Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 21. September 2009
Im Rausch der Adjektive und Adverbien,
die leider aus der Mode gekommen sind, lässt sich wundersam schwelgen und exzessiv schwadronieren. Nur flatterhafte Gesellen, liebreizenden Gespielinnen, ambulanten Damen adjunktiert wie ein gewisser Fec, bieten Anlass, sie zu verwenden:
„Bichette verzog den Mund in unbeschreiblicher Geringschätzung. Gleichzeitig erwiderte sie das geile Lächeln eines Passanten, der mit einem mitleidigen Blick auf ihren Begleiter quittierte. Fec sah, wie sie diesen Blick begrinste, und schmunzelte.“ ( Walter Serner S. 105)
Beim Flanieren kann man unversehens auf seine Begleiterin anzüglich, wertschätzend, zugeneigt oder allerlei beiläufig Wahrgenommenes kommentierend, einscherzen, seiner Phantasie freien Lauf lassen.
„Unterwegs sprachen sie ununterbrochen und sehr heiter, oft sogar sekundenlang gleichzeitig, und überboten sich gegenseitig in Liebenswürdigkeiten, lustigen Einfällen und tollen Übertreibungen.“ (S. 91)
Stellen sie sich vor, sie träfen zwei würfelförmige, eineiige Zwillinge, die eineiigsten, die jemals trafen (Katja Lange-Müller S. 134), kämen sie da nicht in Versuchung, die nachfolgenden Passanten auf ihre Würfelförmigkeit und Zwillingshaftigkeit zu überprüfen und nach den würfelförmigsten Zwillingen oder eineiigsten Drillingen zu suchen?
Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit bei solchem Tun erfolgreich zu sein, ist minimal und so wird man sich auf anderen Gebieten tummeln müssen, etwa opakes Lippengloss einer schmallippig-verhärmten Lehrerin bemerken oder über den Lebensweg eines glühnasigten Trinkers am Kiosk philosophieren, darüber räsonnieren, was eine Rentensachbearbeiterin wohl dazu bewogen haben mag, einen fleischfarbenen, wattierten, nicht taillierten Mantel zu kaufen und zu tragen, um so einem Nacktmull zu gleichen.
Dieser Sündenlümmel, der da entgegenkommt oder eher dumpf stierend heranschlurft wie ein bresthafter Gaul, der ein vom Klebstoff schnüffeln teigiges Gesicht sein Eigen nennt, die Haut bräunlich verfärbt, kahler Schädel, pickelig, zerschlissene Kleidung, jemand dem man vielleicht eine Zigarette gibt oder ein Stück Seife, wie gestaltet er sein Leben vor dem Discounter? Er bleibt stehen, samt seinem adipösen Adlatus, er verstellt mir den Weg und sagt:

„Du siehst absolut Scheiße aus!“

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