Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 25. Januar 2010
Visionen
Von Zeit zu Zeit überkommt es mich, dann denk ich Seltsames in der Nacht in der Bahn.

Matschepampekälte in der Stadt, die Hundescheiße quillt durch das Tauwetter wieder aus der Schneedecke, bildet braune Schlieren auf den Wegen und wird täglich beim Gassi gehen ergänzt. An den Regenrinnen über mir haben sich in den letzten Wochen große Eiszapfen gebildet, die nun antauen und die Passanten erschlagen. Es ist kein schöner Gedanke, von einem herab sausenden Eispickel durchbohrt zu werden.

Könnte man nicht? Irgendwie – es wäre vielleicht teuer, vielleicht hätte die Umwelt (wer ist das eigentlich? Hat die auch etwas zu melden?) keine rechte Freude und die Kackratten müsste man natürlich und mit den Autos ginge es auch nicht… Aber möglich, so ganz prinzipiell, wäre es schon?

Botanischer Garten Berlin (1905)
Man müsste natürlich klein anfangen, müsste natürlich realistisch bleiben und sagen wir mal, zunächst das Stück zwischen meiner Wohnung und dem S-Bahnhof mit Plexiglas überdachen, an den Zugängen Wärmeschleusen einbauen (in Kaufhäusern geht das schließlich auch), Hunde und Autos (o.k. machen wir einen Kompromiss: Elektroautos sind erlaubt, sofern sie kein Brandenburger Kennzeichen haben) in der so geschaffenen Galleria verbieten. Und eine Fußbodenheizung, das wäre chic. Die Kuppel aus Plexiglas müsste natürlich, sonst sieht es Scheiße aus (Wir sind ja nicht im Hauptbahnhof), möglichst ohne Streben, Pfeiler und sonstige Elemente, die die Sicht behindern, gefertigt werden. (Ohne die lästige Schwerkraft wäre das natürlich alles viel einfacher!)

Wer auf den Bürgersteigen mit dem Fahrrad fährt, darf die Loggia nicht mehr benutzen. Man könnte ja vor den Wärmeschleusen Fahrradständer anbringen, park’n ride für die Unverbesserlichen.

Die Satteldächer auf den Häusern bräuchte man dann natürlich nicht mehr, da Schnee und Regen schon zwanzig Meter über den Giebeln nach außen abgelenkt würden. Man könnte also überall Flachdächer mit Liegewiesen, mobilen Eisverkäufern, Schwimmbädern, vielleicht mit einem kleinen Kiosk dabei, der Butterbrezeln und Käsesemmeln anbietet? errichten. Damit die Treppenhäuser nicht zu sehr von klakkernden Birkenstockclogs ruiniert werden, müsste man über die Straßen, Baulücken und Parkanlagen Brücken bauen. Die Berliner Höhenwanderwege würden berühmt und zu einer Touristenattraktion (vielleicht sollte man die Schweizer vom Besuch ausschließen? Schließlich nörgeln die den ganzen Tag über die fehlenden Berge) werden. Okay, über Skater usw. müsste man auch noch nachdenken und über diese seltsamen, ästhetisch völlig inakzeptablen Gefährte – wie heißen die nochmal gleich? – bei denen der Fahrer sich durch selten dämliches Vor- und Zurückbewegen des Oberkörpers vorwärts bewegt.

Auf den Dächern und Übergängen könnte man Gärten anlegen, über die Kamine Drillingsblumen wuchern lassen, die Wanderwege mit Flammenbäumen zu Alleen der fünften Etage umgestalten, gelegentlich noch ein Gilbblümli und einen Rosenlorbeer pflanzen.

An anderen Stellen könnte man Krammetsbäume oder Bärenzwiebeln ansiedeln.

Dies Gesträuche und Geblüme ist natürlich ideal als Versteck für nichtsnutzige Knaben, die mit ihren Zwillen Sozialpädagogen und Juristen das Leben schwer machen, während die braven Mädchen Gummitwist spielen oder Klassenkameraden auflauern, um ihnen einen Eintrag in ihrem Poesiealbum abzunötigen.

Wer etwas älter ist könnte gebratene Hühnerbeine verzehren, ein Glas Riesling trinken und anstatt für die Doppelhaushälfte zu sparen, den schönen Frauen Komplimente machen! Oder natürlich ein gutes Buch lesen.

Ach, wär’ das schön!

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