Eigentlich, dachte er sich, sollte und wollte er eine Familie gründen, nur so irgendwie und so endgültig vielleicht doch nicht.
Zum besseren Verständnis sollte ich wohl vorausschicken, dass es in den 80ern in Berlin zwei Stadtmagazine gab, den Tip und die Zitty, die man insofern unterscheiden konnte, als dass die redaktionellen Beiträge in dem einen Magazin nicht ganz so schrecklich waren, wie in dem anderen. Die beiden Magazine gibt es immer noch, nur unterscheiden kann man sie nicht mehr. Aber egal, niemand damals und wohl auch heute, kauft sich so ein Veranstaltungsblättchen, um die Artikel zu lesen. Damals, wie das heute ist kann ich nicht sagen, unterschieden sich die Kontaktanzeigen der beiden Magazine allerdings sehr deutlich. Im Zitty inserierten eher die alternativ angehauchten Jungs und Mädels, im Tip fühlten sich die eher braven Damen und Herren zu Hause. Zumindest bezüglich der äußeren Erscheinung, dort waren die Damen geschminkt, die Herren trugen gewaschene Kleidung und hier liefen die Jungs eher verlottert herum und die Mädels trugen Patschuli auf. Einen Hang zur Esoterik war ihnen gemeinsam. Der Schulfreund meiner Verflossenen nun hatte grundsätzlich etwa drei bis vier „Tipkisten“, wie man damals sagte, also Damen, die er über die Kontaktanzeigen des Tip kennengelernt hatte, parallel zu laufen. „Zittykisten“ verschmähte er, na ja, nicht jeder hat so wenig Vorurteile wie sagen wir …
Sie müssen wissen, dass Anfang der 80er Jahre noch kein Gedanke an Taschentelefone oder Email-Kommunikation zu verschwenden war. Die komplette Logistik musste, vom Festnetzanschluss der eigenen Wohnung oder von Telefonzellen aus, in extremen Fällen über Telegramme, bewerkstelligt werden. Keine leichte Aufgabe, zumal die eine oder andere Dame ganz gerne einen spontanen Besuch im Repertoire hatte. Nach den ersten Unfällen beschloss er folgerichtig sein umfangreich paralleles Sexualleben nur noch aushäusig zu praktizieren. Aber auch dies konnte nicht völlig unfallfrei organisiert werden, schließlich hat der Mensch Lieblingskneipen, die Zahl der Kinos ist beschränkt und in den jeweiligen Szenen kannte man sich auch untereinander. Tatsache war, dass, wann immer wir zusammen ausgingen, er sich immer nervös vergewisserte, ob nicht irgendeine seiner zahllosen Verflossenen oder in Aussicht genommenen am Nebentisch saß oder – was wohl auch schon vorgekommen war – gar zwei aktuelle oder verflossene Liebschaften sich zusammen getan hatten um, wie er gelegentlich argwöhnte, auf Rache sinnen und ihm in seinen häufiger frequentierten Kneipen auflauerten. Wenn Sie mich fragen: Die Leute gehen einfach zu viel ins Kino, da kriegt man solche Ängste von.
Meine Damalige fand nun seinen Lebenswandel so ein bisschen frauenfeindlich und machte ihm Vorhaltungen. Den ganzen Abend. Wenn sie ihm keine Vorhaltungen machte, wollte sie pfeilgerade wissen, warum er denn mindestens vier Frauen gleichzeitig „zu laufen“ habe und warum die denn nichts voneinander wissen dürften. Nun, das mit der Geheimhaltung war schnell geklärt, da sein Interesse insbesondere Frauen galt, die eher „was Festes“ wollten und diese Interessenlage selbstverständlich nicht mit seiner Vielweiberei zusammenging (bei den Mormonen soll das früher ja anders gewesen sein, behauptet zumindest Karl May), mussten die Damen natürlich streng separiert werden. Das andere, warum er diesen unendlich komplexen Kreislauf organisierte, war nicht oder nur tiefenpsychologisch erklärbar. Den ganzen Abend. Irgendwann im Laufe der Zeit, habe ich mich dann geweigert diesen Exerzitien beizuwohnen.
Na wie dem auch sei, ich bin ja nicht so der Moralapostel und solange alle erwachsen sind, gibt es ja keinen Grund, warum man das kreuz und quer und wer mit wem und mit wie vielen, so furchtbar eng sehen sollte. Aber sagen Sie selbst: anstrengend ist das aber doch, oder?
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»Ich glaube nun Sie zu kennen«, fuhr die Schöne fort; »jetzt will ich Ihnen auch etwas von meiner Geschichte ganz aufrichtig erzählen, damit Sie sehen, wie sehr man sich in manchen Leuten irren kann.Und wenn die Künstler von der Schönheit leben, warum sollte sie nicht auch?
Ich bin ein armes Mädchen, meine Eltern sind früh gestorben, meine Erziehung war nicht die beste; was ich ohngefähr weiß, oder von Bildung erhalten habe, habe ich mir ganz allein zu danken. Man hat mich von Jugend auf ziemlich hübsch gefunden, und ich bin am Ende überredet worden, es selbst zu glauben.
Da ich kein Vermögen hatte, suchte ich meinen Unterhalt durch Sticken, Putzmachen und andere dergleichen Beschäftigungen zu erwerben; meine Anbeter verfolgten mich unaufhörlich, und ich überlegte mir meine Situation etwas vernünftiger, und seit der Zeit lebe ich vergnügter, und bin nicht so sehr, wie vordem, dem Mangel ausgesetzt.
Man darf nur um sich her die Beschäftigungen der Menschen und das Triebwerk ihrer Tätigkeit betrachten, so findet man sehr bald, daß nichts als Eigennutz alle Maschinen in Bewegung bringt, und forscht man nach dem reellen Nutzen bei den meisten Beschäftigungen, so ist es kein anderer, als daß der Magen der Arbeitenden angefüllt wird. –
Gelehrte, schöne Geister, Musiker, alle Arten von Menschen leben von den Talenten, die ihnen die Natur mitgegeben hat. – Warum soll es denn nur erlaubt sein, mit geistigen Schätzen oder körperlichen Kräften zu wuchern? – Warum soll man nicht auch andre Vorzüge geltend machen dürfen? Wenn die Menschen närrisch genug sind, ihr Vermögen einem Mädchen aufzuopfern, das sie für schön halten, warum sollte man nicht aus dieser Narrheit Nutzen ziehn, so wie Marktschreier, Doktoren, Seiltänzer und Schriftsteller die Schwächen der Menschen nutzen? Ich fand, daß es kein Gewerbe gebe, bei welchem nicht eine Art von Betrug stattfände, und daß die Dummheit, sich betrügen zu lassen, die List des Betrügers gewissermaßen rechtfertigt. – Sie lächeln über meine Geständnisse, und werden gewiß in Ihrem Herzen glauben, daß ich recht habe.«Die beiden reden sich in Feuer.
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schön:
kluges und/oder interessantes:
Neue Wörter:
Leseliste:
Aus dem Amerikanischen von Andrea Marenzeller.
Berlin: Matthes & Seitz 2010. 254 Seiten. 22,90 Euro Rezension
Rezension
Berlin: Suhrkamp Verlag 2009. 1372 Seiten. Preis: 64 Euro
Rezension
Rezension von Wolfram Schütte: Aus dem Tagebuch eines Schriftstellers
suhrkamp taschenbuch 4168, Broschur, 268 Seiten
ISBN: 978-3-518-46168-6, 14,90 € Interview mit dem Autor
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So langsam wird ihnen klar, um was es geht? Um Kuba natürlich, das bekanntlich sehr arm ist und vieles benötigt: Energie, Bodenschätze, Handelspartner und die eine oder andere Freiheit. Wahrscheinlich wussten Sie aber bisher nicht, dass Kuba auch Entwicklungsland in Sachen Musik ist. (Jetzt spinnt er völlig, werden Sie denken.) Nun, gemach. Ein Hamburger Kuba-Fan hat es sich zu Aufgabe gemacht, Fidel und dem Rest der Insulaner deutsches Liedgut nahe zu bringen. Auf dass der Kubaner endlich seinem Son abschwöre und sich zum deutschen Schlager bekehre.
¡Venceremos!
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Siegmund erinnerte sich nun, was ihm der Wirt am Morgen von diesem Mädchen gesagt hatte, und er fand sich jetzt schon aufgelegt, ihm kein Wort zu glauben.Schön auch die kleinen Brechungen.
»Man hat gewiß von mir nachteilig zu Ihnen gesprochen«, fuhr die unbekannte Schöne fort, »aber ich versichere Sie, es ist Verleumdung gewesen.«
Siegmund bestätigte alles, was sie sagte; beide schimpften mit vereinigten Kräften auf die Bosheit der Welt, daß gerade die schlechtesten Menschen am schlechtesten von andern redeten. »Hüten Sie sich besonders vor Ihrem Wirte!« sagte die Schöne sehr eifrig; »er ist der größte Betrüger in der ganzen Stadt, ziehn Sie sobald als möglich von ihm aus, sonst wird er Ihnen eine ungeheure Rechnung machen!«
Siegmund erschrak nicht wenig über diese Nachricht; er glaubte schon die geschriebene Summe zu sehen, die er dem wohlbeleibten Manne auszahlen solle.
Man sprach noch viel über die mannigfaltigen und zusammengesetzten Charaktere der Menschen, über Bosheit und Niederträchtigkeit, Edelsinn und Rechtschaffenheit Siegmund hatte es ganz vergessen, in welchem Hause er sich befand, und moralisierte tapfer darauflos.
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Es muss so 1972 oder 73 gewesen sein, wir fuhren per Autostop nach Frankreich, ich glaube ins Languedoc oder in die Gascogne, aber so genau erinnere ich mich nicht mehr.
Na, auf jeden Fall gönnten wir uns ein anständiges Abendessen und ein Fläschchen des örtlichen Roten. Das Essen war gut, der Wein war gut und wir waren ziemlich betrunken, als wir uns auf den Heimweg machten. Der Heimweg führte uns aus dem Örtchen hinaus auf die Wiese eines Bauern, der uns dort zelten ließ. (Da die Polizisten in Frankreich damals eher unfreundlich gegen „Hippies“, wie das ja hieß, empfahl es sich einen „genehmigten“ Lagerplatz zu haben.)
Wir kamen also an einer Weide vorbei, auf der so 30 bis 40 Kühe lagen.
Der H. hatte ein humanistisches Gymnasium besucht und Latein und Griechisch gelernt. Aus Gründen, die wohl tief im Geiste des Rotweines lagen, kam er auf die Idee den ersten Gesang der Ilias vorzutragen.
„Μῆνιν ἄειδε, θεά, Πηληιάδεω Ἀχιλῆος
οὐλομένην, ἣ μυρί’ Ἀχαιοῖς ἄλγε’ ἔθηκε,
πολλὰς δ’ ἰφθίμους ψυχὰς Ἄϊδι προΐαψεν
ἡρώων, αὐτοὺς δὲ ἑλώρια τεῦχε κύνεσσιν
οἰωνοῖσί τε πᾶσι• Διὸς δ’ ἐτελείετο βουλή•
ἐξ οὗ δὴ τὰ πρῶτα διαστήτην ἐρίσαντε
Ἀτρεΐδης τε ἄναξ ἀνδρῶν καὶ δῖος Ἀχιλλεύς.“
(„Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten
Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.“)

Zwei Jahre später habe ich mir für meine Reise in die Türkei, die Odyssee in den Tornister gepackt.
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Siegmund war fast schon wieder nüchtern, als er vor seinem Gasthofe stand und sich wunderte, als er die Tür verschlossen fand; er klingelte, es öffnete jemand das Fenster, und bald darauf hörte er Pantoffeln auf der Treppe und die Tür mühsam und tiefatmend aufschließen; sie öffnete sich, und eine alte Frau leuchtete ihm die Treppe hinauf. Noch ehe er sich besinnen konnte, stand er in einem fremden Zimmer, wo das ofterwähnte Mädchen mit dem hübschen Gesicht in einem Sofa saß.Allerdings nicht in der von ihm und uns erwarteten Weise.
Es wäre unschicklich gewesen, sich zu entschuldigen und wieder fortzugehen; die Alte war verschwunden, und Siegmund nahm nach einer freundlichen Einladung Platz zur Seite des Mädchens.
Siegmund wollte seinem fröhlichen Taumel die Krone aufsetzen, und erstaunte sehr, als er seine dreisten Liebkosungen nicht so erwidert fand, wie er nach allen Umständen erwarten konnte, sondern die Schöne machte sich im Gegenteil von ihm los, und bat ihn mit so vielem Anstande, sich gesitteter zu betragen, daß er rot ward und verschämt um Verzeihung bat. – Das Gespräch nahm nun eine andere Wendung; man sprach von gleichgültigen Dingen, und Siegmund, der eine mit Achtung vermischte Zuneigung zu dem Mädchen fühlte, war endlich schwach genug, ihr seine ganze Geschichte zu erzählen. – Sie gestand ihm im Gegenteil daß er ihr gleich beim ersten Anblick auf eine sehr vorteilhafte Art aufgefallen wäre, daß sie sogleich seine Bekanntschaft gewünscht, daß sie aber nach dem Blick, den er ihr heut vormittag zugeworfen habe, gänzlich daran verzweifelt sei.
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Die Häuser mit ihren erleuchteten Fenstern kamen ihm außerordentlich schön und freundlich vor; er grüßte ein paar Vorübergehende sehr höflich, ohne sie zu kennen, stand auf einer Brücke still, und lachte gewaltig über einen Kahn, der mit einer kleinen Kette an einer Waschbank befestigt war und hin und her schwankte. Er trug gar kein Bedenken, einen Mann mit einem Kuckkasten anzuhalten, und in seinen Schauplatz bei dem kreischenden Gesange des Alten hineinzusehn und sich von Herzen zu amüsieren. Als das Schauspiel geendigt war, wollte er sich ohne Bezahlung heimlich davonmachen, bloß um mit dem Direktor des Nationaltheaters zanken zu können. Als dieser Streit über das usurpierte Freibillet geendigt war, gab er dem Manne zwölfmal soviel als er verlangte.Handlungsarme und handlungsreiche Sequenzen wechseln sich ab: Beschleunigung und Verzögerungen.
Die freie Luft nahm nach und nach den Taumel von seinen Sinnen hinweg; es herrschte nun in ihm jene frohe Laune, die kälter und eben deswegen angenehmer ist. Die Umrisse der verschiedenen Gegenstände waren nicht mehr ineinander verflossen, er ging langsamer, und alles, was er sah, machte ihn froh und heiter. Das warme, frohmachende Klima, der helle Sonnenschein und der blaue Himmel werden gleichsam verkörpert in den Weinfässern nach unserm Norden hergefahren; durch den Genuß des Weins wird der Mensch auf einzelne Stunden der Bewohner jener schönen Länder, und kehrt nur ungern in sein kaltes Klima nach den verflogenen Dünsten zurück. Siegmund nahm sich in dieser Stimmung vor, eine große und poetische Apologie des Weins und der Trunkenheit zu schreiben, zu beweisen, wie mit dem Rausche das Herz erwärmt und gehoben wird, wie unbemerkte geistige Kräfte des Menschen sich aus ihrem Hinterhalte hervorschleichen, und das Gehirn zum bunten Tanzplatz der schönsten und feinsten Gedanken machen. – Um sich nicht selbst Lügen zu strafen, gab er einem alten Krüppel alles Geld, das er bei sich trug, ohne es auch nur vorher zu zählen. »Da ich mich glücklich fühle«, sagte er, »so nimm, und sei es auch heute abend, und meine Augen sollen nicht wissen, was meine Hände tun.«
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„Hey, hello, you’re student?“
„Yes, sir!“
„You shouldn’t call me sir, i’m Bob and this is my wife Rebecca.“
„Hi Bob, hi Rebecca! I’m G.“
Wir plauderten ein wenig und kamen dann darauf zu sprechen, wo wir denn alle hinwollten.
„We’re comming from Crumm Lancky, you know, we’re heading for Curefürstenstreet, you know, there we‘re forced to take bus nr. 48 to the Philharmony, you know.“
Mit ‚Crumm Lancky‘ hatte ich zunächst Probleme, aber da wir auf der alten U 1 von Krumme Lanke nach Schlesisches Tor waren, konnte ich diese erste sprachliche Hürde noch leicht meistern.
„We‘re invited to a concert, in the Philharmony, Anthony Waiwelday, you know.“
Ich hatte keine Ahnung. Waiwelday, was sollte das bedeuten?
„Pardon, but Waiwelday? I don’t understand.“
„Anthony Waiwelday, Famous composer? You know?“
Ich zuckte mit den Achseln. Vielleicht etwas Moderneres? Experimentelle Musik?
Und dann dämmerte es mir, Anthony Waiwelday war zweifellos ein naher Verwandter von Mischèl Schackson, nach dem ich einmal in Südfrankreich befragt worden war.
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Gegen Abend kehrte er in seinen Gasthof zurück; er war zufrieden, daß der Wirt noch ebenso höflich gegen ihn war, ja noch höflicher als vorher, weil er sich einbildete, Siegmund habe beim Präsidenten gegessen. Er ging auf sein Zimmer und bestellte sich ein delikates Souper, weil er nicht an der Wirtstafel den Spöttereien seines guten Freundes Bellmann ausgesetzt sein wollte. Er ließ den Vorhang herunter, setzte sich einen behaglichen Sessel an den Tisch, und ließ sich eine Flasche vom besten Weine geben. Darauf fing er mit dem besten Appetit seine Mahlzeit an.Im Grunde genommen besteht die ganze Erzählung aus mehreren Spaziergängen in der Stadt.
Als er einige Gläser des feurigen Weins getrunken hatte, kam er sich vor, wie ein Prinz in einem Feenpalast, auf dessen Gebot sich alle dienstbare Geister in Bewegung setzen man trug die leeren Schüsseln fort und brachte andre mit neuen Gerichten, und er fühlte sich in seinem Zimmer warm und behaglich, und der Wein machte, daß ihm das Blut leicht und hüpfend durch das Herz strömte. Er vergaß seine Situation gänzlich, und lebte im Sinnengenuß die glücklichsten Minuten. Die Wände tanzten in einer leichten Bewegung um ihn her er lachte und scherzte mit dem Markör, der nicht genug die kuriösen Einfälle des lustigen Herrn bewundern konnte.
Er trank jetzt mit einem langen Zuge das letzte Glas aus, und wankte die Treppe hinunter, um am schönen Abend noch einen Spaziergang zu machen. –
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... 580 x aufgerufen
Ein junger Mann trägt ein schwarzes T-Shirt mit türkischer Aufschrift in weiß und dem Facebookemblem. Seine Mitschüler fragen ihn, was der Schriftzug bedeute.
„Dein Gesicht auf …“ und dann verließen sie ihn. Er fragt seinen Kumpel. Sie diskutieren die Frage auf Türkisch, während die Fragenden geduldig auf die Übersetzung warten.
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In seinem Stück, das er durchlachte, schien keine einzige Pause zu sein, denn es war ein einziger Strom von jenen unartikulierten Tönen aus denen die Menschen nicht wissen, was sie machen sollen, und die sie Lachen betiteln. Es ist schwer zu berechnen, wie vielerlei Gedanken jetzt durch seinen Kopf gehen mochten aber als er ausgelacht hatte, setzte er sich ermüdet auf eine Bank, rieb sich die Hände, sah ganz froh und heiter die Gegend an, und da es gerade an dieser Stelle einsam war, genierte er sich nicht, sondern begann folgenden Monolog:So gesehen ist alles eitel.
»Gibt es in der ganzen Welt etwas Närrischers, als den sogenannten König der Welt, den Menschen? – Die seltsamste von allen Arabesken ist gerade in diesem bunten Gemälde des Lebens so angebracht, daß sie uns am meisten in die Augen fällt. – Ich komme hier mit der größten Zuversicht an, Rat zu werden, ich lache einen Menschen aus, von dem mein Glück abhängt, schütze mit kühnem Mute meinen Feind vor den Angriffen seiner Spötter, werde von diesem und vom Präsidenten verachtet, ich fühle meine Abhängigkeit – und doch gibt sich jetzt das Pferd und der Präsident meinetwegen die größte Mühe er hängt von meinem Blick ab, und ein bedenkliches, verächtliches Kopfschütteln hätte ihn ängstigen können. Dieser hagre Mensch philosophiert über die Eitelkeit, und ist eitel genug, dem Präsidenten nachzulaufen, um mit ihm zu sprechen, die Vorübergehenden verspotten den Zeitungsschreiber, und werden bei der nächsten Gelegenheit sich nicht anders nehmen, und ich selbst wäre jetzt wieder imstande, den Präsidenten den vortrefflichsten Reiter von der Welt zu nennen, um seine Gunst zu gewinnen, und an der nächsten Ecke liegt mein hoher Gönner vielleicht im Sande, weil er sich von einem vorübergehenden Dummkopf hat wollen bewundern lassen.«
Siegmund fing hier von neuem an zu lachen, und rückte auf seiner Bank unter heftigen Erschütterungen des Körpers hin und her.Siegmund hat sich wieder gefangen, das Finale naht.
»Meinetwegen«, fuhr er fort, »hat der Präsident heut sein Pferd satteln und die beste Decke auflegen lassen warum soll ich mich denn in einer demütigen Abhängigkeit fühlen? – Mir zu gefallen sind diese Herren und Damen so geputzt und festlich!«
Durch diese Philosophie bekam Siegmund seine gute Laune so ziemlich wieder. Da gerade Leute vorbeigingen, setzte er seine Gedanken stillschweigend fort, und war immer mehr überzeugt, daß die Menschen Narren sind.
Siegmund genoß nun des Spazierganges mit ziemlich heiterm Mute, er spottete in seinem Herzen über jedermann, den er sah, kein Gesicht und kein prächtiger Anzug setzte ihn in Verlegenheit.
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Alles machte ihn betrübt, er sah in die Straßen der Stadt hinein, und verachtete das Treiben und Drängen der Menschen recht herzlich. Die Glocken riefen die Leute vom Spaziergange zum Mittagsessen aber er hörte es nicht; der Wall ward nach und nach leer, doch er achtete nicht darauf, und befand sich in der Einsamkeit ungestörter und glücklicher. Es währte aber nicht lange, so kamen die Spaziergänger zurück ja ihre Anzahl war größer, als vormittags, die Damen waren noch geputzter und sahen ängstlich nach dem Himmel, ob die drohenden Herbstwolken näher ziehen und durch einen Regenguß ihren Anzug verderben würden. Aber die Sonne brach immer wieder mit neuer Wärme hervor, und der Spaziergang machte alle Gesichter froh und heiter.Nachdem sich dergestalt die Gesichter der Passanten aufgehellt hatten, naht auch schon das Schicksal in der, für einen Republikaner schönsten Gestalt.
Ein hagerer Mann gesellte sich durch einen Zufall zum melancholischen Siegmund; es war der Zeitungsschreiber des Orts, der gern allenthalben nach Neuigkeiten forschte. Dieser vaterländische Dichter hatte es aus dem Gesicht, dem Gange und der Kleidung Siegmunds herausgebracht, daß er ein Fremder sein müsse, er wollte daher einige Traditionen aus ihm herausziehn, um sie in Briefform mit andern Wendungen seinem Blatte einverleiben zu können. Siegmund war ziemlich einsilbig, seine Szene mit dem Präsidenten war für ihn jetzt die größte Weltbegebenheit, an diese dachte er unaufhörlich und war sehr gleichgültig für alle politischen Bemerkungen seines neuen Bekannten, der viele Sachen prophezeite und andre Prophezeiungen widerlegte.Wie es das Schicksal so will, reitet der Präsident vorbei.
Ein Pferd trabte hart an ihnen vorüber, und machte dann viele von den närrischen Gebärden, die den Tieren mit großer Mühe in den Schulen beigebracht werden, um nicht ganz geschickte Reiter bei irgendeiner schicklichen Gelegenheit in die Gefahr zu bringen, herunterzustürzen. Dies war auch hier der Fall; der Reiter wankte von einer Seite zur andern, und wollte doch auch nicht gern den edlen Paradeur in seinen schönen Figuren unterbrechen. Der Reiter war niemand anders, als der furchtbare Präsident. – »Sehn Sie«, sagte der Zeitungsschreiber heimlich, »den wunderbaren Mann an. Glauben Sie wohl, daß er sich bloß unsertwegen die Mühe gibt!«Und da eh schon alles Wurst ist:
»Unsertwegen?« unterbrach ihn Siegmund. »Nicht anders«, antwortete der hagere Mann; »dieser Herr bildet sich auf nichts in der Welt so viel ein, als auf seine Reitkunst, und bloß um sich von uns bewundern zu lassen, läuft er jetzt Gefahr den Hals zu brechen. – Sehn Sie, wir sehn ihn kaum mehr und er läßt die Streiche doch noch nicht.« – Der Präsident hatte sich indes eine ziemliche Strecke unter Traversieren entfernt. Das Pferd drängte sich etwas zurück, er geriet in die Zweige der Bäume und verlor in diesem Augenblicke einen sehr eleganten Hut. Kaum hatte der Zeitungsschreiber dies gesehn, als er schnell unsern Helden verließ, den Hut ehrerbietig dem gnädigen Herrn überreichte, und dadurch hinlänglich belohnt ward, daß der Präsident vor den Augen mehrerer Menschen eine Zeitlang mit ihm sprach, indem das Pferd wieder traversierte und der Zeitungsschreiber ebenfalls zu paradieren eifrigst bemüht war.
Wie gut, daß Siegmund zurückgeblieben war, denn er fing so laut an zu lachen, daß ihn ein alter Herr und eine ältliche Dame für verrückt erklärten, weil er so sehr alle Lebensart beiseite setze und auf einem öffentlichen Spaziergang lache.
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von Navene über den Dosso Spirano nach Malcesine
Fabio wachte früh auf, sein Schädel brummte von dem schlechten Wein zum Abendessen. Warum hatte er nur so viel getrunken? Richtig, Agneta war nicht gekommen. Er hatte in der Agentur angerufen, aber die wussten nur, dass sie mit Björn ‚um die Häuser gezogen‘ sei und dann hatte er es auf dem Handy probiert. Leider erreichte er nur die Mailbox. Er machte sich einen Kaffee und überlegte. Wo konnte sie sein? Bei Björn? Er rief Björn an, aber der war noch schwer betrunken und zudem allein. Wo konnte sie sein? Er trank seinen Kaffee aus und rief in der Agentur an, um sich krank zu melden. Heute arbeiten? Ach nein, besser nicht.
Er setzte sich in seine Werkstatt und nahm einige Holzstücke in die Hand. Pappel, sinnierte er, minderwertiges Holz, aber leicht zu bearbeiten. Was sollte er schnitzen? Eine Krippe? Das arbeiten an den Eseln hatte er immer gemocht, aber eigentlich war ihm nicht nach religiösen Motiven. Er nahm ein längeres Kantholz zur Hand und versuchte sich ein Bild von der sich herausschälenden Figur zu machen, manchmal zeigt einem ja das Holz den Weg.
Das Telefon klingelte.
„Pronto?“
Es war Agneta.
„Fabio, Lieber, ich komme nicht zurück, wollte ich dir nur sagen.“
„Agneta, was ist geschehen?“
„Ich habe mich verliebt.“
„In Björn?“
„Aber nein, Dummerchen, in Benny, seinen Stellvertreter. Wir gehen nach Australien.“
„Wie nach Australien?“
„Nun, das ist schwer zu erklären und eigentlich will ich es auch nicht erklären. Er ist die Liebe meines Lebens. Aber lass uns vernünftig sein. Könntest du die eine neue Wohnung suchen? Wenn wir zurückkommen, wollen wir zusammen ziehen.“
„Äh? Wie?“
„Na in einem halben Jahr ungefähr. Du machst das dann, Schatz?“
„Ja, nein, weiß nicht, aber …“
„Doch, doch, sei so lieb. Jetzt muss ich Schluss machen, der Flieger geht gleich. Tschühüss!“
„Äh? Tschüss!“
„Du träumst immer noch?“
„Ich spinne nur ein bisschen, so für mich.“
„Willst du es nicht erzählen?“
„Na ja, meine Phantasie ist nur etwas abgeglitten. Ich habe mir gerade eine wundersame Geschichte von einem Herrgottsschnitzer, den es nach Berlin verschlagen hat ausspintisiert und jetzt denke ich darüber nach, wie ich noch Elfen oder Trolle, Kobolde und Riesen unterbringe, und …“
„.. und Zwerge, Seeungeheuer, die aus dem Gardasee auftauchen und Touristen zum Abendbrot verschlingen?“
„Ein Ungeheuer, das Touristen verschlingt? Gute Idee, die Touristen, die belegte Brötchen mit Pommes essen, die Skaligerburg aus Kunststoff und Kochschürzen mit aufgedruckten nackten Damen kaufen?“
„Die sind sicher besonders lecker.“
Wir gingen weiter.
Fabio kratze sich am Kopf. Australien? Er nahm das Kantholz und schnitt es in fünf gleiche Teile. Er musste aufstoßen. Er holte sich ein Glas Wein. Australien, was will sie denn in Australien? Er nahm sich das erste Stück Holz vor. Zuerst die Proportionen anreißen, dann Arme und Beine, Messer wechseln, einen Schluck Wein und dann das Gesicht. Schön, aber etwas fleischig, na ja, warum nicht. Er schnitzte die Figur fertig und betrachtete sie mit Wohlwollen.
„Ich nenne dich Wommele, das passt zu deinem feisten Gesicht und dem ewigen Lächeln. Ein bisschen falsch sieht es aus, dein Lächeln. Wahrscheinlich wirst du alle lieben, die dir nützlich sein könnten.“
Er nahm das nächst Stück Holz und trank einen Schluck. Warum ist sie mit Benny durchgebrannt? Björn war doch hinter ihr her? Er riss die Konturen an und schnitze drauf los. Die zweite Figur war nicht so gelungen.
„Du siehst ein bisschen lahmarschig aus, ich werde dich Hinkel taufen.“ Ein Langweiler ist er, der Hinkel, dachte er, wer soll ihn ernst nehmen?
Er trank einen Schluck Wein. Sollte er morgen wieder in die Agentur gehen? Was sollte er den anderen sagen? Die nächste Figur geriet etwas füllig und erhielt einen krawalligen Ausdruck. Er musste wieder aufstoßen. ‚Hoffentlich vertrage ich den Wein‘, dachte er. Ach Agneta, was machst du für einen Unsinn und so erschuf er eine weibliche Figur.
„Irgendwie erinnerst du mich an den Wastl aus diesen seltsamen, deutschen Volksstücken, die sie im Fernsehen übertragen. Eine Wasteline aus Kienholz. Ich werde dich Kienastl rufen. Du sollst dich in den hässlichsten und arrogantesten Kerl verlieben, der aufzutreiben ist.“
Er musste kichern, nahm sich das nächste Holz und brabbelte weiter vor sich hin. Langsam geriet er in Rage. Was bildete sich diese Frau eigentlich ein, mit einem drittklassigen Werbefuzzi nach Australien und ihn einfach sitzen lassen? Er musste wieder aufstoßen, dabei verrutschte ihm das Schnitzmesser und die Oberlippe der Figur erhielt einen tiefen Ratscher. Er hielt sie vor sich.
„Eine Schönheit bist du ja nicht geworden.“
Neben der Schnitzbank lag ein altes Stück Filz mit dem er sonst den überschüssigen Leim von den Figuren wischte. Er schnitt einen schmalen Streifen davon ab und klebte ihn über die missglückte Oberlippe.
„So wird es gehen, Sarri, so muss es gehen.“
Er nahm sich vor bei der nächsten Figur aufzupassen und nicht wieder eine Kerbe an unpassender Stelle einzuritzen. Konzentriert arbeitete er und – in der Tat – die Figur hatte keinen Fehler. Alle Proportionen stimmten, nicht zu dick und nicht zu dünn.
„Perfekt bist du geworden.“ Er sah die Figur an.
„Man könnte auch sagen aalglatt, Bürschlein.“ Er sah sie nochmals an.
„Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Dein Name soll Wolfander sein.“
Sein Aufstoßen wurde immer schlimmer, lieber noch einen Schluck Wein und weil er so gut schmeckte und ihm half, nicht an Agneta zu denken, trank er noch einen Schluck. Er geriet in heitere Stimmung und schnitze drauf los. Immer schneller schnitze er und schon nach einigen Minuten war er fertig.
„Au weh, ich hätte doch vorher anreißen sollen. Zu klein, zu dick bist du geraten.“ Er sah ihn genauer an.
„Du bist der dümmste von allen, da hilft nichts. Du sollst von aller Welt Lindul genannt werden.“
Erschöpft hielt er inne.
„Man sollte nicht schon am Vormittag so viel Wein trinken.“
Dieses Aufstoßen war unangenehm, vielleicht sollte er sich etwas hinlegen? Ach Quatsch. Er holte sich eine weitere Flasche. Agneta ist ein Miststück. Er wird sie verfluchen, genau, schließlich hatte er von seinem Großvater die dunklen Künste erlernt. Psst, das darf niemand wissen. Weil … Urps, dieses Aufstoßen, ekelhaft. Ich werde es Agneta zeigen, genau, ich schnitze mir Dämonen und lasse Agneta von ihnen um den Erdball jagen. Oder besser noch, ich nehme gleich die fünf hier, sie sind so gut wie richtige Dämonen. Urps, lästig dieses Aufstoßen, aber egal.
Er trank noch einen Schluck, sprach die von alters her vorgeschriebenen Formeln, vollführte auch allerlei dazu gehörigen Gesten, trank ab und zu einen Schluck und nach dem ihm die dunklen Mächte beigestanden hatten, zwinkerten ihm die phantastischen Fünf ins Gesicht.
„Komm Alter, trink noch einen Schluck und dann ruhst du dich aus, während wir Wache halten und deinen Schlaf segnen.“ sprach Kienastl.
„Genau, Schlaf und Erholung werden dir gut tun.“ sagte Wolfander und die anderen stimmten mit ein. So kam es, dass sich unser braver Herrgottsschnitzer zur Ruhe begab, obwohl es doch erst elf Uhr geschlagen hatte.
Auf den Schlaf ihres Schöpfers hatten die Fünf nur gewartet und so schüttelten sie sich die Hand und zogen fröhlich in die Welt hinaus, ihr Glück zu machen. In der Stube waberten und wrasten die dunklen Mächte von Wand zu Wand und konnten den Gehorsam der Puppen doch nicht erzwingen, den ihre Macht beschränkte sich auf die Lebenden, denen sie Beistand oder Verderbnis bringen.
Als Fabio nach kurzem, erholsamem Schlaf wieder erwachte, trat er in seine Stube und sah, dass seine Geschöpfe entflohen waren und
„Wehe euch, ihr Undankbaren,“ sprach er und die dunklen Mächte nahmen seine Worte begierig auf, „ihr sollt verflucht sein für alle Zeiten!“
Er suchte nach der Flasche.
Wir traten aus dem Wald.
„Hei, mein Schöner. Gehen wir noch ein Eis essen?“
„Klar, warum nicht. Unten am Hafen?“
„Kar und dann gehen wir einkaufen und kochen uns etwas Schönes.“
„Nudeln mit Steinpilzen?“
„Zum Beispiel.“

Wir gingen weiter, Olivenhaine säumten jetzt den Weg, der Verkehr nahm zu und die Stadt wurde sichtbar. Na ja, irgendwann, dachte ich, spinne ich die Geschichte zu Ende, wenn mir ein schönes Ende einfällt.
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