Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Mittwoch, 28. Mai 2014
Bernward Vesper: Die Reise VIII
S. 203-207
„Peyotl-Märchen

Und ich ging hinaus in den Garten, der da bei der Stadt war. Über die kurzgeschorene Wiese strich ein leichter Wind, in den tiefen Schatten der Gebüsche glänzten die Tropfen und Glockenblumen wucherten zwischen den Radspuren des Sommerwegs. Je weiter ich ging, um so stiller wurde es. Am liebsten hätte ich mich hier an den Wegrand gelegt und wäre eingeschlafen. Aber ich musste wachen und meine Augen aufsperren, ein Wimpernschlag hätte die sanfte Erscheinung des Gartens vor mir zerrissen. [Ich war ein Heiliger, von allen verlassen] Ich saß mit gekreuzten Beinen auf dem Hang eines kahlen Berges und sah das Leben der Menschen aufflammen und verlöschen wie Blitzlichtbirnen. Aber diese einzige Sekunde, in der sie mit ihren Augen und Haaren das Universum erhellten, benutzten sie, um sich aufeinander zu stürzen und sich voll Wut und Haß die Zähne in die Adern zu schlagen. In ihrer Verblendung kehrte sich jeder schließlich sogar gegen sich selbst und schändete sein heiliges Leben. Sie richteten immer neue Hindernisse auf, um sich von sich selbst zu entfernen,Labyrinthe, in denen sie sich verfingen, Katakomben,in denen ne dahinvegetierten, grausame Systeme, denen sie sich auslieferten und die sie schließlich zu Tode hetzten. Während das schweigende Weltall sich an ihrem kindlichen Spiel götzte. Ich sah die Verbrechen, die ich selbst angezettelt hatte, die Erpressungen und Gemeinheiten, die Folterungen und Morde. Und ich erkannte, daß es nur einen Ausweg gab, [ich mußte] hingehn und bereuen und ein für allemal umkehren und ein Ende machen.

Ich spürte die engen Kleider an meinem Leib und ging über die weite, helle Lichtung und flüsterte entsetzt in das Ohr von Millionen [aller] Menschen. »Habt Mitleid! Habt Mitleid miteinander, Ihr ertrinkt im Wasser der Zeit, zwischen den beiden gelben Ufern des Himmels!« Und ich weinte bitterlich. Und ich wußte, daß ich nur noch wenige Stunden zu leben hätte, und ich stand im Garten Gethsemane und ich freute …“
Und so geht es über mehrere Seiten weiter. Ein Peyotetrip mit Allmachts-/Ohnmachtsfantasien in christlichem Gewand. Nicht dass ich als Jugendlicher nicht auch solche Fantasien gehabt hätte, ganz ohne Peyote, Vesper war aber 30 als er das schrieb.

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