Georg Forster: Reise um die Welt 94
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
g. | Donnerstag, 20. Mai 2010, 07:36 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Unter andern trafen wir heute auch einen Mann an, der ganz blonde Haare, eine ausnehmend weiße Haut, und das ganze Angesicht voller Flecken und Blasen hatte. Es ist bekannt, daß man dergleichen einzelne Menschen, die an Farbe der Haut und der Haare vom allgemeinen National-Charakter abweichen, unter den Afrikanischen Negern, unter den Amerikanern, den Bewohnern der Moluckischen- und unter den Indianern der Südsee-Inseln angetroffen hat. Da man nun an dergleichen Leut mehrentheils eine große Schwäche der Leibesbeschaffenheit und vornemlich eine besondere Blödigkeit der Augen bemerkte; so sind mehrere Reisende der Meynung gewesen, daß eine solche auffallende Abweichung in der Farbe der Haut und der Haare erblich seyn, das ist, von einer Krankheit der Eltern herrühren müsse. Allein, bey dem Manne, den wir HIER antrafen, war nicht das geringste Zeichen einer körperlichen Schwäche und eben so wenig etwas mangelhaftes an den Gesichtswerkzeugen zu bemerken. Es müssen also seine Haut und Haare, wohl von einer andern und gelindern Ursach, entfärbt worden seyn. Um der Seltenheit willen schnitten wir, ihm sowohl als einem andern gemeinen Indianer, eine Haarlocke ab, die wir auch beyde mit uns zurückgebracht haben. Sie schienen diese Operation gar nicht gut zu heißen; da wir aber geschwinder dabey zu Werke gegangen, als sie es gewahr werden, geschweige denn verhindern können; so ließen sie sich durch einige Geschenke bald wieder zufrieden stellen. Ihre Unthätigkeit und Gutartigkeit scheint überhaupt, zumahl da, wo es nur Kleinigkeiten betrift, keinen anhaltenden Unwillen zuzulassen.“Das erinnert mich an eine Gruppe Kenianer, die, wohl 1984 den Spieß einmal umdrehen wollten, und deutschen Touristen an ihrer Kleidung herumnestelten und sie zum Verkauf eines ihrer Kleidungsstücke bewegen wollten. (siehe)
(Forster S. 850/1)
(mangelhafte Gesichtswerkzeuge)
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Georg Forster: Reise um die Welt 93
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
(Entdeckung von Neu-Caledonien – Nachricht von unserm dortigen Aufenthalt – Fahrt längst der Küste bis zur Abreise – Entdeckung von Norfolk-Eyland – Rückkehr nach Neu-Seeland)
g. | Dienstag, 18. Mai 2010, 08:43 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„In Betracht des Charakters dieser guten Leute, merkten wir bald, daß ihre Güte des Herzens und ihre Friedfertigkeit, zum Theil, mit natürlicher Trägheit verbunden war. Wenn wir spatzieren giengen, so folgten sie uns selten nach; kamen wir vor ihren Hütten vorüber, ohne zuerst zu reden, so ließen auch sie es gut seyn, und schienen sich gar nicht um uns zu kümmern. Nur die Weiber bezeigten etwas mehr Neugierde, und versteckten sich bisweilen ins Gebüsch, um uns von fern her ansichtig zu werden; herankommen durften sie aber nicht anders, als in Gesellschaft der Mannspersonen.“
(Forster S. 835)
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Georg Forster: Reise um die Welt 92
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Dienstag, 11. Mai 2010, 08:12 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Nunmehro richteten wir unsern Lauf gen Süden, um die Süd-See in ihrer größten Breite, nemlich bis zu Spitze von AMERIKA hin, zu durchkreutzen. So weit dieser Weg, und so entkräftet auch unsere Mannschaft war, weil sie lange Zeit über, und noch dazu in warmen Gegenden, nichts als eingesalzene Speisen genossen; so hatte sich der Capitain dennoch vorgenommen, auf der ganzen Fahrt nirgends anzulegen. Wäre dieser Anschlag zur Ausführung gekommen; so hätten wir unfehlbar mehrere von unsern Leuten eingebüßt, denn sie konnten wohl nicht alle noch längere Fasten ausstehen. Glücklicherweise hatten wir aber kaum drey Tage lang denselben Lauf gehalten, als uns ein großes Land aufstieß, das noch kein Europäer gesehen, und nun bekam der Rest unsrer Unternehmungen im Südmeer, auf einmal eine ganz andere Wendung.“
(Forster S. 821)
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Georg Forster: Reise um die Welt 91
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Donnerstag, 15. April 2010, 06:56 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Diese Gruppe von Eylanden, die wir, innerhalb 46 Tagen, nur obenhin untersucht hatten, scheint der Aufmerksamkeit künftiger Seefahrer werth zu seyn, zumal wenn je wieder eine Reise in der rühmlichen Absicht unternommen werden sollte, den Fortgang der Wissenschaften zu befördern. Ich brauche nicht, wie QUIROS*, vorzugeben, daß großer Reichthum an Silber und Perlen hier zu finden sey. Jener mußte freylich so sagen, um einen eigennützigen Hof, nur einigermaaßen, zu seinem großen, geistvollen Vorhaben anzuspornen: Jetzt aber sind dergleichen Lockungen, Gottlob, so nöthig nicht mehr. Schon haben die mächtigsten unter den Beherrschern Europens mehr als EINE Reise nach entfernten Weltgegenden veranstaltet, blos um den Anwachs nützlicher Kenntnisse und den allgemeinen Vortheil des menschlichen Geschlechts zu begünstigen. Sie scheinen endlich einmal inne geworden zu seyn, daß sich, für eben das Geld was sonst zu Besoldung feiler Lustigmacher und Schmeichler erfordert wurde, die glänzendsten Progressen, ja förmliche Revolutionen, in den Wissenschaften bewerkstelligen lassen, und daß die Gelehrsamkeit, von je her, nur geringer Unterstützung bedurft hat, um alle Hindernisse zu besiegen, welche Unwissenheit, Neid und Aberglauben ihr in den Weg legen. – Die natürlichen Producte der NEUEN HEBRIDEN, alles eingebildeten Reichthums nicht zu gedenken, sind es, meines Erachtens, schon allein werth, von neuem und genauer als diesmal untersucht zu werden.“*Pedro Fernández de Quirós (* 1555; † 1614), spanischer Entdecker.
(Forster S. 820/821)
(die rühmlichen Absicht, feile Lustigmacher, die glänzendsten Progressen)
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Das Riesenspielzeug
g. | Mittwoch, 14. April 2010, 06:49 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
"Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervor,
erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor
und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein,
neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.
Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.
"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm' ich mit nach Haus!"
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus
und feget mit den Händen, was sich da alles regt,
zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt,
und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
“Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höh'n."
Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
“Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei."
Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
so klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.
Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
“Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,
der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn?
Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
und fragst Du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr."
Adelbert von Chamisso
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Georg Forster: Reise um die Welt 90
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Dienstag, 13. April 2010, 07:24 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Sie sind von ungleich ernsthafterer Gemüthsart, als die Bewohner der SOCIETÄTS-INSELN, ja selbst ernsthafter als die Wilden von MALLICOLLO, und, nach der Aufnahmen zu urtheilen, welche uns die auf der flachen Anhöhe wohnenden Familien wiederfahren ließen, können wir ihnen auch Gastfreyheit und allgemeine Menschenliebe nicht absprechen, wenn sie nur nicht, durch Besorgniß für ihre Sicherheit, abgehalten werden, diese Eigenschaft zu äußern. Gegen ihre Frauenspersonen betrugen sie sich zwar nicht ganz so gütlich, als sie billigerweise thun sollten, jedoch auch bey weiten nicht so hart, oder gar grausam, als die NEU-SEELÄNDER; im Gegentheil scheint es, daß sie sich bereits DEM Grade von Sanftmuth nähern, den die Einwohner der FREUNDSCHAFTLICHEN und SOCIETÄTS-INSELN, in ihrer Behandlung des andern Geschlechts blicken lassen. Daß sie unerschrocken und tapfer waren, zeigte sich bey jeder Veranlassung; auch für großmüthig muß ich sie erkennen, denn SO betrugen sie sich nach der Ermordung ihres Landsmannes, vorzüglich gegen Dr. SPARRMANN und mich, als sie uns, im Walde, so ganz in ihrer Gewalt hatten. Daß es ihnen endlich auch keineswegs an Verstand fehle, haben wir, bey manchen Gelegenheiten, deutlich und bis zur Bewunderung wahrgenommen. Das wäre denn ihre GUTE Seite; auf der anderen läßt sich nun freylich, sowohl aus ihrem anfänglichen Betragen, als aus der Gewohnheit, nie ohne Waffen zu gehen, genugsam abnehmen, daß sie äußerst mißtrauisch seyn müssen, und, da sie selbst sich für Menschenfresser ausgeben; so wird ihnen wohl nicht zu viel geschehen, wenn wir sie auch für höchst rachsüchtig, und, in ihren Leidenschaften, für unbändig erklären. Vielleicht würde der Umgang, mit uns Europäern, Nutzen gestiftet, und den Wachsthum der Sittlichkeit befördert haben, wenn die letzte unüberlegte That nicht alle günstigen Eindrücke, welche sie etwa schon angenommen haben möchten, zu schnell wiederum ausgelöscht hätte! Europäische Waaren standen in keinem, oder doch nur sehr geringem Werth: Da wir aber eine Menge Nägel, imgleichen einige Äxte unter sie ausgetheilt haben; so wird ihnen die Dauerhaftigkeit dieses Metalls den Werth desselben erkennen lehren, und sie vermuthlich geneigt machen, bey der nächsten Anwesenheit eines europäischen Schiffes, allerhand Lebensmittel dafür herzugeben. -“(Gegen ihre Frauenspersonen betrugen sie sich zwar nicht ganz so gütlich, unerschrocken und tapfer)
(Forster S. 811/812)
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Georg Forster: Reise um die Welt 89
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Donnerstag, 8. April 2010, 08:09 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Dem geringen Umfang der Inseln im Süd-Meer, und dem gänzlichen Mangel an wilden vierfüßigen Thieren muß man es zuschreiben, daß die ersten Einwohner sich nicht, so wie die mehresten anderen Wilden, blos von der Jagd nähren, auch nicht ganz allein von der Viehzucht leben konnten, sondern, fast seit dem ersten Augenblick ihrer Niederlassung gleich auf den Ackerbau bedacht seyn mußten, vornemlich in solchen Gegenden, wo es nicht viel Fische gab. Ohne diese Nothwendigkeit, den Feldbau zu treiben, würden die Bewohner der Inseln, zwischen den Wendekreisen, wohl durchgehends noch nicht zu DEM Grade von Civilisation gelangt seyn, den wir würklich bey ihnen angetroffen haben. Um wie viel es aber eine dieser Völkerschaften der andern hierinn zuvor thut, das läßt sich, weil sie durchgehends feste, bleibende Wohnsitze haben, blos DANACH beurtheilen, ob sie, in ihrem häuslichen Leben, schon mehr oder weniger Bequemlichkeit zu erfinden, oder ihren Handarbeiten mehr oder weniger Zierlichkeit zu geben gewußt. Nach diesem Maaßstabe nun zu rechnen, stehen die Einwohner von TANNA noch ziemlich weit unten; ihre Häuser sind nur Schoppen, in keinem Betracht auf Bequemlichkeit eingerichtet, blos ein nothdürftiges Obdach gegen übles Wetter. Von Kleidung, nach deren Beschaffenheit sich das Maaß der Civilisation ebenfalls bestimmen läßt, wissen sie noch gar nichts, ja sie lassen es selbst noch an körperlicher Reinlichkeit fehlen, welches für die Aufnahme des geselligen Umgangs immer ein großes Hinderniß ist. An statt sich fleißig zu baden, wie die TAHITIER und ihre Nachbaren thun, bemahlen sie sich lieber mit allerhand Schminken, und werden dadurch unreinlich. Aber, neben allen diesen Mängeln, zeigen sie sich doch jetzt schon, die Anlagen und Vorbothen, zu einer höheren Verfeinerung ganz deutlich. Dahin rechne ich unter andern, die Geschicklichkeit ihrer Weiber in der Kochkunst, zu welcher die Mannigfaltigkeit der Nahrungsmittel Anlaß gegeben haben mag. Sie wissen z. B. die Yams und Pisangs zu braten oder zu rösten; grüne Feigenblätter und Okra (HIBISCUS ESCULENTUS) zu dämpfen und Puddings zu backen, davon der Teig aus Pisangsfrucht und Arum-Wurzeln, die Fülle, aus Cocos-Kernen und Blättern bestehet. Verschiedne Arten von Obst werden auch frisch, so wie sie vom Baume kommen, ohne Zubereitung, verzehrt. Dann und wann thun sie sich mit einem Stück Schweinefleisch, oder Federvieh etwas zu gute; der Fischfang mag ihnen ebenfalls manche Mahlzeit liefern, desgleichen die Vogeljagd, wiewohl der Ertrag dieser letzteren nicht als eine tägliche Speise, sondern nur als Leckerbissen in Anschlag gebracht werden kann. Sollte das Wohlgefallen an vielen und verschiedenen Gerichten unter dieser Nation zunehmen und allgemein werden; so würden auch der Ackerbau und alle diejenigen Manufacturen und Künste, die zu dieser Art des Wohllebens gehören, bald stärkere Schritte zur Vollkommenheit thun, denn die schwerste Arbeit wird uns leicht und unterhaltend, sobald wir sie aus eigner Willkühr oder zu Vergnügung der Sinne unternehmen: Wäre aber nur erst in EINEM Stück für die Verfeinerung der Sitten gesorgt, so würde sie auch bald genug in mehreren erfolgen. Schon jetzt hat die Musik hier eine höhere Stuffe der Vollkommenheit erreicht, als irgend sonstwo im Süd-Meer, und es ist wohl nicht zu läugnen, daß das Wohlgefallen an harmonischen Tönen eine gewisse Empfindlichkeit voraussetzt, die der Sittlichkeit den Weg bereitet. -Forsters Vorstellungen von Barbarei, Wildheit und Zivilisation.
Die Staatsverfassung ist, dem gegenwärtigen Zustande der Nation gemäß, noch sehr unvollkommen. Jedes Dorf, jede Familie, ist unabhängig, und vereinigt sich mit den Nachbarn nur alsdenn, wenn ihr gemeinschaftlicher Nutzen es durchaus so erfordert, zum Beyspiel, wenn feindliche Einfälle zu befürchten sind. Leute von Jahren und von bewährter Tapferkeit, scheinen bey dem großen Haufen in gewissem Ansehen zu stehen, Rangordnungen aber sonst noch unbekannt zu seyn. Das Interesse so vieler kleiner Partheyen, muß einander oft geradehin zuwider seyn, und sie folglich in Streitigkeiten verwickeln, die dann dem Mißtrauen und der Rachsucht unaufhörliche Nahrung geben. Diesem Übel kann allein in der Folge, vermittelst einer stärkeren Bevölkerung, abgeholfen werden; der Wachsthum dieser letzteren wird sie nemlich, dringender als andere Ursach, nöthigen, auf eine gewisse gesellschaftliche Vereinigung zu denken, und die Regierungsform auf festeren Fuß zu setzen. Die Verfertigung der Waffen, auf welche sie jetzt den größten Theil ihrer Zeit verwenden müssen, würde alsdenn, bey müßigen Stunden, gleichsam nur zum Zeitvertreib dürfen vorgenommen werden, und die Folgen eines solchen öffentlichen Ruhestandes, gegenseitiges Zutrauen und allgemeine Sicherheit, würden ihnen Muße verschaffen, es in der Zierlichkeit, aller Arten von Handarbeiten, eben so weit zu bringen, als die Einwohner der freundschaftlichen Inseln. Wie viel der Umgang mit den benachbarten Insulanern zu Beschleunigung dieses Zeitpuncts beytragen möchte, läßt sich so genau nicht angeben; im Ganzen aber ists wohl ausgemacht, daß, durch den Handel, der Fortgang der Civilisation ungemein befördert wird.
(Forster S. 808/810)
(sie bemalen sich mit allerhand Schminke, das Wohlgefallen an vielen und verschiedenen Gerichten, eine gewisse Empfindlichkeit, der große Haufen (für Masse, Gesellschaft), auf festeren Fuß)
Im 18. Jahrhundert waren deutlich mehr Präpositionen (hierinn , desgleichen, alsdenn) als heute gebräuchlich.
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Georg Forster: Reise um die Welt 88
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Dienstag, 6. April 2010, 07:34 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Über mir der Himmel heiter, das Säuseln des kühlen Seewindes um mich her, stand ich da, und genoß in Ruhe des Herzens alle das Glück, welches ein solcher Zusammenfluß von angenehmen Bildern nur gewähren kann. Unvermerkt verlohr ich mich in eine Reihe von Betrachtungen über den Nutzen, den unser hiesiger Aufenthalt unter den Insulanern gestiftet haben könnte, und welch einen Zuwachs von Vergnügen verschafte mir nicht der beruhigende, damals noch ganz ahndungsfreye Gedanke, daß wir uns hier, zur Ehre der Menschheit in einem sehr vorteilhaften Lichte gezeigt hätten! Wir hatten nun vierzehn Tage unter einem Volke zugebracht, das sich anfänglich äußerst mißtrauisch und ganz entschlossen bewieß, auch die geringste Feindseligkeit nicht ungeahndet zu lassen. Diesen Argwohn, dieses eingewurzelte Mißtrauen, hatten wir durch kühles, überlegtes Verhalten, durch Mäßigung, und durch das Gleichförmige aller unserer Handlungen, zu besiegen, zu vertreiben gewußt. Sie, die in ihrem Leben noch NIE mit so harmlosen, friedfertigen, und gleichwohl nicht feigen oder verächtlichen, Leuten umgegangen, sie, die bisher in jedem Fremden, einen heimtückischen, verrätherischen Feind zu sehen gewohnt waren, hatten jetzt von UNS, und durch UNSER Beispiel gelernt, ihre Nebenmenschen höher zu schätzen! Sobald wir es einmal DAHIN gebracht hatten, jenen heftigen, aufbrausenden Naturtrieb, der allein die Wilden so argwöhnisch, scheu und feindselig macht (Selbsterhaltung) zu besänftigen, sobald sahe man auch schon in ihren rohen Seelen jenen zweyten, nicht minder starken Naturtrieb – Geselligkeit – aufkeimen und sich entwickeln. Kaum fanden sie, daß die Fremden die Früchte ihres Landes nicht als eine Beute, mit Gewalt wegnehmen wollten, so theilten sie ihnen solche freywillig mit. Schon gestatteten sie uns, ihre schattenreiche Wohnungen zu besuchen, und ließen uns, so einträchtig als es den Mitgliedern einer und derselben Familie geziemt, mitten unter sich sitzen. Nach wenig Tagen begannen sie sogar, an unsrer Gesellschaft Vergnügen zu finden, und NUN öfnete sich ihr Herz einem neuen uneigennützigen Gefühl von überirdischer Art, der Freundschaft! Welch ein schätzbares Bewußtseyn, rief ich aus, auf solche Art das Glück eines Volkes befördert und vermehrt zu haben! welch ein Vortheil, einer gesitteten Gesellschaft anzugehören, die solche Vorzüge genießt und andern mittheilt! Hier unterbrach mich das Geräusch eines herankommenden Wanderers. Es war Dr. SPARRMANN. Ich zeigte ihm die Gegend, und erzählte ihm, zu was für Gedanken sie mich verleitet hätte. Die Übereinstimmung seines Gefühls theilte dem meinigen neue Lebhaftigkeit mit. Doch, endlich mußten wir uns losreißen und nach dem Schiffe zurückkehren, weil der Mittag nicht weit war. Der erste Einwohner, dem wir begegneten, flüchtete vor uns, und versteckte sich hinters Gebüsch. Unmittelbar darauf trafen wir, beym Eingange einer Plantage, eine Frau an, die, allem Ansehen nach, eben so gern davon gelaufen wäre, es aber nicht wagte, weil wir ihr ganz unerwartet und schon sehr nahe gekommen waren. Mit zitternder Hand und mit verstörtem Gesicht, bot sie uns einen Korb voll Yambos-Äpfel an. Dies Betragen befremdete uns nicht wenig; doch kauften wir ihr die Früchte ab und giengen weiter. Sowohl innerhalb als ausserhalb dieser Plantage standen viele Männer im Gebüsch, die unaufhörlich winkten, daß wir an den Strandt zurückgehen möchten. Sobald wir aus dem Walde heraustraten, klärte sich das Räthsel auf. Zween Männer saßen im Grase und hielten einen Dritten, todt, in ihren Armen. Sie zeigten uns eine Wunde, die er von einer Flintenkugel in die Seite bekommen hatte und sagte dabey mit dem rührendsten Blick: »er ist umgebracht.« 1 Auf diese Bothschaft eilten wir nach der Gegend des Strandes, wo unsere Leute sich aufzuhalten pflegten, fanden aber keinen einzigen Indianer bey ihnen, und erfuhren, wie die Sache zugegangen war. Man hatte, wie gewöhnlich, eine Schildwache aufgestellt, die den Platz, den unsere Leute zu ihren Geschäften brauchten, von Indianern rein halten mußte, dahingegen die Matrosen diese Scheidelinie ohne Bedenken überschreiten, und sich nach Belieben unter die Wilden mischen durften. Einer von den Indianern, der vielleicht seit unserm Hierseyn noch nie am Strande gewesen seyn mochte, hatte sich zwischen seinen Landsleuten vorgedrängt und wollte über den freyen Platz gehen. Weil aber unsere Leute diesen für sich allein zu haben meynten; so nahm die Schildwache den Indianer beym Arm, und stieß ihn zurück. Dieser hingegen glaubte mit Recht, daß ihm, auf seiner eigenen Insel, ein Fremder nicht vorzuschreiben habe, und versuchte es daher von neuem, über den Platz wegzugehen, vielleicht blos um zu zeigen, daß er gehen könne, wo es ihm beliebte. Allein, die Schildwache sties ihn zum zweytenmal, und zwar mit solchem Ungestüm zurück, daß wohl ein minder jähzorniger Mann, als ein Wilder, dadurch hätte aufgebracht werden müssen. Kein Wunder also, daß er, um seine gekränkte Freyheit zu vertheidigen, einen Pfeil auf den Bogen legte, und damit nach dem, der ihn angegriffen, zielte. Dies ward der Soldat nicht sobald gewahr, als er sein Gewehr anschlug, und den Indianer auf der Stelle todt schoß. In dem Augenblick da dieser fiel, trat der Capitain ans Land, und sahe, wie die übrigen davon liefen, um den grausamen, verrätherischen Leuten zu entkommen, die auf fremdem Boden sich solche Ungerechtigkeiten erlaubten. Bereit, den Fehler wieder gut zu machen, schickte er den Soldaten alsbald geschlossen an das Schiff, und gab sich alle Mühe, die Einwohner zu besänftigen. Verschiedene derselben, besonders die, welche auf der östlichen hohen Ebene wohnten, ließen sich auch wirklich überreden, stehen zu bleiben, und denen von neuem zu trauen, die das vornehmste Gebot der Gastfreyheit so schändlich aus den Augen gesetzt hatten. Wahrlich ein rührender Beweis, von der angebohrnen Güte des menschlichen Herzens! Eine eben so seltne Mäßigung war es, daß die Wilden, Dr. SPARRMANN und mir nicht das gerinsgte Leid zufügten, da sie doch den Mord ihres Landsmannes an uns beyden aufs nachdrücklichste hätten rächen können.“Koloniale Idylle und Realität.
1 In ihrer Sprache wird dies ungleich eindringender durch das einzige Wort, MARKOM, ausgedrückt.
(Forster S. 799/801)
(zur Ehre der Menschheit, den heftigen, aufbrausenden Naturtrieb besänftigen, die rohe Seele, das Glück eines Volkes, neue Lebhaftigkeit, ein minder jähzorniger Mann, die angeborene Güte des menschlichen Herzens)
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Georg Forster: Reise um die Welt 87
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Donnerstag, 1. April 2010, 06:59 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Die Männer bezeigten, wie es schien, nicht die mindeste Achtung gegen die Weiber, indeß diese auf den kleinsten Wink gehorchten, und, der Aussage unserer Matrosen zufolge, oft den niedrigen Dienst von Lastthieren versehen mußten. Dergleichen schwere Arbeit mag vielmals ihre Kräfte übersteigen, und kann auf solche Art wohl mit Schuld daran seyn, daß sie von so kleinlicher und schwächlicher Statur sind. Indeß pflegen ALLE ungesittete Völker den Weibern die allgemeinen Rechte der Menschheit zu versagen, und sie als Geschöpfe von niederer Art zu behandeln; denn der Gedanke, Glück und Freude im Schoos einer Gefährtin zu suchen, entsteht erst bey einem höheren Grad von Cultur. So lange nemlich der Mensch noch unabläßig mit der Sorge für seine Erhaltung beschäftigt ist, so lange können nur wenig verfeinerte Empfindungen im Umgange zwischen beyden Geschlechtern statt haben, vielmehr muß dieser sich blos auf thierischen Genuß einschränken. Auch siehet der Wilde die Schwäche und das sanfte duldende Wesen der Weiber nicht für Aufmunterung und Schutz bedürfende Eigenschaften, sondern vielmehr als einen Freyheitsbrief zur Unterdrückung und Mishandlung an, weil die Liebe zur Herrschsucht dem Menschen angeboren, und so mächtig ist, daß er ihr, zumal im Stande der Natur, selbst auf Kosten des Wehrlosen fröhnet. Erst mit dem Anwachs der Bevölkerung, wenn die Nahrungs-Sorgen nicht mehr jedem einzelnen Mitglied unmittelbar zur Last fallen, sondern gleichsam auf die ganze Gesellschaft vertheilt sind; erst alsdann nimmt das Maas der Sittlichkeit zu, Überfluß tritt an die Stelle des Mangels, und das nunmehr sorgenfreyere Gemüth fängt an die sanfteren Freuden des Lebens zu genießen, dem Verlangen nach Erholung und Fröhlichkeit Gehör zu geben, und die liebenswürdigen Eigenschaften des anderen Geschlechts kennen und schätzen zu lernen. Bey alledem ist aber auch der roheste Wilde einer gewissen Zärtlichkeit und Zuneigung ganz wohl fähig. Dies äußert sich augenscheinlich, so lange er noch als Knabe, gedankenlos und sorgenfrey herumläuft; sobald er aber bey zunehmenden Jahren anfangen muß, selbst für seine Bedürfnisse zu sorgen, dann wird freylich, durch den Trieb diese zu befriedigen, jede weniger dringende Empfindung bald überwogen und geschwächt.“Betrachtungen über das Verhältnis der Geschlechter.
(Forster S. 779/80)
(Die Männer bezeigten nicht die mindeste Achtung gegen die Weiber, von kleinlicher und schwächlicher Statur, Glück und Freude im Schoß einer Gefährtin, das sanfte duldende Wesen der Weiber, die sanfteren Freuden des Lebens, das Verlangen nach Erholung und Fröhlichkeit, der roheste Wilde, jede weniger dringende Empfindung)
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Georg Forster: Reise um die Welt 86
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
(Nachricht von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Abreise von den neuen Hebridischen-Inseln)
g. | Dienstag, 30. März 2010, 07:43 | Themenbereich: 'Notate und Anmerkungen'
„Indem wir über die Landspitze weg und längs dem jenseitigen Ufer fortgehen wollten, stellten sich mit einmal funfzehen bis zwanzig Indianer in den Weg und baten uns, sehr ernstlich, umzukehren. Als sie sahen, daß wir nicht die geringste Lust dazu bezeigten, so wiederholten sie ihre Bitte, und gaben endlich durch allerhand Gebehrden zu verstehen, daß ihre Landsleute uns ohnfehlbar todtschlagen und fressen würden, wenn wir noch weiter vordringen wollten. Es befremdete uns, daß diese Insulaner, die wir nimmermehr für Menschenfresser gehalten hätten, sich auf solche Art selbst dafür ausgaben. Zwar hatten sie sich schon bey andern Gelegenheiten etwas ähnliches merken lassen; da es aber lieblos gewesen wäre sie auf eine bloße Vermuthung einer solchen Barbarey zu beschuldigen, so stellten wir uns, als hätten wir ihre Zeichen dahin verstanden, daß sie uns etwas zu essen anböten, giengen also immer weiter fort und winkten ihnen zu, daß wir’s uns recht gut würden schmecken lassen. Nun gaben sie sich alle Mühe uns aus dem Irrthum zu reißen, und deuteten uns durch Zeichen sehr verständlich an, daß sie einen Menschen zuerst todtschlügen, hierauf die Glieder einzeln ablösten, und dann das Fleisch von den Knochen schabten. Endlich setzten sie die Zähne an den Arm, damit uns gar kein Zweifel übrig bleiben sollte, daß sie würklich Menschenfleisch äßen. Auf diese Warnung kehrten wir von der Landspitze zurück, und giengen nach einer Wohnhütte hin, die, ohngefähr funfzig Schritt davon, auf einer Anhöhe lag. Sobald uns die Bewohner derselben herauf kommen sahen, liefen sie hinein und holten sich Waffen heraus, vermuthlich um uns zurück zu treiben, weil sie glauben mochten, daß wir, als Feinde, ihnen das ihrige rauben wollten. Zu Steuerung dieses Argwohns, mußten wir einer Wißbegierde Schranken setzen, die uns sonst gewiß nachtheilig geworden seyn würde. Gleichwohl lief sie keineswegs auf eine Kleinigkeit heraus: Es pflegten nehmlich die Indianer auf dieser Landspitze an jedem Morgen, bey Tages Anbruch, einen langsamen feyerlichen Gesang anzustimmen, der gemeiniglich über eine Viertelstunde dauerte, und wie ein Todtenlied klang. Dies dünkte uns eine religiöse Ceremonie zu seyn, und ließ vermuthen, daß dort irgendwo ein geheiligter Ort verborgen seyn müsse, zumahl da die Einwohner uns auch immer so geflissentlich von dieser Gegend abzuleiten suchten.“Vermeintliche oder tatsächliche Menschfresserei
(Forster S. 759/60)
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