Georg Forster: Reise um die Welt 80
(Zweeter Aufenthalt auf den Societäts-Inseln)
(Zweeter Aufenthalt auf den Societäts-Inseln)
g. | Dienstag, 9. März 2010, 06:50 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Die Nachrichten älterer Reisender bezeugen, daß zwischen dem 170 und 180sten Grad östlicher Länge von GREENWICH, und innerhalb des 10ten bis zum 22ten Grade südlicher Breite, eine große Menge Inseln liegen. So viel wir bis jetzt von denselben wissen, scheinen sie allesammt durch einerley Art von Leuten bewohnt zu seyn, die denselbigen Dialect der Südsee-Sprachen reden, alle in gleichem Grade gesellig und alle zum Handel geneigt sind. Diese Eylande könnte man also insgesammt zu den sogenannten FREUNDSCHAFTLICHEN INSELN rechnen. Sie sind durchgehends sehr stark bewohnt, vornehmlich diejenigen, die WIR besucht haben. TONGATABU ist gleichsam von einem Ende zum andern als ein einziger großer Garten anzusehen. EA-UWHE, NAMOCKA und die zunächst gelegenen Inseln, gehören ebenfalls zu den fruchtbarsten Landflecken der ganzen Südsee. Wir können also ohne Unwahrscheinlichkeit annehmen, daß die Zahl der Einwohner auf allen diesen Inseln sich wenigstens gegen 120,000 erstrecken müsse. Das gesunde Clima und die vortrefflichen Früchte desselben, machen, daß sie von den mannigfaltigen Krankheiten, die uns Europäer so leicht wegraffen, gar nichts wissen; und die Einfalt ihrer Begriffe steht mit dem geringen Maaß ihrer Bedürfnisse in vollkommenem Gleichgewicht. In den Künsten haben sie es weiter gebracht, als andre Völker der Südsee; die Schnitzkunst und andre nützliche Handarbeiten machen ihren Zeitvertreib aus, dem eine wohlklingende Music noch mehren Reiz giebt. Die größere Ausbildung ihres Geschmacks bringt ihnen auch noch DEN Vortheil, daß mehr Begriff und Gefühl vom Werth der körperlichen Schönheit haben, und eben dieses Gefühl ist es, welches die zärtlichsten Verbindungen in der menschlichen Gesellschaft, die gegenseitige Neigung beyder Geschlechter, so angenehm als dauerhaft macht. Überhaupt genommen sind sie arbeitsam; ihr Betragen gegen die Fremden aber dünkte uns mehr höflich, als aufrichtig zu seyn, so wie auch der allgemeine Wucher, die wahre Herzensfreundschaft bey der Nation überhaupt verdrungen, und deren statt eine steife Höflichkeit hervorgebracht zu haben scheint. Dies alles ist dem Character der TAHITIER gerade entgegen gesetzt, denn diese finden am unthätigen Leben Wohlgefallen; sind aber viel zu aufrichtig, als daß sie sich bey ihrem Betragen um den äußern Schein gewisser Manieren bewerben sollten. Dagegen giebt es auf TAHITI und den Societäts-Inseln viele in Wollust versunkne ERRIOYS, deren moralischer Charakter etwas abgewürdigt zu seyn scheint; indeß auf den FREUNDSCHAFTLICHEN Inseln alle jene Laster, die der übermäßige Reichthum zu veranlassen pflegt, dem Anschein nach, noch ziemlich unbekannt sind.“
(Forster S. 668/9)
(in gleichem Grade gesellig, sehr stark bewohnt, Krankheiten, die uns so leicht wegraffen, in Wollust versunken)