Schwere Entscheidung
g. | Mittwoch, 14. November 2012, 06:37 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Gestern bei meinem Zigarettenhändler.
Ich gehe ja lieber in diese Berliner Eckläden, die neben Tabak und Zigaretten auch Bier, Schnaps, Wein und seit einigen Jahren auch so Gesöffe wie Red Dingsbums, also in Sprudel aufgelöste Gummibärchen sowie Zeitschriften und Süßigkeiten und Schulhefte und anderen Krimskrams führen.
Mein Eckladen wird von einer türkischen Familie betrieben, die nebenberuflich auch noch Sozialarbeiterfunktionen für den Kiez ausüben, also alten Leuten beim Briefmarken aufkleben helfen, Touristen zum S-Bahnhof weisen und den Kampftrinkern gelegentlich bedeuten, dass sie jetzt aber auch mal genug hätten.
Es gibt ja noch erstaunlich viele von diesen Läden.
Gestern nun kam ich von der Arbeit und wollte noch schnell die Zigarettenbestände auffüllen. Vor mir stand ein schüchterner junger Mann, dessen Kopf etwa bis zu meiner Gürtelschnalle ging. Hinter dem Tresen stand der ca. 25-jährige Sohn und wartete geduldig, gelegentlich beim Kopfrechnen aushelfend, den der etwa 4-jährige Kunde vor mir schien wild entschlossen sein gesamtes wöchentliches Taschengeld in Süßkram umzusetzen. In einer Papiertüte war schon eine beträchtliche Sammlung von Brausepulver, Schokoriegeln und Gummimäusen versammelt. Der Verkäufer hatte alles eingetippt und wohl auch schon den einen oder anderen Kauf storniert, weil Umentscheidungen nötig geworden waren.
Ich kannte das Problem: Welches ist die beste Mischung aus Comics, Süßigkeiten und Plastikblasrohren bei gegebener Barschaft? Zwei Falkhefte, eine Honigmuschel, drei Bogen Esspapier und ein grünblaubraun marmoriertes Blasrohr nebst Knetmasse als Munition oder Ein Tiborheft, eine Lakritzrolle, damals Bärendreck genannt, x Bögen Esspapier und ein Petzspender mit Goofykopf? Schwer: wie viel kostet jeder einzelne Posten und wie viel Vergnügen spendet jeder Posten bzw. in welcher Kombination winkt das höchste Vergnügen? Alles nicht so einfach.
Nun, der junge Mann vor mir schien den größten Teil dieser komplexen Überlegungen, Berechnungen und Abwägungen schon hinter sich gebracht zu haben. Nur eine Frage stand noch im Raum: er hielt zwei postkartengroße mit Schokolade überzogene Kaugummitafeln in den Händen. Die eine Tafel war mit einem großen Mr. Spock geschmückt, die andere zeigte das Raumschiff Enterprise vor einem Quasar oder wie die Dinger heißen. Welche sollte er wählen?
Der Verkäufer und ich sahen uns an und lächelten uns zu. Ich wog bedenklich mein Haupt: „Schwierige Entscheidung.“ Der Verkäufer nickte und sagte: „Ich würde die Enterprise nehmen.“
Erleichtert nickte der Kleine und der Verkauf war perfekt.
Ich gehe ja lieber in diese Berliner Eckläden, die neben Tabak und Zigaretten auch Bier, Schnaps, Wein und seit einigen Jahren auch so Gesöffe wie Red Dingsbums, also in Sprudel aufgelöste Gummibärchen sowie Zeitschriften und Süßigkeiten und Schulhefte und anderen Krimskrams führen.
Mein Eckladen wird von einer türkischen Familie betrieben, die nebenberuflich auch noch Sozialarbeiterfunktionen für den Kiez ausüben, also alten Leuten beim Briefmarken aufkleben helfen, Touristen zum S-Bahnhof weisen und den Kampftrinkern gelegentlich bedeuten, dass sie jetzt aber auch mal genug hätten.
Es gibt ja noch erstaunlich viele von diesen Läden.
Gestern nun kam ich von der Arbeit und wollte noch schnell die Zigarettenbestände auffüllen. Vor mir stand ein schüchterner junger Mann, dessen Kopf etwa bis zu meiner Gürtelschnalle ging. Hinter dem Tresen stand der ca. 25-jährige Sohn und wartete geduldig, gelegentlich beim Kopfrechnen aushelfend, den der etwa 4-jährige Kunde vor mir schien wild entschlossen sein gesamtes wöchentliches Taschengeld in Süßkram umzusetzen. In einer Papiertüte war schon eine beträchtliche Sammlung von Brausepulver, Schokoriegeln und Gummimäusen versammelt. Der Verkäufer hatte alles eingetippt und wohl auch schon den einen oder anderen Kauf storniert, weil Umentscheidungen nötig geworden waren.
Ich kannte das Problem: Welches ist die beste Mischung aus Comics, Süßigkeiten und Plastikblasrohren bei gegebener Barschaft? Zwei Falkhefte, eine Honigmuschel, drei Bogen Esspapier und ein grünblaubraun marmoriertes Blasrohr nebst Knetmasse als Munition oder Ein Tiborheft, eine Lakritzrolle, damals Bärendreck genannt, x Bögen Esspapier und ein Petzspender mit Goofykopf? Schwer: wie viel kostet jeder einzelne Posten und wie viel Vergnügen spendet jeder Posten bzw. in welcher Kombination winkt das höchste Vergnügen? Alles nicht so einfach.
Nun, der junge Mann vor mir schien den größten Teil dieser komplexen Überlegungen, Berechnungen und Abwägungen schon hinter sich gebracht zu haben. Nur eine Frage stand noch im Raum: er hielt zwei postkartengroße mit Schokolade überzogene Kaugummitafeln in den Händen. Die eine Tafel war mit einem großen Mr. Spock geschmückt, die andere zeigte das Raumschiff Enterprise vor einem Quasar oder wie die Dinger heißen. Welche sollte er wählen?
Der Verkäufer und ich sahen uns an und lächelten uns zu. Ich wog bedenklich mein Haupt: „Schwierige Entscheidung.“ Der Verkäufer nickte und sagte: „Ich würde die Enterprise nehmen.“
Erleichtert nickte der Kleine und der Verkauf war perfekt.
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Am Aufzug
g. | Dienstag, 30. Oktober 2012, 06:36 | Themenbereich: 'Begegnungen'
„Frauen und Kinder zuerst“ sagte eine Freundin in die Runde als nach dem Mittagessen ein Stau vor dem Aufzug entstand.
„Uffbasse!“ meinte dazu ein ebenfalls wartender Kollege und zog grinsend eine Augenbraue hoch. (Ich bewundere Leute, die die Augenbrauen getrennt bewegen können.)
„Uffbasse!“ meinte dazu ein ebenfalls wartender Kollege und zog grinsend eine Augenbraue hoch. (Ich bewundere Leute, die die Augenbrauen getrennt bewegen können.)
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In der Teeküche
g. | Mittwoch, 23. Mai 2012, 07:03 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ich komme herein und höre den Rest eines Satzes: „im Kommunikationsstil anstrengend.“
Neugierig frage ich nach: „Das ‚im Kommunikationsstil anstrengend‘ nannte man früher: eine Nervensäge?“
„Aber nein, anstrengend heißt, dass er sich nicht um Emails oder Bitten um Rückruf kümmert.“
„Von Toten hört man öfters, dass sie in dieser Weise kommunizieren?“
„Na, das wollen wir doch nicht hoffen.“
Ich setze Wasser auf und die beiden Kollegen unterhalten sich ohne mich weiter.
„Problematisch ist auch sein redundanter Argumentationsstil.“
„Stimmt und manchmal etwas hochnäsig und unhöflich.“
„Das schon, aber ungeheuer kompetent.“
So jetzt kenne ich und damit auch der geneigte Leser, die geneigte Leserin den Unterschied zwischen einer Nervensäge und „im Kommunikationsstil anstrengend.“
Neugierig frage ich nach: „Das ‚im Kommunikationsstil anstrengend‘ nannte man früher: eine Nervensäge?“
„Aber nein, anstrengend heißt, dass er sich nicht um Emails oder Bitten um Rückruf kümmert.“
„Von Toten hört man öfters, dass sie in dieser Weise kommunizieren?“
„Na, das wollen wir doch nicht hoffen.“
Ich setze Wasser auf und die beiden Kollegen unterhalten sich ohne mich weiter.
„Problematisch ist auch sein redundanter Argumentationsstil.“
„Stimmt und manchmal etwas hochnäsig und unhöflich.“
„Das schon, aber ungeheuer kompetent.“
So jetzt kenne ich und damit auch der geneigte Leser, die geneigte Leserin den Unterschied zwischen einer Nervensäge und „im Kommunikationsstil anstrengend.“
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Mein Opa und die Gefühlsvegetarier
g. | Donnerstag, 3. Mai 2012, 06:29 | Themenbereich: 'Begegnungen'
In der Kantine setze ich mich mal zu diesem, mal zu jenen. Der Aufbau einer festen Peer-Group hatte sich nie bewerkstelligen lassen, da immer einige auf Trebe sind.
Ich frage also eine Kollegin, die mir auf dem Weg zum Aufzug über den Weg läuft: „Hungrig?“ Sie sagt ja und so sind wir einige Minuten später in der Kantine. Kantinenessen ist – tja – nicht wirklich schlecht, aber auch nicht gut und für meine Gewohnheiten extrem fleischlastig. Nun ja, ich nahm also nicht übermäßig begeistert ein Schnitzel mit Pommes. Die Kollegin nahm die vegetarische Bratwurst mit Kartoffelbrei und so etwas hellem, flüssigem Irgendetwas das nach wenigen Minuten an der Oberfläche brach.
Wir setzen uns.
„Ich würde mich gelegentlich auch ganz gern für das vegetarische Gericht entscheiden. Ich finde es nur meistens so schrecklich lieblos zusammengeschustert. Schade eigentlich, Vorspeisen aus Italien, Spanien oder der Türkei – so ließe ich mir ein vegetarisches Mittagessen durchaus gefallen.“
„Stimmt“, meinte sie, „es ist häufig sehr ähnlich, immer ein Fleischersatz und dann eine Beilage dazu. Wobei ich eigentlich gar keine Vegetarierin bin. Es ist nur so, dass ich, wenn ich das Fleisch da liegen sehe, immer daran denken muss, dass es vor einigen Tagen noch ein lebendiges Tier war. Ich bin so die typische Gefühlsvegetarierin.“
‚Aha‘ dachte ich so bei mir und sah auf den panierten Fladen auf meinem Teller.
„Dich erinnert das Schnitzel hier an die Sau, aus der es geschnitten wurde?“
„Hör auf, sonst kann ich dir nicht mal mehr beim Essen zusehen.“
Eigentlich ist die Kollegin ganz nett und so kann ich mir nicht ganz erklären, warum mich der Teufel geritten hat und ich ihr erzählte, dass ich da ganz anders gestrickt sei.
Mein Opa, erzählte ich ihr, sei immer sehr darauf bedacht gewesen, dass wir Kinder, so bis wir 11 oder 12 Jahre alt waren, weder die Hühner noch die Karnickel im Stall streicheln. Das gäbe nur Ärger, wenn die Tiere dann in den Kochtopf wandern, meinte er. Futter bringen, ausmisten und dann wieder raus aus dem Stall, das war seine Devise.
Ich könne mich noch erinnern, erzählte ich ihr, wie ich als 4- oder 5-Jähriger im Hof des Hauses gestanden hätte und ihm beim Schlachten des Hahns für den Sonntagsbraten zusah. Ich fand das damals sehr faszinierend. Mit der linken Hand das Huhn an den Füssen packen, mit der rechten Hand das Beil nehmen, das Huhn mit dem Kopf auf den Hackklotz und ab. Das Huhn sei noch zwei Meter geflattert, dann sei es tot gewesen. Mein Opa hätte mich danach direkt angesehen und sei aber schnell beruhigt gewesen, als er sah, dass ich nicht erschreckt, sondern fasziniert von dem Vorgang gewesen sei.
„Ich habe das Huhn ohne Widerwillen zu Mittag gegessen. Es schmeckte sehr gut.“
„Hör auf oder ich rede nie wieder ein Wort mit dir.“
Es wachsen heute sehr viele Kinder in Gated Communitys auf, sei es in Kleinmachnow oder Prenzlauer Berg. Da kommt man weder mit Leben und Sterben, noch mit Wild- oder Haustieren in Kontakt, man kriegt komische Vorstellungen, was denn ein Ökosystem ist und irgendwann landet man bei Tierrechtlern oder Tierschützern, wird Veganer, nimmt Drogen oder wählt FDP.
Opa wuchs als Findelkind auf einem Bauernhof auf und das hieß viel Arbeit und wenig Freizeit, das hieß auch, dass er häufig die Schule versäumte, wenn irgendwas auf dem Hof zu tun war. Schließlich sollte sich der Esser rentieren. Damit er sich richtig rentiert wurde beim Essen gespart. Es gab exakt so viel wie der Bauer für ausreichend befand. So nimmt es nicht Wunder, dass mein Opa sich nicht vorstellen konnte, dass einem etwas nicht schmecke oder dass man etwas nicht essen dürfe. Er fand auch die Vorstellung absurd, dass man aus religiösen Gründen an bestimmten Tagen kein Fleisch essen dürfe. Gegessen wurde, was es gerade gab und in den Mengen, die man zur Verfügung hatte oder bis man satt war. Wenn jemand etwas nicht essen wollte, roch er daran, prüfte den Geschmack und sagte dann: „Es ist nicht verdorben.“ Er zwang allerdings auch niemand Speisen zu essen, wie es einige meiner Schulfreunde zu erdulden hatten. Es ging ihm nicht ums Prinzip. Wer nicht wollte, wollte halt nicht und hatte dann eben Pech gehabt.
Nun haben wir andere Zeiten und heute kann es sich ein Kind wie ein Erwachsener – zumindest in weiten Teilen Europas – leisten, seine Nahrung nach sinnvollen und auch weniger sinnvollen Kriterien auszuwählen. Man kann es sich sogar leisten, so viel oder so wenig Nahrung zu sich zu nehmen, dass man sein Leben gefährdet. Es ist in der Regel immer jemand da, der einen rettet, der sich darum sorgt. Man kann es sich also erlauben, aus einer simplen Überlebensnotwendigkeit ein Drama zu machen, ein Schau-Spiel, eine Aufforderung zur Beachtung oder eine Marotte.
Man muss allerdings nicht.
Die Frage wäre dann, warum gewinnen solche Dramen anscheinend immer mehr Anhänger?
Ich frage also eine Kollegin, die mir auf dem Weg zum Aufzug über den Weg läuft: „Hungrig?“ Sie sagt ja und so sind wir einige Minuten später in der Kantine. Kantinenessen ist – tja – nicht wirklich schlecht, aber auch nicht gut und für meine Gewohnheiten extrem fleischlastig. Nun ja, ich nahm also nicht übermäßig begeistert ein Schnitzel mit Pommes. Die Kollegin nahm die vegetarische Bratwurst mit Kartoffelbrei und so etwas hellem, flüssigem Irgendetwas das nach wenigen Minuten an der Oberfläche brach.
Wir setzen uns.
„Ich würde mich gelegentlich auch ganz gern für das vegetarische Gericht entscheiden. Ich finde es nur meistens so schrecklich lieblos zusammengeschustert. Schade eigentlich, Vorspeisen aus Italien, Spanien oder der Türkei – so ließe ich mir ein vegetarisches Mittagessen durchaus gefallen.“
„Stimmt“, meinte sie, „es ist häufig sehr ähnlich, immer ein Fleischersatz und dann eine Beilage dazu. Wobei ich eigentlich gar keine Vegetarierin bin. Es ist nur so, dass ich, wenn ich das Fleisch da liegen sehe, immer daran denken muss, dass es vor einigen Tagen noch ein lebendiges Tier war. Ich bin so die typische Gefühlsvegetarierin.“
‚Aha‘ dachte ich so bei mir und sah auf den panierten Fladen auf meinem Teller.
„Dich erinnert das Schnitzel hier an die Sau, aus der es geschnitten wurde?“
„Hör auf, sonst kann ich dir nicht mal mehr beim Essen zusehen.“
Eigentlich ist die Kollegin ganz nett und so kann ich mir nicht ganz erklären, warum mich der Teufel geritten hat und ich ihr erzählte, dass ich da ganz anders gestrickt sei.
Mein Opa, erzählte ich ihr, sei immer sehr darauf bedacht gewesen, dass wir Kinder, so bis wir 11 oder 12 Jahre alt waren, weder die Hühner noch die Karnickel im Stall streicheln. Das gäbe nur Ärger, wenn die Tiere dann in den Kochtopf wandern, meinte er. Futter bringen, ausmisten und dann wieder raus aus dem Stall, das war seine Devise.
Ich könne mich noch erinnern, erzählte ich ihr, wie ich als 4- oder 5-Jähriger im Hof des Hauses gestanden hätte und ihm beim Schlachten des Hahns für den Sonntagsbraten zusah. Ich fand das damals sehr faszinierend. Mit der linken Hand das Huhn an den Füssen packen, mit der rechten Hand das Beil nehmen, das Huhn mit dem Kopf auf den Hackklotz und ab. Das Huhn sei noch zwei Meter geflattert, dann sei es tot gewesen. Mein Opa hätte mich danach direkt angesehen und sei aber schnell beruhigt gewesen, als er sah, dass ich nicht erschreckt, sondern fasziniert von dem Vorgang gewesen sei.
„Ich habe das Huhn ohne Widerwillen zu Mittag gegessen. Es schmeckte sehr gut.“
„Hör auf oder ich rede nie wieder ein Wort mit dir.“
Es wachsen heute sehr viele Kinder in Gated Communitys auf, sei es in Kleinmachnow oder Prenzlauer Berg. Da kommt man weder mit Leben und Sterben, noch mit Wild- oder Haustieren in Kontakt, man kriegt komische Vorstellungen, was denn ein Ökosystem ist und irgendwann landet man bei Tierrechtlern oder Tierschützern, wird Veganer, nimmt Drogen oder wählt FDP.
Opa wuchs als Findelkind auf einem Bauernhof auf und das hieß viel Arbeit und wenig Freizeit, das hieß auch, dass er häufig die Schule versäumte, wenn irgendwas auf dem Hof zu tun war. Schließlich sollte sich der Esser rentieren. Damit er sich richtig rentiert wurde beim Essen gespart. Es gab exakt so viel wie der Bauer für ausreichend befand. So nimmt es nicht Wunder, dass mein Opa sich nicht vorstellen konnte, dass einem etwas nicht schmecke oder dass man etwas nicht essen dürfe. Er fand auch die Vorstellung absurd, dass man aus religiösen Gründen an bestimmten Tagen kein Fleisch essen dürfe. Gegessen wurde, was es gerade gab und in den Mengen, die man zur Verfügung hatte oder bis man satt war. Wenn jemand etwas nicht essen wollte, roch er daran, prüfte den Geschmack und sagte dann: „Es ist nicht verdorben.“ Er zwang allerdings auch niemand Speisen zu essen, wie es einige meiner Schulfreunde zu erdulden hatten. Es ging ihm nicht ums Prinzip. Wer nicht wollte, wollte halt nicht und hatte dann eben Pech gehabt.
Nun haben wir andere Zeiten und heute kann es sich ein Kind wie ein Erwachsener – zumindest in weiten Teilen Europas – leisten, seine Nahrung nach sinnvollen und auch weniger sinnvollen Kriterien auszuwählen. Man kann es sich sogar leisten, so viel oder so wenig Nahrung zu sich zu nehmen, dass man sein Leben gefährdet. Es ist in der Regel immer jemand da, der einen rettet, der sich darum sorgt. Man kann es sich also erlauben, aus einer simplen Überlebensnotwendigkeit ein Drama zu machen, ein Schau-Spiel, eine Aufforderung zur Beachtung oder eine Marotte.
Man muss allerdings nicht.
Die Frage wäre dann, warum gewinnen solche Dramen anscheinend immer mehr Anhänger?
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Über Testosteron
g. | Dienstag, 24. April 2012, 06:38 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Junge Männer im Rudel sind schwer erträglich. (Junge Frauen auch, aber darum soll es hier nicht gehen.) Junge Männer, die zum ersten Mal weg von häuslichem Herd und wohlwollender Obhut, sich in eigener Verantwortung und zumindest relativer Selbständigkeit ins Leben trauen oder geschoben werden, sind unerträglich und schlagen gelegentlich über die Stränge. Das ist auch gut so.
So auch ich. Es ist zwar schon einige Zeit her und begab sich zu einer Zeit als alle Welt so schnell wie möglich zu Hause ausziehen wollte, um sein Glück in der Welt zu machen. Sex ’n drugs ‘n rock ’n roll, geht hinaus in die Welt, auf dass ihr keine Stubenhocker werdet und mit Ende Zwanzig als Leiter der Getränkeabteilung des örtlichen Supermarkts das Ende eurer Karriere erreicht. Wie ich schon sagte: es war eine andere Zeit.
Wo waren wir? Ach ja richtig: Papa erzählt vom Krieg. Also, es gab mal eine Zeit, da wollte niemand, der einigermaßen bei Troste war, zum Bund, also zur Bundeswehr. Wer trotzdem hinging war entweder zu phlegmatisch oder zu dusslig, wer sich verpflichtete war in der Jungen Union oder kam aus schlimmen Verhältnissen. Die Frauen waren froh, dass ihnen die Geschlechtszugehörigkeit wenigstens ein Mal im Leben einen Vorteil verschaffte, die Männer verweigerten den Kriegsdienst. (Die grotesken Szenen vor demTribunal Ausschuss für Wehrdienstverweigerung könnte man auch mal erzählen. Weiß heute noch jemand, wer „der Russe“ war? )
So auch ich. Und es verschlug mich an ein Universitätsklinikum, zunächst in ein Forschungslabor und später dann auf eine allgemeinchirurgische Abteilung. Und als Erstes lernte ich, dass nicht jede Volksweisheit auch in jeder Situation richtig ist. Mein Vater pflegte ja zu sagen: „Wer saufen kann, kann auch arbeiten.“ Und würgte damit jegliche Diskussionen ab, ob man denn zur Schule gehen können oder ob man sich nicht etwas unpässlich fühle. In meinem Labor hatte ich nun Tag für Tag mit (schwach) radioaktivem Material zu tun und es gab Tage, da quälte ich mich doch sehr mit der notwendigen Sorgfalt und ich dachte so bei mir, Vattern, dein Rat ist auch nicht in jeder Lage und überhaupt.
Jedenfalls hatten wir unsere Ziviunterkunft im Schwesternwohnheim und wenn zehn junge Männer in der Blüte ihrer Jahre in einem Gebäude wohnen, dass mehrheitlich von jungen Frauen bewohnt wird, bleibt es nicht aus, dass man sich für einander interessiert und das gegenseitige Interesse dann auch bald praktisch wird. Die Rechtslage war dem eigentlich nicht förderlich, denn als Zivildienstleistende unterlagen wir dem Dienstrecht für Soldaten und das untersagte Damenbesuch. Nun da niemand kontrollierte, interessierte uns die Rechtslage schlankeweg überhaupt nicht. So weit so gut.
Die Rechtslage erforderte darüber hinaus, dass auf unserem Stockwerk im Wohnheim ein zweites Bad eingebaut werden muss und da die Umbaukosten niedrig gehalten werden sollten, wurde einfach eines der Zimmer zu einem zweiten Bad umgebaut. Dieses zweite Bad war nun entgegen der Rechtslage doppelt so groß wie Bäder üblicherweise zu sein hatten. Wir fanden das sehr angenehm.
Freiburg liegt bekanntlich in einer wasserreichen Gegend und so hatte einer unserer Mitbewohner ein Schlauchboot mit in die WG gebracht, dass wir auch mal an einem schönen Sommerwochenende auf den Altrhein bei Breisach gesetzt hatten. Nach fünf Minuten brachen wir den Versuch ab, da Myriaden von Stechmücken uns den Ausflug zur Hölle machten. Fortan lag das Schlauchboot immer irgendwo in der WG im Wege.
Genug der Vorreden. Eines Tages saßen wir in unserer Küche und tranken ein Schlückchen und so nach und nach trudelten die Damen von ihrer Schicht oder anderen Pflichten ein, setzten sich zu uns und tranken auch ein Schlückchen. Die Stimmung stieg und ein Scherz jagte den anderen. Jemand stellte seine Anlage auf Laut, damit wir am anderen Ende des Ganges de Musik auch gut hören konnten. Ein Anderer fand die Musik scheiße und legte eine andere Platte auf, die ihm besser gefiel. Da sein Zimmer direkt neben der Küche lag, musste er die Lautstärke nicht ganz so hoch drehen.
Dann kam die M. zu Besuch.
„Hey, seht mal was ich habe? Fingerfarben! Als ich die in dem Geschäft liegen sah, dachte ich sofort: das muss Spaß machen, wenn wir uns damit bemalen?“
Nun, ein Wort gab das andere und die Ursprungsidee, dass man sich die Gesichter gegenseitig bunt anmalen könne, wurde verworfen. Schließlich hätte die Kleidung eingesaut werden können und überhaupt. Nun, ein Wort gab das andere und wir waren inzwischen auch schon ziemlich angeschickert und wie der exakte Fortgang der Debatte sich entwickelte, kann ich nach so langer Zeit auch nicht mehr sagen. Am Ende lagen acht Junges und sechs Mädels nackt in der Badewanne und dem mit heißem Wasser gefülltem Schlauchboot. Wir bemalten uns gegenseitig und prosteten uns gelegentlich zu. Gelegentlich stand jemand auf, um an einer der beiden Anlagen eine andere Platte aufzulegen, neuen Wein aus dem Vorrat zu holen oder eine Zigarette zu rauchen. Schwimmende Kippen im Badewasser sind schließlich eine Sauerei.
Es wurde später und später und die Stimmung stieg und stieg und an dieser Stelle lassen wir mal einige Details aus, die zwar der geltenden Rechtslage widersprachen, aber ansonsten völlig harmlos waren. (30 Jahre später erzählte mir eine Kollegin ganz ähnliche Geschichten über Ernteeinsätze in der DDR, aber das gehört nicht hierher.)
Irgendwann klingelte es und da ich gerade eine Flasche entkorkte ging ich zur Tür, öffnete und fragte:
„Ja?“
Vor mir stand ein Assistenzarzt, den ich flüchtig aus der Klinik kannte, in Bademantel und mit zerzauster Frisur und starrte mich an. Ich sah an mir herunter, nackt und mit roten, grünen und gelben Flecken und Linien bedeckt, eine entkorkte Flasche in der einen und den Korkenzieher in der anderen Hand.
Bevor der Assistenzarzt sich fassen konnte, kamen weitere nackte und bunte Menschen aus dem Bad und den Zimmern und wollten wissen, wer gekommen sei.
„Es ist zu laut,“ sagte der Assistenzarzt leise. Wir sahen uns an.
„Wie spät ist es denn?“
„Halb fünf durch.“
„Wir machen dann gleich die Musik aus.“
„Okay“ , sagte er und ging wieder zum Aufzug.
Einige Tage später traf ich ihn in der Schlange vor der Essensausgabe. Er sah mich freundlich an und sagte:
„Erlaubt ist das aber sicher nicht, was sie da treiben, auf ihrem Stockwerk?“
„Nein, eigentlich verlangt die Rechtslage, dass jeder Besuch zu beantragen ist. Es kümmert sich aber keiner drum.“
„Na dann.“
So auch ich. Es ist zwar schon einige Zeit her und begab sich zu einer Zeit als alle Welt so schnell wie möglich zu Hause ausziehen wollte, um sein Glück in der Welt zu machen. Sex ’n drugs ‘n rock ’n roll, geht hinaus in die Welt, auf dass ihr keine Stubenhocker werdet und mit Ende Zwanzig als Leiter der Getränkeabteilung des örtlichen Supermarkts das Ende eurer Karriere erreicht. Wie ich schon sagte: es war eine andere Zeit.
Wo waren wir? Ach ja richtig: Papa erzählt vom Krieg. Also, es gab mal eine Zeit, da wollte niemand, der einigermaßen bei Troste war, zum Bund, also zur Bundeswehr. Wer trotzdem hinging war entweder zu phlegmatisch oder zu dusslig, wer sich verpflichtete war in der Jungen Union oder kam aus schlimmen Verhältnissen. Die Frauen waren froh, dass ihnen die Geschlechtszugehörigkeit wenigstens ein Mal im Leben einen Vorteil verschaffte, die Männer verweigerten den Kriegsdienst. (Die grotesken Szenen vor dem
So auch ich. Und es verschlug mich an ein Universitätsklinikum, zunächst in ein Forschungslabor und später dann auf eine allgemeinchirurgische Abteilung. Und als Erstes lernte ich, dass nicht jede Volksweisheit auch in jeder Situation richtig ist. Mein Vater pflegte ja zu sagen: „Wer saufen kann, kann auch arbeiten.“ Und würgte damit jegliche Diskussionen ab, ob man denn zur Schule gehen können oder ob man sich nicht etwas unpässlich fühle. In meinem Labor hatte ich nun Tag für Tag mit (schwach) radioaktivem Material zu tun und es gab Tage, da quälte ich mich doch sehr mit der notwendigen Sorgfalt und ich dachte so bei mir, Vattern, dein Rat ist auch nicht in jeder Lage und überhaupt.
Jedenfalls hatten wir unsere Ziviunterkunft im Schwesternwohnheim und wenn zehn junge Männer in der Blüte ihrer Jahre in einem Gebäude wohnen, dass mehrheitlich von jungen Frauen bewohnt wird, bleibt es nicht aus, dass man sich für einander interessiert und das gegenseitige Interesse dann auch bald praktisch wird. Die Rechtslage war dem eigentlich nicht förderlich, denn als Zivildienstleistende unterlagen wir dem Dienstrecht für Soldaten und das untersagte Damenbesuch. Nun da niemand kontrollierte, interessierte uns die Rechtslage schlankeweg überhaupt nicht. So weit so gut.
Die Rechtslage erforderte darüber hinaus, dass auf unserem Stockwerk im Wohnheim ein zweites Bad eingebaut werden muss und da die Umbaukosten niedrig gehalten werden sollten, wurde einfach eines der Zimmer zu einem zweiten Bad umgebaut. Dieses zweite Bad war nun entgegen der Rechtslage doppelt so groß wie Bäder üblicherweise zu sein hatten. Wir fanden das sehr angenehm.
Freiburg liegt bekanntlich in einer wasserreichen Gegend und so hatte einer unserer Mitbewohner ein Schlauchboot mit in die WG gebracht, dass wir auch mal an einem schönen Sommerwochenende auf den Altrhein bei Breisach gesetzt hatten. Nach fünf Minuten brachen wir den Versuch ab, da Myriaden von Stechmücken uns den Ausflug zur Hölle machten. Fortan lag das Schlauchboot immer irgendwo in der WG im Wege.
Genug der Vorreden. Eines Tages saßen wir in unserer Küche und tranken ein Schlückchen und so nach und nach trudelten die Damen von ihrer Schicht oder anderen Pflichten ein, setzten sich zu uns und tranken auch ein Schlückchen. Die Stimmung stieg und ein Scherz jagte den anderen. Jemand stellte seine Anlage auf Laut, damit wir am anderen Ende des Ganges de Musik auch gut hören konnten. Ein Anderer fand die Musik scheiße und legte eine andere Platte auf, die ihm besser gefiel. Da sein Zimmer direkt neben der Küche lag, musste er die Lautstärke nicht ganz so hoch drehen.
Dann kam die M. zu Besuch.
„Hey, seht mal was ich habe? Fingerfarben! Als ich die in dem Geschäft liegen sah, dachte ich sofort: das muss Spaß machen, wenn wir uns damit bemalen?“
Nun, ein Wort gab das andere und die Ursprungsidee, dass man sich die Gesichter gegenseitig bunt anmalen könne, wurde verworfen. Schließlich hätte die Kleidung eingesaut werden können und überhaupt. Nun, ein Wort gab das andere und wir waren inzwischen auch schon ziemlich angeschickert und wie der exakte Fortgang der Debatte sich entwickelte, kann ich nach so langer Zeit auch nicht mehr sagen. Am Ende lagen acht Junges und sechs Mädels nackt in der Badewanne und dem mit heißem Wasser gefülltem Schlauchboot. Wir bemalten uns gegenseitig und prosteten uns gelegentlich zu. Gelegentlich stand jemand auf, um an einer der beiden Anlagen eine andere Platte aufzulegen, neuen Wein aus dem Vorrat zu holen oder eine Zigarette zu rauchen. Schwimmende Kippen im Badewasser sind schließlich eine Sauerei.
Es wurde später und später und die Stimmung stieg und stieg und an dieser Stelle lassen wir mal einige Details aus, die zwar der geltenden Rechtslage widersprachen, aber ansonsten völlig harmlos waren. (30 Jahre später erzählte mir eine Kollegin ganz ähnliche Geschichten über Ernteeinsätze in der DDR, aber das gehört nicht hierher.)
Irgendwann klingelte es und da ich gerade eine Flasche entkorkte ging ich zur Tür, öffnete und fragte:
„Ja?“
Vor mir stand ein Assistenzarzt, den ich flüchtig aus der Klinik kannte, in Bademantel und mit zerzauster Frisur und starrte mich an. Ich sah an mir herunter, nackt und mit roten, grünen und gelben Flecken und Linien bedeckt, eine entkorkte Flasche in der einen und den Korkenzieher in der anderen Hand.
Bevor der Assistenzarzt sich fassen konnte, kamen weitere nackte und bunte Menschen aus dem Bad und den Zimmern und wollten wissen, wer gekommen sei.
„Es ist zu laut,“ sagte der Assistenzarzt leise. Wir sahen uns an.
„Wie spät ist es denn?“
„Halb fünf durch.“
„Wir machen dann gleich die Musik aus.“
„Okay“ , sagte er und ging wieder zum Aufzug.
Einige Tage später traf ich ihn in der Schlange vor der Essensausgabe. Er sah mich freundlich an und sagte:
„Erlaubt ist das aber sicher nicht, was sie da treiben, auf ihrem Stockwerk?“
„Nein, eigentlich verlangt die Rechtslage, dass jeder Besuch zu beantragen ist. Es kümmert sich aber keiner drum.“
„Na dann.“
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Stimmt exakt!
g. | Mittwoch, 4. April 2012, 06:43 | Themenbereich: 'Begegnungen'
"Zehnpfirsich"
sagte die Kassiererin im Supermatkt beim Herausgeben, wobei die beiden 'i's fast wie 'ü's klangen, aber das ist so in diesem Landstrich.
sagte die Kassiererin im Supermatkt beim Herausgeben, wobei die beiden 'i's fast wie 'ü's klangen, aber das ist so in diesem Landstrich.
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Uffm Gang
g. | Dienstag, 3. April 2012, 06:48 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ich treffe einen Kollegen aus einer anderen Abteilung auf dem Gang und sehe ihm direkt ins Gesicht.
„Sag mal“ , und grüble in mich hinein, „woher kennen wir uns?“
Er sieht mich angeknötert an.
„Na ja, ein Neger sieht aus wie der ondere!“
„Ne, na, ich war schon in einigen Weltgegenden, wo die Leute etwas anders aussehen als hierzulande. Dass nicht jeder mit dunkler Hautfarbe und krausen Haaren gleich aussieht, hatte ich schon mitgekriegt.“
Er zieht die Stirn kraus. Ich grüble weiter in mich hinein.
„Jetzt wo ich dich reden höre, du bist aus Hessen?“
„Ja? Isch bin aus Offebach.“
„Ah, kennst du den Sowieso?“
„Na klar, mit dem bin ich zur Schule gegangen. Du kennst ihn auch?“
„Er ist ein Freund von mir. Aber sag mal, ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns bei ihm schon mal begegnet sind?“
„Vielleicht auf einer seine wahnsinnigen Partys in den 80 oder 90ern?“
„Das könnte natürlich sein, ich war auf fast allen Besäufnissen, die er veranstaltet hat.“
„Na, dann sind wir uns da über den Weg gelaufen.“
„Wir haben auf jeden Fall nicht miteinander gequatscht, sonst würde ich mich erinnern.“
„Auf den Partys waren ja manchmal 80 bis 100 Leute, da kann man nicht mit jedem quatschen.“
Wir unterhielten uns noch eine Weile über den Sowieso und seine Eigenheiten und dass wir ihn auch schon einige Jahre nicht mehr gesehen hatten. Zum Schluss wollte er sich noch für das Missverständnis am Anfang entschuldigen, aber soweit kapiere ich schon noch, wie so ein Anrotzen zustande kommt, als dass eine Entschuldigung nötig wäre.
„Sag mal“ , und grüble in mich hinein, „woher kennen wir uns?“
Er sieht mich angeknötert an.
„Na ja, ein Neger sieht aus wie der ondere!“
„Ne, na, ich war schon in einigen Weltgegenden, wo die Leute etwas anders aussehen als hierzulande. Dass nicht jeder mit dunkler Hautfarbe und krausen Haaren gleich aussieht, hatte ich schon mitgekriegt.“
Er zieht die Stirn kraus. Ich grüble weiter in mich hinein.
„Jetzt wo ich dich reden höre, du bist aus Hessen?“
„Ja? Isch bin aus Offebach.“
„Ah, kennst du den Sowieso?“
„Na klar, mit dem bin ich zur Schule gegangen. Du kennst ihn auch?“
„Er ist ein Freund von mir. Aber sag mal, ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns bei ihm schon mal begegnet sind?“
„Vielleicht auf einer seine wahnsinnigen Partys in den 80 oder 90ern?“
„Das könnte natürlich sein, ich war auf fast allen Besäufnissen, die er veranstaltet hat.“
„Na, dann sind wir uns da über den Weg gelaufen.“
„Wir haben auf jeden Fall nicht miteinander gequatscht, sonst würde ich mich erinnern.“
„Auf den Partys waren ja manchmal 80 bis 100 Leute, da kann man nicht mit jedem quatschen.“
Wir unterhielten uns noch eine Weile über den Sowieso und seine Eigenheiten und dass wir ihn auch schon einige Jahre nicht mehr gesehen hatten. Zum Schluss wollte er sich noch für das Missverständnis am Anfang entschuldigen, aber soweit kapiere ich schon noch, wie so ein Anrotzen zustande kommt, als dass eine Entschuldigung nötig wäre.
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Der Anus Praeter in der S-Bahn
g. | Montag, 26. März 2012, 07:07 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ich sitze, noch immer etwas angeschnupft, in der Bahn und bin froh, dass der Arbeitstag vorüber ist. Die Zeitung weiterlesen? Mal sehen: Joachim Gauck mit großer Mehrheit zum 11. ..., Carsten Maschmeyer zum Bundesverdie …, Neuer Intendant …, ach nee. Dann lieber Träumen, an die Liebste denken…
Lüngellüngellüngel
„Ja?“
…
„Ach, hallo Gerda, nein ich bin gerade Jannowitzbrücke … Na, so in etwa einer halben Stunde … nein, Ersatzverkehr ist nur am Wochenende … Nein!“
…
„Wer? … Nein ich weiß schon wie die Nachbarin heißt, wer den Anus Praeter kriegen soll, wollte ich wissen? Der K. aus der 52, in der S-Straße? Interessant.“
…
Interessant, der K. aus der S-Straße Nr. 52 in Hohenschönhausen*, der bekommt also einen Anus Praeter. Nicht dass ich den K. aus der S-Straße kennen würde, aber man nimmt ja Anteil am Schicksal seiner Mitmenschen, vor allem wenn man nicht weghören kann. Ob jetzt allerdings der K. aus der S-Straße Nr. 52 in Hohenschönhausen möchte, dass seine Krankheiten in der Bahn ausgebreitet werden? Oder seine Frau oder seine Kinder? Na, jetzt weiß ich Bescheid.
„Oh Mann, das ist ja eklig. Es wird dann tatsächlich neben dem Bauchnabel ein zusätzliches Loch gemacht, wo dann die Scheiße in einen Beutel quillt?“
Das schien der Fall zu sein, denn der Mann kratzte sich am Kopf und konnte sich nicht mehr beruhigen vor Verwunderung und Schrecken. Nun hatte ich ja vor langer Zeit einen Teil meines Zivildienstes auch auf der Allgemeinchirurgie verbracht und wusste von was die Rede ist, (Ist übrigens weder sonderlich schrecklich noch besonders ekelhaft) aber vielleicht sollte er solche Themen eher am Abendbrottisch ventilieren?
„Und wie lange bleibt das Ding da hängen?“
Kommt drauf an, hätte ich ihm sagen können, wenn mir die sensationsheischende Art der Befragung der Gattin nicht langsam auf die Nerven gegangen wäre.
„Acht Wochen?“
Ein anderer Mitreisender meldete sich zu Wort: „Anus Praeter ist ein weitgehend überholtes Behandlungskonzept.“
Der Laberfürst am Telefon sah ihn fragend an.
„Ich bin Medizinstudent. Mit minimal-invasiver Chirurgie erzielt man schonendere und meist bessere Ergebnisse.“
„Wie heißt das?
„minimal-invasive Chirurgie“
„Hörst du, Gerda? Der Medizinstudent sagt, das wäre überholt, der K. muss das nicht machen. Sach das mal der F., seiner Frau, damit die dem nicht einfach so den Bauch aufschneiden.“
Ich sagte dann nur knapp: „Vielleicht sollten Sie die Beratung über die Behandlung einem Arzt überlassen.“
Und dann musste ich raus.
* bevor jemand anfängt zu forschen: Abkürzungen und Stadtteil sind natürlich geändert.
Lüngellüngellüngel
„Ja?“
…
„Ach, hallo Gerda, nein ich bin gerade Jannowitzbrücke … Na, so in etwa einer halben Stunde … nein, Ersatzverkehr ist nur am Wochenende … Nein!“
…
„Wer? … Nein ich weiß schon wie die Nachbarin heißt, wer den Anus Praeter kriegen soll, wollte ich wissen? Der K. aus der 52, in der S-Straße? Interessant.“
…
Interessant, der K. aus der S-Straße Nr. 52 in Hohenschönhausen*, der bekommt also einen Anus Praeter. Nicht dass ich den K. aus der S-Straße kennen würde, aber man nimmt ja Anteil am Schicksal seiner Mitmenschen, vor allem wenn man nicht weghören kann. Ob jetzt allerdings der K. aus der S-Straße Nr. 52 in Hohenschönhausen möchte, dass seine Krankheiten in der Bahn ausgebreitet werden? Oder seine Frau oder seine Kinder? Na, jetzt weiß ich Bescheid.
„Oh Mann, das ist ja eklig. Es wird dann tatsächlich neben dem Bauchnabel ein zusätzliches Loch gemacht, wo dann die Scheiße in einen Beutel quillt?“
Das schien der Fall zu sein, denn der Mann kratzte sich am Kopf und konnte sich nicht mehr beruhigen vor Verwunderung und Schrecken. Nun hatte ich ja vor langer Zeit einen Teil meines Zivildienstes auch auf der Allgemeinchirurgie verbracht und wusste von was die Rede ist, (Ist übrigens weder sonderlich schrecklich noch besonders ekelhaft) aber vielleicht sollte er solche Themen eher am Abendbrottisch ventilieren?
„Und wie lange bleibt das Ding da hängen?“
Kommt drauf an, hätte ich ihm sagen können, wenn mir die sensationsheischende Art der Befragung der Gattin nicht langsam auf die Nerven gegangen wäre.
„Acht Wochen?“
Ein anderer Mitreisender meldete sich zu Wort: „Anus Praeter ist ein weitgehend überholtes Behandlungskonzept.“
Der Laberfürst am Telefon sah ihn fragend an.
„Ich bin Medizinstudent. Mit minimal-invasiver Chirurgie erzielt man schonendere und meist bessere Ergebnisse.“
„Wie heißt das?
„minimal-invasive Chirurgie“
„Hörst du, Gerda? Der Medizinstudent sagt, das wäre überholt, der K. muss das nicht machen. Sach das mal der F., seiner Frau, damit die dem nicht einfach so den Bauch aufschneiden.“
Ich sagte dann nur knapp: „Vielleicht sollten Sie die Beratung über die Behandlung einem Arzt überlassen.“
Und dann musste ich raus.
* bevor jemand anfängt zu forschen: Abkürzungen und Stadtteil sind natürlich geändert.
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Über Lampen und Ampeln
g. | Dienstag, 6. März 2012, 05:36 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Wir drei stehen im Türsturz und diskutieren so vor uns hin. Da klingelt das Handy des Kollegen. Er geht Richtung Fenster, um den Empfang zu verbessern und übersieht im Eifer des Telefonierens die Stehlampe mit dem raumgreifenden Schirm. Boing!
Einer so: „Die Lampe ist groß und leuchtet. Eigentlich kann man sie nicht übersehen.“
Der Andere so: „Bei Ampeln ist das genauso.“
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An der Ampel
g. | Dienstag, 21. Februar 2012, 05:32 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Ein supereiliger Dödel versucht noch bei Rot über die Straße zu kommen, rutscht auf dem Eismatsch aus und rettet sich mühsam wieder auf die Mittelinsel. Der Fahrer des Kleinwagens, der nach rechts abbiegen wollte, muss warten, weil er den Fußgänger nicht über den Haufen fahren will. Der Fahrer hinter ihm hupt ihn an. Es geht ihm offensichtlich nicht schnell genug. Wenn der Abbieger den Fußgänger umgefahren hätte wäre es aber auch nicht schneller gegangen. Wolt ich nur mal gesagt haben.
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