Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 16. Februar 2009
Zum Geleit: Extremlesen
Neben meinem Lesesessel türmen sich die Bücher. Ich lese andauernd, morgens, abends, am Wochenende und im Urlaub besonders viel, eigentlich werde ich nur ungern unterbrochen, etwa durch die Uhr, die signalisiert, dass ich unter die Dusche und zur Arbeit sollte, durch eine Katze, die meint: mir doch egal, was die große Katze da macht, durch Hunger und Durst, durch Frau und Freunde, durch die Lust das aufzuschreiben, was mir durch den Kopf geht, durch allerlei andere Dinge – Kochen zum Beispiel – die ich gerne tue und durch noch vieles andere, wovon sie nur einen sehr kleinen Teil jemals erfahren werden.

Extremlesen

Diese hier lese ich aktuell. Und das kommt so:
Zunächst muss etwas zu Wegschlabbern dabei sein, ein Roman wie ‚N’ von Dieter Kühn, ein Sachbuch zu einem Thema, das mich sehr interessiert, ‚Dem Verbrechen auf der Spur’ von Immanuel Baumann, ein Gedichtband darf nicht fehlen (Ror Wolf ‚Pfeifers Reisen’), ein Band mit Kurzgeschichten für eine angenehme Viertelstunde (wie wär’s mit James Ellroy ‚Endstation Leichenschauhaus’?), natürlich etwas zum Freuen, Alfred Polgar ist da immer wieder erste Wahl, und einiges zum Stöbern, Andreas Okopenko ‚Lexikon Roman’, die Tagebücher von Victor Klemperer; habe ich etwas vergessen?
Aber ja, was zum Gucken muss auch sein: Der Ausstellungskatalog ‚Mythos Babylon’.

Als Basso continuo schwingen die gerade von mir verfolgten Themen und Interessen mit, aktuell sind das:

• Erzähltechniken von Reiseliteratur
• Die Novemberrevolution
• Literarische Bilder von Berlin

Einige Themen verfolge ich über Monate und Jahre, andere begleiten mich nur wenige Tage, bevor ich mich von etwas anderem ablenken lasse.

Und wenn mir dann noch Jean Stubenzweig widerspricht und mich so animiert, mein Urteil noch einmal zu überdenken, treibt es mich in ungeplante Gefilde, zu Erich Mühsams Brief an den Genossen Lenin (Von Eisner bis Leviné. Die Entstehung der bayerischen Räterepublik), zu seiner Autobiografie, den ‚Unpolitischen Erinnerungen’ und wenn man schon mal dabei ist, liest man noch ein paar Gedichte, in ein Theaterstück könnte man auch noch reinsehen, ...
In den letzten Jahren hatte ich ein wachsendes Bedürfnis, manche Texte, z. B. von Karl Marx wieder zu lesen.
Bei der Gelegenheit sieht man dann einen längst vergessenen Schatz, Dylan Thomas etwa oder Jean-Patrick Manchette, den man fatalerweise mitnimmt, weil: da gab es doch eine Stelle, wie war das noch mal?

amuse gueule
Ein schöner Satz, eine grobe Bemerkung oder ein kühner Gedanke. Wenn mir etwas gefällt, schreibe ich es auf oder kopiere es. Leider vergesse ich häufiger, wem ich es zu verdanken habe oder aus welchem Text es ist.
Manchmal fällt mir auch etwas daran auf oder dazu ein, dann wird es unter ‚Notate und Anmerkungen‘ abgelegt.

Notate und Anmerkungen
Der Walter Benjamin, damit hat er recht:
„Die Kraft der Landstraße ist eine andere, ob einer sie geht oder im Aeroplan drüber hinfliegt. So ist auch die Kraft eines Textes eine andere, ob einer ihn liest oder abschreibt.“
(Einbahnstraße: Chinawaren)
Ein gelesener Text steuert zwar die Phantasie, gibt aber nur eine Richtung an, ein abgeschriebener Text zwingt einen in die Vorstellungswelt des Autors.
Diese Welt muss man weder begrüßen noch verurteilen, und ob man sie versteht, ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Damit sie eine Ahnung davon erhalten, was mir dabei vorschwebte und damit ich mich auch noch nach einiger Zeit daran erinnere, was mir daran bemerkenswert erschien, schreibe ich es mir hier auf. Schön, wenn sie etwas damit anfangen können.

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