Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Rauf, runter, rauf, Rucksack drauf!
Das erste Jahr der Grundschule verbrachte ich in der Schule für Knaben im Stadtzentrum. Mit dem Roller (Ich hatte den tollsten Roller der Klasse, mit richtigen Speichenrädern und Schlauchreifen anstatt der damals üblichen Holzräder mit Stahlreifen. Ha!) die Straße runter, dreimal abbiegen, durch den Friedhof und die mittelalterlichen Gassen und schon stand man auf dem Schulhof.

Im zweiten Jahr wurde unsere Klasse samt Lehrer in eine neu gebaute Grundschule am Stadtrand verlegt. Im Gegensatz zur Knabenschule, einem riesigen Kasten aus dem 19. Jahrhundert, bestand die neue Schule aus futuristischen Pavillons. Der Schulweg verkürzte sich für mich auf die Hälfte, allerdings konnte man nicht mehr mit dem Roller anreisen.

Ich musste vielmehr mit meinem Ranzen zuerst einen Hügel mit Streuobstwiesen, die der Stadt gehörten und deren Obst man zum abernten kaufen konnte, (Kirschen! Zwetschgen! Mirabellen! Äpfel!) hinauf, dann durch einen Hohlweg im Wald (Haselnüsse! Walnüsse! Bucheckern!) eine kleines Stück wieder hinunter und dann über einen Berg mit der schönsten Unternehmervilla, die ich je gesehen habe, hinunter durch die Kleingärten (Johannisbeeren!) und zu einem Neubaugebiet, in dem auch die Schule lag.

Im dritten Schuljahr bekamen wir ein zusätzliches Fach. Der Lehrer dieses Faches war ein betagter Schulmeister mit weißem, langen Kittel, der uns die Sütterlinsche Kurrentschrift lehrte (Ob es sinnvoll ist, Drittklässler, die gerade mal mit dem lateinischen Schreiben und Lesen so eben sattelfest sind, mit der Kurrentschrift zu quälen, sei mal dahingestellt).
Begründet wurde dies mit dem Argument, dann könnten wir auch die Briefe der Oma lesen. Nun ja, meine Oma schrieb ihre Briefe in Kurrentschrift, allerdings habe ich von ihr nie einen Brief erhalten.
Da er ein Schulmeister von altem Schrot und Korn war, begleitete er seinen Unterricht stets mit allerlei pädagogischen Sinnsprüchen, die ich alle vergessen habe.
Nur einer seiner Lehrsprüche ist mir seltsamerweise im Gedächtnis geblieben:

Rauf, runter, rauf, Rucksack drauf!
Also / , dann \ und wieder / und völlig klar: 3.
Ergibt was?
Das K in Kurrentschrift k_suetterlin. Eigentlich ganz einfach:

K_gross_suetterlinu_suetterlins_suetterlins_suetterlinw_suetterlini_suetterlinn_suetterlink_suetterline_suetterlinl_suetterlin

Wenn Sie sich einen Zeichensatz herunterladen oder das kleine Übersetzungsprogramm auf der oben angegebenen Seite benutzen, sieht es natürlich sehr viel eleganter aus.
Wenn wir nicht Kurrentschrift übten, wurde mit Hilfe der Briefe von Jürnjakob Swehn Fraktur lesen geübt. Auch wenn das damals eine Quälerei war, heute bin ich dankbar, dass ich es kann.

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nnier, Montag, 29. März 2010, 11:31
Äh. Was steht denn da!? Mir ist diese Schrift schon immer sehr fremd gewesen. Allerdings weiß ich von meinem lieben Großvater noch folgendes:

"Auf - ab - auf - Tippeli drauf!"

(Er wunderte sich damals sehr über unsere seitenlangen Schreibschrift-Übungen im Heft, denen übrigens noch bestimmte Bogen- und Schwungübungen vorausgegangen waren.)

g., Dienstag, 30. März 2010, 07:39
Geschrieben steht da ‚Kusswinkel’. Wenn Sie sich jetzt fragen, was denn ein Kusswinkel sein soll? Nun, mit dem Kusswinkel verhält es sich so, wie mit den Quirmen. Ein Kusswinkel könnte also sowohl der verschwiegene Ort sein, an dem sie ihre Liebst zum ersten Mal geküsst haben, etwa unter dem Birnbaum hinter der Scheune, oder aber auch der bevorzugte Winkel an dem Sie sie gerne küssen, am Hals hinter dem Ohr, oder ...