Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 22. Februar 2010
orthogonale Onliner
Vert wollte letzte Woche wissen, was denn Quirme sind und was sie tun, außer quirmen selbstverständlich und ich habe dazu eine halbe Geschichte erzählt. Die ganze Geschichte geht so:
Das eine oder andere Unternehmen, z.B. wenn es durch unsere Abteilung empfohlen wird, kann ja mal auf die Idee kommen, seine EDV-Landschaft auf eine halbwegs solide Grundlage zu stellen. Nicht dass ich groß etwas davon verstünde, aber wenn man verschiedene Unternehmensteile an unterschiedlichen Standorten integrieren will, ergibt es durchaus Sinn, wenn u.a. die EDV-Systeme einigermaßen reibungslos miteinander kommunizieren können, v.a. wenn man auf die Daten angewiesen ist und wenig Neigung verspürt, den ganzen Scheiß in jedem einzelnen Fall zu konvertieren oder abzuschreiben. Also wurde eine Projektgruppe eingerichtet und ich hatte die Ehre, dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen unserer Abteilung berücksichtigt werden. Und die Sitzungen währten ewiglich …
„Die Datenmodelle der beiden Datenbanken in a-sytems und b-systems stehen in einem orthogonalen Verhältnis zueinander!“
Oha, dachte ich, bovine spongiforme Enzephalopathie, kann gar nicht anders sein, oder meint er eine Orthogonale Matrix oder Orthogonalität? Da wir zu diesem Zeitpunkt darüber diskutierten, welche Kundendaten aktuell in den verschiedenen Systemen zur Verfügung stehen und welche wir künftig für welche Zwecke brauchen, waren die Datenmodelle der ursprünglichen Systeme eigentlich egal. Darüber hinaus war schon festgelegt worden, dass die Altsysteme nicht weiter gepflegt, sondern durch ein neues System abgelöst werden sollte. Ob da etwas recht- oder spitzwinklig zueinander steht, ist Pumpe. Aber, man weiß ja so wenig, also sah ich zu unserem Datenbankmenschen hinüber und wollte ihn mit einem fragenden Blick dazu animieren, mir blödem Nichttechniker etwas auszuhelfen. Der guckte aber mit hochgezogenen Augenbrauen äußerst sparsam und ich dachte bei mir: Oha, Zeit für Bullshitbingo, dem Sport der arbeitenden Klasse. Bevor ich aber Gleichgesinnte finden konnte, drang ein Satz des Vortragenden an mein Ohr:
„Die Präsentation muss orthogonal programmiert werden: Wollen Sie, G., das nicht in die Hand nehmen?“
Je nun, eigentlich bin ich ja nur da, um zuzuhören und Sorge dafür zu tragen, dass unsere Abteilung mit vernünftigen Daten in einer Form versorgt wird, die wir weiter bearbeiten können, aber einen Raum und etwas zu essen und zu trinken zu besorgen, ist ja keine große Aktion, also sagte ich:
„Na klar, ich werde alles Nötige veranlassen!“
Orthogonal meint sicher so etwas wie akkurat, zuverlässig, hatte ich mir gedacht.
„Mit Power Point kommen Sie doch klar?“
fragte er nach. Äh? Mit Power Point würde ich ja schon einigermaßen klarkommen, aber zu welchem Behufe?
„Äh?“
„Nun schließlich ist der ganze Vorstand da, da sollte alles ansprechend geloaded werden!“
Orthogonal konnte unmöglich zuverlässig bedeuten, aber was denn um Himmels Willen dann? Vielleicht bedeutet orthogonal echt Supi, Spitze, könnte alles gar nicht besser sein ? Oder hatte ich mich verhört und es ging um Ordnung und Geschlechtsteile? Oder geht es um etwas, das ich auch nicht im Entferntesten ahnen kann?
„Ähem, ich glaube, ich verstehe nicht genau?“
„Das habe ich doch gerade gesagt: Die Arbeitsgruppenergebnisse zum xyz-Portal müssen dem Vorstand präsentiert werden, dabei sind die innovativen Aspekte besonders hervorzuheben!“
Ah ja! Volare! Portale!
„Innovativen Aspekte?“
hörte ich mich sagen. ‚Halt die Klappe, bügel das ab!‘ dachte ich bei mir. Sag zu dem nicht vorhandenen Portal ja nix. Ich blickte hoch und sah seinen strengen Blick. Oha, höchste Gefahr, der Wahnsinn galoppiert.
„Schließlich profitiert ihre Abteilung am meisten!“
Oh weia, oh weia, wer hat die dicksten E..., da hat jemand Angst vor der Leitung herumzukartoffeln.
„Je nun, ich denke, dass das ganze Unternehmen davon profitiert. Wir sind vielleicht diejenigen, die solche Projekte anregen, aber das ist schließlich unsere Funktion. Ich bin kein Techniker, die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe sollten meiner Ansicht nach von der Projektleitung vorgetragen werden. Ich bin schlicht nicht in der Lage alle wesentlichen technischen und einzelfachlichen Aspekte zu verstehen und folglich auch nicht in der Lage sie zu formulieren. Für solche Dinge sind sie die Fachleute.“
Und in diesem Moment hätte ich mir gewünscht, dass die Kollegin mir ins Ohr flüstert:
„Der Quirm quirmt!“
Man kann nicht alles haben im Leben.

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