Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 18. Januar 2010
Sprachspiele 6
Der Legende nach hat Hesiod Homer zu einem Wettstreit der Dichter herausgefordert. Ob der Wettkampf tatsächlich stattfand ist für unser Thema, dem Spielen mit Sprache, völlig unerheblich. Schön finde ich die Idee: Einer legt vor, der Zweite muss fortsetzen.
Die Vorgabe, den Streit in Hexametern auszutragen, macht die Sache natürlich etwas schwieriger.
Hesiod beginnt und baut zum Auftaxt eine kleine Gemeinheit ein, denn Pferdefleisch galt im antiken Griechenland als ekelerregend:
“Rindfleisch gab es zum Mahl und die dampfenden Hälse der Pferde“
Homer konterte geschickt, indem er das Problem mit dem Pferdefleisch umging:
„Lösten sie unter dem Joch; sie hatten sich müde gestritten.“
Und so weiter, immer im Wechsel, häufig dem Nachfolger ein Problem aufbürdend:
„Keiner ist so voll Eifers an Bord wie der Phrygier, der Faulpelz“
„Ruft man die Mannen am Strande zur Nacht, das Essen zu fassen.“
„Der war tapfer vor allen im Kampf und immer in Ängsten“
„Bangte die Mutter um ihn; ist Krieg doch hart für die Frauen.“
„Sie aber schmausten von früh bis spät, und hatten doch gar nichts“
„Mitgebracht, doch der Wirt gewährte es ihnen in Fülle.“
„Rüstig packten sie an mit der Hand die lodernde Feuersglut“
„Gar nicht achtend, ihr Boot ins löschende Wasser zu ziehen.“
„Als sie nun aber gespendet und ausgetrunken die Salzflut“
„Abermals zu befahren bereit mit gebordeten Schiffen“
„Rief Agamemnon laut zu den Göttern allen: Verderbt uns“
„Nicht auf dem Meere ...“
(Franz Fühmann Die dampfenden Hälse S. 157)
Teilweise haben Goethe und Schiller, wenn ich das recht erinnere, in den Distichen ihrer Xenien dieses Spiel gespielt, indem einer den Hexameter vorgab, der andere dann den Pentameter dazu lieferte.

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