Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Hýpnos und Thánatos,
der Schlaf und der Tod, die Söhne der Nacht wurden im antiken Griechenland meist als geflügelte Jünglinge dargestellt. Hypnos mit Mohnköpfen und einem kleinen Horn, Thanatos mit einer umgestürzten Fackel. Hypnos konnte selbst Zeus einschläfern, Thanatos war den Göttern verhasst.

Hypnos und Thanatos


„Here voll Ungestüms entschwang sich den Höhn des Olympos,
Trat auf Pieria dann und Emathiens liebliche Felder,
Stürmete dann zu den schneeigen Höhn gaultummelnder Thraker,
Über die äußersten Gipfel, und nie die Erde berührend,
Schwebete dann vom Athos herab auf die Wogen des Meeres;
Lemnos erreichte sie dann, die Stadt des göttlichen Thoas.
Dort nun fand sie den Schlaf, den leiblichen Bruder des Todes,
Faßt’ ihm freundlich die Hand und redete also beginnend:

Mächtiger Schlaf, der Menschen und ewigen Götter Beherrscher,
Wenn du je mir ein Wort vollendetest, o so gehorche
Jetzt auch mir! Ich werde dir Dank es wissen auf immer.
Schnell die leuchtenden Augen Kronions unter den Wimpern
Schläfre mir ein, nachdem uns gesellt hat Lieb’ und Umarmung.
Deiner harrt ein Geschenk, ein schöner nie alternder Sessel,
Strahlend von Gold: ihn soll mein hinkender Sohn Hephaistos
Dir bereiten mit Kunst, und ein Schemel sei unter den Füßen,
Daß du behaglich am Mahl die glänzenden Füße dir ausruhst.
(Homer Ilias 14, 225ff)



Hypnos hatte nette Kinder:
Morpheus, der Gestalt und Stimme von jedem nachahmen konnte und in einem Bett aus Elfenbein schläft
Phobetor, das wilde Tier, und
Phantasos, der sich in seelenlose Steine verwandeln kann.

„Wartet indeß, bis ihr des Hervorgehns Stunde herannaht.
Jene bringt die Helle des Lichts den Erdebewohnern;
Diese den Schlaf in den Armen, den Zwillingsbruder des Todes,
Sie die schreckliche Nacht, umhüllt mit finsterer Wolke.
Auch die Söhne der Nacht, der düsteren, haben ihr Haus dort,
Beide, der Schlaf und der Tod, die furchtbaren! Nimmer auf jene
Schauet Helios her mit leuchtenden Sonnenstralen,
Steig' er zum Himmel empor, und senk' er sich wieder vom Himmel.“
(Hesiod Theogonie 749)


Die Vorstellung von Schlaf und Tod als Brüder verselbständigte sich dann in vielen Texten und Bildern
über die Jahrhunderte :

Bald borg' die Stimme vom Demetrius,
Und reize keck Lysandern zum Verdruß;
Bald schimpf' und höhne wieder wie Lysander,
Und bringe so sie weiter auseinander,
Bis ihre Stirnen Schlaf, der sich dem Tod vergleicht,
Mit dichter Schwing' und blei'rnem Tritt beschleicht.
(Shakespeare: Ein Sommernachtstraum)
„Schlaf und Tod.
Ein Abendsegen
Komm, o Du des Todes Bild,
Sanfter Schlaf, und breite
Dein Gefieder über mich!
Süßen Schlummers Beute
Ist doch das ganze Leben!
Ist Traumwerk eitler Phantasie,
Die – ach, bald auch welket sie!
Sinkt mattem Schlummer zu!
In sanfter Ohnmacht Ruh
Schwimmen, schwinden hin der Seele Bilder!
Wie dämmernder Quell,
Alle Lebenswogen!
Wird's mir, wird es auch so sein
Im Todesschlummer?“
...
(Johann Gottfried Herder, 1767)
„Die Geschwister
Schlummer und Schlaf, zwei Brüder, zum Dienste der Götter berufen,
Bat sich Prometheus herab seinem Geschlechte zum Trost;
Aber den Göttern so leicht, doch schwer zu ertragen den Menschen,
Ward nun ihr Schlummer uns Schlaf, ward nun ihr Schlaf uns zum Tod.“
(Johann Wolfgang Goethe)

du übermeister necrophilus
du fleischfraß sarcophagus
du nimmersatteswürmgehäus
o miserere nobis!
du kühler blasser matthäus
miserere miserere...
du stummer aschenrosenbaum
du leuchterloser abertraum
du genialer schneidabsherz
o miserere nobis!
du wegweiser jenseitswärts
miserere miserere...
du jammerweinberg ohne end
du hartknöcherns sacrament
du lorbeerblume bitterheit
o miserere nobis!
du unerwartetes totenkleid
miserere miserere...
du unbekannter numerus gar
in staub aus haut und haar
du sterbengel!
schwing die latern ...
et miserere nobis!
(h.c. artmann treuherzige kirchhoflieder)
In heutiger Zeit scheint das Bild vom Schlaf als Bruder des Todes insbesondere
Schlafforscher, Esotheriker und Protestanten zu beschäftigen.

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