Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Dienstag, 23. März 2010
Georg Forster: Reise um die Welt 84
(Nachricht von unserm Aufenthalt auf Mallicolo und Entdeckung der neuen Hebridischen-Inseln)
„Die Geschlechtstheile sind das einzige, was sie bedecken, und zwar meines Erachtens blos aus Vorsorge, um diese empfindlichen Theile des Körpers, in ihren Wäldern voll Dornen und Gesträuch, vor Verletzung sicher zu stellen. Daß dies die vornehmste Absicht jener Hülle sey, läßt sich schon aus ihrer aufwärts gekehrten Form errathen. Schamhaftigkeit scheint wenigstens nicht Antheil daran zu haben, denn diese sowohl als die Keuschheit, sind bloße Folgen unserer Erziehung, nicht aber angebohrne Begriffe, wofür wir sie mit eben so wenig Recht zu halten pflegen als wir manches andre moralische Gefühl für natürliche Instincte auslegen. Bey allen rohen ungebildeten Völkern findet man augenscheinliche Beweise, daß Schaam und Keuschheit, im Stande der Natur, ganz unbekannte Tugenden sind. Daher kommt es auch, daß sie, als bloße Conventionens-Tugenden, nach Maasgabe des Unterschiedes in der Sittenverfeinerung, überall verschiedentlich modificirt sind. Nach UNSERN Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit können die Männer zu MALLICOLLO bey Erfindung der angeführten Tracht und Hülle ohnmöglich die Absicht gehabt haben, unzüchtigen Gedanken vorzubeugen; indem sie durch die Form jener Bekleidung mehr befördert als verhindert werden. Eben also käme es auch bey den Weibern noch auf die Frage ab, ob sie den elenden Strohwisch, der ihnen statt Schürze dient, nicht vielmehr aus Begierde zu gefallen, als aus Gefühl von Schaamhaftigkeit tragen?“
(Forster S. 701/2)

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