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Andächtelei
g. | Montag, 6. Juli 2009, 06:26 | Themenbereich: 'Worte und Wendungen'
Beim Stöbern in Texten von Georg Forster gefunden: Andächtelei.
Hach, vor langer Zeit, als ich noch dachte, man müsse sich alles mal ansehen, war ich auch in Lourdes. Dabei war ich vorgewarnt. Schon im Zug wurden wir von einer Gruppe rasant Gläubiger irgend einer Nationalität durch Gesinge gepeinigt. Immerhin waren wir schlau genug, kein Gespräch mit den Mitreisenden zu suchen, Neugier hin oder her, mit Wallfahrern zu reden, artet schnell in nicht endenwollende Belästigung aus. Lourdes war die Hölle. Es gab keine Chance dem kollektiven, organisierten Irrsinn zu entrinnen, nur Jerusalem soll noch schlimmer sein. Wir gaben unser Gepäck im Bahnhof auf und versuchten durch die Stadt zu schlendern, indes war solches unmöglich. Ohne Unterlass spukten die Busse neue Gruppen aus, die sich nach meinem Eindruck unverzüglich in den Kauf von Andenken stürzte, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen zuvor den Ort der Marienerscheinung zu besuchen. Glückliche Menschen machen mich nervös. Auch der überbordende Glaubenskitsch war weder originell noch ironisch gebrochen, wie man es zumindest gelegentlich in Rom sehen kann. (In Rom gab es, wenn ich mich recht erinnere, in der Nähe der stazione termini einen Souvenirladen, der ein Daumenkino mit einem sich in rasender Geschwindigkeit bekreuzenden Priester feilbot. Aber Rom zieht auch noch anders gestrickte Touristen an.) Wir haben dann Lourdes sehr schnell wieder verlassen.
Nicht entkommen kann man hingegen Kirchentagen in Freiburg. Mitte der 70er Jahre fand ein solcher in diesem südbadischen Städtchen statt. 200 000 Katholiken in einer Stadt mit 250 000 Einwohnern oder wie mein Wuppertaler Mitbewohner sagte: “Meine Fresse, allet voller Katholen!“
Ich war das nicht gewöhnt.
Im württembergischen sind die Evangelen in der Überzahl, weil unser allergnädigster Landesherr Herzog Ulrich 15hundert irgendwas sich auf die Seite der Lutheraner geschlagen hatte, die badischen Markgrafen hielten es dagegen zumindest teilweise mit den Papisten.
Die Stadt hatte ihre Einwohnerzahl für einige Tage verdoppelt, genächtigt wurde in Schulen, Verwaltungen, Firmen stellten ihre Kantinen zur Verfügung und mancher Bauer hatte eine Gruppe in seinem Heuschober.
Wenn man um halb sieben zur Frühschicht fuhr, strebten bereits Nonnen mit der Spitze des Regenschirms voraus in die Straßenbahn und wenn man nicht höllisch aufpasste, bohrten sie uns Unschuldigen die Schirmspitze zwischen die Rippen. Abends konnte man glücklich lächelnde, junge Menschen selbst im Reichsadler Spagetti Bolognese für fünf DM verzehren sehen, obwohl der Reichsadler einer der abgewanztesten Kneipen in Freiburg war, in den sich normalerweise nur Langhaarige ohne nennenswertes Einkommen, Drogenfahnder und Staatsschützer verirrten.
So kam ich zum zweiten Mal unter die Gläubigen, ich der ich nie eine christliche Erziehung genossen hatte, obwohl getauft und konfirmiert und später in Berlin fast noch einmal der Rechristianisierung durch die Steuerbehörden anheim gefallen bin.
Hach, vor langer Zeit, als ich noch dachte, man müsse sich alles mal ansehen, war ich auch in Lourdes. Dabei war ich vorgewarnt. Schon im Zug wurden wir von einer Gruppe rasant Gläubiger irgend einer Nationalität durch Gesinge gepeinigt. Immerhin waren wir schlau genug, kein Gespräch mit den Mitreisenden zu suchen, Neugier hin oder her, mit Wallfahrern zu reden, artet schnell in nicht endenwollende Belästigung aus. Lourdes war die Hölle. Es gab keine Chance dem kollektiven, organisierten Irrsinn zu entrinnen, nur Jerusalem soll noch schlimmer sein. Wir gaben unser Gepäck im Bahnhof auf und versuchten durch die Stadt zu schlendern, indes war solches unmöglich. Ohne Unterlass spukten die Busse neue Gruppen aus, die sich nach meinem Eindruck unverzüglich in den Kauf von Andenken stürzte, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen zuvor den Ort der Marienerscheinung zu besuchen. Glückliche Menschen machen mich nervös. Auch der überbordende Glaubenskitsch war weder originell noch ironisch gebrochen, wie man es zumindest gelegentlich in Rom sehen kann. (In Rom gab es, wenn ich mich recht erinnere, in der Nähe der stazione termini einen Souvenirladen, der ein Daumenkino mit einem sich in rasender Geschwindigkeit bekreuzenden Priester feilbot. Aber Rom zieht auch noch anders gestrickte Touristen an.) Wir haben dann Lourdes sehr schnell wieder verlassen.
Nicht entkommen kann man hingegen Kirchentagen in Freiburg. Mitte der 70er Jahre fand ein solcher in diesem südbadischen Städtchen statt. 200 000 Katholiken in einer Stadt mit 250 000 Einwohnern oder wie mein Wuppertaler Mitbewohner sagte: “Meine Fresse, allet voller Katholen!“
Ich war das nicht gewöhnt.
Im württembergischen sind die Evangelen in der Überzahl, weil unser allergnädigster Landesherr Herzog Ulrich 15hundert irgendwas sich auf die Seite der Lutheraner geschlagen hatte, die badischen Markgrafen hielten es dagegen zumindest teilweise mit den Papisten.
Die Stadt hatte ihre Einwohnerzahl für einige Tage verdoppelt, genächtigt wurde in Schulen, Verwaltungen, Firmen stellten ihre Kantinen zur Verfügung und mancher Bauer hatte eine Gruppe in seinem Heuschober.
Wenn man um halb sieben zur Frühschicht fuhr, strebten bereits Nonnen mit der Spitze des Regenschirms voraus in die Straßenbahn und wenn man nicht höllisch aufpasste, bohrten sie uns Unschuldigen die Schirmspitze zwischen die Rippen. Abends konnte man glücklich lächelnde, junge Menschen selbst im Reichsadler Spagetti Bolognese für fünf DM verzehren sehen, obwohl der Reichsadler einer der abgewanztesten Kneipen in Freiburg war, in den sich normalerweise nur Langhaarige ohne nennenswertes Einkommen, Drogenfahnder und Staatsschützer verirrten.
So kam ich zum zweiten Mal unter die Gläubigen, ich der ich nie eine christliche Erziehung genossen hatte, obwohl getauft und konfirmiert und später in Berlin fast noch einmal der Rechristianisierung durch die Steuerbehörden anheim gefallen bin.
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