Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 11. August 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 39
(Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay)
“Ein Mann von mittlern Alter, der in dieser Hütte seiner ruhe pflegte, nöthigte uns Platz bey ihm zu nehmen, und so bald dieses geschehen, untersuchte er meine Kleidung mit vieler Aufmerksamkeit. Er hatte sehr lange Nägel an den Fingern, worauf er sich nicht wenig zu gut that. Ich merkte auch bald, daß dies ein Ehrenzeichen ist, in so fern nemlich nur solche Leute DIE NICHT ARBEITEN, die Nägel so lang wachsen lassen können. Eben diese Gewohnheit findet man unter den Chinesern, und auch die sind sehr stolz darauf. Ob aber die Einwohner von TAHITI sie aus China her bekommen, oder ob zufälligerweise beyde Völker, ohne einige Gemeinschaft mit einander zu haben, auf solcherley Einfall gerathen seyn mögen? Das dünkt mich selbst für den Scharfsinn eines NEEDHAM* oder DES GUIGNES** zu hoch. In verschiednen Winkeln der Hütte saßen, hier die Mannsleute, dort die Frauenspersonen beysammen und nahmen so von einander abgesondert ihr Mittagsmahl zu sich, das in Brodfrucht und Pisangen bestand. Beyde Partheyen schienen, je nachdem wir uns einer oder der andern näherten, zu wünschen, daß wir mitessen mögten. Es ist eine sehr sonderbare Gewohnheit, daß sich hier zu Lande beyde Geschlechter beym Essen von einander trennen müssen; warum dies aber geschiehet, oder was Veranlassung zu diesem Gebrauch gegeben haben mag? Konnten wir eben so wenig als Capitain COOK auf seiner vorigen Reise in Erfahrung bringen.“
(Forster S. 265/6)
* John Turberville Needham (* 10. September 1713 in London; † 30. Dezember 1781 in Brüssel) hatte eine These zur Verwandtschaft der Völker aufgestellt.
** Joseph de Guignes 1721-1800), vertrat die Auffassung, dass die Chinesen von den Ägyptern abstammen.

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