Georg Forster: Reise um die Welt 43
(Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay)
(Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay)
g. | Dienstag, 25. August 2009, 07:19 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
“… kamen wir zu einem hübschen Hause, in welchem ein sehr fetter Mann ausgestreckt da lag, und in der nachläßigsten Stellung, das Haupt auf ein hölzernes Kopfküssen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beschäftigt seinen Nachtisch zubereiten. Zu dem Ende stießen sie etwas Brodfrucht und Pisange in einem ziemlich großen hölzernen Troge klein, gossen Wasser dazu und mischten etwas von dem gegohrnen, sauren Teige der Brodfrucht darunter, welcher MAHAI genannt wird, bis das Gemische so dünn als ein Trank war. Das Instrument, womit sie es durchrieben, war eine Mörser-Keule von einem schwarzen polirten Steine, der eine Basalt-Art zu seyn schien. Inmittelst setzte eich eine Frauernsperson neben ihn und stopfte ihm von einem großen gebacknen Fische und von Brodfrüchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit sehr gefräßigem Appetit verschlang. Man sahe offenbar, daß er für nichts als den Bauch sorge, und überhaupt war er ein vollkommnes Bild phlegmatischer Fühllosigkeit. Kaum würdigte er uns eines Seitenblicks und einsylbigte Wörter, die er unterm Kauen zuweilen hören ließ, waren nur eben so viel Befehle an seine Leute, daß sie überm Hergucken nach uns, das Futtern nicht vergessen mögten. Das große Vergnügen, welches wir auf unsern bisherigen Spatziergängen in der Insel, besonders aber heut, empfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieses vornehmen Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der angenehmen Hoffnung geschmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde ausfündig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civilisation zu erreichen und dabei doch eine gewisse frugale Gleichheit unter sich zu erhalten gewußt habe, daß alle Stände mehr oder minder, gleiche Kost, gleiche Vergnügungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein hätten. Aber wie verschwand diese schöne Einbildung beym Anblick dieses trägen Wollüstlings, der sein Leben in der üppigsten Unthätigkeit ohne allen Nutzen für die menschliche Gesellschaft, eben so schlecht hinbrachte, als jene priviligirten Schmarotzer in gesitteten Ländern, die sich mit dem Fette und Überflusse des Landes mästen, indeß der fleißigere Bürger desselben im Schweiß seines Angesichts darben muß.“
(Forster S. 275/6)