Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 11. Februar 2009
Goethe: Italienische Reise
„Auf einem einsam stehenden Gasthofe, wo wir fütterten, waren zugleich ein Paar sizilianische Edelleute angekommen, welche quer durch das Land eines Prozesses wegen nach Palermo zogen. Mit Verwunderung sahen wir diese beiden ernsthaften Männer mit scharfen Taschenmessern vor einer solchen Distelgruppe stehen und die obersten Teile dieser emporstrebenden Gewächse niederhauen; sie fassten alsdann diesen stacheligen Gewinn mit spitzen Fingern, schälten den Stängel und verzehrten das Innere desselben mit Wohlgefallen. Damit beschäftigten sie sich eine lange Zeit, indessen wir uns an Wein, diesmal ungemischt, und gutem Brot erquickten. Der Vetturin bereitete uns dergleichen Stängelmark und versicherte, es sei eine gesunde, kühlende Speise, sie wollte uns aber so wenig schmecken als der rohe Kohlrabi zu Segeste.“
( Goethe: Italienische Reise S. 370/1)
Glücklicherweise ist uns der Bericht eines der beiden Edelleute, des Conte di Strangolapetri, überliefert:

Als wir des Abends unsere Herberge erreichten, standen zwei Nordländer vor dem Gastraum, die uns verwundert - ob unserer Artischockenausbeute - ansahen. Der Marchese Parozzo bot ihnen sogleich einen Teil unseres Gerichtes an, das unser Kutscher inzwischen zubereitet hatte. Es schien ihnen nicht zu schmecken. Anstatt herzhaft zuzulangen, stocherten sie nur höflich verlegen in dem Gerichte.
Schon bei der Ankunft klagte der eine – wie sich später herausstellte ein hoher Beamter bei Hofe, dass sein Gewand von Schweiß durchtränkt sei. Das Anerbieten unseres braven Wirtes, die Kleidung zum Lüften in den Wind zu hängen lehnte er ab. Als ich ihm pince empfahl, stellte sich heraus, dass ihm solche gänzlich unbekannt waren. Diese Nordländer sind gar wunderliche Leute. Im Laufe unseres Mahls erzählte der Beamte, dass in seinem Land zum Braten von Gemüsen und anderen Speisen keineswegs Öl vom Ölbaume daroben genutzt werde, sondern dass man allerlei Getier seines Fettes beraubt und damit Speisen zubereitet. So erklärt sich auch der ungeschlachte Körperbau der Fremden. Unklar aber bleibt, wie sie denn die Masse an Schweinen etc. ernähren? Wird dort nur für das Wohl der Tiere gearbeitet? Wohl kaum!


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