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Georg Forster: Reise um die Welt 75
(Zweeter Aufenthalt auf den Societäts-Inseln)
(Zweeter Aufenthalt auf den Societäts-Inseln)
g. | Dienstag, 16. Februar 2010, 05:56 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Nach Verlauf zwoer Stunden kamen wir wieder, und unterdessen daß das Essen aufgetragen ward, erzählte uns Capitain COOK ganz umständlich, wie es bey der Zurichtung hergegangen war. Er hatte alles selbst mit angesehen, und da wir uns über diesen Gegenstand noch nirgends ausführlich erklärt haben; so will ich, zum Besten meiner Leser, des Capitains Beschreibung hier wörtlich einrücken. 1 Drey Kerls ergriffen ein Schwein, das ohngefähr 50 Pfund schwer seyn mogte, legten es auf den Rücken, und erstickten es, indem sie ihm queer über den Hals einen dicken Stock drückten, so, daß an jeder Seite einer mit seinem ganzen Körper darauf ruhte. Der dritte hielt die Hinterbeine, und, um alle Luft im Leibe zu verschließen, stopfte er dem Schwein ein Büschel Gras in den Hintern. Nach Verlauf von 10 Minuten war das Schwein todt. Während dieser Zeit hatten zween andre ein Feuer angemacht, um den sogenannten Ofen durchzuheizen, der aus einer Grube unter der Erde bestand, darinn eine Menge Steine aufgepackt waren. An diesem Feuer wardt das todte Schwein gesengt, und zwar so gut als hätten wirs in heißem Wasser gebrühet. Um es vollends rein zu machen, trugen sie es an das See-Ufer, rieben es dort mit Sand und Kieseln, und spülten es hernach wiederum sauber ab. Darauf ward es an den vorigen Ort zurückgebracht und auf frische Blätter gelegt, um auch von innen rein gemacht zu werden. In dieser Absicht ward der Bauch geöffnet, hiernächst der äußere Speck abgelöset, auf grüne Blätter bey Seite gelegt, und dann das Eingeweide herausgeschnitten; letzteres wurde sogleich in einem Korbe weggetragen und auch nicht wieder zum Vorschein gebracht; doch ich bin überzeugt, daß sie es nicht weggeworfen haben. Zuletzt nahmen sie das Blut und das innere Fett heraus, jenes ward auf grüne Blätter, dieses aber zu dem vorher schon abgesonderten Speck geschüttet. Nachdem hierauf das Schwein nochmals, von außen und innen, mit frischem Wasser abgewaschen war, steckten sie etliche heiße Steine in den Bauch, und ließen solche in die Höhlung der Brust hinunter fallen, stopften auch eine Anzahl frischer Blätter dazwischen ein. Mittlerweile war der Ofen, der aus einer mit Steinen ausgefüllten Grube oder Vertiefung in der Erde bestand, sattsam durchgeheizt; man nahm also das Feuer und die Steine, bis auf die unterste Schicht, weg, die so eben als gepflastert war. Auf diese ward das Schwein mit dem Bauch zu unterst gelegt; das Fett und Speck aber, nachdem es sorgfältig abgewaschen, ward in einem langen Troge, der aus einem jungen Pisangstamm ausdrücklich dazu ausgehöhlet worden, neben das Schwein gestellt. In das Blut warf man einen heißen Stein, damit es sich verdicken oder gerinnen mögte, alsdenn wurden kleine Portionen davon in Blätter gewickelt, und auch diese, nebst einer Menge Brodfrucht und Pisangs in den Ofen gebracht. Hierauf bedeckten sie alles mit frischem Laube, und dann mit dem Rest der geheizten Steine. Über diese wurde wieder eine Schicht Blätter hingestreuet und zuletzt noch allerhand Steine und Erde, hoch darüber aufgehäufet. Während der Zeit, daß dies Gericht unter der Erde stobte, deckten die Leute den Tisch; das heißt, sie breiteten an einem Ende des Hauses eine Menge grüne Blätter auf die Erde. Nach Verlauf zwoer Stunden und zehn Minuten ward der Ofen geöffnet und alles herausgezogen. Die Gäste setzten sich rund um die Blätter, die Eingebohrnen an das eine und wir an das andere Ende. Da wo WIR saßen, ward das Schwein aufgetragen; an jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und das Blut hingesetzt, welches beydes sie auch allein verzehrten und für ungemein schmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleisch nicht minder gut schmecken, weil es in der That ganz vortreflich zubereitet war, auch die Leute, welche die Küche besorgten, in allen Stücken eine nachahmenswerthe Reinlichkeit beobachtet hatten. 2- Kaum war das Schwein zerlegt, als die angesehensten Befehlshaber und ERRIOYS gemeinschaftlich darüber herfielen und ganze Hände voll des Bluts und des Fetts auf einmal verschlangen. Überhaupt aßen alle unsre Tischgenossen mit ungewöhnlicher Gierigkeit, indeß die armen TAUTAUS, die in großer Menge um uns her standen, sich an dem bloßen Zusehen genügen lassen mußten, denn für sie blieb auch nicht ein Bissen übrig. Unter allen Zuschauern waren OREA’S Frau und Tochter die einzigen die etwas bekamen, und beyde wickelten ihre Portionen sorgfältig in Blätter, um sie an einem abgesonderten Platze zu verzehren. Hier schien es, daß die Frauensleute essen dürfen, was durch Männer zubereitet und ausgetheilt wird; bey andern Gelegenheiten aber war es uns vorgekommen, als ob gewisse Leute NICHT essen dürften, was von dieser oder jener Person in der Familie war berühret worden. Doch können wir nicht eigentlich bestimmen, nach was für Regeln sie sich in diesem Stücke richten mögen. Zwar sind die TAHITIER nicht das einzige Volk, wo die Männer von den Weibern abgesondert speisen; vielmehr ist diese Gewohnheit auch bey einigen Nationen unter den NEGERN, imgleichen bey den Einwohnern auf Labrador eingeführt. Allein, so wohl jene NEGER, als auch die ESKIMAUX, bezeigen überhaupt eine ganz ungewöhnliche Verachtung für das andere Geschlecht, und eben diese mag denn auch Schuld daran seyn, daß sie nicht gemeinschaftlich mit ihren Frauen essen wollen. Bey den TAHITIERN hingegen, wo den Weibern in allen übrigen Stücken so gut und artig begegnet wird, muß jene befremdliche Ungeselligkeit noch eine andre Ursach zum Grunde haben, die sich vielleicht künftig einmal, vermittelst genauer Beobachtungen, wird entdecken lassen.“Der inzwischen berühmte Erdofen.
1 Aus Capitain COOKS gedruckter Reisebeschreibung gezogen.
2So weit Capitain COOK.
(Forster S. 626-9)
(so eben als gepflastert, stobte)
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