahrzehnte sammelte sich so eine vielgestaltige, üppige, aber nie ausufernde Sammlung von unpraktischen, nutzlosen oder sinnlosen Kleinigkeiten an, die dann nach dem Tode der Eltern entsorgt werden musste.

Auf die Frage meiner Mutter, warum er denn immer dieses Zeug anschleppe, antwortete er:
„Die geben sich immer so viel Mühe!“

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Dienstag, 13. Juli 2010
Mehr Kryptik wagen!

Apopudobalia samt Fähneriche jetze wieder vorbei.

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Freitag, 25. Juni 2010
Das Deutschlandkondom


Man könnte die Dinger auch ganz leicht abstreifen, aber so etwas tut man nicht, nein, nein:
Is’ er hier, is’ er weg?

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Mittwoch, 23. Juni 2010
Mömpelgard und Moabit
Als Eberhard der Milde am 13. November 1397 den Ehevertrag für seinen Sohn unterzeichnete, ahnte er wohl nicht, dass um das Jahr 1789, also nur wenige hundert Jahre später, die aufrührerischen mömpelgarder Studenten im Tübinger Stift seinem Nachfahren, dem dicken Friedrich das Leben schwer machen sollten. Sie brachten Ideen mit, die unter den Hegels und Hölderlins im Stift für Aufregung sorgten.

Je nun, in der Folge wurden die linksrheinischen Gebiete an Frankreich abgetreten und Württemberg hatte einen König, der aufgeklärt-absolutistisch herrschte.

Einer seiner Vorgänger, Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg hatte den aus dem Piemont stammenden, französisch sprechenden Waldensern Asyl gewährt. Seit dieser Zeit hat es der Schwabe präsant, wenn es eilt, er fragt nach dem Potschamberle, wenn eine Dame einen modischen Hut trägt, allerdings etwas schenant, denn solche Anzüglichkeiten darf man sich eigentlich auch nicht gegenüber Verwandten oder Freunden erlauben.

1717 siedelte Friedrich Wilhelm I., Markgraf von Brandenburg und König in Preußen nördlich der Spree Hugenotten an. Die in Frankreich verfolgten Hugenotten nannten die Gegend terre de Moab. Sie sollten Maulbeerbäume pflanzen und in Berlin die Seidenraupenzucht etablieren. Das hat dann nicht so gut geklappt, die Hugenotten wurden allerdings für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Berlins unverzichtbar. Neben einigen wenigen, weniger geschätzten Hinterlassenschaften (Lothar die Misere etwa) haben die Hugenotten auch sprachlich ihre Spuren hinterlassen.

So kam es, dass man in Stuttgart wie in Berlin auf dem Trottoir geht und in einer Souterrainwohnung logiert oder es sich auf seiner Schaiselong gemütlich macht.

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Montag, 21. Juni 2010
Hans Karl Filbingers Beitrag zur Demokratie
In Endingen glaube ich war es, aber das ist ja alles schon so lange her, und eigentlich ist es auch egal, auf jeden Fall in einer der Kleinstädte am Kaiserstuhl. In der Stadthalle war eine große Bürgerversammlung anberaumt worden, obwohl die Landesregierung von Baden-Württemberg das eigentlich für überflüssig hielt. Man war schließlich die Regierung und nur die Studenten wollten damals überall mitdiskutieren, aber wer nahm schon diese Protestler ernst?
Im Kaiserstuhl war man traditionell konservativ, man wählte CDU, mit den gottlosen Sozialdemokraten wollte man nichts zu tun haben. Der Landstrich lebte seit Jahrhunderten vom Weinanbau, blieb gerne für sich. Mit einem gewissen Misstrauen hatte man die Pläne zum Aufbau eines zweiten Ruhrgebietes in der Region zur Kenntnis genommen, aber solange es nicht direkt vor der eigenen Haustüre geschah, ließ man die in Stuttgart einfach machen.
In der Bürgerversammlung sollten die Bevölkerung über das neue Kernkraftwerk im nahen Örtchen Wyhl informiert werden. Da der Ministerpräsident Hans Karl Filbinger seinen Wahlkreis in der Nähe hatte, wollte er selber den Bürgern erklären, dass das Kernkraftwerk kein Problem sei und im Übrigen brauche man die Kernkraft, sonst würden in 20 Jahren die Lichter ausgehen und das wolle doch schließlich niemand. Damit die Protestler die Veranstaltung nicht stören, wurden mehrere Einsatzhundertschaften der Polizei, darunter die kampferprobten Göppinger, in das Städtchen beordert. Sie sorgten dafür, dass niemand, der nicht ortsansässig war, auch nur in die Nähe der Stadt kommen konnte. Hans Filbinger ging von einem Heimspiel aus, schließlich kannte er seine Wähler.

Dies Stadthalle war erst vor wenigen Jahren eingeweiht worden und die Bürger waren stolz auf sie. Langsam füllte sich der Saal an diesem Freitagabend. Einige waren direkt von der Arbeit gekommen und trugen noch Arbeitskleidung, die Meisten hatten aber ihren feinen Anzug angezogen, schließlich kam der Ministerpräsident.

Hans Karl Filbinger wurde vom Bürgermeister begrüßt, der Landrat sagte auch noch einige freundliche Worte und dann trat er ans Mikrofon. Salbungsvoll und inhaltsleer erklärte er den Weinbauern, dass das alles kein Problem sei und dass man schließlich hier unter sich sei und dass diese Protestler sowieso alles Kommunisten und Tagdiebe seien und dass man mit denen nichts zu tun hätte.

Einer der Bauern, ein großer schwerer Mann, dessen Wort in der Gemeinde etwas galt, stand nach der Rede auf und trat in den Gang. Hans Filbinger war überrascht, denn eine Aussprache war nicht vorgesehen. Eigentlich hatte er nur seine Rede halten und dann sofort im Anschluss wieder in seinen Dienstwagen steigen wollen, um nach Stuttgart zurückzufahren.

Der große schwere Mann stellte sich vor und sagte dann, sein Sohn, der Georg, würde in Freiburg studieren und der hätte ihm erzählt, dass durch die Kühltürme des Kraftwerkes der Rhein aufgeheizt würde und dass es dadurch vor allem im Herbst zu verstärkter Nebelbildung im Rheintal und eben auch am Kaiserstuhl käme. Nun wäre es so, dass sie hier vor allem Burgunder anbauen würden und der bräuchte nun mal viel Sonne und dass er vom Wein leben würde und wenn der Wein schlechter würde, dann wäre das natürlich nicht so gut.

Der Ministerpräsident erzählte ihm, dass das alles kein Problem sei und dass man sich doch nicht von den Studenten aufstacheln lassen solle. Die würden doch nur jeden Anlass aufgreifen, um ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Der Mann war nicht überzeugt. Er hatte sehr schlechte Erfahrungen mit der Flurbereinigung gemacht. Damals hatten sie auch erzählt, das das alles kein Problem sei, vielmehr würde die Arbeit erleichtert werden. Nur der Wein, der war leider schlechter geworden. Als er eben ansetzte, um zu widersprechen, wurde ihm bedeutet, dass der Herr Ministerpräsident nun leider keine Zeit mehr habe und nach Stuttgart zurück müsse, aber der Ministerialdirigent Sowieso würde dableiben und alle noch offenen Fragen beantworten.

Ein Rumoren ging durch den Saal, Hans Filbinger packte seine Akten und stand auf.
Eine ganze Reihe von Leuten stand ebenfalls auf. Sie waren sauer. Was bildete sich dieser Kerl ein? Hielt hier eine Propagandarede und wollte dann einfach wieder abhauen?

Immer mehr Leute kamen nach vorne, Hans Filbinger sah sich nach seinen Begleitern um und wollte schnell weg aus dem Saal.

Eine alte Frau mit Kopftuch sprang auf, schwenkte ihren Stock über dem Kopf und brüllte in den Saal:
„Hebet s’Filberle, hebet ‚s, es will nach hinten raus!“
Sie rannte so schnell sie konnte, den Stock hoch über ihrem Haupte schwingend, zum Podium. Die Anderen folgten ihr.
Dem Ministerpräsidenten wurde es ungemütlich. So schnell er konnte, verließ er mit seiner Entourage den Saal, während immer mehr Dörfler zu schreien anfingen.

Ich weiß nicht, was im Kabinett in der Folge diskutiert wurde, aber damals wurde auch der CDU klar, dass die Zeiten des Durchregierens vorbei war. Proteste und Bürgerinitiativen mussten Ernst genommen werden.

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Mittwoch, 16. Juni 2010
Zeitvertreib am Mittwoch: schöne Frauen gucken II
Heute: Hindi Zahra
1979 in Khouribga, Marokko geboren. Seit 1993 lebt sie in Paris.

Einmal live und einmal verschleiert, mit Richard Bona, eine Studiosession, im La Bellevilloise, Paris
und ein Tango zum Schluss. Viel Vergnügen.

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Mittwoch, 9. Juni 2010
Zeitvertreib am Mittwoch: schöne Frauen gucken I
Heute : Souad Massi
Zuerst طليت على البئر und dann Khallouni und Raoui

na gut, eines noch : Yawlidi

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Montag, 7. Juni 2010
„Mir habbes ja net so mit’m Chrischtlicha!“
sagte meine Mutter eines Tages als ein älterer Herr von der Inneren Mission vor der Haustüre stand und Erbauungsliteratur feilbot. Das war ein Fehler, denn damit hatte sie sich zumindest als laue Christin zu erkennen gegeben und entsprach damit exakt der Zielgruppe.

Der Herr blickte auf mich und entdeckte eine weitere Seele, die es zu erretten galt. Ich war damals so acht oder neun Jahre.

Er sei von der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart und zöge durchs Land, um bei häuslichen und persönlichen Problemen hilfreich zur Seite zu stehen.

Ich blickte ins Gesicht meiner Mutter und konnte ihre Gedanken lesen: ‚Bleder Hund, bleder!’

Da sie einen Moment gezögert hatte, sagte er seinen kompletten Sermon auf, vom Himmelreich, das jedem Platz und Trost biete und gerade die einfachen Leute und das Leben sei ja nicht einfach und wer auf Gott vertraue, dem werde auch durch Gott geholfen.

Und dann machte meine Mutter den zweiten Fehler. Ihr rutschte einer der allgemeinen schwäbischen Lebensweisheiten heraus:
„Ha guat, fürs Betta gibt ja die Pietischta, da brauchet mir net au no jeden Sonndich in’d Kirch renna!“

Bei uns war es üblich einmal im Jahr, an Heiligabend, in den Gottesdienst zu gehen („Einmal im Jahr, schad’ nix!“ war die Begründung meines Vaters) und sonst eben zu Taufen, Begräbnissen und Hochzeiten. Damit hatten wir all die Jahre gut gelebt und waren’s zufrieden. Schulfreunde von mir mussten jeden Sonntag den Gottesdienst besuchen und hatten ihre liebe Not damit.

Der Pietismus ist in Württemberg (die Badener sind Katholiken) im Wesentlichen eine Veranstaltung von Lehrern, Pfarrern und Bauern, der Rest der Bevölkerung betrachtet das eher mit Misstrauen.

Im 18. Jahrhundert konzentrierte man sich auf das Schulwesen, denn auch die einfachen Leute sollten sich in die Heilige Schrift versenken können. Das Schriftgelehrtentum ist ein wesentliches Kennzeichen, neben dem moralischen Rigorismus. Während aber das unendliche Studieren und Auslegen der Bibel auch positive Folgen nach sich zog, macht bedingungsloser Moralismus den Menschen das Leben zur Hölle. Ein Schulfreund von mir musste, wenn er etwas vergeigt hatte, seinen Fehler selbst erkennen und dann seinen Vater um Strafe bitten. Bis das geschehen war, sprachen Vater und Mutter nicht mehr mit ihm. Sie sehen: schwarze Pädagogik ist ein Dreck dagegen.

Im 19. und 20. Jahrhundert entdeckten die Pietisten die Gottlosen im eigenen Land und veranstalteten Strick- und Nähkurse zur sittlichen Besserung der gefallenen Arbeitermädchen und bekämpften die Alkoholsucht in der Arbeiterschaft. Die niederen Schichten sollten zur Arbeitsliebe und Untätigkeitsscheu angehalten werden und wenn sie jetzt an die Harzgesetze denken müssen, bin ich völlig unschuldig daran.
Aber beenden wir die kleine Geschichte des Pietismus.

Meine Mutter kam auf jeden Fall zu dem Schluss, dass sie den Gottesmann nur noch durch Grobheiten los werden konnte und schmiss ihn kurzerhand aus dem Haus.
„Blöder Hund“, fluchte sie vor sich hin und erzählte mir dann noch von einer Nachbarin, die von ihrem Mann gezwungen wurde, ein gottesfürchtiges Leben in der Familie zu praktizieren:
„Die machet nix anderes als in’d Kirch renna, Bibel lesa ond d’Kender verhaua. Des isch doch en Scheiß!“

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Mittwoch, 2. Juni 2010
Familiengeschichten IV
In meiner Klasse gab es den Sohn eines Bauunternehmers, der trotz mittelprächtigen Fleißes, umfangreichen Nachhilfestunden und intensiven Gesprächen mit dem Schuldirektor und dem Klassenlehrer nicht so recht mithalten konnte. Es lag nicht am Lotterleben, er war einfach zu doof, was ich mir damals nicht vorstellen konnte und er hasste seinen Vater, die Lehrer und jedermann, der etwas von ihm wollte, abgrundtief. Er hörte, wenn man ihn ließ, den ganzen Tag Musik und wollte Rockmusiker werden. Wir nannten ihn Karlo, wie den Kater in der Mickey Mouse. Er war von etwas kräftiger Statur, unbeherrscht und eigentlich tat er uns allen ein bisschen Leid, obwohl er ein Kotzbrocken vor dem Herrn war.

Da man ja die Kohle hatte und der Sohn studieren sollte, um das Geschäft zu übernehmen, schickten sie ihn kurzerhand nach Salem.
Dort überlebte er ein paar Jahre und machte dann eine Lehre. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er doch noch das Geschäft des Vaters übernommen.

An Karlo muss ich immer denken, wenn die Elitediskussion mal wieder aufflammt.

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Montag, 31. Mai 2010
Familiengeschichten III
Ein Freund von mir, Dispatcher bei der christlichen Seefahrt, verliebte sich einst in ein Mädchen. Als er zu Hause davon erzählte, wiegte sein Großvater sorgenvoll den Kopf.

„Das geht nicht zusammen, Junge!“
„Was meinst du?“
„Freie Bremer Bürger und holländische Bischofsknechte, das passt nicht zusammen!“

Sein Großvater war 2. Deichhauptmann gewesen, der kannte sich aus und insbesondere kannte er die Familie der Angebeteten.

„Und, hat es gehalten?“ habe ich ihn gefragt als er mir eines Abends davon erzählte.
„Nein.“
„Dann hättest du doch gleich auf deinen Großvater hören können.“

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