Die Mächtigkeit von Tradition und Milieu
g. | Freitag, 6. Februar 2009, 06:31 | Themenbereich: 'so dies und das'
scheint mir in Vergessenheit geraten zu sein. Als eher laxer Lutheraner, der ich einmal war, sehe ich dem Agieren von Papst Benedikt bei der Rehabilitierung von Richard Williamson und den anderen Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit befremdetem Erstaunen zu.
Unter ethischen Maßstäben (wenn man sie nicht als individuelle relativiert) mutet die Aufhebung der Exkommunikation eines Priesters, der Völkermord leugnet, seltsam an. Es ging darum eine Gruppe, die sich aufgrund ihrer theologischen Auffassungen in Widerspruch zur Kirche gesetzt hatte, wieder in die Kirche zu holen. Die politischen, also öffentliche Angelegenheiten betreffenden Ansichten der Bischöfe spielten wohl keine Rolle. Man mag nun darüber spekulieren, ob sich der Vatikan über die Beurteilung durch die Allgemeinheit nicht im Klaren war oder sie glaubte ignorieren zu können, interessanter finde ich, dass Werte wie die Einheit der Kirche schlicht wichtiger waren als allgemeine ethische Maßstäbe.
Das Handeln, das Denken wird von Tradition und Milieu wirksamer bestimmt als durch Vernunft und Wissen.
Ähnlich stellt sich mir die Auseinandersetzung um Stauffenberg zwischen Richard Evans und Karl Heinz Bohrer dar. Was als Historikerdebatte auftritt, ist meines Erachtens eine Frage der Beurteilung aus unterschiedlichen Milieus und Traditionslinien. Evans argumentiert und wertet vom Standpunkt eines Briten (andere würden etwa als Deutsche, die vor dem Nationalsozialismus geflohen waren bzw. sich in einer ablehnenden Tradition verortend, zu ganz ähnlichen Wertungen kommen). Es ist ein Blick von Außen. Bohrer geht es um die Rettung einer Traditionslinie und so beharrt er auf dem historischen Abstand, um die moralische Integrität wahren zu können.
Unter ethischen Maßstäben (wenn man sie nicht als individuelle relativiert) mutet die Aufhebung der Exkommunikation eines Priesters, der Völkermord leugnet, seltsam an. Es ging darum eine Gruppe, die sich aufgrund ihrer theologischen Auffassungen in Widerspruch zur Kirche gesetzt hatte, wieder in die Kirche zu holen. Die politischen, also öffentliche Angelegenheiten betreffenden Ansichten der Bischöfe spielten wohl keine Rolle. Man mag nun darüber spekulieren, ob sich der Vatikan über die Beurteilung durch die Allgemeinheit nicht im Klaren war oder sie glaubte ignorieren zu können, interessanter finde ich, dass Werte wie die Einheit der Kirche schlicht wichtiger waren als allgemeine ethische Maßstäbe.
Das Handeln, das Denken wird von Tradition und Milieu wirksamer bestimmt als durch Vernunft und Wissen.
Ähnlich stellt sich mir die Auseinandersetzung um Stauffenberg zwischen Richard Evans und Karl Heinz Bohrer dar. Was als Historikerdebatte auftritt, ist meines Erachtens eine Frage der Beurteilung aus unterschiedlichen Milieus und Traditionslinien. Evans argumentiert und wertet vom Standpunkt eines Briten (andere würden etwa als Deutsche, die vor dem Nationalsozialismus geflohen waren bzw. sich in einer ablehnenden Tradition verortend, zu ganz ähnlichen Wertungen kommen). Es ist ein Blick von Außen. Bohrer geht es um die Rettung einer Traditionslinie und so beharrt er auf dem historischen Abstand, um die moralische Integrität wahren zu können.
g.,
Samstag, 7. Februar 2009, 06:29
Zwei lesenswerte
Einträge zur Entscheidung des Papstes (Revierflaneur, Spiegelfechter)
vert,
Freitag, 13. Februar 2009, 05:23
eine wirklich sonderbare gemengelage an schräger und falsch kanalisierter empörung, auf der jedeR sein und vor allen dingen ihr süppchen kochen konnte.
wenn man nicht wüsste, dass der chefchrist der ehemalige vorsitzende der heiligen inquisition ist und dass ihm ein umfassender agitprop-stab zur verfügung steht, könnte man glatt mitleid bekommen...
wie ich schon anderswo schrieb, ist das verhalten der katholischen kirche völlig konsistent - innerhalb ihres eigenen gedankengebäude.
dass sie damit nicht mehr die realität selbst religiöser menschen teilt, könnte allerdings grund zur reflexion sein. muss aber nicht und ist - zumindest aus diesen gründen - auch nicht vorgesehen.
wenn man nicht wüsste, dass der chefchrist der ehemalige vorsitzende der heiligen inquisition ist und dass ihm ein umfassender agitprop-stab zur verfügung steht, könnte man glatt mitleid bekommen...
wie ich schon anderswo schrieb, ist das verhalten der katholischen kirche völlig konsistent - innerhalb ihres eigenen gedankengebäude.
dass sie damit nicht mehr die realität selbst religiöser menschen teilt, könnte allerdings grund zur reflexion sein. muss aber nicht und ist - zumindest aus diesen gründen - auch nicht vorgesehen.
g.,
Montag, 16. Februar 2009, 06:13
Ich würde ihnen ja gerne zustimmen, nur fasziniert mich German Ratzinger, wie ihn ein italienischer Kabarettist, dessen Mutter einen schwunghaften Devotionalienhandel in Rom betreibt, einmal genannt hat, und seine ‚Disaster Area’ doch sehr, oder anders ausgedrückt: Der Katholizismus und auch das Bedürfnis nach Ehrenrettung für unseren Heldenattentäter, ist mir so fremd, dass ich immer wieder versuche, diese Denkweisen, ihren emotionalen Hintergrund und die anscheinend daraus folgenden Beurteilungsformen und Handlungssubstrate zu verstehen. Dies fällt mir schwer.
vert,
Montag, 16. Februar 2009, 17:31
das können auch nur katholiken verstehen... (was nicht heißt, dass sie es in der wirklichkeit gut finden)
karl-heinz bohrer ist und bleibt mein lieblingsreaktionär, der es trotz seiner wortmächtigkeit nicht schafft, das famose versagen des bürgertums und des konservatismus im ns zuzugeben oder auch nur zu beschreiben. und das weiß er auch.
karl-heinz bohrer ist und bleibt mein lieblingsreaktionär, der es trotz seiner wortmächtigkeit nicht schafft, das famose versagen des bürgertums und des konservatismus im ns zuzugeben oder auch nur zu beschreiben. und das weiß er auch.
g.,
Dienstag, 17. Februar 2009, 05:08
"..., und das weiß er auch."
Faszinierend (fascinierend?), wie kommen sie zu der Einschätzung?
Faszinierend (fascinierend?), wie kommen sie zu der Einschätzung?
vert,
Dienstag, 17. Februar 2009, 05:21
das geradezu pathologische abarbeiten am (immer fleißig in anführungsstrichen) "antifaschistischen" abarbeiten. sagt nach ein paar jahrzehnten mehr über den schreiber als über sein sujet. kein wunder, dass er beständig die werkimmanente analyse einfordert und auf den sozialwissenschaftlichen mumpitz schimpft;-)