Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Montag, 22. Juni 2009
Doch, doch,
das ist schon alles sehr überzeugend:
Seien wir doch mal ehrlich, es gibt in unserer Überflussgesellschaft von allem zu viel und zu teuer ist es auch.

a) Es gibt zu viel Alte,
die fressen einem ja die Haare vom Kopf und ein neues Hüftgelenk wollen sie auch und auf Mallorca überwintern und überhaupt, hocken den ganzen Tag nur herum ohne zu arbeiten. Warum müssen wir das denn alles bezahlen. Da ist es schon richtig, dass das Rentenalter heraufgesetzt wird, eigentlich reicht das mit den 67 Jahren nicht aus, das wissen wir doch alle. Und die Abschaffung von Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrente ist doch auch völlig richtig, sollen sich doch nicht auf unsere Kosten auf die faule Haut legen. Und wenn jemand Rheumatismus hat, keine Treppen steigen kann und nach drei Stunden Sitzen am Schreibtisch vor Schmerzen schreit, soll sich doch nicht so anstellen. Einen Arbeitgeber, der den einstellt, ist doch kein Problem, Muss er halt ein paar Abstriche machen und der Schweijk hat seinen Rheumatismus im Knie ja auch mit Opodeldok behandelt. Auf jeden Fall sind es zu viel.

b) Es gibt zu viel Junge,
da ist es schon richtig, dass die nicht die Schulen und Hochschulen verstopfen. Mit 12 Jahren wird man ja wohl auch bis zu Abitur kommen, müssen die Buben und Mädels halt das mit dem Komasaufen und ihrer Internetsucht und das Haschisch spritzen lassen. Ich mein, wo kommen wir denn da hin? Und das mit dem jahrelang an der Uni rumhängen hat ja nun auch ein Ende und wer zu doof ist, kann immerhin noch so was ähnliches wie einen Abschluss machen und das Revoluzzertum hat damit ja auch ein Ende. Vernünftig ist ja auch, dass es immer mehr Kurzzeitausbildungen gibt. Ich mein drei Jahre lernen, nur damit man an einer Kasse im Supermarkt den ganzen Tag herumsitzt? Und was das alles kostet, Herrgott! Das kann doch keiner bezahlen. Es sind einfach zu viele.

c) Es gibt zu viel Kranke,
ist doch klar. Statt arbeiten zu gehen, sitzen sie zu Hause rum. Und ob die alle wirklich krank sind? Ich mein, das wissen wir doch alle, wie es so zu geht im Leben. Da ist es schon richtig, dass die Leute zuzahlen müssen und die Praxisgebühr wird auch einige davon abhalten, sich den Hintern beim Onkel Doktor platt zu sitzen. Von den Rauchern und den Trinkern, den Dicken und den Dünnen habe ich noch gar nicht geredet. Und es werden ja auch immer mehr, seien wir doch ehrlich, das kann sich doch keiner leisten.

d) Es gibt zu viel Arbeitslose,
die auf der faulen Haut liegen und einfach nicht wollen. Da ist es schon richtig, dass man sie ein bisschen erzieht und ihnen die Leistungen kürzt. So überlegen es sich die Harzler, ob sie auf unser aller Kosten sich einen schönen Tag machen; anstatt miteinander rumzumachen könnten sie es ja auch mal mit Arbeit versuchen. Da hat der Herr Mißfelder schon recht, es kriegen einfach die falschen Leute einen Haufen Kinder, die sie dann nicht erziehen können. Und zu teuer sind sie auch. Da explodieren doch die Kosten und alles von unseren Steuergeldern.

e) Es gibt zu viel Beschäftigte
und die Löhne sind auch zu hoch, das weiß doch jeder. So ne chinesische Friseuse arbeitet halt für die Hälfte. Und überhaupt, braucht die irgendjemand? Ich mein, früher haben sich halt die Eltern um die Kinder gekümmert, da war nix mit Kindergarten und so. So 'ne Zeitung schreibt sich doch fast von alleine, mit den heutigen Techniken und dass mal hier und da ein Fehlerchen mehr auftaucht, davon wird die Welt nicht untergehen. Und Krise hammwer auch, was will man den mit all den Leuten anfangen? Sollen uns auf der Tasche liegen oder was? Dafür sind es einfach zu viele.

f) Es gibt auch zu viel Asylanten,
oder wie die heißen. Warum müssen wir denn all die Leute auf der Welt aufnehmen und versorgen? Die können ja auch da bleiben, wo sie her kommen. Ich mein, ich fahr ja auch nicht zu irgend jemand und frag ihn, ob er mir mal eben aushelfen könnte, ich wär grad etwas klamm? Das kann doch kein Mensch bezahlen, dazu sind es einfach zu viele.

Aber die Leute verstehen es nicht, obwohl sich doch so viele so viel Mühe geben. Es gibt eine Fülle von Institutionen, die Kärnerarbeit im Bergwerk der Aufklärung leisten: das Institut für neue soziale Marktwirtschaft, damit es auch die Kirchen und vor allem die Journalisten begreifen. Den Konvent für Deutschland, der Frankfurter Zukunftsrat und wie sie alle heißen. Auch die Bertelsmann Stiftung hat sich da sehr verdient gemacht.

Die Menschen in diesem unserem Land müssen endlich begreifen, dass sich eine moderne Volkswirtschaft so etwas wie Bevölkerung einfach nicht mehr leisten kann.

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Freitag, 19. Juni 2009
gerade gesehen: der Urs Engler Verlag stellt sein Programm ein
"Eine traurige Nachricht: wie soeben bekannt wurde, wird der Urs Engler Verlag sein Programm zum Ende des Jahres ganz einstellen. Mit mäzenatischer Unterstützung waren bei Engeler seit der Verlagsgründung 1995 einige der wichtigsten und interessantesten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartslyrik erschienen, Elke Erb, Ulf Stolterfoht und Michael Donhauser zum Beispiel, ausserdem Erstübersetzungen von Werken Hilda Doolittles und Gertrude Steins, die gesammelten Gedichte des grossen Gellu Naum, CDs mit Arbeiten von Oskar Pastior, die Poetik-Zeitschrift Zwischen den Zeilen und vieles andere mehr."

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Mittwoch, 10. Juni 2009
Der Bürgersteig hat Akne

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Montag, 6. April 2009
Scherenschnitte


Lavaters wüste Spekulationen über Wesen und Erscheinung hatten ein Gutes: es beförderte die von mir geliebte Kunst des Scherenschnittes, des Schattenrisses. Eine Kunst, die durch ihre technisch bedingte Einschränkung auf zwei Dimensionen ihren besonderen Reiz gewinnt.
Übrigens: der andere Name für den Schattenriss, Silhouette, geht auf Étienne de Silhouette (1709 - 1767), dem über alle Maßen geizigen Finanzminister von Ludwig XV zurück.



Schön:
  • Scherenschnitte der Goethezeit
  • Henri Matisse
  • Schattenrisse als Märchenillustration
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    Dienstag, 31. März 2009
    Wieder da
    Schön wars, warm wars.

    Teneriffa: Puerto Cruz

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    Freitag, 6. März 2009
    Mit dem bloggen
    Berlin-Kreuzberg, Köpenicker Strasse im Winter
    wird das wohl nichts mehr vor meinem Urlaub.
    Ich flieg dann mal in den Süden, ins Warme. Nach Spanien, gleich links von Afrika.
    Ende März geht es dann weiter, mit Naslöchern und Scherenschnitten.

    Die Kommentare sind für diese Zeit abgeschaltet.

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    Dienstag, 24. Februar 2009
    Ich leg
    mich dann mal ein paar Tage ins Bett, mit Kamille und heißer Zitrone.

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    Freitag, 6. Februar 2009
    Die Mächtigkeit von Tradition und Milieu
    scheint mir in Vergessenheit geraten zu sein. Als eher laxer Lutheraner, der ich einmal war, sehe ich dem Agieren von Papst Benedikt bei der Rehabilitierung von Richard Williamson und den anderen Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit befremdetem Erstaunen zu.
    Unter ethischen Maßstäben (wenn man sie nicht als individuelle relativiert) mutet die Aufhebung der Exkommunikation eines Priesters, der Völkermord leugnet, seltsam an. Es ging darum eine Gruppe, die sich aufgrund ihrer theologischen Auffassungen in Widerspruch zur Kirche gesetzt hatte, wieder in die Kirche zu holen. Die politischen, also öffentliche Angelegenheiten betreffenden Ansichten der Bischöfe spielten wohl keine Rolle. Man mag nun darüber spekulieren, ob sich der Vatikan über die Beurteilung durch die Allgemeinheit nicht im Klaren war oder sie glaubte ignorieren zu können, interessanter finde ich, dass Werte wie die Einheit der Kirche schlicht wichtiger waren als allgemeine ethische Maßstäbe.
    Das Handeln, das Denken wird von Tradition und Milieu wirksamer bestimmt als durch Vernunft und Wissen.
    Ähnlich stellt sich mir die Auseinandersetzung um Stauffenberg zwischen Richard Evans und Karl Heinz Bohrer dar. Was als Historikerdebatte auftritt, ist meines Erachtens eine Frage der Beurteilung aus unterschiedlichen Milieus und Traditionslinien. Evans argumentiert und wertet vom Standpunkt eines Briten (andere würden etwa als Deutsche, die vor dem Nationalsozialismus geflohen waren bzw. sich in einer ablehnenden Tradition verortend, zu ganz ähnlichen Wertungen kommen). Es ist ein Blick von Außen. Bohrer geht es um die Rettung einer Traditionslinie und so beharrt er auf dem historischen Abstand, um die moralische Integrität wahren zu können.

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    Sonntag, 28. Dezember 2008
    Pause
    bis 5.Januar

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    Samstag, 27. Dezember 2008
    Nein, meine Herren,
    um die Freiheit oder die Bevormundung durch den Staat geht es gerade nicht. Es geht um den Verlust ihrer Privilegien.



    Der Senat von Berlin versucht, dem von ihm vermuteten Verfall allgemeiner gesellschaftlicher Werte durch ein Fach ‚Ethik’ Einhalt zu gebieten. Das passt der evangelischen und katholischen Kirche nicht, weil sie zu Recht vermuten, dass Eltern und Schüler in vielen Fällen, sei es dass sie Atheisten, sei es dass sie Religionsunterricht nicht eben in bester Erinnerung haben, einem Wahlfach Religion nicht sehr aufgeschlossen gegenüber stehen.
    Vor diesem Hintergrund wirbt nun eine Interessengemeinschaft ‚Pro Reli’, die im Wesentlichen von den beiden großen christlichen Kirchen initiiert und getragen wird, für ein Wahlpflichtfach Religion. Die Schüler und das heißt bei Jüngeren natürlich die Eltern sollen an Stelle des Faches Ethik Religionsunterricht wählen können.

    Nun mag man es bezweifeln, dass ein Unterrichtsfach das Verschwinden ethischer Maßstäbe behindern oder gar aufhalten kann, nur ist Religionsunterricht ein legitimer Ersatz? Zielen die beiden ‚Fächer’ überhaupt auf den gleichen Gegenstand? Hat Religion und seine Vermittlung in einem Unterrichtsfach denn im Kern etwas mit gesellschaftlichen Maßstäben, insbesondere solche, die als anerkennenswerte Regeln für eine Gesellschaft dienen können, zu tun?
    Religionen sind zuvörderst ein irrationales Welterklärungsmuster, das eben aus diesem Grund bei vielen, inzwischen den meisten Menschen auf Desinteresse, bei denen, die darunter gelitten haben, auf vehemente Ablehnung stoßen. Erst in zweiter Linie, und aus diesem Deutungsmuster abgeleitet, werden Regeln für ein gedeihliches Zusammenleben von Menschen formuliert.
    Als eingefleischter Atheist kann ich es gar nicht glauben, mit welcher Unverfrorenheit sich die beiden großen christlichen Kirchen als Sachwalter von Ethik und Moral gebären, ohne die erschreckende Flexibilität ethischer Maßstäbe, die erstaunliche Anpassungsbereitschaft an fast jegliche Herrschaftsform, sei es in der jüngeren, sei es in der ferneren Geschichte, der Kirchen auch nur zu erwähnen. Beide Großkirchen (die kleineren sind organisatorisch gar nicht in der Lage einen Religionsunterricht anzubieten bzw. haben kein Interesse), daran sei kurz erinnert, hatten nicht die geringsten Probleme sich der neoliberalen Propaganda anzupassen und etwa von der Verantwortung für künftige Generationen zu faseln, um so den Rückbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme zu legitimieren.

    Es mag ja jeder seine Götter anbeten, Proselytenmacherei mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Staates, der Allgemeinheit, geht zu weit.

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