Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Freitag, 7. Juni 2013
Zur Pataphysik des Geschlechtlichen III
Kleine Jungs machen ja allerlei Spiele, die den Mädels nicht verständlich zu machen sind. Mein Rodelfreund Otto zum Beispiel. Otto kam aus der Siedlung auf dem gegenüberliegende Hang unseres Seitentals eines Neckarzuflusses auf unsere Seite des Baches nur im Winter, weil wir gleich zwei supertolle Rodelbahnen hatten. Die eine Bahn, auch Todesbahn unter uns Sechsjährigen genannt, war ein ziemlich steiler, gewundener Waldweg mit alten Gemarkungssteinen, die unter dem Schnee verborgen, einen mal recht flott gegen einen Baum drücken konnten. (Hach: ‚eins‘ als unpersönliches Pronomen, da kann eins schon mal ins in die Kindheit zurückträumen geraten. Überhaupt, der Dialekt und die Kindheit und die Hoch- bzw. Schriftsprache wäre auch mal ein Thema) Die Eltern versuchten uns Kleinen die Strecke immer zu verbieten. Viel zu gefährlich, sei es. Das stimmte zwar, aber in dem Alter lässt man sich nur etwas verbieten, wenn die Eltern gerade anwesend sind. Ich habe mal im Steinbruch … Aber lassen wir das, das gehört genau so wenig hierher wie die Todesbahn oder die Waldkobolde unserer Gegend.

Kehren wir zu Otto und der anderen Rodelbahn zurück. Die andere Rodelbahn führte nicht sehr steil durch ein großes Flurstück der Gemeinde, das mit Apfel- und Kirchbäumen besetzt war. Mitten durch war eine breite Schneise. Hier verlief die Trinkwasserleitung vom Bodensee. Für den Fall, dass das Rohr bricht und aufgegraben werden muss, waren in dieser Schneise keine Bäume gepflanzt worden. Wie gesagt: schnurgerade und sanft abfallend. Eine ideale Rodelbahn für kleine Jungs.
Aber eben auch langweilig. Nach dem fünften Mal, hatten wir alle keine Lust mehr. Mein Freund Otto meinte dann: „Wir könnten doch unsere Namen in den Schnee pinkeln?“ (Übersetzung von mir, g.)
Gesagt getan. Nach einer halben Stunde war der Sieger gekürt, auf den Hosen eine Sauerei hinterlassen (schließlich war es kalt und wir sehr klein und dick angezogen) und wir fingen an über Kälte und Schwanzlängen zu philosophieren. Die Mädels – sofern ihnen das Rodeln nicht von den Müttern verboten worden war – standen daneben und wunderten sich, was die Jungs wieder so treiben.

Als ich dann fast zwanzig Jahre später einer Freundin im Studentencafé „Rosa Winkel“ (Heteros waren willkommen und sie hatten die besten Brötchen an der Uni) die Geschichte von Otto und der Namenspinklerei erzählte, fand sie, dass Otto bei dem Wettbewerb aufgrund seines Namens doch einen ziemlichen Vorteil gehabt hätte, im Vergleich etwa zu Jungs mit dem Namen Reginald oder auch Jürgen. Da ist natürlich etwas dran.
Eine zufällig neben uns sitzende Bewegungslesbe flippte fast aus und teufelte in unsere Plauderei hinein. Von wegen, so einen Scheiß und auf so etwas kommen nur Männer und so. Bevor nun die Freundin, deren anschwellende Zornesadern man deutlich sehen konnte, etwas von Sechsjährigen und na und? sagen konnte, rutschte mir der Satz: „Es beweist aber die natürliche Überlegenheit des Mannes über die Frau,“ heraus. Während die Freundin vor sich hin gluckerte und ich mich fragte, welcher Teufel mich gerade geritten hatte, bekamen ich eine Tirade an den Kopf geknallt.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren


... 685 x aufgerufen