Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 21. November 2011
Über kalte Hühnerbeine
Habe ich eigentlich schon mal davon erzählt, dass ich jeden Samstag auf den Boxhagener Markt gehe? Na egal, auf jeden Fall wartete ich wie gewöhnliche an der nordöstlichen Ecke neben dem orangenen Abfalleimer gegenüber von dem Zigarettenladen alldiwo ich damals den Österreicher, der mir einen … aber das wissen sie ja bereits.
Eigentlich müsste man sowieso noch etwas weiter ausholen:

Ich liebe ja Huhn in Riesling, das fast so ist wie coq au vin, nur ein bisschen anders und statt Beaujolais (?) nimmt man eben Riesling.
Genau genommen bereitet man das Rieslinghuhn, wie es im Elsass und im benachbarten Baden-Württemberg gegessen wird, folgendermaßen zu:
Man braucht zunächst ein Huhn bzw. eigentlich einen Hahn, denn früher wurden die Damen zum Eierlegen benötigt und die Kerle, bis auf einen, kamen in die Bratröhre.

Die Großmutter meiner Frau pflegte übrigens gelegentlich den jungen Frauen den Merkvers:
„Mädchen, die rauchen und Hühnchen, die krähen,
soll man beizeiten die Hälse umdrehen!“
mißbilligend vorzudeklamieren. Aber das gehört nicht hierher. Dass es sich um einen unreinen Reim handelt soll uns auch nicht weiter interessieren. Dass Hühner ziemlich hysterisch sind und sich leicht aufregen, ist ohne Belang. Wobei … aber das ist eine andere Geschichte.
In Süddeutschland nennt man die Tiere übrigens Göckeler. Der Göckeler sollte von guter Qualität sein, muss aber nicht unbedingt aus der Bresse kommen, ein ordentliches Ökohuhn tut es auch. Hähnchen aus Massentierhaltung hingegen haben oft einen schmierigen Geschmack. Zumindest bilde ich mir das ein. Nun ja, sie können ein Huhn aus einigermaßen artgerechter Haltung natürlich auch aus anderen Gründen verwenden.

Die Haut des Huhn wird abgelöst und beiseite gelegt. Das Tier in mundgerechte Stücke zerlegen, Bürzel und üppigere Fettpolster entfernen und in den Suppentopf oder Mülleimer schmeißen.
Zwei große Zwiebeln in kleine Würfel schneiden.
Die Hühnerteile salzen und pfeffern und nach und nach in einer Reine mit Butterschmalz anbraten. Die Zwiebeln hinzugeben und glasig dünsten. Eine Flasche Riesling dazu, etwas Zitronenschale darüber reiben und etwa 45 Minuten ohne Deckel schmoren lassen.
Wenn das Huhn fertig ist und die Zwiebeln, das Hühnerfett und der Riesling eine schöne Soße erzeugt haben, die Haut des Huhn in schmale Streifen schneiden und mit wenig Fett knusprig ausbacken. Wenn sie nicht aufgepasst haben, ist die Hühnerhaut verbrannt und taugt nur noch für den Mülleimer, wenn sie alles richtig gemacht haben: auf etwas Küchenkrepp abtropfen lassen und mit etwas Petersilie über das Huhn streuen. Baguette oder Ciabatta dazu.

Kann man essen.

Wo waren wir? Richtig: gegen Hühnerbeine ist grundsätzlich nichts einzuwenden.

Ich stand also am orangen Mülleimer der Stadtreinigung und rauchte eine Zigarette als sich fünf schwer betrunkenen Briten mit Bierflaschen und kalten Hühnerbeinen in den Händen durch das morgendliche Marktgetümmel drängelten, mal den Einen anpöbelten, mal den Anderen anrempelten und mit Bier bespritzten. Berlin scheint zunehmend interessant für die Trunkenbolde aller Länder zu werden. Be happy, be drunk, be Berlin! Na gut, dachte ich, wenn die jungen Leute zu Hause sich keinen auf die Glocke gießen dürfen? Nur waren die Fünf nicht einfach nur betrunken, sie waren auch nicht einfach sternhagelvoll, nicht knülle oder voll wie eine Haubitze, sie hatten anscheinend eine Druckbetankung an sich durchgeführt.
Der Erste schlug sich seine Bierflasche gegen die Zähne, weil er offensichtlich nicht mehr wusste, wo sich denn die Körperöffnung zum Trinken so genau befindet, zwei weitere Jungs versuchten mit ihren Hühnerbeinen die gleiche Öffnung zu treffen. Einer der Beiden schmierte sich das Hühnerfett undekorativ auf das Gesicht, rülpste mehrfach hintereinander und fand das sehr spaßig. Richtiggehend überfordert waren aber alle fünf angesichts des orangenen Mülleimers.

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