Die Amöbenkompetenz der Berliner Polizei
g. | Montag, 15. März 2010, 05:53 | Themenbereich: 'Begegnungen'
Berlin ist gewässerreich, neben den fließenden Gewässern Spree und Havel und noch einigen weiteren, liegen auf dem Berliner Stadtgebiet auch stehende Gewässer in einer überreichen Anzahl, Größe und Beschaffenheit, als da sind: Der Dianasee im Grunewald, der Fennsee in Wilmersdorf, der Flughafensee in Tegel, die Glienicker Lake in Wannsee, der Griebnitzsee in Wannsee, der Grimnitzsee in Wilhelmstadt, der Groß Glienicker See in Kladow, der Grunewaldsee im Grunewald, der Halensee ebenfalls im Grunewald, der Heiligensee in Heiligensee (Kennen Sie ein Mädchen in Heiligensee?), der Herthasee schon wieder im Grunewald (es gibt viele Seen im Grunewald), der Hermsdorfer See in Tegel, der Hubertussee in Frohnau und einen zweiten Hubertussee, diesmal im Grunewald, der Hundekehlesee schon wieder im Grunewald, der Jungfernsee in Wannsee (die Jungfernheide hingegen ist am anderen Ende der Stadt), der Karpfenteich in Lichterfelde, der Königssee natürlich im Grunewald, die Krumme Lanke in Zehlendorf (früher auch Crammlankie genannt), der Laßzinssee in Hakenfelde, der Lietzensee in Charlottenburg (in der Nähe habe ich mal gewohnt), der Löwensee in Wannsee und der Neue See im Tiergarten, der Nikolassee in (Überraschung!) Nikolassee, der Nieder Neuendorfer See, der nicht nur in Nieder Neuendorf, sondern auch in Heiligensee liegt, der Parschenkessel in Wannsee und der Pichelsee in Wilhelmstadt, der Plötzensee im Wedding, der Pohlesee wiederum in Wannsee, der Schäfersee in Reinickendorf, die Scharfe Lanke in Wilhelmstadt (es existieren viele, nicht nur scharfe und krumme Lanken), der Schlachtensee in Zehlendorf, die Spektelake und der Große Spektesee in Spandau, der Stölpchensee im Ortsteil Wannsee, der Stößensee in Wilhelmstadt, der Tegeler See mit Großem Malchsee in Tegel (schon wieder: Überraschung!), der Teufelssee im Grunewald, der Waldsee in Hermsdorf (Halten Sie durch, wir sind schon beim ‚W’), der Große und der Kleine Wannsee in Wannsee und zu guter Letzt der Ziegeleisee in Lübars.
Da unsere Geschichte in der besonderen politischen Einheit Berlin Klammer West, wie es bei den Grenztruppen der DDR hieß, spielt, könne wir auf die Aufzählung der Seen und Tümpel in der Hauptstadt der DDR verzichten.
Bruno aus Reinickendorf war Zoologe, untersetzt, mit dem in dieser Stadt gängigen straßenköterblonden Haar geschmückt und ein freundlich-humorvoller Mensch. Er hatte eine prachtvoll kolorierte Freundin, die ein klein wenig zu laut und zu hell lachte, sich aber nichts desto trotz klug und einfühlsam unterhalten konnte.
Bruno nun kam mit seinem Professor überein, dass es interessant sein könnte mal zu untersuchen, wie und unter welchen Umständen bestimmte Einzeller, der Namen ich vergessen habe, miteinander paaren. Nun ist es so, dass Einzeller kein Geschlecht haben. Allerdings kann diese spezielle Sorte sich nicht nur teilen, sondern auch ihre DNS mit anderen ihrer Art austauschen und neu kombinieren. Dabei stülpt der eine Zeller einen Körperteil in den anderen hinein. Zumindest so ungefähr begibt sich diese „Paarung“. Der Stülper fungiert also als ‚Männchen’. Herauszufinden galt es nun, welche Umstände (Wassertemperatur, Tageszeit, Jahreszeit, Zusammensetzung des Wassers, etc.) den einen zum ‚Männchen’, den anderen zum ‚Weibchen’ machen. Biologen interessiert das.
Bruno sammelte also über ein Jahr, mit Marmeladengläsern wohl versorgt, viermal am Tag in verschiedenen Fliesen, Seen und Tümpeln Einzeller ein, maß die Wassertemperatur und noch so einiges andere und verschraubte und beschriftete die Gläser mit Datum, Uhrzeit, Sammelstelle, usw..
Da einige Uferabschnitte der Berliner Seen geschützt sind, darf nicht jedermann mit einer Anglerhose einfach das Röhricht zertrampeln. Wenn man im Uferschlick herumkrauchen will, benötigt man eine Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde, die bei wissenschaftlichen Untersuchungen vorher den Rat der oberen Naturschutzbehörde einholen muss. Die untere Naturschutzbehörde war bei den damals zwölf Bezirken angesiedelt und die obere Naturschutzbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der Professor schrieb also einen langen Brief, die obere Naturschutzbehörde fertigte eine Expertise und die zwölf unteren Naturschutzbehörden genehmigten je einmal. Bruno führte also jeden Tag einen kleinen Aktenordner mit dem ganzen Schriftwechsel, der sich um die Aktion rankte, mit.
Wenn Bruno nun, sagen wir im Sommer gegen 4:30 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang in Lübars im Uferschlamm werkelte, weckte der Anblick das Interesse einer auf der nahegelegen Straße vorbeifahrenden Polizeistreife. ‚Was macht der Kerl in Anglerhosen ohne Angel da im See?’ werden sie sich gefragt haben. Sie fahren zurück, stellen die Wanne ab, setzen amtsgewichtig die Mütze mit dem Berliner Bären aufs Haupt und treten ans Ufer. Bruno erzählte daraufhin die Geschichte mit den kopulierenden Einzellern und legte seinen Ordner mit Genehmigungen vor. Die Polizisten nicken, freuen sich, dass die Jugend nicht nur aus Westdeutschland nach Berlin kommt und Häuser besetzt, sondern auch fleißig früh morgens Marmeladengläser füllt.
Es gibt viele Seen und viele Polizeistreifen aus unterschiedlichen Polizeidirektionen.
Nach einem Jahr und viermal täglichem Einzellereinsatz und durchschnittlich zweimal täglicher Kontrolle und sich anschließender Erläuterung, hatte Bruno das Gefühl, er hätte die komplette Berliner Polizei in Sachen Einzeller auf den aktuellen Forschungsstand gebracht.
Bruno erzählte gerne von seinen Unterhaltungen.
Wenn Sie also mal nach Berlin kommen, fragen sie doch bei Gelegenheit einen Polizisten über 50 nach den Feinheiten des Geschlechtslebens der Einzeller.
Da unsere Geschichte in der besonderen politischen Einheit Berlin Klammer West, wie es bei den Grenztruppen der DDR hieß, spielt, könne wir auf die Aufzählung der Seen und Tümpel in der Hauptstadt der DDR verzichten.
Bruno aus Reinickendorf war Zoologe, untersetzt, mit dem in dieser Stadt gängigen straßenköterblonden Haar geschmückt und ein freundlich-humorvoller Mensch. Er hatte eine prachtvoll kolorierte Freundin, die ein klein wenig zu laut und zu hell lachte, sich aber nichts desto trotz klug und einfühlsam unterhalten konnte.
Bruno nun kam mit seinem Professor überein, dass es interessant sein könnte mal zu untersuchen, wie und unter welchen Umständen bestimmte Einzeller, der Namen ich vergessen habe, miteinander paaren. Nun ist es so, dass Einzeller kein Geschlecht haben. Allerdings kann diese spezielle Sorte sich nicht nur teilen, sondern auch ihre DNS mit anderen ihrer Art austauschen und neu kombinieren. Dabei stülpt der eine Zeller einen Körperteil in den anderen hinein. Zumindest so ungefähr begibt sich diese „Paarung“. Der Stülper fungiert also als ‚Männchen’. Herauszufinden galt es nun, welche Umstände (Wassertemperatur, Tageszeit, Jahreszeit, Zusammensetzung des Wassers, etc.) den einen zum ‚Männchen’, den anderen zum ‚Weibchen’ machen. Biologen interessiert das.
Bruno sammelte also über ein Jahr, mit Marmeladengläsern wohl versorgt, viermal am Tag in verschiedenen Fliesen, Seen und Tümpeln Einzeller ein, maß die Wassertemperatur und noch so einiges andere und verschraubte und beschriftete die Gläser mit Datum, Uhrzeit, Sammelstelle, usw..
Da einige Uferabschnitte der Berliner Seen geschützt sind, darf nicht jedermann mit einer Anglerhose einfach das Röhricht zertrampeln. Wenn man im Uferschlick herumkrauchen will, benötigt man eine Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde, die bei wissenschaftlichen Untersuchungen vorher den Rat der oberen Naturschutzbehörde einholen muss. Die untere Naturschutzbehörde war bei den damals zwölf Bezirken angesiedelt und die obere Naturschutzbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der Professor schrieb also einen langen Brief, die obere Naturschutzbehörde fertigte eine Expertise und die zwölf unteren Naturschutzbehörden genehmigten je einmal. Bruno führte also jeden Tag einen kleinen Aktenordner mit dem ganzen Schriftwechsel, der sich um die Aktion rankte, mit.
Wenn Bruno nun, sagen wir im Sommer gegen 4:30 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang in Lübars im Uferschlamm werkelte, weckte der Anblick das Interesse einer auf der nahegelegen Straße vorbeifahrenden Polizeistreife. ‚Was macht der Kerl in Anglerhosen ohne Angel da im See?’ werden sie sich gefragt haben. Sie fahren zurück, stellen die Wanne ab, setzen amtsgewichtig die Mütze mit dem Berliner Bären aufs Haupt und treten ans Ufer. Bruno erzählte daraufhin die Geschichte mit den kopulierenden Einzellern und legte seinen Ordner mit Genehmigungen vor. Die Polizisten nicken, freuen sich, dass die Jugend nicht nur aus Westdeutschland nach Berlin kommt und Häuser besetzt, sondern auch fleißig früh morgens Marmeladengläser füllt.
Es gibt viele Seen und viele Polizeistreifen aus unterschiedlichen Polizeidirektionen.
Nach einem Jahr und viermal täglichem Einzellereinsatz und durchschnittlich zweimal täglicher Kontrolle und sich anschließender Erläuterung, hatte Bruno das Gefühl, er hätte die komplette Berliner Polizei in Sachen Einzeller auf den aktuellen Forschungsstand gebracht.
Bruno erzählte gerne von seinen Unterhaltungen.
„Weißt du, G., ich bin sicher, unter allen Polizeien aller Großstädten der Welt, weiß die Berliner Polizei zweifellos das Meiste über das Paarungsverhalten von Einzellern!“
Wenn Sie also mal nach Berlin kommen, fragen sie doch bei Gelegenheit einen Polizisten über 50 nach den Feinheiten des Geschlechtslebens der Einzeller.
nnier,
Montag, 15. März 2010, 09:39
Diesmal ohne Pointe.
Schön erzählt, ich mag sowas.
jean stubenzweig,
Montag, 15. März 2010, 13:16
Anschluß!
Da stelle ich mich hintan.
Wobei ich noch einen dransetzen muß: Solange hab ich in Berlin gelebt – und erfahre jetzt, auch noch von einem Wessi – ach nein, das sind Sie ja längst nicht mehr –, wieviele Laken es dort gibt ... Aber darum geht's auch gar nicht. Sondern um die zumindest naturwissenschaftlich hochgebildete Berliner Polizei.
Wobei ich noch einen dransetzen muß: Solange hab ich in Berlin gelebt – und erfahre jetzt, auch noch von einem Wessi – ach nein, das sind Sie ja längst nicht mehr –, wieviele Laken es dort gibt ... Aber darum geht's auch gar nicht. Sondern um die zumindest naturwissenschaftlich hochgebildete Berliner Polizei.
doloris,
Montag, 15. März 2010, 10:53
Leute kennen Sie!
Dass die Berliner Polzei überhaupt soviel Zeit hat, meint man.
Danke für diese feine Geschichte und auch für die Liste der Seen, etliche kenne ich ja schon, adnere wollen baldigst entdeckt werden und das passt trefflich, denn ich habe nämlich - pssst - heute vor, den Frühling auszurufen. Nicht als Stossseufzer und Bitte, sondern als Beschluss.
Dass die Berliner Polzei überhaupt soviel Zeit hat, meint man.
Danke für diese feine Geschichte und auch für die Liste der Seen, etliche kenne ich ja schon, adnere wollen baldigst entdeckt werden und das passt trefflich, denn ich habe nämlich - pssst - heute vor, den Frühling auszurufen. Nicht als Stossseufzer und Bitte, sondern als Beschluss.
g.,
Dienstag, 16. März 2010, 05:55
Den Frühling auszurufen ist eine ganz hervorragende Idee und wenn sich das Schneegestöber nicht schleunigst verzieht, setzt es was! Neben den Seen sollten Sie sich auch die Berliner Flüsse und Fließe vornehmen. Ein Sonntagsspaziergang an der Erpe entlang, ist ein Erlebnis.