Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 27. Juli 2009
„Man muss mit den Leuten reden!“
Neukölln, Rixdorf am Abend. Noch ein Bier zum Feierabend, denke ich mir. Auf dem Weg zur U-Bahn ist keine gemütliche Kneipe zu finden. Der Durst gewinnt und ich betrete eine Schnapsboutique, die einen leicht angewanzten Eindruck macht – oder doch nicht?
Der Raum misst wohl hundert Quadratmeter. Links, drei Meter vor den Fenstern zur Straße ein langer Tresen. Der Wirt, ein älterer Türke, hantiert am Hühnergrill, schmeißt die Pommes mit Schwung in die Fritteuse, dreht sich um und lächelt mich einladend an.
„Ein Bier bitte!“
Er nickt, holt seine Pommes aus dem Öl. Abschütteln, den Dönerspieß korrigieren, Salat auf einen Teller, das halbe Hähnchen dazu. Er bringt den Teller zu einer Gruppe junger Leute in der Ecke.
„Döner und Bratwurst kommen gleich.“ Er geht zurück hinter den Tresen, zu seiner Küche.
Die vier am Tisch, zwei Dünne, ein Dicker und ein Vieh, haarlose Schädel über dumpfen Gesichtern, Bomberjacken, Millitärstiefelimitate. Ich sollte mir die Gäste genauer ansehen, wenn ich eine Kneipe betrete.
Ich trinke einen Schluck.
Die Kneipentür quietscht. Ein weiterer Gast kommt herein und setzt sich neben mich an den Tresen.
„’n Abend!“ Ich blicke zu ihm hoch. Meine Fresse: Der Kerl ist sicher 1,95 groß und fast ebenso breit, seine Oberarme haben etwa meinen Brustumfang und wölben sich unter dem T-Shirt, Hände wie Baggerschaufeln. Ein ungemein freundliches Gesicht lächelt mich an.
„’n Abend!“ Er setzt sich, bestellt sein Bier, wir kommen ins plaudern.
Er ist Pfleger an der Klinik für Nutztiere, erzählt mir von Kühen, Schafen und Giraffen. Giraffen? Na klar, die vom Zoo kämen auch vorbei. Schließlich hätte die Klinik einen guten Ruf und in der ganzen Stadt den einzigen Computertomografen, der auch für Kamele oder Giraffen geeignet wäre.
Die Kneipentür quietscht erneut, ein weiterer Gast. Wir drehen uns um. Eine Punkerin und so ziemlich das Gegenteil meiner Tresenbekanntschaft. Ein schmächtiges Persönchen mit einem Kindergesicht, das auf ‚hart’ getrimmt ist.
“Ein Döner mit Reis bitte!“ ruft sie schon an der Tür. Unser Wirt nickt.
„Zum mitnehmen oder hier essen?“
„Auf’m Teller bitte!“ Der Wirt holt einen Teller unter dem Tresen hervor, Besteck, legt alles bereit. Die junge Frau setzt sich, sieht nur kurz die vier vom Nebentisch an, nestelt an ihrer Schraube im Ohr herum.
Wir trinken einen Schluck und der Pfleger erzählt von einem Elefanten, den er zum Röntgen begleitet hat. Schwierig sei es Elefanten zu röntgen, sehr sensibel die Tiere, sie fassen nicht so leicht Vertrauen, man muss sie beruhigen, sie sanft dahin bugsieren, wo man sie haben will. Die Kollegen vom Zoo seien nett und kein Stück überheblich. Kein Stück!
„Warum lässtdu dirnichtne Ratte braten?“ nölt es aus der Ecke. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Ich wollte doch nur ein Bier trinken.
Hinter uns beginnt ein Wortwechsel, unser Wirt sieht sich nervös um, wärmt den Reis in der Mikrowelle auf. Der Streit wird lauter. Mein Gesprächspartner steht auf und geht zu den vieren, ich folge mit ungutem Gefühl.
„Das ist nicht gut, das was ihr da macht.“ Er sieht sie freundlich an.
„Ich mein, lasst doch das Mädel in Ruhe!“ Er breitet die Arme aus.
„Sie will doch nur 'was essen.“ Die vier sehen ihn, nicken und wenden sich wieder ihren Bieren zu. Wir gehen zurück an den Tresen.
„Das mit dem verbieten, das bringt nix, da wer’n die jungen Leute nur bockicht. Man muss mit ihnen reden, dann klappt’s!“

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