Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Bernward Vesper: Die Reise XI
S. 231-233
„Günter Wallraff in Konkret, familial: >Ulrikes Rote Armee<: >Eine planmäßig und straff durchgeführte Bewaffnung von Minderheiten würde willkommener Anlaß sein, einen NATO-Plan (der bereits ausgearbeitet ist) anzuwenden, …<



„Wallraffs Urteil liegt aber eine aber eine weiten aber eine weitere Motivation zugrunde, die er – genauso - wenig wie Brotherr Röhl zuvor – auszusprechen scheut: Daß er revolutionäre Gewalt, die immer >planmäßig und straff durchgeführte Bewaffnung von Minderheiten< war und sein wird, überhaupt ablehnt. Das kam heraus, als wir in Ulrike Meinhofs Wohnung über das Projekt >Gewalt in der herrschenden Gesellschaftsordnung< diskutierten. Entlarvt werden sollte in einer Kette von Untersuchungen, jene Lüge der Herrschaftsideologie, die kapitalistische Gesellschaft sei eine Ordnung, die sich ohne Gewalt aufrechterhält.

Zur Mitarbeit an den Analysen war Wallraff damals bereit, aber dann zog er sich auf die Illusion zurück, ein System, das so grausam ist, daß es alle diese physischen und psychischen Morde als Selbstverständlichkeit hinzustellen wagt, könne durch Aufklärung und müsse nicht durch Gewalt gestürzt werden.

Immerhin könnte man von Immerhin könnte man von Wallraff verlangen, daß er seine pazifistische Ideologie klarlegte – …

Aber da er alles, was für den Aufbau einer ROTEN ARMEE spricht, weggelassen hat (liest man seine Industriereportagen, muß man hinzufügen: wider besseres Wissen), er also die Solidarität, die zumindest Gerechtigkeit erfordert hätte, aufkündigt, muß er den Gegner moralisch erledigen, um dadurch seine Haltung zu rechtfertigen. Er bemerkt nicht, daß ein solches Urteil bei manchen schon jetzt, bei vielen bald sich gegen ihn zurückkehren könnte.“
Die Geburt des Rechtfertigungsdiskurses am Küchentisch: weil die, dann wir auch. Eine explizit moralische, unpolitische Argumentation.

Auf der anderen Seite der damaligen Debattenlinien: Außerhalb des bürgerlichen Heldenlebens gibt es nichts, nur Illusion. Kaum etwas. Verzweiflung natürlich. Oder ökologischen Anbau von Gemüse und Kinderläden. Sex ‘n Drugs ‚n Rock ‚n Roll. Und die Erfahrungsräume der Subkulturen.

Und mir geht durch den Kopf: Wie hat meine Mutter das ausgehalten als 1939 ihr Emanzipationsprozess durch die Nazis unterbunden wurde?

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