Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Was auch noch gesagt werden könnte
Im Zusammenhang mit dem Gedicht von Günter Grass, das in fataler Weise als Katalysator für das Entweichen allerlei dumpfer Ressentiments diente, fiel mir eine Stelle bei Sebastian Haffner ein. Er beschreibt darin die Reaktionen auf die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Endlich habe ich sie gefunden:
„Jeder fühlte sich auf einmal bemüßigt und berechtigt, sich eine Meinung über die Juden zu bilden und sie zum besten zu geben. Man machte feine Unterscheidungen zwischen »anständigen« Juden und anderen; wenn die einen, gleichsam zur Rechtfertigung der Juden – Rechtfertigung wofür? wogegen? – ihre wissenschaftlichen, künstlerischen, medizinischen Leistungen anführten, warfen die anderen ihnen gerade dies vor: sie hätten Kunst, Wissenschaft, Medizin »überfremdet«. Überhaupt wurde es schnell üblich und populär, die Ausübung anständiger und geistig wertvoller Berufe den Juden als Verbrechen oder zum mindesten als Taktlosigkeit anzurechnen.“
( Haffner S. 146)
Aus diesem Anlass habe ich mir die Reaktionen in den Feuilletons anlässlich des Erscheinens der „Geschichte eines Deutschen“ nochmals vorgenommen. Man glaubt es kaum, aber es hat sich jemand bemüßigt und berechtigt gefühlt, die Echtheit der Erlebnisse zu bezweifeln.

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damals, Dienstag, 15. Mai 2012, 17:30
Wer? Wo? Das würde mich interessieren, das ist ja wirklich kaum zu fassen. Grass mit seinen dumpfen Ressentments geschieht es ganz recht, wenn er von seinen Gegnern mit ebenso dumpfen Ressentiments niedergemacht wird. (Diese Pseudo-Debatten interessiern mich wenig.) Aber die Aussagen eines so offensichtlich anständigen, klaren Autors wie Haffner in Zweifel zu ziehen, da gehört schon einiges dazu.

g., Mittwoch, 16. Mai 2012, 06:49
Beim Erscheinen 2001 konnten es einige nicht verknusen, dass es auch Leute gab, die schon frühzeitig die weitere Entwicklung ahnten und dann gab es natürlich noch die, die ihre Legenden verteidigen.

damals, Mittwoch, 16. Mai 2012, 12:16
Danke für den Link. Dass man über den Zeitpunkt der Niederschrift von Haffners Buch gestritten hat, das ist damals am Rand auch an mein Ohr gedrungen - ich hatte es als kleingeistige Mäkelei abgetan. Denn wenn Haffner seine Beobachtungen ein paar Jahre später niedergeschrieben, im negativsten Fall vielleicht sogar ihre Bedeutung überhaupt erst ein paar Jahre später begriffen haben sollte - das ändert ja rein gar nichts an der Wahrheit seiner Beobachtungen. Dass das aber offensichtlich einige zum Anlass genommen haben, an den geschilderten Tatsachen zu zweifeln, das ist mies. Mäkeln geht in Ordnung. Aber Wahrheit muss Wahrheit bleiben.

vert, Dienstag, 15. Mai 2012, 18:02
willkommen im ungarn des einundzwanzigsten jahrhunderts.
"unungarisch", "fremdherzig"

g., Mittwoch, 16. Mai 2012, 06:53
Ich krame gerade in meinem Gedächtnis. Diese neuesten Entwicklungen in Ungarn, setzen die nicht auf ganz alten Traditionen auf? Ich bin da nicht wirklich firm.