Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 18. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 83
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Wir waren in voller Unterredung, und die guten Leute dem Ansehen nach äußerst vergnügt, als der erste Lieutenant in die Cajütte trat und dem Capitain berichtete, daß einer von den Indianern verlangt habe, ins Schiff gelassen zu werden; daß es ihm aber verweigert worden, weil es schon gedrängt voll gewesen. Der Indianer habe darauf seinen Pfeil gegen den Matrosen gerichtet, der, vom Boote aus, das Canot zurückgestoßen. Ob die anwesenden Insulaner aus des Lieutenants und aus unsern Mienen den Inhalt seines Anbringens errathen, oder, ob sie durch ein einzelnes Wort ihrer Kameraden außerhalb dem Schiff, gewarnt werden mochten? Will ich nicht entscheiden; Genug, der Lieutenant hatte noch nicht ausgeredet, als einer von den Indianern schon aus dem offenstehenden Cajütten-Fenster hinaussprang, und nach seinem aufgebrachten Landsmann hinschwamm, um ihn zu besänftigen. Der Capitain gieng unterdessen mit einer geladenen Flinte aufs Verdeck und schlug auf den Indianer an, der wider Willen seiner Landsleute immer noch fortfuhr nach dem Matrosen zu zielen. So bald der Kerl bemerkte, daß der Capitain ihm eines Beybringen wollte, richtete er seinen Pfeil auf diesen. Nun riefen die Indianer, die sich um das Schiff her befanden, denen in der Cajütte zu, und da diese von der Widersetzlichkeit ihres Landsmannes die schlimmsten Folgen besorgen mogten, so stürzten sie sich, einer nach dem andern, zum Cajüttenfenster hinaus, ohnerachtet wir alles anwandten, ihre Besorgnisse zu stillen. Mittlerweile hörten wir einen Flintenschuß losgehen und eilten deshalb aufs Verdeck. Der Capitain hatte auf den Kerl eine Ladung Hagel abgefeuert, und ihn mit etlichen Körnern getroffen. Dieser ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern legte seinen Pfeil, der nur eine hölzerne Spitze hatte, ganz bedächtlich auf die Seite, und suchte dagegen einen andern hervor, der vergiftet zu seyn schien. So bald er mit diesem von neuem zielen anfieng, schoß ihm der dritte Lieutenant das Gesicht voll Hagel, worauf er mit einmal alle Lust verlohr, weiter zu fechten, und hurtig ans Land zurück ruderte. An seiner statt schoß ein andrer Indianer, von jener Seite des Schiffes, einen Pfeil aufs Verdeck, der im Tauwerk des mittelsten Mastes stecken blieb. Auf diesen feuerte man eine Kugel ab, die jedoch zum Glück nicht traf. Nunmehro ruderten alle Canots nach und nach ans Land, und die Indianer die noch an Bord waren, stürzten sich in die See, um in der Flucht ihr Heil zu suchen. Einer besonders, der sich eben auf dem Mastkorb befand, und gewiß nichts weniger als einen solchen Lerm besorgte, kam beym Abfeuern der beyden Schüsse höchst erschrocken und mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit vom Mast herunter. Um ihr Schrecken zu vergrößern und von unserer Gewalt eine Probe zu geben, war eine Canonenkugel über sie weg und zwischen die Bäume nach dem Lande hin, gefeuert, welches ihre Flucht vollends beschleunigte. Die uns am nächsten waren, sprangen vor Angst aus den Canots in die See, und alle retteten sich in der größten Verwirrung nach dem Ufer. Kaum hatten sie dasselbe erreicht, so hörte man in unterschiednen Gegenden Lerm trommeln, und sahe die armen Schelme theils hin und her laufen, theils unter dem Buschwerk truppweise beysammen hucken, ohne Zweifel um Rath zu halten, was bey so critischen Zeitläuften zu thun sey? Wir unsers Theils setzten uns indessen gaz ruhig zum Frühstück nieder.“
(Forster S. 685/6)
(ganz bedächtlich, den Schrecken zu vergrößern und von der Gewalt eine Probe geben)

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