Der hinkende Bote

Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten

Donnerstag, 23. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 34
Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay)
“Die Leute, welche uns umgaben, hatten so viel Sanftes in ihren Zügen, als Gefälliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefähr von unsrer Größe, blaß mahagony-braun, hatten schöne schwarze Augen und Haare, und trugen ein Stück Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in mancherley mahlerischen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die Frauenspersonen, welche sich unter ihnen befanden, waren hübsch genug, um Europäern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Landsmänninnen gesehen hatten. Die Kleidung derselben bestand in einem Stück Zeug, welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzustecken und hinten und vornen bis auf die Knie herabhieng. Hierüber trugen sie ein anderes Stück von Zeugs, das so fein als Nesseltuch und auf manigfaltige, jedoch zierliche Weise, etwas unterhalb der Brust als eine TUNICA um den Leib geschlagen war, so daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, über die Schultern hieng. War diese Tracht gleich nicht vollkommen so schön als jene an den griechischen Statüen bewunderten Draperien, so übertraf sie doch unsre Erwartungen gar sehr und dünkte uns der menschlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede andre, die wir bis jetzt gesehen. Beyde Geschlechter waren durch die von andern Reisenden bereits beschriebenen, sonderbaren, schwarzen Flecke gezieret oder vielmehr verstellt, die aus dem Punctieren der Haut und durch nachheriges Einreiben einer schwarzen Farbe in die Stiche entstehen. Bey den gemeinen Leuten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den Lenden zu sehen, ein augenscheinlicher Beweis, wie verschieden die Menschen, in Ansehung des äußerlichen Schmucks denken und wie einmüthig sie gleichwohl alle drauf gefallen sind, ihre persönlichen Vollkommenheiten auf eine oder die andre Weise zu erhöhen. Es dauerte nicht lange, so kamen verschiedne dieser guten Leute an Bord. Das ungewöhnlich sanfte Wesen, welches ein Hauptzug ihres National-Charakters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Gebehrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menschliche Herz studierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die äußern Merkmale, durch welche sie uns ihre Zuneigung zu erkennen geben wollten, waren von verschiedener Art; einige ergriffen unsre Hände, andre lehnten sich auf unsre Schultern, noch andre umarmten uns. Zu gleicher Zeit bewunderten sie die Farbe unsrer Haut und schoben uns zuweilen die Kleider von der Brust, als ob sie sich erst überzeugen wollten, daß wir eben so beschaffen wären als sie.“
(Forster S. 243/4)
Wenn man diese Schilderung mit den Ausführungen zu den Maori vergleicht, wird der fundamentale Unterschied in der Betrachtungsweise deutlich.

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Dienstag, 21. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 32
(Reise von Neu-Seeland nach O-Tahiti)
“Am folgenden Morgen, vor Tages Anbruch, erschreckte uns das unerwartete Geräusch von Wellen die sich, kaum eine halbe Meile weit vor uns, schäumend in die See brachen. Wir änderten sogleich unsern Lauf, gaben der ADVENTURE durch Signale Nachricht von der Gefahr und steuerten hierauf rechts, längs dem RYF1 hin. So bald es hell ward, entdeckten wir an der Stelle, wo sich die Wellen brachen, eine zirkelrunde Insel, und auf derselben ein großes Baßin oder einen großen Teich von Seewasser. An der Nordseite war die Küste mit Palmen und andern Bäumen besetzt, die in mehreren Gruppen umher standen und ein ganz zierliches Ansehen hatten; den übrigen Theil der Insel machte aber nur eine schmale Reihe von niedrigen Felsen aus, über welche die See in einer gewaltigen Brandung wegschlug. Der Farbe des Wassers nach zu urtheilen, mußte der Salz-See, inwärts nach uns her, seicht, aber gegen die waldige Küste hin tiefer seyn, denn an jenem Ende sahe er weißlicht, an diesem hingegen blau aus.“

1 ”RYF oder RIEF heißet in vielen nördlichen, von der deutschen abstammenden Sprachen, eine Bank oder Strecke von Felsen, oder sonst eine seichte Stelle in der See, die entweder etwas unter Wasser stehet, so daß man noch, wenn gleich nicht mit großen Schiffen, darüber wegfahren kann, oder auch wohl so seicht ist, daß die See darüber wegbricht und Brandungen verursacht.”
(Forster S. 235)

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Donnerstag, 16. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 33
(Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay)
“Ein Morgen war’s, schöner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-TAHITI, 2 Meilen vor uns sahen. Der Ostwind, unser bisheriger Begleiter hatte sich gelegt; ein vom Land wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgerüche entgegen und kräuselte die Fläche der See. Waldgekrönte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestätischen Gestalten und glühten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne. Unterhalb derselben erblickte das Auge Reihen von niedrigern, sanft abhängenden Hügeln, die den Bergen gleich, mit Waldung bedeckt, und mit verschiednem anmuthigen Grün und herbstlichen Braun schattirt waren. Vor diesen her lag die Ebene, von tragbaren Brodfrucht-Bäumen und unzählbaren Palmen beschattet, deren königliche Wipfel weit über jene empor ragten. Noch erschien alles im tiefsten Schlaf; kaum tagte der Morgen und stille Schatten schwebten noch auf der Landschaft dahin. Allmählig aber konnte man unter den Bäumen eine Menge von Häusern und Canots unterscheiden, die auf den sandichten Strand heraufgezogen waren. Eine halbe Meile vom Ufer lief eine Reihe von niedrigen Klippen parallel mit dem Lande hin, und über diese brach sich die See in schäumender Brandung; hinter ihnen aber war das Wasser spiegelglatt und versprach den sichersten Ankerplatz. Nunmehro fing die Sonne an die Ebene zu beleuchten. Die Einwohner erwachten und die Aussicht begonn zu leben.
Paul Gauguin Tahiti

Kaum bemerkte man die großen Schiffe an der Küste, so eilten einige ohnverzüglich nach dem Strande herab, stießen ihre Canots ins Wasser und ruderten auf uns zu. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Öffnung des Riefs, und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Hüften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes grünes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten TAYO! heran, 1 ein Ausruf, den wir ohne Mühe und ohne Wörterbuch als einen Freundschafts-Gruß auslegen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Nägeln und Medaillen herab. Sie hinwiederum reichten uns einen grünen Pisang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde sogleich nach dem Ufer zurückkehrten. Es währete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Bündniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten beladeten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen in deren jedem sich ein, zwey, drey zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie sämtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das willkommne TAYO! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnügen über eine so günstige Veränderung unsrer Umstände. Sie brachten uns Coco-Nüsse und Pisangs in Überfluß, nebst Brodfrucht und andern Gewächsen, welche sie sehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Nägel tauschten. Stücken Zeug, Fisch-Angeln, steinerne Äxte, und allerhand Arten von Werkzeugen wurden gleichfalls zum Verkauf angebothen und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwischen uns und der Küste ab- und zu giengen, stellte ein schönes Schauspiel, gewissermaßen eine neue Art von Messe auf dem Wasser dar.“

1 Bougainvilles Reisen.

(Forster S. 241/2)
Ob Forster die Meuterei auf der Bounty gesehen hat?
Aber was ein locus amoenus ist, dürfte ihm bekannt gewesen sein.
Hier sehen wir wohl die Geburt eines modernen Mythos.

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Dienstag, 14. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 31
( Reise von Dusky-Bay nach Charlottensund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst)
“Unsre Matrosen hatten seit der Abreise vom Cap mit keinen Frauenspersonen Umgang gehabt; sie waren also sehr eifrig hinter diesen her, und aus der Art wie ihre Anträge aufgenommen wurden, sahe man wohl, daß es hier zu Lande mit der Keuschheit so genau nicht genommen würde, und daß die Eroberungen eben nicht schwer seyn müßten. Doch hiengen die Gunstbezeigungen dieser Schönen nicht blos von ihrer Neigung ab, sondern die Männer mußten, als unumschränkte Herren, zuerst darum befragt werden. War deren Einwilligung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkauft; so hatten die Frauenspersonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was sie wollten, und konnten alsdenn zusehen noch ein Geschenk für sich selbst zu erbitten. Ich muß indessen gestehen, daß einige derselben sich nicht anders als mit dem äußersten Wiederwillen zu einem so schändlichen Gewerbe gebrauchen ließen, und die Männer mußten oft ihre ganze Autorität ja sogar Drohungen anwenden, ehe sie zu bewegen waren, sich den Begierden von Kerlen preis zu geben, die ohne Empfindung ihre Thränen sehen und ihr Wehklagen hören konnten. Ob unsre Leute, die zu einem gesitteten Volkgehören wollten und doch so viehisch seyn konnten, oder jene Barbaren, die ihre eigenen Weibsleuthe zu solcher Schande zwungen, den größten Abscheu verdienen? Ist eine Frage, die ich nicht beantworten mag. Da die Neu-Seeländer fanden, daß sie nicht wohlfeiler und leichter zu eisernem Geräthe kommen konnten, als vermittelst dieses niederträchtigen Gewerbes; so liefen sie bald genug im ganzen Schiffe herum und bothen ihre Töchter und Schwestern ohne Unterschied feil. Den VERHEIRATHETEN Weibern aber, verstatteten sie, so viel wir sehen konnten, nie die Erlaubniß, sich auf ähnliche Weise mit unsern Matrosen abzugeben. Ihre Begriffe von weiblicher Keuschheit sind in diesem Betracht so sehr von den unsrigen verschieden, daß ein unverheirathetes Mädchen viele Liebhaber begünstigen kann, ohne dadurch im mindesten an ihrer Ehre zu leiden. So bald sie aber heirathen, wird die unverbrüchlichste Beobachtung der ehelichen Treue von ihnen verlangt. Da sie sich solchergestalt, aus der Enthaltsamkeit unverheiratheter Frauenspersonen nichts machen, so wird man vielleicht denken, daß die Bekanntschaft mit ausschweifenden Europäern den moralischen Character dieses Volkes eben nicht verschlimmert haben könne: Allein wir haben alle Ursach zu vermuthen, daß sich die Neu-Seeländer zu einem dergleichen schändlichen Mädchen-Handel nur seitdem erst erniedrigt hatten, seitdem vermittelst des Eisengeräthes neue Bedürfnisse unter ihnen waren veranlaßt worden. Nun diese einmal statt fanden, nunmehro erst verfielen sie, zu Befriedigung derselben, auf Handlungen an die sie zuvor nie gedacht haben mochten und die nach unsern Begriffen auch nicht einmal mit einem Schatten von Ehre und Empfindsamkeit bestehen können.
Es ist Unglücks genug, daß alle unsere Entdeckungen so viel unschuldigen Menschen haben das Leben kosten müssen. So hart das für die kleinen, ungesitteten Völkerschaften seyn mag, welche von Europäern aufgesucht worden sind, so ists doch warlich nur eine Kleinigkeit in Vergleich mit dem unersetzlichen Schaden, den ihnen diese durch den Umsturz ihrer sittlichen Grundsätze zugefügt haben. Wäre dies Übel gewissermaßen dadurch wieder gutgemacht, daß man sie wahrhaft nützliche Dinge gelehrt oder irgend eine unmoralische und verderbliche Gewohnheit unter ihnen ausgerottet hätte; so könnten wir uns wenigstens mit dem Gedanken trösten, daß sie auf einer Seite wieder gewonnen hätten, was sie auf der andern verlohren haben mögten. So aber besorge ich leyder, daß unsre Bekanntschaft den Einwohnern der Süd-See DURCHAUS nachtheilig gewesen ist; und ich bin der Meinung, daß gerade diejenigen Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Besorgniß und Mistrauen unserm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden. Hätten sie doch durchgängig und zu jeder Zeit in den Minen und Gesichtszügen derselben den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fürchten mögen, welche den See-Leuten und mit Recht zur Last gelegt wird!-„
(Forster S. 206 - 8)
Selbst die Begründung für Prostitution hat sich bis heute erhalten. Ob in späteren Schriften von Forster Überlegungen zu Herrschaft oder Machtverhältnissen beim Aufeinandertreffen von Gruppen und Gesellschaften eine Rolle spielen?

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Donnerstag, 9. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 30
( Reise von Dusky-Bay nach Charlottensund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst)
“Dieser letztbenannte war ein Knabe von ohngefähr vierzehn Jahren, der etwas sehr gefälliges an sich hatte, auch der lebhafteste und verständigste von allen zu seyn schien. Wir nahmen ihn mit uns in die Cajütte, und behielten ihn zu Tische, wo er sichs tapfer schmecken ließ. Unter andern verzehrte oder verschlang er vielmehr, mit recht gefräßigem Appetit, ein Stück von einer See-Raben-Pastete, (SHAG-PYE) und wider alle Erwartung war ihm der Teig davon lieber als das Fleisch. Der Capitain schenkte ihm Madeira-Wein ein, wovon er etwas mehr als ein Glas trank, anfänglich aber viel saure und schiefe Gesichter dabey machte. Als hierauf eine Flasche von ganz süßem Cap-Wein auf den Tisch kam, so ward ihm auch davon ein Glas vorgesetzt; dieser schmeckte ihm so gut, daß er die Lippen ohne Aufhören darnach leckte, und bald noch ein zweytes Glas verlangte, welches ihm auch gegeben ward. Numehro fieng er an überaus lebhaft und gesprächig zu werden. Er tanzte in der Cajüte herum, und verfiel mit einem mal darauf des Capitains Boot-Mantel zu haben, der auf einem Stuhle lag. Als er eine abschlägige Antwort hierauf bekam, ward er sehr verdrüßlich. Es währte nicht lange so forderte er einige ledige Bouteille, und da ihm auch diese versagt ward; so lief er im größten Zorn zur Cajütte hinaus. Auf dem Verdeck fand er einige unsrer Bedienten, die Leinenzeug zusammen legten, welches sie getrocknet hatten. Von diesem hatte er in einem Augenblick ein Tischtuch weggehascht; man nahm es ihm aber gleich wieder ab. Nun wußte er sich gar nicht mehr zu bändigen, er stampfte mit den Füßen, drohte, brummte oder grunzte vielmehr etwas zwischen den Zähnen her, und ward zuletzt so tückisch, daß er kein Wort mehr sprechen wollte. Die empfindliche, leicht zu beleidigende Gemüthsart dieses Volkes zeigte sich nirgends deutlicher als in dieses Knaben Betragen; und wir sahen bey dieser Gelegenheit, welch ein Glück es für sie ist, daß sie von berauschenden Getränken nichts wißen, denn dergleichen würde sie ohnfehlbar noch wilder und unbändiger machen.“
(Forster S. 204/5)

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Dienstag, 7. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 29
(Reise von Dusky-Bay nach Charlottensund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst)
“Diese Leute schienen sich des Capitain COOK’S noch zu erinnern, denn sie wandten sich an ihn und fragten nach TUPAYA1 , dem Indianer von O-Taheitti, welchen er auf seiner vorigen Reise bey sich gehabt, und der bey des Schiffes Anwesenheit in Neu-Seeland noch am Leben gewesen war.”
1 ”Dieser Mann ist den Lesern von Hawkesworths GESCHICHTE DER ENGL. SEE-REISEN*, unter dem Namen TUPIA bekannt. Man kann aber versichert seyn, den Namen desselben, gleich vielen andern Wörtern aus den Südsee-Sprachen, hier RICHTIGER als im vorhergehenden Werk ortographirt zu finden; denn der Verfasser des gegenwärtigen ist ein Deutscher, die gemeiniglich nicht nur mehr Disposition haben fremde Sprachen zu lernen, sondern auch in der Aussprache und Rechtschreibung derselben ungleich genauer zu seyn pflegen als die Engländer, Franzosen etc. Es sind auch zum Behuf der Deutschen, alle fremden Wörter hier so geschrieben, wie sie der deutschen Aussprache nach eigentlich lauten. A.d.V.”
(Forster S. 202)


*John Hawkesworth (1715-1773) war ein renommierter Schriftsteller, der 1771 beauftragt wurde aus den Schiffstagebüchern von James Cook einen anschaulichen Bericht zu verfassen:
Cook, James; Hawkesworth, John, Geschichte der See-Reisen und Entdeckungen im Süd-Meer, welche auf Befehl Sr. Großbrittannischen Majestät [George des Dritten] unternommen [worden sind]

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Donnerstag, 2. Juli 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 28
(Reise von Dusky-Bay nach Charlottensund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst)
“Am folgenden Tage giengen wir nach der HIPPAH oder Festung der Indianer, wo Herr BAILEY, der Astronom der Adventure, seine Sternwarte aufgeschlagen hatte. Sie liegt auf einem steilen, freystehenden Felsen, und ist nur von einer Seite, vermittelst eines unbequemen Fussteiges zugänglich, in welchem kaum zwey Mann neben einander gehen können. Der Gipfel war ehedem mit Palisaden umgegeben gewesen; die Matrosen hatten sie aber schon mehrentheils ausgerissen und zu Brennholz verbraucht. Innerhalb dieser Schutzwehr standen die Wohnungen der Einwohner ohne Ordnung durch einander. Haus der Maori: Photothèque du Musée de l'Homme], [1880-1889]Diese Hütten waren ohne Seitenwände ausgeführt, indem das ganze Haus nur aus einem Dache bestand, das oben in eine scharfe Spitze zusammen lief. Die inwendige Seite hatten sie mit Baumzweigen, wie ein Zaun- oder Hürden-Werk ausgeflochten, alsdenn Baumrinde darüber hergelegt, und von außen mit den stärksten Fibern der hiesigen Flachspflanze gedeckt. Die Leute erzählten uns, daß diese Hütten voll Ungeziefers, besonders aber voll Flöhe gewesen wären, und wunderten sich gleichsam, daß sie diesen Anzeigen nach zu urtheilen, so ganz kürzlich noch bewohnt gewesen seyn sollten. Ich glaube aber überhaupt, daß dergleichen feste Plätze den Einwohnern jedesmal nur auf kurze Zeit zur Wohnung dienen, auf so lange nemlich, als sie etwa wegen Annäherung eines Feindes in Gefahr seyn mögen.“
(Forster S. 198)

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Dienstag, 30. Juni 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 27
(Reise von Dusky-Bay nach Charlottensund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst)
“Nachmittags um vier Uhr, als wir uns ohngefähr neben dem Cap STEPHANS befanden, war wenig oder gar kein Wind zu spüren. Um diese Zeit sahen wir in Süd-Westen dicke Wolken und an der Süd-Seite des Caps regnete es. Es währte nicht lange, so erblickte man dort plötzlich einen weislichten Fleck auf der See von welchem eine Wasser-Säule empor stieg, die wie eine gläserne Röhre anzusehen war. Eine andre dergleichen Dunst-Säule senkte sich aus den Wolken herab und schien mit jener sich vereinigen zu wollen. Dies erfolgte auch wirklich, und so entstand das Meteor*, welches WASSERHOSE, TROMBE, oder WATERSPOUT** genannt wird. Kurz nachher sahen wir noch drey andre dergleichen Säulen, die eben wie die erste entstanden. Die nächste war ohngefähr drey englische Meilen von uns, und mochte unten am Fus, im Durchschnitt ohngefähr 70 Klafter*** dick seyn. Das Thermometer stand auf 56½° als dies Phänomen sich zu formiren anfieng. Da die Natur und Ursach desselben bis jetzt noch so wenig bekannt ist, so waren wir auf alle, sogar auf die geringsten Umstände aufmerksam, die sich dabey ereigneten. Die Basis der Säulen, woselbst sich das Wasser heftig bewegte und in gewundener Richtung (nach einer Spiral-Linie) gleich einem Dunst empor stieg, nahm einen großen Fleck in der See ein, der, wenn die Sonne darauf schien, schön und gelblich in die Augen fiel. Die Säulen selbst hatten eine zylindrische Form, doch waren sie nach oben hin dicker als am untern Ende. Sie rückten ziemlich schnell auf der Oberfläche der See fort; da ihnen aber die Wolken nicht mit gleicher Geschwindigkeit folgten, so bekamen sie eine gebogene und schiefe Richtung. Oft giengen sie nebeneinander vorbey, die eine hier die andre dorthin; da es nun windstill war, so schlossen wir aus dieser verschiedenen Bewegung der Wasserhosen, daß jeder derselben einen eignen Wind hervorbringen oder davon fortgetrieben werden müsse. Endlich brachen sie eine nach der andern, vermuthlich, weil der Obertheil sich gemeiniglich ungleich langsamer bewegte als der Untertheil und die Säule solchergestalt allzukrumm und zu weit in die Länge gezogen ward. In eben dem Verhältniß als uns die schwarzen Wolken näher kamen, entstanden kurze krause Wellen auf der See und der Wind lief um den ganzen Compaß herum, ohne sich in einem Striche festzusetzen. Gleich nachher sahen wir, daß die See ohngefähr zweyhundert Klaftern weit von uns, an einer Stelle in heftige Bewegung gerieth. Das Wasser kräuselte sich daselbst, aus einem Umfang von funfzig bis sechzig Faden, gegen den Mittelpunct hin zusammen, und zerstäubte alsdenn in Dunst, der durch die Gewalt der wirbelnden Bewegung, in Form einer gewundnen Säule gegen die Wolken empor getrieben wurde. Um diese Zeit fiel etwas Hagel aufs Schiff und die Wolken über uns hatten ein schrecklich schwarzes und schweres Ansehen. Gerade über jenem Wasserwirbel senkte sich eine Wolke langsam herab, und nahm nach und nach die Gestalt einer langen, dünnen Röhre an. Diese schien sich mit dem Dunst-Wirbel vereinigen zu wollen, der unterdessen hoch aus dem Wasser aufgestiegen war; es währete auch nicht lange, so hiengen sie würklich zusammen und machten eine gerade aufstehende, cylindrische Säule aus. Man konnte deutlich sehen, wie das Wasser innerhalb des Wirbels mit Gewalt aufwärts gerissen ward; und es schien als ließe es in der Mitte einen hohlen Zwischenraum. Es dünkte uns auch wahrscheinlich, daß das Wasser keine dichte, sondern nur eine hohle Säule ausmache; und in dieser Vermuthung wurden wir durch die Farbe bestärkt, die einer durchsichtigen gläsernen Röhre völlig ähnlich war. Kurz nachher beugte sich und brach auch diese letzte Wasserhose wie die andern, nur mit dem Unterschied, daß sich, als sie von einander riß, ein Blitzstrahl sehen ließ, auf den jedoch kein Donnerschlag folgte. Diese ganze Zeit über befanden wir uns in einer höchstgefährlichen und beunruhigenden Lage. Die schreckenvolle Majestät eines Meteors, welches See und Wolken vereinigte, machte unsre ältesten Seeleute verlegen. Sie wußten kaum was sie thun oder lassen sollten; denn ob gleich die mehresten solche Wassersäulen schon ehemals von ferne gesehen hatte, so waren sie doch nie so umsetzt damit gewesen als diesmal, und ein jeder wußte fürchterliche Geschichten zu erzählen, was für schreckliche Verwüstungen sie anrichteten, wenn sie über ein Schiff weggingen oder sich gegen dasselbe brächen. Wir machten uns auch würklich aufs Schlimmste gefaßt und nahmen unsre Stengen-Segel ein. Doch war jedermann der Meynung, daß uns dies wenig schützen und daß Masten und Seegelstangen drauf gehen würden, wenn wir in den Wind gerathen sollten. Man wollte wissen, daß Canonen-Feuern, vermittelst der starken Bebung in der Luft dergleichen Wassersäulen gemeiniglich zertheilt habe. Es ward deswegen auch Befehl gegeben, daß ein Vierpfünder in Bereitschaft gehalten werden sollte; da aber die Leute, wie gewöhnlich, lange damit zubrachten, so war die Gefahr über, ehe der Versuch angestellt werden konnte. In wie fern die Electricität als eine Ursach dieses Phänomens angesehen werden darf, konnten wir nicht eigentlich bestimmen; daß sie aber überhaupt einigen Antheil daran haben müsse, läßt sich wohl aus dem Blitz abnehmen, der beym Zerplatzen der letzten Wasser-Säule deutlich zu sehen war. Von Entstehung der ersten bis zum Aufhören der letzten vergingen drey Viertelstunden. Als um 5 Uhr die letzte erschien, stand das Thermometer auf 54., mithin 2½ Grad niedriger als beym Anfang der ersten. Die See war an der Stelle, wo WIR uns damals befanden, sechs und dreyßig Faden tief, und die Gegend von eben der Beschaffenheit als jene, in welchen andre Reisende solche Wasserhosen sonst angetroffen haben; es war nemlich eine Art von Meer-Enge oder eine sogenannte See-Straße. Dr. SHAW und THEVENOT, sahen dergleichen in der mittelländischen und persischen See; auch bey den westindischen Inseln, in der Straße von Malacca und in der chinesischen See sind sie gewöhnlich. Wir hätten gewünscht, bey dieser Gelegenheit einige besondere Entdeckungen über dies Phänomen zu machen; allein so glücklich waren wir nicht. Unsre Bemerkungen bestätigen nur was andre bereits beobachtet haben, und worüber sich Dr. BENJAMIN FRANKLIN**** schon umständlich herausgelassen hat. Seine sinnreiche Hypothese, daß Wirbelwinde und Wasserhosen einerley Ursprung haben, ist durch unsre Bemerkungen im mindesten nicht geschwächt; und wir verweisen unsre philosophischen Leser auf seine Schriften, in welchen die vollständigste und beste Nachricht von diesem Phänomen zu finden ist.“
(Forster S. 189 - 192)
* (griech. metéoros (μετέωρος) = „schwebend, in der Luft“)
** Wasserhose
*** Der preussische Klafter misst etwa 1,88 m, demnach hätte die Wasserhose einen Umfang von 132 m.
**** Benjamin Franklin, nordamerikanischer Verleger, Staatsmann, Schriftsteller, Naturwissenschaftler, Erfinder und Naturphilosoph.

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Montag, 29. Juni 2009
anno 1866
„Wenn man mir zum Beispiel bis jetzt sagte: »liebe deinen Nächsten« und ich tat es - was kam dabei heraus? ... Es kam heraus, dass ich meinen Rock in zwei Hälften zerriss, ihn mit dem Nächsten teilte und wir beide blieben halbnackt, wie nach dem russischen Sprichworte: »Wer ein paar Hasen gleichzeitig nachjagt, fängt keinen einzigen«. Die Wissenschaft aber sagt: »Liebe vor allem zuerst dich selbst, denn alles in der Welt ist auf das persönliche Interesse gegründet. Wenn man sich selbst liebt, wird man seine Angelegenheiten, wie es sich gehört, in Ordnung bringen und der Rock bleibt einem ganz und heil. Die wirtschaftlichen Gesetze fügen noch hinzu, dass je mehr es in der Gesellschaft geordnete Privatangelegenheiten und sozusagen ganze und heile Röcke gibt, dass sie umsomehr Grundlagen hat, und dass umsomehr das Allgemeinwohl gefördert wird. Also, indem ich allein und ausschließlich für mich selbst erwerbe, erwerbe ich dadurch auch für alle und trage dazu bei, dass mein Nächster etwas mehr als einen zerrissenen Rock erhält, und nicht mehr als Wohltat von einzelnen Privatpersonen, sondern infolge des allgemeinen Fortschritts.“

(Dostojewski Raskolnikoff S. 192/3)

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Donnerstag, 25. Juni 2009
Georg Forster: Reise um die Welt 26
(Aufenthalt in Dusky-Bay – Beschreibung derselben – Nachricht von unsern Verrichtungen)
“Auch die höheren Wissenschaften hatten diese wilde Einöde mit ihrer Gegenwart beehrt. Mitten unter den mechanischen Arbeiten ragte eine Sternwarte empor, die mit den besten Instrumenten versehen war, durch welche des Sternkundigen wachender Fleis den Gang der Gestirne beobachtete. Die Pflanzen, die der Boden hervorbrachte, und die Wunder des Thierreichs in Wäldern und Seen, beschäfftigten die Weltweisen, deren Stunden bestimmt waren, ihren Unterschied und Nutzen auszuspühren. Kurz überall, wo wir nur hinblickten, sahe man die Künste auf blühen, und die Wissenschaften tagten in einem Lande, das bis jetzt noch eine lange Nacht von Unwissenheit und Barbarey bedeckt hatte! Dies schöne Bild der erhöhten Menschheit und Natur war indeß von keiner Dauer. Gleich einem Meteor verschwand es fast so geschwind als es entstanden war. Wir brachten unsre Instrumente und Werkzeuge wieder zu Schiffe, und ließen kein Merkmal unsers Hierseyns, als ein Stück Land, das von Holz entblößt war. Zwar hatten wir eine Menge von europäischem Garten-Gesäme der besten Art hier ausgestreuet, allein das Unkraut umher wird jede nützliche Pflanze bald genug wieder ersticken und in wenig Jahren wird der Ort unsers Aufenthalts nicht mehr zu erkennen, sondern zu dem ursprünglichen, chaosgleichen Zustande wiederum herangesunken seyn. SIC TRANSIT GLORIA MUNDI! Augenblicke oder Jahrhunderte der Cultur machen in Betracht der vernichtenden Zukunft keinen merklichen Unterschied!“
(Forster S. 180/1)
"Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung."
(Lichtenberg G 183)
Auch die Bevölkerung von Neuseeland machte diese Entdeckung.

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