Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Familiengeschichten II
Ein Freund von mir war mal mit einer Dame liiert, deren Vorfahren immer schön abwechselnd Ärzte oder Pianisten waren.
Sie studierte Klavier an der HdK und eigentlich hatte sie weniger Bedarf an einem Freund als an einem Butler.
Wenn man bei den Beiden zu Besuch war, drehte sich alles um ihre aktuellen Bedürfnisse:

„Rainer, holst du mir bitte dies und das?“
„Ja, einen Augenblick bitte, ich versorge nur noch mal eben die Gäste.“
„Ooch Mönsch, bring mir doch schnell das oder dies?“

Und so ging das den ganzen Abend.
Da war dann die eine oder andere Zigarette und ein oder zwei Gläser Wein zur Stärkung der Lebenssäfte nötig.

Damals durfte man noch in Nichtraucherwohnungen eine paffen. Wenn ich heute am frühen Morgen auf unseren Balkon trete und meinen Nachbarn schräg gegenüber eine Zigarette bei -10°C rauchen sehe, denke ich an diese Zeiten zurück und murmle „armes Hascherl“ vor mich hin. Wenn ich dann allerdings die Mutter seiner Kinder ganz in Rosa gekleidet sehe, dann reduziert sich das Mitgefühl erheblich und ich denke ... Aber lassen wir den Hobbypsychologen heute mal stecken.

Wenn es ihr nicht gut ging, musste sich ihr Freund ausschließlich um sie kümmern.
Dies kam häufig vor.
Sie hatte eine wunderschöne Nase, aber einen etwas problematischen Charakter.
Gegen Ende ihrer Beziehung beschloss sie die Klimperei aufzugeben und doch noch Medizin zu studieren, obwohl sie vorher jahrelang behauptet hatte, dass sie keineswegs und nie und nimmer in stinkenden Bäuchen herumfingern würde. Wenn man sie nach dem Wert oder der Bedeutung von Tradition gefragt hätte, wäre mit Sicherheit eine Aussage wie: „Ich richte mich nicht nach so einem Scheiß!“ zu hören gewesen.

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